Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 3 P 61/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 44/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 15. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Leistungen der Pflegeversicherung für die Zeit vom 22.03. bis 18.10.2001 für den am 18.10.2001 verstorbenen Ehemann der Klägerin im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs streitig.
Die Klägerin ist die Ehefrau des 1947 geborenen und am 18.10.2001 verstorbenen B. F ...
Am 25.04.2002 beantragte sie Leistungen der Pflegeversicherung. Dabei stützte sie ihr Leistungbegehren auf einen sozialrecht- lichen Herstellungsanspruch. Die Beklagte habe aufgrund der stattgehabten Operation (Herztransplantation) am 22.03.2001 davon Kenntnis gehabt, dass ein Pflegefall vorliege und habe deshalb von sich aus die Angehörigen bzw. den Versicherten selbst informieren müssen, dass die Möglichkeit der Bewilligung von Leistungen der Pflegeversicherung bestehe.
Mit Bescheid vom 08.05.2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Nach § 33 Abs.1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) würden Versicherte Leistungen aus der Pflegeversicherung auf Antrag erhalten; rückwirkend könne ein Antrag nicht greifen. Die Pflegekasse sei eine separate Versicherung, die lediglich im Hause der Krankenkassen verwaltet werde.
Mit Widerspruch wandte die Klägerin dagegen ein, aufgrund des prekären Gesundheitszustands ihres Ehemannes habe "das Haus" wissen müssen, dass dieser unter die Pflegeversicherung falle bzw. fallen könne. Trotzdem sei ein entsprechender Hinweis nicht erteilt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Erneut wurde auf das Antragserfordernis verwiesen. Zudem sei ein Versicherungsträger zur Auskunft und Beratung eines einzelnen Versicherten "nur" verpflichtet, wenn sich dieser mit einem entsprechenden Ersuchen an den Versicherungsträger wende (Urteil des BSG vom 28.09.1976 - RK 2f/76 und Urteil des Bayer. LSG vom 04.09.1997 (11/4 KR 99/95). Ein Versicherungsträger müsse grundsätzlich nicht von sich aus Initiativen zur Beratung ergreifen, sondern ein entsprechendes Begehren abwarten. Unzweifelhaft habe die Pflegekasse der AOK seit Einführung der gesetzlichen Pflegeleistungen in vielen Veröffentlichungen, Informationsblättern und Leistungsbroschüren über Pflegeleistungen und deren Inanspruchnahme informiert. Der erst nachträglich geltend gemachte Anspruch müsse deshalb zurückgewiesen werden.
Zur Begründung ihrer dagegen zum Sozialgericht (SG) Landshut erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen ausgeführt, von der Operation bis zu seinem Tode sei ihr Ehemann von der gemeinsamen Tochter - einer gelernten Arzthelferin - gepflegt worden. Der Verstorbene habe sich zu diesem Zeitpunkt bereits in einem sehr angegriffenen und geschwächten Gesundheitszustand befunden. So sei er in allen pflegestufenrelevanten Bereichen auf die Hilfe Dritter angewiesen gewesen. Obwohl dieser desolate Gesundheitszustand dem zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten nicht zuletzt aufgrund der vorliegenden Arztberichte und der regelmäßigen Kontakte des Verstorbenen bekannt gewesen sei, habe sich die Beklagte nicht veranlasst gesehen, die Familie auf die Möglickeiten hinzuweisen, einen Antrag auf Leistungen aus der Pflegeversicherung zu stellen. In diesem Zusammenhang sei auf die Entscheidung des BSG in BSGE 41, 126; 46, 124 und BSG vom 15.05.1984 zu verweisen. Danach bestehe unstreitig die Pflicht des Sachbearbeiters der Krankenkasse zum sachgerechten Hinweis bzw. zur Aufklärung des Leistungsberechtigten. Wäre dieser Hinweis ergangen, hätte sie selbstverständlich spätestens zum Zeitpunkt der Herztransplantation am 22.03.2001 einen entsprechenden Antrag gestellt. Aufgrund des erheblichen Pflegeaufwands des Verstorbenen wäre diesem Antrag auch stattgegeben worden.
