L 3 U 411/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 232/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 411/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 23. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls vom 22.09.1999 eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat und des- halb ein von der Beklagten zu entschädigender Arbeitsunfall vorliegt.

Der 1965 geborene Kläger, der den Beruf des KFZ-Mechanikers erlernte, war bis zum Unfalltag als Schlosser und danach im selben Betrieb als Mechaniker beschäftigt. Am 22.09.1999 nahm er nach Arbeitsschluss am PKW seines Schwiegervaters, D. P. , eine Reparatur in einer zu seinem Wohnhaus gehörenden Garage vor. Dabei geriet ihm ein Eisensplitter in das linke Auge, was zum nahezu vollständigen Sehverlust auf dem verletzten Auge führte.

Am 03.02.2000 zeigte der Kläger den Unfall erstmals der Beklagten an. Er gab an, er habe in Nachbarschaftshilfe eine Reparatur am Fahrzeug des D. P. ausgeführt. Die Beklagte erlangte bei ihren Ermittlungen Kenntnis von der Unfallanzeige des Klägers gegenüber der AOK. Darin hatte der Kläger am 08.11. 1999 mitgeteilt, der Unfall habe sich beim Reparieren seines eigenen PKW s ereignet. Auf Rückfrage der Beklagten ließ der Kläger am 29.03.2000 eine - von ihm zunächst nicht, erst am 29.08.2000 unterschriebene - Erklärung durch seinen Onkel, dem im Berufungsverfahren als Zeugen einvernommenen E. B. , abgeben. Darin führte er aus, es habe sich um das Fahrzeug seines Schwiegervaters gehandelt. Dieser habe ihn gebeten, einen Defekt zu beheben. Als sich der Unfall ereignete, habe er bereits 1 Stunde gearbeitet gehabt und hätte noch ca. 0,5 Stunden benötigt. Für seine Arbeit habe er keinerlei Entgelt oder andere Zuwendungen erhalten; es sei auch keine Gegenleistung durch seinen Schwiegervater verabredet gewesen. Die Reparatur sei in seiner Garage ausgeführt worden, weil dort das notwendige Werkzeug vorhanden war. Im Übrigen habe er nur gelegentlich für Freunde oder Bekannte, aber keineswegs gewerblich, Autoreparaturen vorgenommen. D. P. gab am 27.06.2000 bei der Beklagte ein nicht unterzeichnetes Schreiben ab. Darin beantwortete er an ihn gerichtete Fragen der Beklagten. Er bestätigte im Wesentlichen die Angaben des Klägers. Ergänzend fügte er hinzu, für die Tätigkeit am 22.09.1999 sei noch keine Entlohnung vereinbart gewesen; für frühere Reparaturen an seinem PKW habe er den Kläger mit einem Stundensatz von 20 DM entlohnt. Er habe keinen intensiven Kontakt mit dem Kläger gepflogen; gegenseitige Besuche hätten ca. alle 3 bis 4 Monate statt gefunden.

Mit Bescheid vom 24.07.2001, bestätigt mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2001, lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen ab. Die Tätigkeit sei wesentlich durch das Schwägerschaftsverhältnis zu D. P. bestimmt gewesen. Es habe sich um eine unversicherte Gefälligkeitshandlung unter Verwandten gehandelt. Es habe auch keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit für ein fremdes Unternehmen, etwa für den nicht gewerbsmäßigen Fahrzeughalter P. , vorgelegen.

Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht Landshut (SG) Klage erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.07.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2001 zu verurteilen, das Ereignis vom 22.09.1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen. Er habe von P. 20 DM pro Std. erhalten; es habe sich nicht um eine Gefälligkeitsbescheinigung gehandelt.

Mit Urteil vom 23.10.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat den Nachweis einer versicherten Tätigkeit wegen der widersprüchlichen Angaben des Klägers als nicht erbracht angesehen. Insbesondere bestünden erhebliche Zweifel, ob der Kläger ein fremdes oder sein eigenes Auto repariert habe. Zudem habe sich die Kammer nicht davon überzeugen können, dass ein Stundensatz von 20 DM vereinbart worden sei.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, es habe sich um ein Versehen gehandelt, wenn er gegenüber der AOK angegeben habe, er habe seinen PKW repariert. Er könne mehrere Personen benennen, die bezeugen könnten, dass er nicht seinen PKW sondern den seines Schwiegervaters repariert habe. Mit D. P. habe er einen Stundenlohn von 20 DM vereinbart. Sein Verhältnis zu seinem Schwiegervater sei nicht besonders herzlich gewesen. Von verwandtschaftlicher Gefälligkeitshandlung könne keine Rede sein.

