L 18 AS 947/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 134 AS 1876/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 947/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialge-richts Berlin vom 4. April 2017 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2016 verpflichtet, den Bescheid vom 12. Februar 2015 zu ändern und dem Klä-ger für die Zeit vom 1. März 2015 bis 30. September 2015 Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesam-ten Verfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist im Zugunstenverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungs-verfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) der Anspruch des Klägers auf Gewäh-rung von Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) nach dem Sozi-algesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum 1. März 2015 bis 30. September 2015.

Der 1991 geborene, alleinstehende Kläger lebte zunächst bis zu seinem Umzug im August 2011 im Haushalt seiner Mutter zusammen mit seiner im Mai 2008 gebore-nen Schwester in einer Zweieinhalbzimmerwohnung mit einer Wohnfläche von 66,86 m² in der F in B. Er bezog als Angehöriger dieser Bedarfsgemeinschaft vom Beklag-ten SGB II-Leistungen bis 31. Juli 2011 (Bescheid vom 28. Juli 2011). Die aufgrund des von der Mutter im März 2011 gestellten Leistungsantrags den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 1. Mai 2011 bis 31. Oktober 2011 bewilligten Leistungen hob der Beklagte dem Kläger gegenüber mWv 1. August 2011 auf (Be-scheid vom 30. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Sep-tember 2011). Am 1. September 2011 stellte der Kläger einen Antrag auf SGB II-Leistungen, den der Beklagte für September 2011 ablehnte (Bescheid vom 7. Sep-tember 2011).

Der Kläger war ab 17. Mai 2011 bis zur arbeitgeberseitigen Kündigung mit Schreiben vom 29. August 2011 zum 14. September 2011 sozialversicherungspflichtig bei der H GmbH beschäftigt; auf den Arbeitsvertrag vom 16. Mai 2011 wird Bezug genommen. Hieraus erzielte er im August 2011 ein Nettoeinkommen iHv 851,67 EUR. Auf die Entgeltabrechnungen im Übrigen wird verwiesen. Mit dem am 8. August 2011 geschlossenen schriftlichen Mietvertrag mietete der Kläger ab 1. September 2011 eine Einzimmerwohnung unter der im Rubrum genannten Adresse an, für die eine monatliche Miete iHv zunächst 363,90 EUR (240,00 EUR Nettokaltmiete, 70,98 EUR Betriebskostenvorauszahlungen, 47,88 EUR Heizkostenvorschuss, 5,04 EUR Aufzugskosten) zu entrichten war. Der Kläger bezog diese Wohnung am 29. August 2011, ohne eine entsprechende Zusicherung des Beklagten zu den KdUH einzuholen. Seitdem lebt der Kläger in dieser Wohnung. In der Folgezeit ab dem 1. Oktober 2011 bewilligte der Beklagte lediglich Leistungen nach dem SGB II iHv jeweils 80 vH der gesetzlichen Regelleistung, jedoch – durchgehend bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des Klägers - ohne Berücksichtigung von KdUH

Auf seinen Weiterbewilligungsantrag vom 10. Februar 2015 bewilligte der Beklagte durch Bescheid vom 12. Februar 2015 für die Zeit vom 1. März 2015 bis 29. Februar 2016 vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe eines Regelbedarfs von monat-lich 320,- EUR, nicht jedoch für KdUH. Der Arbeitgeber des Klägers A S bestätigte mit Schreiben vom 18. August 2015 gegenüber dem Beklagten, dass er die Miete des Klägers darlehensweise begleiche. Durch Bescheid vom 17. September 2015 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung ab dem 1. Oktober 2015 auf, da der Kläger ab diesem Zeitpunkt eine Ausbildung absolvierte und Leistungen nach dem Bundesaus-bildungsförderungsgesetz bezog.

Im Oktober 2015 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 12. Februar 2015 "sowie der gegebenenfalls infolge erlassenen Änderungsbe-scheide" gemäß § 44 SGB X und machte geltend, er habe im Leistungszeitraum 1. März 2015 bis 29. Februar 2016 auch Anspruch auf Leistungen für KdUH und zwar unabhängig von einer vorher erteilten Zusicherung des Beklagten zum Umzug in die neue Wohnung. Das Verhältnis zu seiner Mutter sei zerrüttet, ein Rückzug in deren Haushalt unzumutbar. Angesichts des Zeitablaufs sei die Verweigerung von Leistun-gen für KdUH nicht nachvollziehbar, er könne sich seit Jahren die Wohnung nur unter höchsten Entbehrungen leisten, weshalb die Voraussetzungen des §§ 22 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 SGB II vorlägen. Mit Bescheid vom 29. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2016 lehnte der Beklagte den Antrag ab.

Die im Ergebnis auf Gewährung von KdUH-Leistungen für die Zeit vom 1. März 2015 bis 30. September 2015 gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Berlin abgewie-sen (Gerichtsbescheid vom 4. April 2017): Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger sei ohne die nach § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II erforderliche Zusicherung des Beklagten umgezogen. KdUH seien deshalb nicht zu übernehmen. Auch ein Fall des § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II liege nicht vor, zumal es dem Kläger zumutbar gewesen sei, eine vorherige Zusicherung einzuholen. Mit seiner Berufung macht der Kläger verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II geltend und betont, im Umzugsmonat nicht im SGB II-Leistungsbezug gestanden zu haben. Die Vorschrift sei daher gar nicht anzuwenden. Im Übrigen habe ein Härtefall vorgelegen. Auch könne er nunmehr nach mehreren Jahren nicht mehr auf die Wohnung der Mutter verwiesen werden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4. April 2017 und den Bescheid des Beklagten vom 29. Oktober 2015 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 8. Januar 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 12. Februar 2015 zu ändern und dem Kläger für die Zeit vom 1. März 2015 bis 30. September 2015 Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Eine Zusicherung für den Umzug des Klägers in seine neue Wohnung sei nicht entbehrlich gewesen. Der Klä-ger habe deshalb keinen Anspruch auf Gewährung von KdUH. Im Umzugsmonat seien dem Kläger im Übrigen zwar keine Leistungen gewährt worden, dieser habe indes seinerzeit Widerspruch gegen die Leistungsaufhebung eingelegt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die vorge-legen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.

Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 iVm § 56 Sozialge-richtsgesetz (SGG)), gerichtet auf die Aufhebung des die Überprüfung der - nun-mehr nach der gesetzlichen Fiktion des § 41a Abs. 5 Satz 1 iVm § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II - abschließenden Bewilligung für den streitbefangenen Zeitraum ablehnenden Überprüfungsbescheids sowie auf Erteilung eines entsprechenden Änderungsbe-scheids und auf Gewährung von KdUH-Leistungen dem Grunde nach (vgl § 130 Abs. 1 SGG). Die Beschränkung auf die Geltendmachung von KdUH begegnet keinen Bedenken (vgl schon Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 37/14 R 0 SozR 4-4200 § 27 Nr 2 – Rn 12 mwN).

Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf KdUH-Leistungen unter entsprechender Änderung des die Leistungen für den streitbefan-genen Zeitraum feststellenden Bescheides vom 12. Februar 2015 sind § 40 Abs. 1 SGB II iVm § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X und §§ 19 ff iVm § 7 ff SGB II idF des SGB II, die es vor dem streitbefangenen Zeitraum zuletzt durch das Gesetz vom 20. Juni 2011(BGBl I 1114) erhalten hat (zur Maßgeblichkeit des zum damaligen Zeitpunkt geltenden Rechts in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungs-abschnitte BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 - B 14 AS 53/15 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 78 Rn 15 mwN).

Auch nach Unanfechtbarkeit ist hiernach ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Ver-gangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Leistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 40 Abs. 1 SGB II iVm § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGB X). Der Beklagte hat bei seiner Bewilligungsentscheidung für den in Rede stehenden Zeitraum zu Unrecht keine Leistungen für KdUH in Ansatz gebracht.

Der Kläger erfüllte im Streitzeitraum nach den Feststellungen des Senats die Grund-voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II (erwerbsfähiger Leistungsberechtig-ter), aber keinen Ausschlusstatbestand. Er bildete im streitigen Zeitraum von März 2015 bis September 2015 keine Bedarfsgemeinschaft mit anderen Personen, son-dern war alleinstehend. Alleinstehend – iSd § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II ist, wer keiner Bedarfsgemeinschaft mit anderen hilfebedürftigen Personen angehört bzw allein für seine Person "eine Bedarfsgemeinschaft" bildet (vgl BSG, Urteil vom 17. Juli 2014 - B 14 AS 54/13 R = BSGE 116, 200 = SozR 4-4200 § 7 Nr 37 - Rn 2). Der Bedarfs-gemeinschaft mit seiner Mutter und seiner Schwester gehörte der Kläger nach sei-nem Auszug nicht mehr an.

Bedarfe für KdUH werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. § 22 Abs. 5 SGB II be-stimmt: Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umzie-hen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat (Satz 1). Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn 1. die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, 2. der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder 3. ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt (Satz 2). Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Er-fordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen (Satz 3). Be-darfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leis-tungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Ge-währung der Leistungen herbeizuführen (Satz 4).

Der Kläger ist als unter 25 Jahre alte, volljährige erwerbsfähige leistungsberechtigte Person aus der bisherigen mütterlichen Wohnung ausgezogen und mit seinem Ein-zug in die im Rubrum bezeichnete Wohnung in eine andere Unterkunft iS des § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II umgezogen, ohne zuvor eine Zusicherung eingeholt zu haben. Es handelte sich um seinen erstmaligen Umzug, sodass es vorliegend nicht darauf ankommt, ob § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II stets nur auf den erstmaligen Umzug An-wendung findet. Mit seinem Umzug hat der Kläger als Alleinstehender "eine Bedarfs-gemeinschaft" neu begründet. Der Kläger hat vor dem Umzug auch einen Vertrag abgeschlossen (vgl zu diesem Erfordernis BSG, Urteil vom 25. April 2018 - B 14 AS 21/17 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 95 – Rn 23 ff mwN). Es sind auch trotz der vom Klä-ger geschilderten familiären Situation keine Tatsachen feststellbar, die den Schluss zuließen, dass es dem Kläger aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusiche-rung einzuholen (vgl § 22 Abs. 5 Satz 3 SGB II).

Das Zusicherungserfordernis des § 22 Abs. 5 Satz 1 greift jedoch vorliegend schon deshalb nicht, weil der Kläger beim Abschluss des Mietvertrags und im Umzugszeit-punkt (August 2011) – was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist - nicht im Leistungsbezug stand. Die durch § 22 Abs. 5 SGB II vorgesehene leistungsbegren-zende Ausnahmeregelung für junge Erwachsene ist wegen ihrer Strenge eng auszu-legen, um deren durch die Verfassung zu schützende Belange zu wahren und ihnen eine grundsicherungsrechtlich folgenlose Auflösung des bisherigen gemeinsamen Haushalts mit den Eltern oder einem Elternteil nicht über das durch § 22 Abs. 5 SGB II nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift ge-botene Maß hinaus zu erschweren (vgl BSG, Urteil vom 14. März 2012 - B 14 AS 17/11 R = BSGE 110, 204 = SozR 4-4200 § 9 Nr 10 – Rn 30; vgl auch Bundesver-fassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 371/11 - BVerfGE 142, 353 = SozR 4-4200 § 9 Nr 15). § 22 Abs. 5 SGB II bezweckt danach keine prä-ventive Lebensführungskontrolle, sondern greift dann nicht, wenn der Betreffende im Umzugsmonat weder Leistungen nach dem SGB II beantragt noch solche erhalten hat (vgl zur inhaltsgleichen Vorgängerregelung des § 22 Abs. 2a SGB II: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – B 14 AS 23/09 R – juris – Rn 16). Allerdings ist zu beach-ten, dass dem Leistungsantrag gemäß § 37 SGB II nur konstituierende Bedeutung dahingehend zukommt, dass Leistungen frühestens ab Antragstellung zustehen, so-weit die Leistungsvoraussetzungen gegeben sind. Die damit zunächst (nur) verbun-dene subjektive Erwartung einer Leistungsberechtigung führt noch nicht zur Oblie-genheit der Einholung einer Zusicherung (vgl zu § 22 Abs. 2 Satz SGB II aF: BSG, Urteil vom 30. August 2010 – B 4 AS 10/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 40 – Rn 18).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze folgt ein Zusicherungserfordernis nach § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II hier auch nicht daraus, dass der Kläger seinerzeit Wider-spruch gegen den Aufhebungsbescheid mWv 1. August 2011 vom 30. Juni 2011 eingelegt hatte. Dieser letztlich erfolglose (vgl Widerspruchsbescheid vom 7. Sep-tember 2011) Widerspruch – nicht Antrag - war zwar "bescheidungspflichtig" und brachte das Begehren zum Ausdruck, auch über den 31. Juli 2011 hinaus SGB II-Leistungen beziehen zu wollen, letztlich steht aber für die Beteiligten und das Gericht bindend (vgl § 77 SGG) fest, dass der Kläger den Status einer "erwerbsfähigen leis-tungsberechtigten Person" (vgl § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II, zu dem § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB als lex specialis anzusehen ist) weder zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages noch zum Zeitpunkt des Umzugs innehatte. Hinzu kommt, dass bei der verfassungsrechtlich gebotenen engen Auslegung von § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II, die lediglich verhindern soll, dass der Auszug junger Hilfebedürftiger mit öffentlichen Mitteln finanziert wird, zu beachten ist, dass dieser Zusicherungsvorbehalt dann keine Anwendung finden kann, wenn prognostisch der junge Erwachsene seinen Lebensunterhalt nach dem Auszug aus der elterlichen Wohnung unabhängig von Grundsicherungsträger bestreiten kann. Zwar bestand (objektiv) auch unter Zugrundelegung des im August 2011 erarbeiteten Nettoentgelts iHv 851,67 EUR und eines zu berücksichtigenden mtl Bedarfs des Klägers iHv 727,90 EUR (Regelleistung = mtl 364,- EUR; KdUH = mtl 363,90 EUR) noch Hilfebedürfigkeit, weil aufgrund der anzusetzenden Freibeträge iHv insgesamt 290,93 EUR) ein ungedeckter Bedarf iHv 167,16 EUR verblieben wäre. Zu beachten ist aber, dass der unbefristete Arbeitsvertrag vom 16. Mai 2011 auch die Möglichkeit einer höheren tgl Arbeitszeit als sieben Stunden und damit auch wesentlich höhere Entgelte ermöglichte und zudem tarifliche Zulagen zu zahlen waren. Dies rechtfertigt die Einschätzung, dass der Kläger prognostisch in der Lage gewesen wäre, seinen Bedarf durch Erwerbseinkommen zu sichern, und dies zeitweise, nämlich im August und im September 2011, faktisch auch konnte. Dass das Arbeitsverhältnis zum 14. September 2011 gekündigt wurde, ändert als nachträglicher Umstand hieran nichts.

Die derart gebotene Auslegung des § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II ergibt sich auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen. Zwar hat das BVerfG (vgl aaO) das - mit der Verfassungsbeschwerde seinerzeit nicht angegriffen gewesene - Zusicherungserfor-dernis des § 22 Abs. 2a SGB II aF (jetzt § 22 Abs. 5 SGB II) bei seiner Entscheidung berücksichtigt, für zumutbar gehalten und als Einschränkung des Selbstbestim-mungsrechts für zu rechtfertigen angesehen. Doch es hat dabei ausdrücklich nicht darüber entschieden, ob es verfassungsrechtlich zu rechtfertigen ist, Bedürftigen bei Auszug aus der Wohnung einer Bedarfsgemeinschaft ohne Zustimmung des Leis-tungsträgers weiter nur 80 % der existenzsichernden Regelleistung für Alleinstehen-de und keinerlei KdUH-Leistungen zu zahlen, obgleich der existenznotwendige Be-darf stets zu sichern ist. Nunmehr hat das BVerfG zu § 31a Abs. 1 Satz 3 SGB II, der in den dort genannten Sanktionsfällen einen vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II, also auch der Leistungen für KdUH, vorsieht, entschieden, dass diese Regelung insoweit mit dem Grundgesetz unvereinbar ist (vgl BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 – juris). Eingedenk dessen, dass der Kläger im hier in Rede stehenden Zeitraum schon fast dreieinhalb Jahre ausgezogen war, ist auch im Hinblick auf den erhöhten Raumbedarf der Schwester zudem nicht ersichtlich, dass eine zumutbare Möglichkeit bestanden hätte, in die mütterliche Wohnung zurückzukehren und den Unterkunftsbedarf insoweit zu decken.

Der Kläger konnte seinen KdUH-Bedarf im Streitzeitraum nicht durch eigenes Ein-kommen bzw Vermögen decken. Der Beklagte war daher dem Grunde nach zur Tra-gung der KdUH-Leistungen zu verpflichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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