Die Beklagte hat erneut ausgeführt, die Krankenkasse und die Pflegekasse seien zwei vollkommen separat geführte Kassen, die lediglich unter dem Dach der Krankenversicherung verwaltet würden. Die Pflegekasse sei deshalb auch räumlich innerhalb des AOK-Gebäudes von der Krankenversicherung getrennt. Die vorgebrachten Beweise (Arztberichte) hätten weder der Pflegekasse noch der Krankenversicherung vorgelegen. Von den Krankenhäusern würden grundsätzlich Krankenhausberichte nur an die Hausärzte erstellt werden, nur auf Anforderung in besonderen Fällen erhalte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die Krankenhausberichte übersandt. Dies sei jedoch nur dann der Fall, wenn ein entsprechender Antrag auf eine Leistung vorliege. Außerdem würden Krankenhauskosten nicht von den Direktionen der AOK Bayern genehmigt und bezahlt werden, sondern vom Dienst- leistungszentrum für Krankenhäuser. Dies gelte auch für die Arzneimittelabrechnung.
Mit Urteil vom 15.07.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien nicht zu beanstanden, da weder die Klägerin noch ihr verstorbener Ehemann einen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung hatte bzw. habe. Nach § 33 Abs.1 SGB XI würden Versicherte die Leistungen auf Antrag erhalten. Unstreitig stehe fest, dass der antragsberechtigte Ehemann der Klägerin zu keinem Zeitpunkt einen Leistungsantrag gestellt habe. Da der Antrag aber, neben der Vorversicherungszeit, unabdingbare Leistungsvoraussetzung sei, scheide ein Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung aus. Der fehlende Antrag könne auch nicht nach dem Grundgedanken des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden. Zwar habe die Beklagte nach § 7 Abs.2 Satz 1 SGB XI die Versicherten und ihre Angehörigen umfassend über alle Fragen der Pflegebedürftigkeit, insbesondere auch über Leistungen der Pflegekassen zu beraten, nicht jedoch ohne Anlass tätig zu werden. Die Pflegekasse, die nach dem umgesetzten Willen des Gesetzgebers, gänzlich unahängig von der Krankenkasse sei und entscheide, könne von sich aus keine Beratungsinitiative ergreifen, sondern müsse ein entsprechendes Begehren abwarten. Eine Beratungspflicht losgelöst von einem konkreten, den Eintritt von Pflegebedürftigkeit betreffenden Anlass, bestehe nicht. Nach dem gesamten Akteninhalt und dem Vorbringen der Klägerin habe die Beklagte bis zu dem Antrag vom 25.04.2002 keine Kenntnis von einer drohenden Pflegebedürftigkeit oder gar vorliegenden Pflegebedürftigkeit des Versicherten gehabt. Für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar habe die Beklagte erläutert, dass Mitarbeiter der Krankenversicherung, die Krankenhausabrechnungen vornehmen, nicht in der Lage seien, drohende Pflegebedürftigkeit eines Versicherten zu erkennen. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Tochter der Klägerin eine ausgebildete Arzthelferin ist. Zur Überzeugung des Gerichts stehe insgesamt fest, dass weder ein Verstoß gegen die Beratungspflicht des § 7 Abs.2 SGB XI vor- liege, noch ein Fall eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.
Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin aus, ob die Pflegekasse selbst Kenntnis von der Pflegebedürftigkeit des Versicherten gehabt habe, könne im Hinblick auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch dahinstehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG könne ein Herstellungsanspruch gegen die zur Entscheidung berufene Behörde auch dann gegeben sein, wenn nicht diese, sondern eine andere in den Verwaltungsablauf eingeschaltete Behörde eine notwendige Beratung nicht durchgeführt habe. Die Pflegekasse müsse sich somit das Versäumnis der Krankenkasse zurechnen lassen. Die Behauptung der Beklagten, sämtliche Daten wären derart verschlüsselt, dass die Art der Erkrankungen und der Leistungen nicht mehr erkennbar seien, sei unrichtig. Gemäß § 292 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) habe die Krankenkasse Angaben über Leistungen, die zur Prüfung der Voraussetzungen späterer Leistungsgewährung erforderlich seien, aufzuzeichnen. Hierzu würden insbesondere Angaben zur Feststellung der Voraussetzungen von Leistungsansprüchen bei Krankenhausbehandlungen, medizinische Leistungen zur Gesundheitsfürsorge usw. gehören. Im Übrigen gehe der Hinweis der Beklagten, dass es sich bei der Krankenkasse und der Pflegekasse um völlig eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts handele, fehl.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 15.07.2003 und den Bescheid vom 08.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2002 aufzuheben und der Klägerin Leistung aus der gesetzlichen Pflegeversicherung für die Zeit vom 22.03. bis 18.10.2001 für ihren verstorbenen Ehemann zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass der Hinweis der Klägerin auf § 292 SGB V fehlgehe, da diese Vorschrift für die Krankenkassen in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich gelte. Hier dürften nur Leistungen geprüft werden, die eventuell zu einem späteren Zeitraum wiederum weitere Leistungen der Krankenkasse erforderlich machen. So diene die Aufzeichnungspflicht bei Arbeitsunfähigkeit der Feststellung der Krankenbezugsdauer bei Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit. Diese krankenversicherungsrechtliche Vorschrift sei nicht im Hinblick auf eventuelle spätere Leistungen eines anderen Sozialleistungsträgers, wie hier der Pflegekasse, erdacht worden. Im Gegenteil sei im Pflegeversicherungsrecht eine spiegelbildliche Regelung in § 103 SGB XI enthalten, wonach abgerechnete Leistungen, von denen ein Anspruch auf spätere Leistungen abhänge, versichertenbezogen aufgezeichnet würden. Auch diese Regelung gelte nur für Sachverhalte die die Pflegeversicherung betreffen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG vom Ergebnis her die Klage abgewiesen, da die zugrunde liegendenden Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden sind. Denn der Klägerin steht ein Anspruch auf die rückwirkende Bewilligung von Leistungen aus der Pflegeversicherung für ihren Ehemann als Rechtsnachfolgerin nicht zu. Denn der Ehemann der Klägerin hatte einen für die Bewilligung der Leistungen aus der Pflegeversicherung erforderlichen Antrag nicht gestellt. Dieser verstarb am 18.10.2001, eine Antragstellung durch die Klägerin erfolgte erst am 25.04.2002.
Nach § 33 Abs.1 Satz 1 SGB XI werden Leistungen der Pflegeversicherung auf Antrag gewährt.
Wie bereits ausgeführt, hatte der verstorbene Ehemann der Klägerin aber zu seinen Lebzeiten gerade keinen entsprechenden Antrag gestellt.
Der Klägerin steht auch kein Anspruch unter dem Aspekt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu. Dieser setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger entweder fehlerhaft oder unzureichend berät. Dies ist hier nicht der Fall. Insoweit erfolgen Beratungs- und Hinweispflichten grundsätzlich nicht von Amts wegen, sondern setzen regelmäßig ein Auskunftsersuchen voraus (vgl. Rdnr.25 zu § 14 SGB I im Kasseler Kommentar unter Hinweis auf die BSG-Rechtsprechung). Nur ausnahmsweise ist der Versicherungsträger von Amts wegen zur Erteilung eines Hinweises verpflichtet, z.B. auch bei Prüfung eines Antrags, wenn sich eine vorteilhafte, gesetzlich eingeräumte Gestaltungsmöglichkeit für den Bürger nahezu aufdrängt. Ein derartiger Fall ist hier aber nicht gegeben. Die Beklagte als Pflegekasse hatte keine Kenntnis von der Erkrankung des Ehemanes der Klägerin.
Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der Vorschrift des § 7 Abs.2 Satz 1 SGB XI herleiten. Danach sind Pflegekassen zur Unterrichtung und Beratung der Versicherten und ihrer Angehörigen bei drohender Pflegebedürftigkeit auch ohne vorherige Antragstellung verpflichtet. § 7 Abs.2 Satz 1 SGB XI soll aber im Zusammenhang mit Satz 2 entnommen werden, dass die Beratungspflicht nicht losgelöst von einem konkreten, den Eintritt von Pflegebedürftigkeit betreffenden Anlass besteht (vgl. Udsching, Kommentar zum SGB XI, 2. Auflage, § 7 Rdnr.3). Insoweit handelt es sich um eine Konkretisierung der §§ 14, 15 SGB I, die auch für die Pflegekassen gelten. Danach gilt aber, dass der Leistungsträger grundsätzlich nicht verpflichtet ist, von Amts wegen eine Beratung in die Wege zu leiten. Die Rechtsprechung hat insoweit an dem Erfordernis eines Suchens im Sinne des Vorhandenseins eines konkreten Anlasses festgehalten.
Wie bereits ausgeführt, hatte die Beklagte hier keinerlei Kenntnis von der schweren Erkrankung des Ehemannes der Klägerin. Ein Anspruch lässt sich auch im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht daraus ableiten, dass die Krankenkasse verpflichtet gewesen wäre, die Klägerin auf die mögliche Bewilligung von Pflegeleistungen hinzuweisen. In diesem Zusammenhang ist der Beklagten beizupflichten, als es sich bei ihr und der Krankenkasse um zwei separat geführte Kassen handelt.
Somit war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Landshut vom 15.07.2003 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Leistungen der Pflegeversicherung für die Zeit vom 22.03. bis 18.10.2001 für den am 18.10.2001 verstorbenen Ehemann der Klägerin im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs streitig.
Die Klägerin ist die Ehefrau des 1947 geborenen und am 18.10.2001 verstorbenen B. F ...
Am 25.04.2002 beantragte sie Leistungen der Pflegeversicherung. Dabei stützte sie ihr Leistungbegehren auf einen sozialrecht- lichen Herstellungsanspruch. Die Beklagte habe aufgrund der stattgehabten Operation (Herztransplantation) am 22.03.2001 davon Kenntnis gehabt, dass ein Pflegefall vorliege und habe deshalb von sich aus die Angehörigen bzw. den Versicherten selbst informieren müssen, dass die Möglichkeit der Bewilligung von Leistungen der Pflegeversicherung bestehe.
Mit Bescheid vom 08.05.2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Nach § 33 Abs.1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) würden Versicherte Leistungen aus der Pflegeversicherung auf Antrag erhalten; rückwirkend könne ein Antrag nicht greifen. Die Pflegekasse sei eine separate Versicherung, die lediglich im Hause der Krankenkassen verwaltet werde.
Mit Widerspruch wandte die Klägerin dagegen ein, aufgrund des prekären Gesundheitszustands ihres Ehemannes habe "das Haus" wissen müssen, dass dieser unter die Pflegeversicherung falle bzw. fallen könne. Trotzdem sei ein entsprechender Hinweis nicht erteilt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Erneut wurde auf das Antragserfordernis verwiesen. Zudem sei ein Versicherungsträger zur Auskunft und Beratung eines einzelnen Versicherten "nur" verpflichtet, wenn sich dieser mit einem entsprechenden Ersuchen an den Versicherungsträger wende (Urteil des BSG vom 28.09.1976 - RK 2f/76 und Urteil des Bayer. LSG vom 04.09.1997 (11/4 KR 99/95). Ein Versicherungsträger müsse grundsätzlich nicht von sich aus Initiativen zur Beratung ergreifen, sondern ein entsprechendes Begehren abwarten. Unzweifelhaft habe die Pflegekasse der AOK seit Einführung der gesetzlichen Pflegeleistungen in vielen Veröffentlichungen, Informationsblättern und Leistungsbroschüren über Pflegeleistungen und deren Inanspruchnahme informiert. Der erst nachträglich geltend gemachte Anspruch müsse deshalb zurückgewiesen werden.