Die Beklagte hat diesen nachträglichen Vortrag nicht für glaubwürdig gehalten.

Im Erörterungstermin vom 16.03.2004 sind der Kläger angehört und die Zeugen S. B. , Ehefrau des Klägers, D. P. , E. B. , Onkel des Klägers und L. Z. , Cousin des Klägers, der nach dem Unfall die Reparatur beendete, einvernommen worden. Auf die Sitzungsniederschrift wird gem. § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen. Die Beklagte hat sich zum Beweisergebnis geäußert und gemeint, zum einen habe sich der Kläger unternehmerähnlich und nicht arbeitnehmerähnlich betätigt und zum anderen halte sich die Reparatur mit einer geplanten und tatsächlich eingehaltenen Arbeitszeit von 1,5 Std. noch im Rahmen einer familiären Gefälligkeitsleistung.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 23.10.2003 und des Bescheids vom 24.07.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 24.08.2001 zu verurteilen, ihn aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 22.09. 1999 zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 23.10.2003 zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gem. § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung seiner Augenverletzung als Folge eines Arbeitsunfalls (§§ 8 Abs.1 i.V.m.Abs.2, 56 des Siebten Sozialgesetzbuchs ), denn er wurde am 22.09.1999 bei der Reparatur am PKW seines Schwiegervaters, bei der es zu der Verletzung gekommen war, nicht "wie ein Versicherter" sondern unternehmerähnlich tätig.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungschutz begründenden Tätigkeit nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII. Zum Zeitpunkt des Unfalls bestand zwischen dem Kläger und P. , als dem Halter eines privaten Fahrzeugs, kein Arbeitsverhältnis. Ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII kommt nicht in Betracht; dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sind Personen versichert, die "wie" nach Abs. 1 Nr. 1 Versicherte - wenn auch nur vorübergehend - tätig werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; Urteil vom 17.03.1992; SozR 3-2200 § 539 Nr. 16) setzt ein solcher Versicherungsschutz voraus, dass es sich um eine dem in Betracht kommenden Unternehmen dienende Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und sonst ihrer Art nach von Personen verrichtet werden kann, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen; sie muss ferner unter solchen Umständen geleistet werden, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist. Eine Eingliederung in das Unternehmen ist dabei zwar ebensowenig erforderlich wie die persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmer. Auch wenn die Arbeit von geringem wirtschaftlichen Wert ist und sie unentgeltlich geleistet wird, steht dies der Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nicht entgegen. Wurde hingegen der Verletzte wie ein Selbständiger tätig, so wird kein Versicherungschutz begründet. Ob eine Tätigkeit im konkreten Einzelfall unter Beachtung dieser Grundsätze als arbeitnehmer- oder unternehmerähnlich zu qualifizieren ist, richtet sich nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, unter denen sie verrichtet wurde. Da meistens einzelne Umstände für und andere gegen ein beschäftigungsähnliches Verhältnis sprechen, ist das Gesamtbild der Tätigkeit entscheidend.

