L 4 AS 607/18 NZB

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 28 AS 5123/14
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 607/18 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Nichtzulassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Beschwerdegegner die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Beklagte und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) begehrt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Halle und die Durchführung des Berufungsverfahrens.

Der Kläger und Beschwerdegegner (im Folgenden: Beschwerdegegner) wendet sich mit seiner Klage gegen eine Erstattungsforderung des Beschwerdeführers.

Dieser bezog zusammen mit seiner Ehefrau laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes – so auch für die Monate Oktober 2013 bis Januar 2014. Der Beschwerdegegner erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit, während seine Ehefrau nicht erwerbstätig war. Der Beschwerdeführer forderte den Beschwerdegegner deshalb mit Schreiben vom 15. Mai 2013 auf, von seiner bisherigen Lohnsteuerklasse IV in die Lohnsteuerklasse III zu wechseln. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdegegner nicht nach.

Nachdem der Beschwerdeführer unter anderem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Monate Oktober 2013 bis Januar 2014 vorläufig bewilligt hatte, setzte er diese mit drei Bescheiden vom 7. April 2014 (Oktober und November 2013, Dezember 2013 und Januar 2014) endgültig fest, wobei er für Januar 2014 keinen Leistungsanspruch ermittelte. Im Rahmen der Anspruchsberechnungen berücksichtigte er jeweils fiktives Einkommen aufgrund eines unterlassenen Wechsels der Lohnsteuerklasse.

Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag forderte der Beschwerdeführer vom Beschwerdegegner für diesen Zeitraum insgesamt 194,78 EUR zurück.

Hiergegen wandte sich der Beschwerdegegner mit anwaltlichem Schreiben vom 8. Mai 2014. Dieses hat folgenden Wortlaut:

"Leistungsangelegenheit K. P., [ ...]
Änderungsbescheid vom 7. April 2014
Leistungszeitraum: 01.10.2013 – 31.01.2014

[ ...]

Namens und in Vollmacht meines Mandanten wird gegen den Bescheid vom 07.04.2014 Widerspruch eingelegt." (Bd. VIII, Blatt 1845 VA).

Handschriftlich wurde darauf der Vermerk Blatt 1755 angebracht. Damit wird auf den hier streitigen Erstattungsbescheid vom 7. April 2014 Bezug genommen.

Daraufhin erließ der Beschwerdeführer ohne weitere Ermittlungen den hier streitigen Widerspruchsbescheid vom 3. November 2014 im Hinblick auf den Erstattungsbescheid vom 7. April 2014. Dieser sei nicht zu beanstanden, weil die endgültigen Festsetzungen, auf deren Inhalt Bezug genommen wurde, nicht zu beanstanden seien.

Hiergegen hat der Beschwerdegegner am 5. Dezember 2014 Klage beim Sozialgericht (SG) Halle erhoben.

Der Beschwerdeführer hat im Termin zur mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, dass die endgültigen Festsetzungen vom 7. April 2014 gegenüber dem Beschwerdegegner bestandskräftig geworden seien, weshalb die Erstattungsforderung nicht mehr geändert werden könne. In diesem Termin hat der Beschwerdegegner beantragt, den Bescheid vom 7. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2014 dahingehend abzuändern, dass im Zeitraum Oktober 2013 bis Januar 2014 lediglich 187,13 EUR monatlich als sonstige Einnahmen angerechnet werden.

Das SG hat der Klage mit Urteil vom 29. Juni 2018 stattgegeben und den Beschwerdeführer antragsgemäß verpflichtet, lediglich ein geringeres Einkommen in Höhe von 187,93 Euro monatlich anzurechnen. Der Beschwerdeführer sei nicht berechtigt, ein höheres Einkommen als 187,93 EUR monatlich anzurechnen, weil fiktives Einkommen aus einem unterlassenen Wechsel der Lohnsteuerklasse nicht berücksichtigt werden dürfe. Hierbei handele es sich nicht um Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Eine vom Beschwerdeführer angenommene Bestandskraft der endgültigen Festsetzungen sei nicht eingetreten, weil der Beschwerdegegner nicht Adressat dieser Bescheide gewesen sei. Soweit sie an die Ehefrau des Beschwerdegegners gerichtet gewesen seien, ergebe sich aus diesen Bescheiden nicht, dass diese sich auch an die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gerichtet hätten. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen.

Der Beschwerdeführer hat gegen das ihm am 27. Juli 2018 zugestellte Urteil am 27. August 2018 Nichtzulassungsbeschwerde beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt erhoben und diese zunächst mit einer grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG begründet. Das BSG habe bislang nicht über die fiktive Anrechnung eines Einkommens aus einem unterlassenen Lohnsteuerklassenwechsel entschieden. Außerdem weiche das SG von der Rechtsprechung des BSG ab (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Hinsichtlich der genauen Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 27. August 2018 Bezug genommen.