Zur Begründung ihrer dagegen zum Sozialgericht (SG) Landshut erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen ausgeführt, von der Operation bis zu seinem Tode sei ihr Ehemann von der gemeinsamen Tochter - einer gelernten Arzthelferin - gepflegt worden. Der Verstorbene habe sich zu diesem Zeitpunkt bereits in einem sehr angegriffenen und geschwächten Gesundheitszustand befunden. So sei er in allen pflegestufenrelevanten Bereichen auf die Hilfe Dritter angewiesen gewesen. Obwohl dieser desolate Gesundheitszustand dem zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten nicht zuletzt aufgrund der vorliegenden Arztberichte und der regelmäßigen Kontakte des Verstorbenen bekannt gewesen sei, habe sich die Beklagte nicht veranlasst gesehen, die Familie auf die Möglickeiten hinzuweisen, einen Antrag auf Leistungen aus der Pflegeversicherung zu stellen. In diesem Zusammenhang sei auf die Entscheidung des BSG in BSGE 41, 126; 46, 124 und BSG vom 15.05.1984 zu verweisen. Danach bestehe unstreitig die Pflicht des Sachbearbeiters der Krankenkasse zum sachgerechten Hinweis bzw. zur Aufklärung des Leistungsberechtigten. Wäre dieser Hinweis ergangen, hätte sie selbstverständlich spätestens zum Zeitpunkt der Herztransplantation am 22.03.2001 einen entsprechenden Antrag gestellt. Aufgrund des erheblichen Pflegeaufwands des Verstorbenen wäre diesem Antrag auch stattgegeben worden.
Die Beklagte hat erneut ausgeführt, die Krankenkasse und die Pflegekasse seien zwei vollkommen separat geführte Kassen, die lediglich unter dem Dach der Krankenversicherung verwaltet würden. Die Pflegekasse sei deshalb auch räumlich innerhalb des AOK-Gebäudes von der Krankenversicherung getrennt. Die vorgebrachten Beweise (Arztberichte) hätten weder der Pflegekasse noch der Krankenversicherung vorgelegen. Von den Krankenhäusern würden grundsätzlich Krankenhausberichte nur an die Hausärzte erstellt werden, nur auf Anforderung in besonderen Fällen erhalte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die Krankenhausberichte übersandt. Dies sei jedoch nur dann der Fall, wenn ein entsprechender Antrag auf eine Leistung vorliege. Außerdem würden Krankenhauskosten nicht von den Direktionen der AOK Bayern genehmigt und bezahlt werden, sondern vom Dienst- leistungszentrum für Krankenhäuser. Dies gelte auch für die Arzneimittelabrechnung.
Mit Urteil vom 15.07.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien nicht zu beanstanden, da weder die Klägerin noch ihr verstorbener Ehemann einen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung hatte bzw. habe. Nach § 33 Abs.1 SGB XI würden Versicherte die Leistungen auf Antrag erhalten. Unstreitig stehe fest, dass der antragsberechtigte Ehemann der Klägerin zu keinem Zeitpunkt einen Leistungsantrag gestellt habe. Da der Antrag aber, neben der Vorversicherungszeit, unabdingbare Leistungsvoraussetzung sei, scheide ein Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung aus. Der fehlende Antrag könne auch nicht nach dem Grundgedanken des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden. Zwar habe die Beklagte nach § 7 Abs.2 Satz 1 SGB XI die Versicherten und ihre Angehörigen umfassend über alle Fragen der Pflegebedürftigkeit, insbesondere auch über Leistungen der Pflegekassen zu beraten, nicht jedoch ohne Anlass tätig zu werden. Die Pflegekasse, die nach dem umgesetzten Willen des Gesetzgebers, gänzlich unahängig von der Krankenkasse sei und entscheide, könne von sich aus keine Beratungsinitiative ergreifen, sondern müsse ein entsprechendes Begehren abwarten. Eine Beratungspflicht losgelöst von einem konkreten, den Eintritt von Pflegebedürftigkeit betreffenden Anlass, bestehe nicht. Nach dem gesamten Akteninhalt und dem Vorbringen der Klägerin habe die Beklagte bis zu dem Antrag vom 25.04.2002 keine Kenntnis von einer drohenden Pflegebedürftigkeit oder gar vorliegenden Pflegebedürftigkeit des Versicherten gehabt. Für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar habe die Beklagte erläutert, dass Mitarbeiter der Krankenversicherung, die Krankenhausabrechnungen vornehmen, nicht in der Lage seien, drohende Pflegebedürftigkeit eines Versicherten zu erkennen. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Tochter der Klägerin eine ausgebildete Arzthelferin ist. Zur Überzeugung des Gerichts stehe insgesamt fest, dass weder ein Verstoß gegen die Beratungspflicht des § 7 Abs.2 SGB XI vor- liege, noch ein Fall eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.
Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin aus, ob die Pflegekasse selbst Kenntnis von der Pflegebedürftigkeit des Versicherten gehabt habe, könne im Hinblick auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch dahinstehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG könne ein Herstellungsanspruch gegen die zur Entscheidung berufene Behörde auch dann gegeben sein, wenn nicht diese, sondern eine andere in den Verwaltungsablauf eingeschaltete Behörde eine notwendige Beratung nicht durchgeführt habe. Die Pflegekasse müsse sich somit das Versäumnis der Krankenkasse zurechnen lassen. Die Behauptung der Beklagten, sämtliche Daten wären derart verschlüsselt, dass die Art der Erkrankungen und der Leistungen nicht mehr erkennbar seien, sei unrichtig. Gemäß § 292 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) habe die Krankenkasse Angaben über Leistungen, die zur Prüfung der Voraussetzungen späterer Leistungsgewährung erforderlich seien, aufzuzeichnen. Hierzu würden insbesondere Angaben zur Feststellung der Voraussetzungen von Leistungsansprüchen bei Krankenhausbehandlungen, medizinische Leistungen zur Gesundheitsfürsorge usw. gehören. Im Übrigen gehe der Hinweis der Beklagten, dass es sich bei der Krankenkasse und der Pflegekasse um völlig eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts handele, fehl.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 15.07.2003 und den Bescheid vom 08.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2002 aufzuheben und der Klägerin Leistung aus der gesetzlichen Pflegeversicherung für die Zeit vom 22.03. bis 18.10.2001 für ihren verstorbenen Ehemann zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass der Hinweis der Klägerin auf § 292 SGB V fehlgehe, da diese Vorschrift für die Krankenkassen in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich gelte. Hier dürften nur Leistungen geprüft werden, die eventuell zu einem späteren Zeitraum wiederum weitere Leistungen der Krankenkasse erforderlich machen. So diene die Aufzeichnungspflicht bei Arbeitsunfähigkeit der Feststellung der Krankenbezugsdauer bei Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit. Diese krankenversicherungsrechtliche Vorschrift sei nicht im Hinblick auf eventuelle spätere Leistungen eines anderen Sozialleistungsträgers, wie hier der Pflegekasse, erdacht worden. Im Gegenteil sei im Pflegeversicherungsrecht eine spiegelbildliche Regelung in § 103 SGB XI enthalten, wonach abgerechnete Leistungen, von denen ein Anspruch auf spätere Leistungen abhänge, versichertenbezogen aufgezeichnet würden. Auch diese Regelung gelte nur für Sachverhalte die die Pflegeversicherung betreffen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG vom Ergebnis her die Klage abgewiesen, da die zugrunde liegendenden Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden sind. Denn der Klägerin steht ein Anspruch auf die rückwirkende Bewilligung von Leistungen aus der Pflegeversicherung für ihren Ehemann als Rechtsnachfolgerin nicht zu. Denn der Ehemann der Klägerin hatte einen für die Bewilligung der Leistungen aus der Pflegeversicherung erforderlichen Antrag nicht gestellt. Dieser verstarb am 18.10.2001, eine Antragstellung durch die Klägerin erfolgte erst am 25.04.2002.
Nach § 33 Abs.1 Satz 1 SGB XI werden Leistungen der Pflegeversicherung auf Antrag gewährt.
Wie bereits ausgeführt, hatte der verstorbene Ehemann der Klägerin aber zu seinen Lebzeiten gerade keinen entsprechenden Antrag gestellt.
Der Klägerin steht auch kein Anspruch unter dem Aspekt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu. Dieser setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger entweder fehlerhaft oder unzureichend berät. Dies ist hier nicht der Fall. Insoweit erfolgen Beratungs- und Hinweispflichten grundsätzlich nicht von Amts wegen, sondern setzen regelmäßig ein Auskunftsersuchen voraus (vgl. Rdnr.25 zu § 14 SGB I im Kasseler Kommentar unter Hinweis auf die BSG-Rechtsprechung). Nur ausnahmsweise ist der Versicherungsträger von Amts wegen zur Erteilung eines Hinweises verpflichtet, z.B. auch bei Prüfung eines Antrags, wenn sich eine vorteilhafte, gesetzlich eingeräumte Gestaltungsmöglichkeit für den Bürger nahezu aufdrängt. Ein derartiger Fall ist hier aber nicht gegeben. Die Beklagte als Pflegekasse hatte keine Kenntnis von der Erkrankung des Ehemanes der Klägerin.
Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der Vorschrift des § 7 Abs.2 Satz 1 SGB XI herleiten. Danach sind Pflegekassen zur Unterrichtung und Beratung der Versicherten und ihrer Angehörigen bei drohender Pflegebedürftigkeit auch ohne vorherige Antragstellung verpflichtet. § 7 Abs.2 Satz 1 SGB XI soll aber im Zusammenhang mit Satz 2 entnommen werden, dass die Beratungspflicht nicht losgelöst von einem konkreten, den Eintritt von Pflegebedürftigkeit betreffenden Anlass besteht (vgl. Udsching, Kommentar zum SGB XI, 2. Auflage, § 7 Rdnr.3). Insoweit handelt es sich um eine Konkretisierung der §§ 14, 15 SGB I, die auch für die Pflegekassen gelten. Danach gilt aber, dass der Leistungsträger grundsätzlich nicht verpflichtet ist, von Amts wegen eine Beratung in die Wege zu leiten. Die Rechtsprechung hat insoweit an dem Erfordernis eines Suchens im Sinne des Vorhandenseins eines konkreten Anlasses festgehalten.
Wie bereits ausgeführt, hatte die Beklagte hier keinerlei Kenntnis von der schweren Erkrankung des Ehemannes der Klägerin. Ein Anspruch lässt sich auch im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht daraus ableiten, dass die Krankenkasse verpflichtet gewesen wäre, die Klägerin auf die mögliche Bewilligung von Pflegeleistungen hinzuweisen. In diesem Zusammenhang ist der Beklagten beizupflichten, als es sich bei ihr und der Krankenkasse um zwei separat geführte Kassen handelt.
Somit war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Landshut vom 15.07.2003 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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