Unter Beachtung dieser von der höchstrichterlichen Rechtsprechung herausgearbeiteten Prämissen kommt der Senat zum Ergebnis, dass die Reparaturarbeiten des Klägers am PKW seines Schwiegervaters wesentlich mehr Aspekte einer unternehmerähnlichen als einer in abhängiger Stellung verrichteten Tätigkeit aufweisen. Dies entnimmt der Senat den Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren und der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme vom 16.03.2004. Dass der Kläger Arbeiten am Fahrzeug seines Schwiegervaters verrichtete und nicht wie er gegenüber der AOK angegeben hatte an seinem eigenen, konnte der Senat zweifelsfrei klären. Dies wird hinreichend durch die Aussagen der Zeugen D. P. , S. B. und L. Z. belegt. Jedoch spricht die Art der geplanten und nach dem Unfall tatsächlich bewerkstelligten Durchführung mehr einer unternehmerähnlichen Tätigkeit. So war es dem Kläger überlassen, festzustellen, welche Arbeiten überhaupt erforderlich waren, um das Fahrzeug in mängelfreiem Zustand beim Technischen Überwachungsverein (TÜV) vorfahren zu können, wann die hierfür notwendigen Instandsetzungsarbeiten auszuführen waren und es oblag ihm, die entsprechenden Ersatzteile zu beschaffen. Die Beteiligten gingen davon aus, dass der Kläger sein eigenes Werkzeug einsetzen und seine Garage benützen würde. Eine Leitung, Mithilfe oder Überwachung durch seinen Schwiegervater war nicht eingeplant und fand auch nicht statt. Ebenso oblag es dem Kläger, dafür zu sorgen, dass die - unfallbedingt - nicht beendete Reparatur zu Ende geführt werde. Er konnte hierfür den Zeugen Z. gewinnen. Dieser erhielt ebensowenig wie er selbst vom Auftraggeber eine Entlohnung, was ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung sein könnte. Das gesamte Vorhaben gestaltete sich so, als ob D. P. sein Fahrzeug in eine KFZ-Werkstätte gebracht hätte. Somit bestand kein arbeitnehmerähnliches Verhältnis, wenngleich auch nicht alle Merkmale eines unternehmerischen Handels vorgelegen haben, wie z.B. ein über längere Zeit planmäßiges auf Gewinnerzielung gerichtetes Geschäft. Unternehmer ist nach § 136 Abs. 3 Nr.1 SGB VII derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. In diesem Sinn war der Kläger, der keine Bezahlung erhalten haben will, kein Unternehmer. Er handelte lediglich unternehmerähnlich, wobei der Senat die Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren und bei seiner Anhörung am 16.03.2004, er habe in seiner werkstattmäßig ausgerüsteten Garage hin und wieder auch an Fahrzeugen von Bekannten Reparaturen ausgeführt, von Bedeutung hält. Insbesondere in Verbindung mit der Aussage seiner Ehefrau, die einräumte, ab und zu reparaturbedürftige Autos von Bekannten in der Garage gesehen zu haben und den Bemühungen des Klägers und des Zeugen P. , die Beantwortung diesbezüglicher Fragen zu umgehen, gewinnt dieser Aspekt an Gewicht. Der Senat konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dem Kläger daran gelegen war, nicht in den Verdacht zu geraten, Schwarzarbeit verrichtet zu haben. Der Senat hält es insoweit zumindest für erwiesen, dass der Kläger - nicht ausschließlich im Familienkreis - KFZ-Instandsetzungsarbeiten in nicht unerheblichem Ausmaß verrichtete. Von einer gewissen Planmäßigkeit und auf längere Zeiträume ausgerichteten Tätigkeit, die sich insoweit unternehmerähnlich darstellt, geht der Senat aus.

Hinzukommt, dass sich kaum Gesichtspunkte finden lassen, die für eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit sprechen, wie die Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Art der Arbeitsausführung oder die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation mit der Verpflichtung, die Arbeit an einem vorgegebenen Ort auszuführen und die vom Unternehmer gestellten Arbeitsgeräte zu verwenden (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 6.3). Der Senat sieht eine Parallele zu dem vom BSG im Urteil vom 17.03.1992 (a.a.O.) entschiedenen Sachverhalt. Das BSG hob darin hervor, dass der dortige Kläger in der Regel nicht anderen bei einer gemeinsamen, wenn auch vornehmlich von ihm als Kraftfahrzeugmechaniker verrichteten Arbeit geholfen, sondern die Reparaturarbeiten selbständig und teilweise in der hierfür ausgestatteten Garage im Hause seiner Eltern ausgeführt hatte. Die vom BSG (Urteil vom 27.11.1985; Az: 2 RU 37/84 und 2 RU 27/85) und vom Bundesgerichtshof (BGH in SGb 1988, 28) anders entschiedenen Fälle waren dadurch gekennzeichnet, dass die dortigen Kläger die Reparatur mit dem Auftraggeber gemeinsam durchgeführt hatten. Nach dem Gesamtbild der vom Kläger über längere Zeit gehandhabten Reparaturarbeiten in seiner Garage hat der Senat keinen Zweifel, dass der Kläger unternehmerähnlich tätig war und nicht arbeitnehmerähnlich. Versicherungsschutz nach §§ 2 Abs. 2 Satz 1, 8 Abs. 1 SGB VII kann der Kläger daher nicht in Anspruch nehmen.

Dieses Ergebnis stimmt mit dem System der Gesetzlichen Unfallversicherung überein. Danach genießen selbständige Unternehmer keinen Versicherungsschutz, es sei denn sie schließen eine freiwillige Versicherung ab. Rechtspolitisch wäre es nicht vertretbar, einen unternehmerähnlich Tätigen ohne Beitragsleistung in den Versicherungsschutz miteinzubeziehen.

Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, ob sich die geplante Leistung noch im Rahmen einer verwandtschaftlichen Gefälligkeitshandlung hielt, was der Senat im Hinblick auf die kurze Zeit, die unentgeltliche Übernahme der Restarbeiten durch Z. und die von den Schwiegereltern erbrachte Gegenleistung, nämlich die Betreuung des Enkelkindes, annehmen möchte. Er gelangt daher zu der Auffassung, dass ein Versicherungsschutz unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu begründen ist. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 23.10.2003 war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.

Ein Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs.2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved