L 5 KR 68/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 19 KR 116/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 68/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22.11.1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig sind die Kostenerstattung für eine Diagnostik mit dem Arzneimittel DMPS-Heyl sowie eine Ausleittherapie mittels Akupunktur, kinesiologischer Kurztestung, Colon-Hydro- und Matrixtherapie einschließlich Begleitmedikation.

Der 1927 geborene und bei der Beklagten pflichtversicherte Kläger beantragte im August 1997 bei dieser die Kostenübernahme für eine DMPS-Untersuchung, um eine Verursachung verschiedener Beschwerden durch Amalgam ausschließen zu lassen. Beigefügt war eine Bescheinigung des Allgemeinmediziners Dr. H ... vom 30.07.1997. Dr. H ... führte aus, der Kläger habe vor der Extraktion eines Backenzahns immer wieder blutigen Ausfluss aus dem linken Nasenloch gehabt und befürchte einen Zusammenhang mit Amalgam. Zum Ausschluss einer solchen Belastung wolle er eine DMPS-Untersuchung durchführen lassen.

Mit Bescheid vom 11.08.1997 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Der DMPS-Test gehöre nicht zu den vertraglichen Leistungen der Krankenkasse, weil er nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen keine anerkannte Untersuchungsmethode sei. Ebenso könne eine anschließende Entgiftung, die auf den Ergebnissen einer DMPS-Untersuchung beruhe, nicht zu Lasten der Krankenkasse abgerechnet werden. Alternativ bestehe die Möglichkeit einer Epicutan-Testung. Dies empfehle sich auch im Hinblick auf eine eventuell folgende Entgiftung zu Lasten der Krankenkasse.

Der Kläger erhob binnen Monatsfrist Widerspruch und ließ im September 1997 eine DMPS-Diagnostik und daran anschließend bis März 1998 eine Ausleittherapie bei Dr. K ... durchführen. Mit Schreiben vom 28.10.1998 beantragte er die Erstattung der Gesamtkosten in Höhe von 4.598,80 DM. Zur Begründung führte er aus, 1975 seien bei ihm mehrere Zähne plombiert worden. Nachdem er Beschwerden an einem Backenzahn bekommen habe, sei es immer wieder zu blutigem Auswurf aus dem linken Nasenloch gekommen. Ferner hätten sich ein Bluthochdruck sowie leichte Kopfschmerzen eingestellt. In der Folgezeit sei eine Arthritis in den Fingergelenken diagnostiziert worden. Er habe den Verdacht gehabt, dass sämtliche Beschwerden auf den mit Amalgam plombierten Backenzahn zurückzuführen seien. Nach Extraktion des Zahnes sei der Blutauswurf nicht mehr aufgetreten. Auf die gegenüber Dr. H ... geäußerte Befürchtung einer Amalgamverseuchung seines Blutes habe dieser ihn darauf hingewiesen, dass er eine DMPS-Untersuchung selbst bezahlen müsse. Das Ergebnis der DMPS-Testung sowie ein Speichelbefund habe seine Befürchtung bestätigt. Bei Dr. K ... habe er ab September 1997 die Amalgamsanierung durchführen lassen, nachdem er von diesem viel Gutes gehört habe. Seit der Sanierung fühle er sich wieder gesund. Der Bluthochdruck sei gemindert, die Kopfschmerzen seien weg und die Arthritis sei eingedämmt. Durch die Verwendung des Amalgam sei ihm seinerzeit eine Körperverletzung zugefügt worden, ohne ihn auf die Risiken hinzuweisen.

Die Beklagte holte ein Gutachten nach Aktenlage des MDK Nordrhein ein. Dr. M ... führte unter dem 24.11.1998 aus: Ein Zusammenhang der beim Kläger bestehenden Erkrankungen mit einer Amalgamüberlastung sei medizinisch-wissenschaftlich nicht gesichert. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinalprodukte habe das Medikament DMPS ausschließlich für die Behandlung, aber nicht zur Testung von Schwermetallintoxikationen zugelassen. Schwermetallvergiftungen könnten durch entsprechende Blutspiegel- oder Sammelurinuntersuchungen bestimmt werden. Eine Korrelation zwischen wissenschaftlich anerkannten Untersuchungsmethoden und dem DMPS-Test bestehe nicht. Bei allen, insbesondere älteren Menschen im europäischen Raum müsse von einer Schwermetallbelastung durch Ernährung und Inhalation von Schadstoffen ausgegangen werden. Deshalb liefere der DMPS-Test bei allen Testpersonen ein positives Ergebnis. Der angewandte Speicheltest stelle lediglich den Abrieb von Amalgam im Speichel dar, sage aber ebenso wie die Zahnstrom messung nichts über die Aufnahme von Schwermetallen aus. Hinsichtlich der angewandten Ausleitverfahren fehle es an einem Wirksamkeitsnachweis sowie der Anerkennung als Behandlungsmethode durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen.