Letztlich beruhe das Urteil des SG auch auf einem Verfahrensfehler nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG. Das SG habe vorliegend die Bindungswirkung einer anderen Entscheidung missachtet (vgl. BSG – Urteil vom 4. Dezember 1958 – 3 RJ 191/56). Das SG sei zu einer Prüfung der Leistungsansprüche nicht befugt gewesen, weil die Bescheide vom 7. April 2014 über die endgültige Festsetzung der Leistungsansprüche des Beschwerdegegners bestandskräftig geworden seien. Dieser habe die endgültigen Festsetzungen vom 7. April 2014 nicht angefochten.

Der Beschwerdeführer beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 29. Juni 2018 – Aktenzeichen: S 28 AS 5123/14 – zuzulassen.

Der Beschwerdegegner beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Eine weitergehende Stellungnahme hat er nicht abgegeben.

Der Berichterstatter hat mit Schreiben vom 16. Juli 2019 den Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg habe. Eine Bestandskraft der endgültigen Festsetzungen vom 7. April 2014 für den hier streitigen Zeitraum Oktober 2013 bis Januar 2014 sei nicht eingetreten. Das Widerspruchsschreiben vom 8. Mai 2014 sei dahingehend auszulegen, dass der Beschwerdegegner gegen sämtliche unter dem 7. April 2014 erlassenen und die streitigen Monate betreffenden Bescheide Widerspruch erheben wollte. Damit seien auch die Bescheide über die Änderung zum Bescheid vom 7. November 2013 über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erfasst. Dies ergebe sich unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips trotz anwaltlicher Vertretung noch mit hinreichender Sicherheit aus dem Widerspruchsschreiben, weil andernfalls eine umfassende Überprüfung der Ansprüche des Beschwerdegegners für den gesamten Zeitraum nicht möglich sei. Außerdem dürften die endgültigen Festsetzungen entgegen der Auffassung des SG nicht allein die Ehefrau des Beschwerdegegners betreffen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Änderungsbescheide ergebe sich, dass der Beschwerdeführer über sämtliche Ansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entscheiden wollte und auf der Grundlage von § 38 SGB II diese Entscheidung der Ehefrau des Beschwerdegegners für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bekannt gegeben habe.

Über den Widerspruch des Beschwerdegegners bezüglich der endgültigen Festsetzungen habe der Beschwerdeführer jedoch keine Entscheidung getroffen. Gegenstand des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2014 sei lediglich der Erstattungsbescheid vom 7. April 2014. Dies ergebe sich bereits aus dem Vermerk auf dem Widerspruchsschreiben, in dem auf Blatt 1755 der Verwaltungsakte verwiesen wird. In dieser Konstellation sei das SG indes nicht berechtigt gewesen, über die Leistungsansprüche des Beschwerdegegners zu entscheiden. Vielmehr sei es verpflichtet gewesen, gemäß § 114 Abs. 2 SGG analog das Verfahren zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens auszusetzen.

Im Übrigen sei weder von einer grundsätzlichen Bedeutung noch von einer Divergenz (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) auszugehen. Der Berichterstatter hat deshalb angeregt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzunehmen.

Der Beschwerdeführer hat nunmehr – nach dem Beschluss des erkennenden Senats in den Verfahren L ... NZB, L ... NZB, L ... NZB und L ... NZB vom 14. November 2019 seine Beschwerde lediglich noch auf einen Verfahrensfehler im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG gestützt und ergänzend ausgeführt, dass der Beschwerdegegner lediglich gegen "den Bescheid vom 07.04.2014" für den "Leistungszeitraum 01.10.2013 bis 31.01.2014" erhoben habe. Selbst wenn in der Betreffzeile der Begriff Änderungsbescheid statt Erstattungsbescheid verwendet werde, dürfte es sich wegen der zahlreichen parallelen Widerspruchsschreiben nur um einen Kopierfehler aus dem Widerspruch der Bevollmächtigten des Beschwerdegegners handeln. Jedenfalls bestehe ein konkreter Bezug zu einem Bescheid und nicht zu einer Mehrheit von insgesamt vier Bescheiden. Im Gesamtzusammenhang mit den diversen Widerspruchsschreiben der Ehefrau des Beschwerdegegners lasse sich nicht nachvollziehen, weshalb in diesem Fall nur ein Widerspruchsschreiben verfasst worden sei. Letztlich sei auch nicht nachzuvollziehen, weshalb in der Klageschrift vom 5. Dezember 2014 lediglich gegen den Erstattungsbescheid vom 7. April 2014 und nicht gegen alle vier Bescheide Klage erhoben worden sei. Die Auslegung von förmlichen Erklärungen gegen ihren Wortlaut komme im Fall anwaltlicher Vertretung nicht in Betracht. Ein Rechtsanwalt müsse sich an dem Erklärten festhalten lassen. Demgemäß habe auch die Ehefrau des Beschwerdegegners gegen die Festsetzungsbescheide ausdrücklich Widerspruch erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen.

II.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 145 SGG eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet. Nachdem die Berufung aufgrund des Streitgegenstands nicht bereits gesetzlich eröffnet ist, hat das SG die Berufung gegen das Urteil vom 29. Juni 2018 zu Recht nicht zugelassen, weil keiner der gesetzlichen Zulassungsgründe vorliegt.

1. Ohne Zulassung ist die Berufung nur bei wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr oder bei einem Beschwerdewert von über 750,00 EUR statthaft (§ 144 Abs. 1 Nr. 2 und 1 SGG), was bei einer Erstattungsforderung von 197,78 EUR, die lediglich vier Monate betrifft, ersichtlich nicht der Fall ist.

2. Ist die Berufung nicht bereits gesetzlich eröffnet, ist sie gemäß § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr.3).

Die Voraussetzungen von § 144 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor, was der Beschwerdeführer nach den Beschlüssen des Senats vom 14. November 2019 in den Verfahren L ... NZB, L ... NZB, L ... NZB und L ... NZB zwischen dem Beschwerdeführer und der Ehefrau des Beschwerdegegners auch nicht mehr behauptet. Fiktives Einkommen ist nicht gemäß §§ 11, 11a SGB II anzurechnen. Auf die Beschlüsse wird Bezug genommen.

Aber auch die Voraussetzungen von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG liegen nicht vor. Der vom Beschwerdeführer gerügte Verfahrensmangel des Verstoßes gegen die Bindungswirkung von drei bestandskräftigen Festsetzungsbescheiden vom 7. April 2014 für die Zeit vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. Januar 2014, vgl. § 77 SGG, liegt nicht vor.

Gemäß § 77 SGG ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, falls der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Vorliegend bestand die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit eines Vorverfahrens nach § 78 Abs. 1 SGG. Hiervon hat der Beschwerdegegner Gebrauch gemacht, indem er gemäß § 83 SGG form- und fristgemäß (§ 84 SGG) gegen alle unter dem 7. April 2014 ergangenen Bescheide – soweit sie den hier streitigen Zeitraum betreffen – Widerspruch erhoben hat. Dies ergibt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers durch Auslegung aus dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Beschwerdegegners vom 8. Mai 2014.

Ist unklar, ob bzw. in welchem Umfang Widerspruch eingelegt worden ist, hat die Behörde dies durch Auslegung zu ermitteln und bei Unklarheiten, die nicht im Wege der Auslegung beseitigt werden können, durch Rückfragen zu klären, ob ein förmlicher Widerspruch erhoben werden sollte und wogegen sich dieser richtet. Auch eine Umdeutung eines Antrages kommt grundsätzlich in Betracht. Im Zweifel ist jedoch davon auszugehen, dass mit dem Widerspruch alle Verfügungssätze angegriffen werden sollen (so Gall in jurisPK, (Stand 15. Juli 2017), zu § 83 SGG, Rn. 12; ähnlich auch Leitherer in Meyer-Ladewig und andere, 12. Aufl., zu § 83 SGG, Rn. 2). Dabei erfolgt die Auslegung unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips unabhängig vom Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens, damit das Begehren möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Hierbei gelten die Auslegungsregeln des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach nicht an dem Wortlaut einer Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, soweit er für das Gericht und die Beteiligten erkennbar ist (vgl. BSG – Urteile vom 6. April 2011 – B 4 AS 119/10 R – Rn. 29 sowie vom 10. November 2011 – B 8 SO 18/10 R – Rn. 13 – juris). Voraussetzung für eine Auslegung ist damit in jedem Fall eine Unklarheit, weil erst bei einem unklaren Antrag das Gericht – und im Verwaltungsverfahren die Behörde – zu klären hat, was gewollt ist und in der Folge darauf hinzuwirken hat, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (vgl. Urteile des Sächsischen LSG vom 15. Dezember 2011 – L 3 AS 480/09 – Rn. 45 sowie Thüringer LSG – Beschluss vom 28. Januar 2019 – L 9 AS 1071/16 B – Rn. 29 – juris). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Der Senat ist unter Zugrundelegung der genannten Grundsätze davon überzeugt, dass der Antragsgegner gegen alle den hier streitigen Zeitraum betreffenden Verwaltungsakte Widerspruch erheben wollte, weil nur so das Rechtsschutzziel – Bewilligung höherer Leistungen im Rahmen der endgültigen Festsetzungen und damit niedrige Erstattungsforderungen – erreicht werden kann.

Das Widerspruchsschreiben vom 8. Mai 2014 ist nicht eindeutig. Allein für den hier streitigen Zeitraum hat der Beschwerdeführer endgültige Festsetzungen für Oktober und November 2013, Dezember 2013 und Januar 2014 sowie einen Erstattungsbescheid gegenüber dem Beschwerdegegner erlassen. Es gibt damit keinen Änderungsbescheid (Singular!) vom 7. April 2014, welcher den vom Antragsgegner benannten Leistungszeitraum 1. Oktober 2013 bis zum 31. Januar 2014 umfasst. Insofern geht schon die ursprüngliche Annahme des Antragsgegners aus dem Jahr 2014 fehl, der Widerspruch beziehe sich (allein) auf den Erstattungsbescheid. Wenn er sich schon am Wortlaut orientiert, so wäre doch ein Änderungsbescheid – und nicht die Erstattungsforderung – Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gewesen.

Auch das Argument, der Beschwerdegegner sei rechtskundig vertreten gewesen, weshalb er an den rechtserheblichen Erklärungen seiner Anwältin festzuhalten sei und eine Auslegung gegen den ausdrücklichen Wortlaut nicht in Betracht komme, überzeugt in diesem Fall nicht. Es trifft zwar zu, dass eine rechtskundige Person grundsätzlich am (fachsprachlichen) Wortlaut seiner gegenüber dem Gericht bzw. der Behörde abgegebenen Erklärungen festzuhalten ist. Dies gilt indes nicht, wenn für das Gericht erkennbar ein Irrtum vorliegt oder – sich der Kläger bzw. im Vorverfahren der Widerspruchsführer entsprechend unrichtiger Hinweise (des Gerichts) verhält (vgl. BSG – Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 4 R 19/06 R – Rn. 15 – juris). Es kann bei einem Rechtsanwalt oder einem anderen qualifizierten Prozessbevollmächtigten in der Regel davon ausgegangen werden, dass dieser das Gewollte richtig wiedergibt (BSG – Beschluss vom 5. Juni 2014 – B 10 ÜG 29/13 B – Rn. 12 – juris; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig und andere, 12. Aufl., zu § 123 SGG, Rn. 3). Allerdings kann dies nur dann gelten, sofern die Erklärung eindeutig ist. Hiervon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden. Weder aus dem Widerspruchsschreiben selbst noch aus den sonstigen Umständen ergibt sich eine eindeutige Beschränkung auf einen einzigen Bescheid – insbesondere den hier streitigen Erstattungsbescheid. Vielmehr ist das Schreiben der Prozessbevollmächtigten nicht unzweideutig, sodass auch keine Auslegung gegen den ausdrücklichen Wortlaut – wie der Beschwerdeführer meint – erfolgt. Vielmehr wäre es angesichts des nicht eindeutigen Wortlautes und trotz der anwaltlichen Vertretung Aufgabe der Behörde gewesen, sich Klarheit darüber zu verschaffen, was Gegenstand des Widerspruchs sein soll.

Darüber hinaus stellt der Beschwerdeführer Mutmaßungen an, wenn er ausführt, es handele sich bei der Bezeichnung Änderungsbescheid statt Erstattungsbescheid vom 7. April 2014 lediglich um einen Kopierfehler, da er belastbare Anknüpfungstatsachen nicht benennt. Der vorangehende Widerspruch zum Aktenzeichen 113/14 der Anwältin betrifft zwar einen Änderungsbescheid vom 7. April 2014 gegenüber der Ehefrau, aber nicht für den Leistungszeitraum Oktober 2013 bis Januar 2014, sondern nur Oktober und November 2013. Der Widerspruch gegen den Erstattungsbescheid für die vier Monate wurde hingegen unter dem Aktenzeichen ... geführt.

Soweit der Beschwerdeführer darauf abhebt, der Beschwerdegegner habe (lediglich) gegen den Erstattungsbescheid vom 7. April 2014 Klage erhoben, spricht dies nicht gegen, sondern für die hiesige Argumentation. Gemäß § 95 SGG ist Gegenstand des Klageverfahrens der Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides. Dies ist vorliegend jedoch – was unstreitig ist – allein der Erstattungsbescheid vom 7. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2014. Eine Klage gegen die Änderungsbescheide vom 7. April 2014 wäre gem. § 78 SGG in Ermangelung eines Widerspruchsverfahrens unzulässig gewesen.

Damit sind die endgültigen Festsetzungen vom 7. April 2014 nicht in Bestandskraft (§ 77 SGG) erwachsen.

Andere Verfahrensfehler hat der Beschwerdeführer nicht gerügt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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