L 7 P 25/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 1 P 87/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 25/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 8. Mai 2003 sowie der Bescheid der Beklagten vom 5. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2001 abgeändert und die Beklagte entsprechend ihrem Anerkenntnis verurteilt, der Klägerin ab 29. März 2003 Leistungen nach Pflegestufe I zu bewilligen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von höheren Leistungen aus der Pflegeversicherung streitig.

Die 1923 geborene Klägerin beantragte am 05.12.2000 unter Vorlage eines Attestes des Dr.B. Leistungen aus der Pflegeversicherung. Nach Durchführung eines Hausbesuches erstattete eine Pflegefachkraft des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen in Bayern (MDK) das Gutachten vom 26.02.2001, nach dem im Bereich der Körperpflege ein Pflegebedarf von 14 Minuten, bei der Mobilität von 10 Minuten und bei der hauswirtschaftlichen Versorgung von 60 Minuten bestehe.

Mit Bescheid vom 05.03.2001 lehnte die Beklagte eine Leistungsgewährung ab. Den Widerspruch wies sie nach Einholung einer nach Aktenlage erstellten Stellungnahme des MDK vom 03.05.2001 mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2001 zurück.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, seit Mitte Juli 1998 nicht mehr gehen zu können, weshalb ihr im September 1998 eine Vollprothese im rechten Knie implantiert worden sei. Seit Oktober 1999 sei sie mehr und mehr gehbehindert. Der Pflegeumfang betrage täglich 395 Minuten.

Nach Einholung von Befundberichten des Facharztes für Neurologie Dr.E. , des praktischen Arztes Dr.B. und des Orthopäden Dr.G. hat das SG den Internisten, Sozialmediziner und Arzt für öffentliches Gesundheitswesen Dr.T. zum Sachverständigen bestellt. Dieser hat die Klägerin am 14.02.2002 zu Hause aufgesucht. In dem Gutachten vom gleichen Tage hat er einen Hilfebedarf beim einmal wöchentlich erfolgenden Baden von umgerechnet täglich 4,3 Minuten und in der Mobilität einen solchen von 7 Minuten, in der hauswirtschaftlichen Versorgung von 121,4 Minuten festgestellt. Die von ihm und dem Pfleger der Klägerin geltend gemachten Hilfen beträfen im Wesentlichen den Bereich der Krankenversorgung bzw. Krankenpflege. Das tischfertige Zubereiten der Speisen gehöre nicht zum Bereich der Grundpflege.

Mit Gerichtsbescheid vom 08.05.2003 hat das SG die Klage abgewiesen und sich in der Begründung auf das Gutachten des Dr.T. gestützt. Der Gerichtsbescheid ist der Klägerin laut PZU am 09.05.2003 zugestellt worden. Am 12.06.2003 ist die von der Klägerin und ihrem Ehemann unterzeichnete Berufung beim SG eingegangen. Die Klägerin sei mittlerweile derart geschwächt, dass sie in sämtlichen Bereichen vollständiger Pflege bedürfe.

Vom Senat auf die Verfristung der Berufung hingewiesen hat der Bevollmächtigte geltend gemacht, die Klägerin sei nicht mehr im Stande, wichtige Termine zu vermerken und einzuhalten. Er hat ein Attest des Dr.B. vom 22.10.2003 vorgelegt, wonach bei der Klägerin ein hirnorganisches Psychosyndrom mit ausgeprägter Störung der zeitlichen und örtlichen Orientierung sowie eine gravierende Störung des Kurzzeitgedächtnisses vorliege, weshalb es durchaus nachvollziehbar sei, dass sie Posteingang nicht registriere, verlege oder vergesse.

Nach Einholung eines weiteren Befundberichtes des Dr.B. hat die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.A. im Auftrag des Senats die Klägerin am 07.02.2004 zu Hause aufgesucht und das Gutachten vom 10.02.2004 erstellt. Der Hilfebedarf betrage in der Grundpflege 49 Minuten. Dies sei ab dem Zeitpunkt der Untersuchung, vermutlich aber bereits seit Oktober 2003, der Fall.

Der Bevollmächtigte der Klägerin hat in der Stellungnahme vom 25.02. und 02.04.2004 sinngemäß geltend gemacht, es bestehe Anspruch auf Leistungen nach einer höheren Pflegestufe. Bei der Klägerin komme es des Öfteren zu Inkontinenz.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 08.05. 2003 sowie den Bescheid vom 05.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ab 05.12.2000 Leistungen nach einer höheren Pflegestufe als Pflegestufe I zu bewilligen.

Die Beklagte hat sich im Rahmen eines Teilanerkenntnisses bereit erklärt, der Klägerin ab 29.03.2003 Leistungen nach Pflegestufe I zu bewilligen.

Im Übrigen beantragt sie, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 21.06.2004 wegen der Versäumnis der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist aufgrund des Beschlusses des Senats über die Wiedereinsetzung gemäß § 67 Abs.4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als teilweise begründet. Der Klägerin stehen für die Zeit ab 29.03.2003 Leistungen nach Pflegestufe I zu. Gemäß § 202 SGG i.V.m. § 307 Abs.1 ZPO war die Beklagte entsprechend diesem Anerkenntnis zu verurteilen; weiterer Ausführungen zur Begründetheit dieses Anspruches bedarf es nicht.

Ein Anspruch auf höhere Leistungen ist nicht gegeben. Nach dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten der Dr.A. müssen das einmal in der Woche stattfindende Duschen und Haare waschen komplett übernommen werden, wobei anteilig ein täglicher Hilfebedarf von 3 Minuten anzurechnen ist. Im Zusammenhang mit der Darm-/Blasenentleerung besteht ein Hilfebedarf von durchschnittlich 14 Minuten täglich unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Umfeld gereinigt werden muss und es bei der Klägerin mitunter zu Inkontinenz kommt. Morgens muss die Klägerin komplett angekleidet werden, ebenso nach dem Mittagsschlaf, weshalb An- und Entkleiden zweimal täglich anfallen. Hierfür sind täglich 32 Minuten erforderlich, aber auch ausreichend. Damit sind die Voraussetzungen der Pflegestufe I gemäß § 15 Abs.3 Nr.1 SGB XI erfüllt.

Ein Anspruch auf Leistungen nach der Pflegestufe II besteht hingegen nicht, da hierfür gemäß § 15 Abs.3 Nr.2 SGB XI ein Hilfebedarf in der Grundpflege von mindestens 2 Stunden und einschließlich der hauswirtschaftlichen Versorgung von mindes- tens 3 Stunden erforderlich wäre. Dies ist nach dem überzeugenden Gutachten der Dr.A. eindeutig nicht der Fall. Die Ausführungen des Bevollmächtigten der Klägerin zu diesem Gutachten lassen solches auch nicht erkennen. Die hierbei geschilderten Vorfälle, wonach es gelegentlich zu Inkontinenz kommt, hat die Gutachterin berücksichtigt.

Entsprechend dem Anerkenntnis der Beklagten hat die Klägerin Anspruch auf die Leistungen der Pflegestufe I ab 29.03.2003. Dass die Voraussetzungen bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, ist nicht ersichtlich, zumal Dr.A. dargelegt hat, dass der Pflegezustand im Umfang der Pflegestufe I erst ab Oktober 2003 aufgrund einer ab diesem Zeitpunk wahrscheinlich eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes gegeben war. Es liegen keine Befunde vor, die erkennen lassen, dass bereits vor dem 29.03.2003 der Grundpflegebedarf wenigstens 46 Minuten täglich umfasste.

Somit waren auf die Berufung der Klägerin der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 08.05.2003 und die Bescheide der Beklagten abzuändern und diese entsprechend ihrem Anerkenntnis zu verurteilen, der Klägerin ab 29.03.2003 Leistungen nach Pflegestufe I zu bewilligen. Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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