Gestützt auf das Gutachten des Dr. M ... lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme für die Entgiftungsbehandlung nach DMPS-Test mit Bescheid vom 04.12.1998 ab. Mit seinem Widerspruch führte der Kläger aus, er lehne das Gutachten des MDK wegen Befangenheit ab. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.1999 zurück. Die Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen zu Lasten der Krankenkasse sei nur durch die im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzte denkbar. Dr. K ... sei hingegen nicht Vertragspartner. Im Übrigen seien die durchgeführten Behandlungen keine vertragsärztlichen Leistungen. Der Medizinische Dienst sei entsprechend seinen Aufgaben nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) einzuschalten gewesen.

Im Klageverfahren hat der Kläger sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und ergänzend ausgeführt: Obwohl bei einer Amalgamsanierung Krankheitsfolgekosten reduziert würden, erfolge anders als bei Nikotin-, Alkohol-, Drogen- und Fress-Sucht keine Erstattung. Hinter der Weigerung der Krankenkassen zur Kostenerstattung könne nur die Lobby der Ärztekammern und Industrie stecken. Hinsichtlich der erlittenen Körperverletzung berufe er sich auf das im Auftrag des Landgerichts Frankfurt erstattete Gutachten des Instituts für Toxikologie der Universitätsklinik Kiel (sog. Wassermann-Gutachten). Dr. K ... sei im Übrigen seit Jahren Vertragsarzt. Zur Stützung seines Vortrages hat der Kläger ein Manuskript der ZDF-Sendung Kennzeichen D "Giftzahn" sowie ein Antwortschreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 21.07.1999 übersandt.

Mit Urteil vom 22.11.1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe den Weg, einen Vertragsarzt nach Vorlage der Versicherungskarte in Anspruch zu nehmen und Medikamente durch vertragsärztliche Verordnung beim Apotheker zu beschaffen, verlassen. Die Beklagte habe die Kostenerstattung nicht zu Unrecht ablehnen können, weil sie von der Inanspruchnahme des Dr. K ... nichts gewusst habe. Der Kläger habe die Rechnungen erst eingereicht, nachdem die Leistungen schon erbracht gewesen seien.

Im Berufungsverfahren wiederholt der Kläger sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus: Die Beklagte habe ihm zwar bei Ablehnung der DMPS-Untersuchung empfohlen, alternativ einen Epicutan-Test durchführen zu lassen. Durch diesen könne nur die äußere Verträglichkeit von Amalgam, nicht aber eine Vergiftung festgestellt werden. Diese sei mit dem DMPS-Test nachgewiesen. Im Übrigen werde die Therapie von Betriebskrankenkassen übernommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22.11.1999 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 11.08.1997 und 04.12.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.1999 zu verurteilen, ihm einen Betrag von 4.598,80 DM zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten sowie eines vom Kläger eingereichten Ordners verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Diagnostik- und Behandlungskosten.

Als Grundlage für den Kostenerstattungsanspruch des Klägers kommt nur § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. § 13 Abs. 3 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die erste Alternative kommt von vornherein nicht in Betracht, weil keine Anhaltspunkte für einen Notfall bestehen.

Hinsichtlich der Testung mittels DMPS kommt eine Erstattung der Kosten, die der Kläger für das Mittel selbst (DMPS Heyl-Ampulle zu 87,89 DM, Rezept vom 05.09.1997), die Injektion des Mittels (Rechnung des Dr. K ... vom 02.12.1997) und die Auswertung durch das Diagnostische Zentrum für Mineralanalytik und Spektroskopie (Rechnung vom 14.10.1997) aufgewandt hat, nicht in Betracht, weil die Beklagte diese Leistungen mit Bescheid vom 11.08.1997 nicht zu Unrecht abgelehnt hat.

Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V kann nur verlangt werden, wenn die selbst beschaffte Leistung grundsätzlich ihrer Art nach zu den Leistungen zählt, die die Krankenkasse als Sachleistung zu erbringen hat (vgl. BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 11 S. 51 f.; § 135 Nr. 4 S. 10 ff.). Daran fehlt es hier, weil die durchgeführte DMPS-Testung nicht zu den von der Beklagten geschuldeten Leistungen gehört. Dies ergibt sich aus § 135 SGB V i.V.m. den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-RL). Nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V darf eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode in der vertragsärztlichen Versorgung nur erbracht werden, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Empfehlung zum Nutzen und zur medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Methode abgegeben hat. Eine solche Anerkennung des Bundesausschusses liegt für die Testung einer Amalgambelastung mittels DMPS-Heyl nicht vor. Wie bereits Dr. M ... ausgeführt hat, handelt es sich bei dem Präparat DMPS um ein Medikament zur Behandlung von Schwermetallvergiftungen, das vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinalprodukte nicht zur Testung solcher zugelassen ist. Dies ergibt sich auch aus den Angaben des Herstellers in der "Roten Liste 2000 - Ziffer 13003". Danach ist DMPS als Arzneimittel zur Therapie einer Vergiftung mit Quecksilber, einer chronischen Vergiftung mit Blei sowie als Mittel zur Elimination von Arsen, Kupfer, Antimon, Chrom und Kobalt arzneimittelrechtlich zugelassen. Insoweit ist es im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig. Die Zulassung bezieht sich jedoch auf den therapeutischen, nicht aber auf einen diagnostischen Nutzen. Daher ist es als Mittel zur Diagnose nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung.

Hinsichtlich der weiteren Kosten für die zwischen September 1997 und März 1998 durchgeführte Ausleittherapie scheitert ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V bereits daran, dass der Kläger vor Inanspruchnahme der streitigen Leistungen eine Entscheidung der Beklagten über die Genehmigung der Behandlung nicht abgewartet hat.

Die Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz ist nur erfüllt, wenn zwischen den Nachteil des Versicherten (Kostenlast) und dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand der rechtswidrigen Ablehnung ein Kausalzusammenhang besteht. Besorgt sich der Versicherte die streitige Behandlung außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges selbst, scheidet ein solcher Kausalzusammenhang aus, denn die Kosten sind dann nicht durch die Ablehnung verursacht worden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 15). Das Antragserfordernis und das Zuwarten der Entscheidung der Krankenkasse sind selbst dann nicht entbehrlich, wenn der Versicherte mit einer ablehnenden Entscheidung rechnen musste.

Der Kläger hatte im August 1997 nur eine DMPS-Testung beantragt, ohne überhaupt auf eine Ausleittherapie oder die sonst durchgeführten Maßnahmen hinzuweisen. Nach dem Bescheid vom 11.08.1997 konnte er nicht einmal davon ausgehen, dass die Beklagte in jedem Fall die Kostenübernahme einer Ausleittherapie versagen würde. Denn in dem Bescheid verweist die Beklagte nur auf eine Ausleittherapie, die allein auf den Befunden einer DMPS-Untersuchung beruht und führt sogar aus, dass für eine eventuell später zu übernehmende Entgiftung eine Schwermetallbelastung durch andere Untersuchungsmethoden festgestellt sein müsse. Das Sozialgericht hat deshalb zu Recht darauf hingewiesen, dass der Beklagten von der Ausleitbehandlung durch Dr. K ... nichts bekannt war, bevor der Kläger die Rechnungen eingereicht hat.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht dadurch, dass grundsätzlich vom therapeutischen Gesamtkonzept des behandelnden Arztes und nicht von einzelnen medizinischen Maßnahmen auszugehen ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 4). Denn vorliegend sind Diagnostik und Ausleittherapie zu unterscheiden und stellen kein therapeutisches Gesamtkonzept dar. Schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers sollte durch die DMPS-Untersuchung erst festgestellt werden, ob überhaupt eine Amalgambelastung vorliegt. Bis dahin konnte der Kläger selbst nicht von einer solchen ausgehen. Auch nach der ärztlichen Bescheinigung des Dr. H ... vom 30.07.1997 wollte der Kläger eine Amalgambelastung durch den DMPS-Test nur ausschließen lassen.

Unabhängig davon scheitert der Anspruch des Klägers auf Kosten übernahme auch daran, dass die Maßnahmen der Ausleittherapie von der Beklagten nicht geschuldet worden sind, weil über deren Wirksamkeit keine ausreichenden Erkenntnisse vorliegen. Sowohl die Matrix-Therapie als Sonderform der Bioresonanztherapie und die Colon-Hydro-Therapie sind in den NUB-RL (jetzt BUB-RL) als Methoden, deren Wirksamkeit nicht belegt sind, aufgenommen (Nrn. 17 und 22 der Anlage 2/B BUB-RL). Auch hinsichtlich der übrigen Methoden liegt keine Anerkennung vor, so dass sie nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sind und eine Kostenerstattung ausgeschlossen ist.

Die übrigen allgemein gehaltenen Einwände des Klägers greifen nicht durch. Insbesondere verfügen die NUB-RL über eine ausreichende Rechtsgrundlage in § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Hiergegen erhobene Bedenken hat das BSG bereits mehrfach zurückgewiesen (grundlegend SozR 3-2500 § 92 Nr. 6; § 135 Nr. 4).

Soweit der Kläger auf die Kostenerstattungspraxis von Betriebskrankenkassen verweist, bezieht er sich auf Flugblätter der S ...-Klinik des Dr. K ..., in denen auf sog. "Erprobungsregelungen" für Naturheilverfahren der BKK Securvita in Hamburg verwiesen wird. Abgesehen davon, dass darin nicht aufgeführt ist, welche Naturheilverfahren davon erfasst werden, entfaltet die Erstattungspraxis einer Krankenkasse keine rechtlichen Wirkungen gegenüber Versicherten anderer Krankenkassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved