S 35 AS 1059/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
35
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 35 AS 1059/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 481/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 82/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid des Beklagten vom 05.03.2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.03.2012 und 28.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2012 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 06.09.2011 abzuändern und den Klägern weitere Kosten der Unterkunft und Heizung für Dezember 2011 in Höhe von 46,39 EUR und für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.03.2012 in Höhe von 48,00 EUR monatlich zu bewilligen. 2. Die außergerichtlichen Kosten der Kläger trägt der Beklagte. 3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger machen im Überprüfungsverfahren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Zeitraum vom 01.12.2011 bis 31.03.2012 geltend.

Der ...1980 geborene Kläger zu 1) und seine ...2006 geborene Tochter und Klägerin zu 2) bezogen als Bedarfsgemeinschaft im Jahr 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Der Beklagte berücksichtigte für den Bewilligungszeitraum vom 01.04.2011 bis 30.09.2011 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung. Er legte dabei zunächst die Mietbescheinigung vom 22.03.2011 (Gesamtmiete einschließlich Heizkosten 441,32 EUR) zugrunde. Im Änderungsbescheid vom 06.05.2011 wies der Beklagte allerdings darauf hin, dass die Kosten der Wohnung in der D. in W. unangemessen hoch seien. Diese seien daher unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 01.12.2011 auf ein angemessenes Maß zu senken. Für einen Zweipersonenhaushalt seien 316,20 EUR an kalten Kosten und 92,00 EUR Heizkosten angemessen. Die Kläger reichten am 21.07.2011 die Betriebskostenabrechnung für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis 31.12.2010 ein. Hieraus ergab sich eine Nachzahlung von 313,40 EUR und neue Abschläge (124,74 EUR Heizkosten, 64,74 EUR kalte Betriebskosten), so dass die Gesamtmiete ab 01.08.2011 461,20 EUR betrug. Mit dem Änderungsbescheid vom 26.07.2011 bewilligte der Beklagte die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung ab 01.08.2011 und übernahm zudem die Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung i.H.v. 313,40 EUR.

Mit Antrag vom 19.12.2011 begehrten die Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab 01.10.2011. Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 06.09.2011 Leistungen für den Zeitraum vom 01.10.2011 bis 31.03.2012. Er legte dabei für die Monate Oktober und November Kosten der Unterkunft und Heizung von 461,20 EUR monatlich zugrunde und berücksichtigte ab Dezember 2011 Kosten der Unterkunft und Heizung von 408,20 EUR monatlich. Gegen den Bescheid erhoben die Kläger keinen Widerspruch.

Am 19.12.2011 beantragten die Kläger - vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte - die Überprüfung der Leistungsbewilligung seit dem Bescheid vom 06.05.2011 hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung. Diese wären in monatlich zutreffender Höhe von 461,20 EUR zu gewähren. Eine Reduzierung ab Dezember 2011 sei insbesondere rechtswidrig. Mit Bescheid vom 05.03.2012 lehnte der Beklagte den Antrag auf Überprüfung ab. Es seien keine neuen Tatsachen vorgebracht worden, die nicht bereits in der ursprünglichen Entscheidung berücksichtigt worden seien.

Mit Widerspruch vom 09.03.2012 wandten sich die Kläger gegen die Ablehnung des Überprüfungsantrags und bestanden weiterhin auf die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung ab Dezember 2011. Mit Änderungsbescheid vom 26.03.2012 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum vom 01.12.2011 bis 31.03.2012 höhere Heizkosten von 97,00 EUR monatlich, so dass sich eine Nachzahlung ergab. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 28.03.2012 bewilligte der Beklagte weitere Kosten der Unterkunft und Heizung von 1,61 EUR für Dezember 2011, da die Absenkung der Kosten der Unterkunft und Heizung auf einen angemessenen Wert erst ab 02.12.2011 eingreife. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2012 zurück. Kosten im Widerspruchsverfahren seien i.H.v. 50 % zu erstatten. Hinsichtlich der Reduzierung der Kosten der Unterkunft und Heizung ab 02.12.2011 verwies der Beklagte zum einen auf den Bundesweiten Heizspiegel und die dort aufgeführten Werte für Fernwärme und zum anderen auf die Werte für einen 2-Personenhaushalt des Wohnungsmarkttyps I ihrer internen Verwaltungsvorschrift.

Mit der Klage vom 25.04.2012 haben die Kläger weiterhin die Übernahme der vollen Unterkunftskosten ab Dezember 2011 geltend gemacht.

Sie haben darauf hingewiesen, dass die Verwaltungsvorschrift des Beklagten nicht den Anforderungen eines schlüssigen Konzepts nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entspreche. Bereits die Datenerhebung sei fehlerhaft. Zudem hätte die Verwaltungsvorschrift und das von einer Firma erstellte Konzept öffentlich bekannt gemacht werden müssen.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Beklagten vom 05.03.2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.03.2012 und 28.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 06.09.2011 abzuändern und den Klägern für den Zeitraum vom 01.12.2011 bis 31.03.2013 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung von insgesamt 190,39 EUR zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist darauf, dass der Beklagte die Heizkosten nicht i.H.v. 97,00 EUR sondern vielmehr in bisheriger Höhe von 92,00 EUR hätte bewilligen müssen. Zum Zeitpunkt der abschließenden Behördenentscheidung sei auf den Heizspiegel 2010 abzustellen gewesen. Jedenfalls seien keine über 97,00 EUR hinausgehenden Heizkosten zu bewilligen. Die Reduzierung der Kosten der Unterkunft auf ein angemessenes Maß nach § 22 Abs. 1 SGB II sei zulässig und zutreffend. Es sei von dem Landkreis Wittenberg als Vergleichsraum auszugehen. Hierfür seien Daten erhoben worden und ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erstellt worden. Es sei zunächst von der angemessenen Wohnungsgröße für einen 2-Personenhaushalt von 60 m² auszugehen. Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Kosten (Quadratmeterpreis im Vergleichsraum) sei umfassend durch die erfolgte Datenerhebung durchgeführt worden. Die Auswertung sei durch eine hierzu beauftragte Firma erfolgt, es werde insoweit auf die dem Gericht übersandten Unterlagen verwiesen.

Im Verfahren hat der Beklagte auf Anforderung des Gerichts vom 12.11.2014, sowie 04.03.2015 weitere Unterlagen hinsichtlich der Verwaltungsvorschrift übersandt. Zudem hat das Gericht aus den Unterlagen, die der Beklagte in Parallelverfahren der 35. Kammer zur Verfügung gestellt hat, eine Generalakte mit dem Titel "Landkreis Wittenberg, Richtlinie KdU, Mietwerterhebung und Rohdaten 2011, Fortschreibung 2013" gebildet. Diese beinhaltet die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung ab dem 15.03.2011, den Bericht über die Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg der Firma A. & K., Januar 2011 nebst der Indexfortschreibung vom 14.11.2013, die Stellungnahmen der Firma A. & K. vom 04.06.2013, 22.12.2014, 13.02.2015, 18.03.2015, 26.06.2015, 13.10.2015, 15.10.2015 und 03.08.2016 sowie die Rohdaten zur Mietwerterhebung in anonymisierter Form. Die Generalakte wurde durch das Schreiben des Gerichts vom 26.01.2016 (Ergänzung vom 14.10.2016) in das Verfahren einbezogen.

Die Beteiligten haben sich in der nichtöffentlichen Sitzung am 27.04.2016 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte sowie der genannten Generalakte ergänzend verwiesen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer entscheidet nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

1.

Die Klage ist zulässig.

Gegenstand des Verfahrens ist die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Zeitraum vom 01.12.2011 bis 31.03.2012. Die Kläger machen ihr Begehren hier zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage geltend. Im Rahmen der Anfechtungsklage begehren sie die teilweise Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 05.03.2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.03.2012 und 28.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2012, mit dem der Beklagte den Überprüfungsantrag der Kläger in Bezug auf die Leistungsbewilligung im Bescheid vom 06.09.2011 überwiegend abgelehnt hat. Mit der Verpflichtungsklage begehren sie die Erteilung eines Bescheides durch den Beklagten, der die Änderung des Bewilligungsbescheides vom 06.09.2011 bewirkt. Mit der Leistungsklage beantragen sie dann die Erbringung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im genannten Zeitraum (vgl. insoweit zur Klageart zuletzt Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12.10.2016, Az.: B 4 AS 37/15 R, Rn. 11 zitiert nach juris, m.w.N.).

Nach dem Vorbringen der Kläger machen sie die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung im Zeitraum Dezember 2011 bis März 2012 geltend. Die Klage wurde beziffert auf den Differenzbetrag von 190,39 EUR. Eine Begrenzung des Begehrens allein auf die Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne eines abtrennbaren Streitgegenstandes (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2014, Az. B 14 AS 42/13 R; Urteil vom 06.08.2014, Az. B 4 AS 55/13 R, zitiert nach juris) war von der Klägerseite nach ihrem Schriftsatz vom 19.11.2014 vorgesehen, konnte jedoch nicht erfolgen, da jedenfalls das Einkommen der Klägerin auch Auswirkungen auf die Kosten der Unterkunft und Heizung hat.

2.

Die Klage ist vollumfänglich begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 05.03.2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.03.2012 und 28.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2012 ist teilweise rechtswidrig. Die Kläger haben einen Anspruch auf weitergehende Abänderung des für den Zeitraum 01.12.2011 bis 31.03.2012 erlassenen Bewilligungsbescheides vom 06.05.2011 und die Zahlung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II (Kosten der Unterkunft und Heizung) von insgesamt 190,39 EUR.

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und insoweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungsträgers aus, bestimmt jedoch zugleich auch den Umfang des Prüfauftrags der Verwaltung im Hinblick darauf, ob bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.d.F. des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl I 453) gilt abweichend von § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II die Vorschrift des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X zur rückwirkenden Erbringung von Sozialleistungen mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein solcher von einem Jahr gilt.

Vorliegend haben die Kläger den Überprüfungsantrag bereits am 19.12.2011 und daher unter Einhaltung der Jahresfrist bezogen auf den streitigen Zeitraum ab Dezember 2011 gestellt. Der Überprüfungsantrag war auch hinreichend bestimmt. Er war auf die Überprüfung der Bescheide ab dem Änderungsbescheid vom 06.05.2011 gerichtet. Insbesondere wurde geltend gemacht, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung ab Dezember 2011 berücksichtigt werden. Dass insoweit die weiteren Bewilligungsbescheide insbesondere der Bescheid vom 06.09.2011 nicht ausdrücklich erwähnt sind, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unschädlich. Vielmehr genügt es, wenn entweder aus dem Antrag selbst (ggf. nach Auslegung) oder aus einer Antwort des Leistungsberechtigten aufgrund konkreter Nachfrage des Sozialleistungsträgers der Umfang des Prüfauftrags für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar wird (BSG, a.a.O., Rn.14, zitiert nach juris). Vorliegend ist klar erkennbar, dass die Leistungsbewilligung ab Dezember 2011 im Hinblick auf die nunmehr durch den Beklagten gekürzten Unterkunftskosten zur Überprüfung gestellt worden ist.

Der Beklagte hat vorliegend im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 das Recht unrichtig angewandt. Die Kläger haben für den Monat Dezember 2011 einen Anspruch auf die Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II von 46,39 EUR und für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis 31.03.2012 i.H.v. 48,00 EUR monatlich.

a)

Nach § 19 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 01.01.2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 01.01.2011 geltenden Fassung) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Der volljährige Kläger ist im streitigen Zeitraum erwerbsfähig gewesen und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er war auch hilfebedürftig, weil er seinen Bedarf mit Einkommen nicht decken konnte. Verwertbares Vermögen war nicht vorhanden. Zur Bedarfsgemeinschaft gehörte nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II auch die mit im Haushalt lebende minderjährige Klägerin (Tochter), da sie ihren Bedarf nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen vollumfänglich decken konnte.

Hinsichtlich der vom Beklagten unstreitig berücksichtigten Regelbedarfe, den Mehrbedarf für Alleinerziehung und die Anrechnung des Einkommens der Klägerin aus Kindergeld (§ 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II i.d.F. ab 01.04.2011) und Unterhaltsvorschuss kann auf den Änderungsbescheid des Beklagten vom 28.03.2012 und den beigefügten Berechnungsbogen verwiesen werden.

b)

Hinzuzurechnen sind die Kosten für Unterkunft und Heizung, wobei die Kammer die tatsächlich angefallenen Kosten im streitigen Zeitraum zugrunde legt.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zum aktuellen Bedarf (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 24.02.2011, Az.: B 14 AS 61/10 R, Rn. 14; Urteil vom 22.09.2009, Az.: B 4 AS 18/09 R, Rn. 29; Urteil vom 15.04.2008, Az.: B 14/7b AS 58/06 R, Rn. 36 jeweils zitiert nach juris). Bei der Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen erfolgt die Aufteilung der Unterkunftskosten grundsätzlich kopfanteilig (st. Rspr., u.a. BSG, Urteil vom 15.04.2008, Az.: B 14/7 b AS 58/06 R, Rn. 33; Urteil vom 18.06.2008, Az.: B 14/11 b AS 61/06 R, Rn. 19, jeweils zitiert nach juris).

aa)

Als Bruttokaltmiete (Grundmiete sowie kalte Betriebskosten) ist im Zeitraum Dezember 2011 bis März 2012 ein Betrag von 336,46 EUR monatlich angefallen. Diese Unterkunftskosten sind nicht auf einen Betrag von 316,20 EUR - wie der Beklagte meint - zu begrenzen, sondern in voller Höhe bei der Berechnung zu berücksichtigen.

Dabei hat die Kammer keine Bedenken bezüglich der Kostensenkungsaufforderung im Änderungsbescheid vom 06.05.2011. Der Beklagte hatte die Kläger ausdrücklich auf die aus seiner Sicht bestehende Unangemessenheit der Unterkunftskosten hingewiesen und ihnen eine Übergangsfrist von sechs Monaten (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II) zugebilligt.

Die der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII zugrunde liegende Mietwerterhebung entspricht aber nach Auffassung der Kammer nicht den Mindestanforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten. Die Kammer folgt der ständigen Rechtsprechung der weit überwiegenden Zahl der Kammern des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (vgl. nur Urteil vom 14.06.2016, Az.: S 13 AS 1257/14; Urteil vom 16.11.2015, Az.: S 7 AS 1732/12; Urteil vom 19.08.2015, Az.: S 14 AS 2582/12; Urteil vom 17.08.2012, Az.: S 11 AS 2430/11, jeweils veröffentlicht in juris). Ergänzend kann auch auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 18.11.2013, Az.: L 5 AS 336/13 B ER, zitiert nach juris) verwiesen werden, in der erhebliche Bedenken hinsichtlich der Schlüssigkeit des Konzepts geäußert werden, das der Unterkunftsrichtlinie zugrunde gelegt wurde. Eine Hauptsacheentscheidung liegt seitens des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt noch nicht vor. Soweit der Beklagte in Parallelverfahren auf eine rechtskräftige Entscheidung der 27. Kammer verwiesen hat, die seine Auffassung zur zutreffenden Ermittlung der Angemessenheitsgrenzwerte stützen würde, folgt die Kammer dem nicht. Die genannte Entscheidung ist nicht hinreichend begründet worden und setzt sich insbesondere nicht mit den vorher ergangenen Entscheidungen der anderen Kammern des Sozialgerichts Dessau-Roßlau auseinander.

Im Einzelnen:

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis) (BSG, Urteil vom 10.09.2013, Az.: B 4 AS 77/12 R, Rn. 19, zitiert nach juris).

(1.)

Für einen 2-Personen-Haushalt ist eine angemessene Wohnfläche von 60 m² anzusetzen. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt) zurückzugreifen (Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt, Urteil vom 03.03.2011, Az.: L 5 AS 181/07, Rn. 45; Urteil vom 09.05.2012, Az.: L 5 AS 2/09, Rn. 37 jeweils zitiert nach juris). Die Wohnung der Kläger (59,07 m²) überschreitet diese Größe nicht.

(2.)

Der räumliche Vergleichsmaßstab ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts so zu wählen, dass Hilfesuchende im Regelfall ihr soziales Umfeld beizubehalten vermögen. Deshalb ist für den räumlichen Vergleichsmaßstab in erster Linie der Wohnort des Hilfesuchenden maßgebend. Nur bei besonders kleinen Gemeinden, die über keinen repräsentativen Wohnungsmarkt verfügen, kommen größere und bei besonders großen Städten kleinere Gebietseinheiten in Betracht. Daher sind ausgehend vom Wohnort des Hilfeempfängers Vergleichsmaßstab diejenigen ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung, die auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (BSG, Urteil vom 19.02.2009, Az. B 4 AS 30/08 R, zitiert nach juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen spricht vorliegend nach Ansicht der Kammer einiges dafür, dass nicht der gesamte Landkreis Wittenberg als maßgeblicher Vergleichsraum angesehen werden kann. Die Vorgehensweise des Beklagten, den gesamten Kreis als Vergleichsraum zu definieren, kann zwar bei Großstädten (kreisfreie Städte) wie Berlin (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010, Az. B 14 AS 50/10 R), München (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009, Az. B 4 AS 30/08 R) oder Bremen (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.2009, Az. B 14 AS 132/10 R) zutreffend sein, in denen das Verkehrsnetz und der öffentliche Nahverkehr auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen her angelegt ist. Gleiches gilt für kleinere Landkreise mit einem Mittelzentrum. Im Landkreis Wittenberg stellt die L. W. jedoch kein Mittelzentrum dar, auf das alle kreisangehörigen Gemeinden gleichermaßen ausgerichtet wären. Das ergibt sich bereits daraus, dass bestimmte Gemeinden wie z. B. O.-W. von ihrer verwaltungstechnischen Zuordnung infrastrukturell eher der Stadt D.-R. als der L. W. zuzuordnen sind (SG Dessau-Roßlau, Urteile vom 19.08.2015, Az. S 14 AS 2582/12 und S 14 AS 822/13, veröffentlicht in juris). B. S. und A. sind wiederum infrastrukturell eher den Städten T., H. und J. als der L. W. zugewandt. Gegen eine infrastrukturelle und verkehrstechnische Verbundenheit aller Gemeinden im Landkreis Wittenberg spricht zudem die Tatsache, dass das Kreisgebiet in Nord-Süd-Richtung durch die A 9 und in Ost-West-Richtung durch die Elbe geteilt wird, so dass einzelne Gemeinden nur über Brücken/Fähren miteinander verbunden sind. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass in der L. W. mehr als 1/3 der gesamten Kreisbevölkerung lebt, während der Landkreis im Übrigen durch nur geringe Bebauung gekennzeichnet ist (SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 22.11.2013, Az. S 11 AS 150/12, zitiert nach juris). Dementsprechend liegt kein homogener Lebens- und Wohnbereich vor. Auch aus der geschichtlichen Entwicklung des Landkreises ergibt sich kein einheitlicher Lebensbereich (dazu ausführlich SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 26.01.2016, Az. S 30 AS 2355/12, zitiert nach juris). So hat insbesondere die Kreisgebietsreform 2007 dazu geführt, dass die damaligen Verwaltungsgemeinschaften C. und W. W. dem Landkreis Wittenberg zugeschlagen worden sind, die vorher zum Landkreis A.-Z. gehörten.

Ungeachtet dieser beachtlichen Argumente verkennt die Kammer andererseits aber auch nicht, dass im Landkreis Wittenberg außer der L. W. allenfalls noch die Städte G. und J. über einen eigenen, repräsentativen Wohnungsmarkt verfügen dürften. Die übrigen Städte und Gemeinden haben deutlich unter 10.000 Einwohner, so dass nicht davon auszugehen ist, dass es sich dabei um ausreichend große Räume der Wohnbebauung handelt, hinsichtlich derer eine eigene, repräsentative Datenerhebung möglich wäre. Da das Bundessozialgericht zwar ein völliges Dahingestelltlassen der Bestimmung eines örtlichen Vergleichsraumes für unzulässig erachtet, gleichzeitig aber eine Wahlfeststellung für möglich hält (BSG, Urteil vom 14.02.2013, Az. B 14 AS 61/12 R), ist nach Ansicht der Kammer als maßgeblicher Vergleichsraum vorliegend alternativ die L. W. oder der gesamte Landkreis Wittenberg anzusehen.

Der Beklagte hat nach seinen eigenen Ausführungen den gesamten Landkreis als Vergleichsraum berücksichtigt. Dies ergibt sich jedoch nicht aus dem Endbericht der Firma A. & K. zur Mietwerterhebung aus Januar 2011. Dieser hat vielmehr darauf verwiesen, dass die Bestimmung des Vergleichsraums nicht Gegenstand ihrer Untersuchung und Auswertung gewesen ist. Nach den vorliegenden Ausführungen hat die Firma A. & K. vielmehr Wohnungsmarkttypen gebildet, die jedoch ausdrücklich keine eigenständigen Vergleichsräume darstellen sollen. Dies ist insoweit nachvollziehbar, da die Wohnungsmarkttypen im Landkreis nach den gebildeten Kriterien unzusammenhängend oder nur zufällig zusammenhängend verteilt sind. Es ging dem Konzeptersteller hier gerade nicht um die Abbildung von homogenen Wohn- und Lebensräumen (so auch SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 26.01.2016, Az. S 30 AS 2355/12).

Im Ergebnis muss jedoch eine Festlegung der Kammer im Hinblick auf einen der alternativ benannten Vergleichsräume nicht erfolgen, da jedenfalls für beide Vergleichsräume (politische Gemeinde oder Landkreis) kein schlüssig ermittelter Angemessenheitswert vorliegt.

(3.)

Für den Beklagten besteht grundsätzlich eine Methodenfreiheit bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete. Die Unterkunftsbedarfe müssen als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums aber folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (BSG, Urteil vom 18.11.2014, Az.: B 4 AS 9/14 R, Rn. 13, zitiert nach juris). Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (BSG, Urteil vom 18.06.2008, Az.: B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16, zitiert nach juris). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),

es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen,

Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

Angaben über den Beobachtungszeitraum,

Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),

Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

Validität der Datenerhebung,

Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)

(so im Detail: BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az.: B 4 AS 18/09 R, Rn. 19 zitiert nach juris).

Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013, Az.: B 4 AS 77/12 R, Rn. 21, zitiert nach juris). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen.

Anhand der vorliegenden Unterlagen insbesondere der Generalakte bestehen mehrere Problemkreise, die gegen eine schlüssige Ermittlung der Angemessenheitsgrenze sprechen.

So ist für die Kammer bereits nicht nachvollziehbar, ob die dem Ausschluss von Wohnungen des untersten Standards dienenden Vorgaben ("Ausstattung, Lage und Bausubstanz") tatsächlich im Ergebnis bei der Mietwerterhebung beachtet worden sind. Im Endbericht zur Mietwerterhebung aus Januar 2011, Seite 7 wird näher ausgeführt, über welche Merkmale die Wohnungen mindestens verfügen müssen, um als unteres Marktsegment und nicht als Substandardwohnungen in die Erhebung und Auswertung einfließen zu können. Als Mindestanforderung sollten die Wohnungen über die Merkmale "Bad" und "Sammelheizung" verfügen. Substandardwohnungen blieben nach den Ausführungen im Endbericht unberücksichtigt. Der Konzeptersteller kann aber gerade nicht gewährleisten, dass unzumutbare Wohnungen ohne Sammelheizung bzw. Bad nicht in die Ermittlung eines angemessenen Quadratmeterpreises eingeflossen sind. Weder die Vermieterfragebögen noch die Mieterfragebögen enthalten entsprechende Fragen nach dem Standard. Dass der Ausschluss von Substandardwohnungen im Falle der Datenerhebung bei den Wohnungsunternehmen im "persönlichen Kontakt" erfolgt sein soll (vgl. Stellungnahme A. & K. vom 26.06.2015), kann anhand der noch vorhandenen Datensätze nicht verifiziert werden. Auch mit der durchgeführten Extremwertkappung lässt sich der Einfluss von Substandard in die Erhebung nicht ausschließen, denn die Extremwertkappung basiert lediglich auf der Vermutung, dass Wohnungen unterhalb eines bestimmten Quadratmeterpreises dem untersten Marktsegment zuzuordnen sind. Damit werden letztlich aber Schlussfolgerungen vorweggenommen, die erst nach Auswertung der fehlerfrei erhobenen Daten gezogen werden können (Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 14.06.2016, Az.: S 13 AS 1257/14, Rn. 57, zitiert nach juris).

Als fehlerhaft stellt sich aus Sicht der Kammer auch die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung dar. Eine konkrete Begründung findet sich im Endbericht nicht. Der Konzeptersteller wollte ausweislich seiner eigenen Ausführungen den gesamten Wohnungsmarkt des einfachen bis gehobenen Standards zugrunde legen und anschließend mittels Extremwertkappungen und Perzentil-Bildungen einen Durchschnittspreis ermitteln (Endbericht S. 14). In einem ländlich und dörflich geprägten Gebiet wie dem Landkreis Wittenberg ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die Anmietung einer solchen Wohnung per se dem Luxussegment zuzuordnen wäre. Wenn bei der Datenerhebung aber nur auf den Geschossbau abgestellt wird, verzerrt dies im ländlich geprägten Gebiet den abzubildenden gesamten Mietwohnungsmarkt. Nach der ergänzenden Stellungnahme des Konzepterstellers sollen im gesamten Landkreis rund 8,3 % der Einfamilienhäuser und 31,6 % der Wohnungen in Zweifamilienhäusern zu Wohnzwecken vermietet sein, in der L. W. 10,6 % der Einfamilienhäuser und 33,1 % der Zweifamilienhäuser (Stellungnahme A. & K. vom 26.06.2015). Daten wurden diesbezüglich von vornherein nicht erhoben (die ausgewählten Mieter solcher Wohnungen sollten den Fragebogen weder ausfüllen noch zurückschicken). Aufgrund der erheblichen Zahl der von dem Ausschluss betroffenen Mietwohnungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich hieraus keine Auswirkungen auf das Ergebnis eingestellt hätte. Eine Nachbesserung für die Vergangenheit ist mangels der nicht erhobenen Daten nicht möglich und wurde zudem durch den Beklagten abgelehnt.

Nach Auffassung der Kammer ist der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten nicht dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden. Eine repräsentative Abbildung des Wohnungsmarktes hat das Bundessozialgericht zwar für den Fall angenommen, wenn die Datenbasis auf 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (vgl. Urteil vom 18.06.2008, Az.: B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16, zitiert nach juris). Nach den Ausführungen im Endbericht gebe es im Landkreis 72.219 Wohnungen. In einer ergänzenden Stellungnahme wurde dann eine Zahl von 30.300 vermieteten Wohnungen angegeben (Stellungnahme A. & K. vom 26.06.2015). Letztlich in die Auswertung eingeflossen sind 4.632 Datensätze. Sofern man nur auf den Wohnort der Kläger, also die L. W. (= Wohnungsmarkttyp 1) abstellt, dürften die in die Auswertung insgesamt eingeflossenen Mietwerte von 3.148 Wohnungen auch rechnerisch mindestens 10% des Mietwohnungsmarktes umfassen. Dies führt aber nach Auffassung der Kammer noch nicht zu dem belastbaren Ergebnis, dass der gesamte relevante Mietwohnungsmarkt abgebildet worden ist. Eine Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke (sog. Ghettobildung) ist anhand der vorliegenden Datenausdrucke nicht auszuschließen. Es sind keine Straßennamen oder zumindest Ortsteile der größeren Gemeinden, insbesondere der L. W. dargestellt. Die vom Konzeptersteller angebotene Straßenübersicht (vgl. Stellungnahme A. & K. vom 13.10.2015 und 15.10.2015) hat keine nachprüfbare Aussagekraft dahingehend, aus welchen Gebieten Daten tatsächlich in die Erhebung und Bildung des Quadratmeterpreises eingeflossen sind. Eine Nachbesserung ist angesichts der "Löschung sämtlicher Erhebungsdaten nach Beendigung der Auswertungen" (Endbericht S. 2) nicht möglich.

Weiterhin ist anzumerken, dass auch die Form der bereitgestellten Daten zumindest erhebliche Zweifel an ihrer Nutzbarkeit zur Prüfung eines schlüssigen Konzepts begründet. Die Rohdaten wurden lediglich in Zahlenkolonnen übermittelt, ohne dass die einzelnen Seiten näher durch Tabellenüberschriften erläutert sind, noch überhaupt nummeriert wurden. Hierauf hat die Kammer in Folge der Übersendung der Generalakte hingewiesen. Anschließend hat der Beklagte nochmals die Rohdaten übersandt und nunmehr die Seiten durchnummeriert. Ob dies zutreffend erfolgt ist, kann durch die Kammer nicht geprüft werden, da die Zahlenkolonnen weiterhin kaum lesbar und zuordenbar sind.

Ergänzend weist die Kammer auch darauf hin, dass die Bildung von Wohnungsmarkttypen in Abgrenzung zu dem behaupteten Vergleichsraum zusätzliche Probleme aufwirft, die Zweifel an der Schlüssigkeit des Gesamtkonzepts begründen. So wäre nach den Ausführungen des Beklagten ein Umzug im Vergleichsraum von einem Wohnungsmarkttyp in einen anderen Wohnungsmarkttyp zur "Kostensenkung" zulässig, selbst wenn die Kosten tatsächlich steigen. Dies spricht dafür, dass es naheliegender ist, wenn in einem Vergleichsraum nur eine Angemessenheitsgrenze gebildet wird.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass aufgrund der oben dargelegten Gründe durch den Beklagten kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft (Quadratmeterpreis) ermittelt worden ist. Soweit das Konzept des Grundsicherungsträgers nicht schlüssig ist, geht die Ermittlungspflicht hinsichtlich des Mietmarktes nicht ohne weiteres auf die Sozialgerichte über (BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az. B 4 AS 18/09 R, zitiert nach juris).

Der Beklagte hat eine Nacherhebung bzw. Konkretisierung der Daten abgelehnt bzw. diese sind ihm nicht möglich. Andere bereite Quellen, wie beispielsweise Mietspiegel, sind für den Landkreis Wittenberg nicht verfügbar. Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden und liegt insoweit ein Erkenntnisausfall vor, so ist für die Begrenzung der Unterkunftskosten auf einen angemessenen Wert, auf die maßvoll erhöhten Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zurückzugreifen (z. B. BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az. B 4 AS 50/09 R; Urteil vom 22.03.2012, Az. B 4 AS 16/11 R; Urteil vom 12.12.2013, Az. B 4 AS 87/12 R, mit einer Erhöhung der Tabellenwerte um 10 %, jeweils zitiert nach juris).

Der Wohnort der Kläger gehörte im streitgegenständlichen Zeitraum zur Mietstufe III. Für einen 2-Personenhaushalt ergibt sich aus der Tabelle zu § 12 WoGG ein Höchstwert für die Grundmiete und die kalten Betriebskosten von monatlich 402,00 EUR, aus dem sich erhöht um den Sicherheitszuschlag von 10 % ein maximal angemessener Kaltmietbetrag von 442,20 EUR ergibt. Die tatsächlichen Kosten der Kläger von 336,46 EUR überschreiten diesen Betrag nicht. Auf die Frage der konkreten Angemessenheit der Unterkunftskosten kommt es daher im vorliegenden Verfahren nicht an.

bb)

Die tatsächlichen Heizkosten der Kläger belaufen sich auf 124,74 EUR, während von dem Beklagten 97,00 EUR in die Berechnung eingestellt worden sind. Eine Kürzung ist jedoch nicht vorzunehmen.

Heizkosten sind grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erstattungsfähig. Die Festlegung eines als abstrakt angemessen anzusehenden Heizkostenpreises pro Quadratmeter ist unzulässig, da es an Datenmaterial fehlt, das eine allgemeingültige Aussage bezogen auf Heizkosten in dem in Betracht zu ziehenden Marktsegment der "einfachen" Wohnungen zulässt (BSG, Urteile vom 02.07.2009, Az.: B 14 AS 36/08 R sowie B 14 AS 33/08 R, zitiert nach juris). Als unangemessen sind Heizkosten nur anzusehen, wenn ein eklatant kostspieliges oder offensichtlich unwirtschaftliches Heizverhalten vorliegt. Anhaltspunkte dafür, dass die Heizkosten unangemessen hoch sind, können sich daraus ergeben, dass die tatsächlich anfallenden Kosten die durchschnittlich aufgewandten Kosten aller Verbraucher für eine Wohnung der den abstrakten Angemessenheitskriterien entsprechenden Größe signifikant überschreiten. Zur Bestimmung eines solchen Grenzwertes hält es das BSG für den Regelfall einer mit Öl, Erdgas oder Fernwärme beheizten Wohnung für möglich, die von der co2online Bitte Eintrag suchen und anpassen. in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Kommunalen Heizspiegel" bzw. - soweit diese für das Gebiet des jeweiligen Trägers fehlen - den "Bundesweiten Heizspiegel" heranzuziehen. Der Grenzwert, bei dessen Überschreitung von einer Unangemessenheit der Heizkosten ausgegangen werden kann, ist das Produkt aus dem Wert, der auf "extrem hohe" Heizkosten bezogen auf den jeweiligen Energieträger und die Größe der Wohnanlage hindeutet (rechte Spalte), und dem Wert, der sich für den Haushalt des Hilfebedürftigen als abstrakt angemessene Wohnfläche nach den Ausführungsbestimmungen der Länder zu § 10 Abs. 1 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) bzw. § 5 Abs. 2 Wohnraumbindungsgesetz a. F. (WoBindG) ergibt (BSG, Urteile vom 02.07.2009, Az.: B 14 AS 36/08 R sowie B 14 AS 33/08 R, zitiert nach juris). Dabei ist auf den jeweiligen Bundesweiten Heizspiegel abzustellen, der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlicht war (BSG, Urteil vom 12.06.2013, Az. B 14 AS 60/12 R, zitiert nach juris).

Die Heizkosten der Kläger wären danach bezüglich der als abstrakt angemessen zu betrachtenden 60 m² als unangemessen einzustufen. Unabhängig von der Frage, ob hier ein Betrag von 97,00 EUR, wie im Änderungsbescheid vom 26.03.2012 ausgewiesen oder aber 92,00 EUR, wie im Rahmen des Erörterungstermins am 27.04.2016 durch den Beklagten dargelegt wurde, zutreffend ist, hat der Beklagte gleichwohl die vollen Heizkosten zu tragen.

Soweit Aufwendungen für die Unterkunft im Einzelfall den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Einem Hilfebedürftigen sind Kostensenkungsmaßnahmen nur dann möglich, wenn er Kenntnis davon hat, dass ihn die Obliegenheit trifft, Kostensenkungsmaßnahmen zu ergreifen (BSG, Urteile vom 17.12.2009, Az. B 4 AS 19/09 R, und vom 19.02.2009, Az. B 4 AS 30/08 R, zitiert nach juris).

Vorliegend ist bereits problematisch, dass die Kostensenkungsaufforderung im Änderungsbescheid vom 06.05.2011 nicht ausdrücklich auch auf die Heizkosten bezogen wurde. Hier ist zwar der angemessene Wert von 92,00 EUR aufgeführt, im Text wird jedoch nur auf die unangemessenen Kosten der Unterkunft nicht jedoch der Heizkosten verwiesen.

Unabhängig davon wären jedoch auch die unangemessenen Heizkosten zu übernehmen, da den Klägern in letzter Konsequenz die Kostensenkung durch einen Wohnungswechsel nicht zumutbar war. Dies ist - unabhängig von individuell vorliegenden weiteren Gründen - nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dann der Fall, wenn in einer anderen Wohnung des Vergleichsraums gleichhohe oder sogar höhere Kosten, die der Grundsicherungsträger als angemessen übernehmen würde, anfallen (vgl. BSG, Urteil vom 12.06.2013, Az. B 14 AS 60/12 R; dem folgend: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.12.2013, Az. L 5 AS 723/13 B ER). In diesem Falle wäre der Wohnungswechsel zudem als unwirtschaftlich im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II anzusehen. Dem Beklagten ist hierin die Möglichkeit eröffnet, die Absenkung eigentlich als unangemessen erkannter Aufwendungen nicht zu fordern. Gegenüber dem grundsätzlich schützenswerten individuellen Interesse des hilfebedürftigen Leistungsempfängers am Verbleib in seiner Wohnung überwiegt das Interesse der Allgemeinheit an deren Aufgabe nur für den Fall eines wirtschaftlich sinnvollen Umzugs.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind bei der Bestimmung der Zumutbarkeit eines Umzugs sowohl persönlicher Aspekte der Kläger als auch die Verwaltungspraxis des Beklagten bezüglich des Vergleichsraums und der Bestimmung der Angemessenheitsgrenze für die Heizkosten zu berücksichtigen. Letztere muss sich der Beklagte insoweit entgegenhalten lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Verwaltungspraxis nach Auffassung der Kammer rechtswidrig ist, sondern vielmehr darauf, ob den Klägern bei Zugrundelegung dieser Praxis ein Umzug im Zeitpunkt der Kostensenkungsaufforderung bzw. der gesetzten Übergangsfrist sinnvoll zugemutet werden konnte. Die Kammer geht insoweit von einem Vergleich der Gesamtkosten für die bisherige Wohnung mit den Gesamtkosten (jeweils Maximalbetrag der Heizkosten und der kalten Kosten) für eine Wohnung im vom Beklagten angenommenen Vergleichsraum aus, die dieser als angemessen zu übernehmen hätte.

Die Gesamtaufwendungen der Kläger für die streitgegenständliche Wohnung betragen 461,20 EUR. Bereits unter Berücksichtigung der unter aa) dargelegten angemessenen kalten Kosten von maximal 442,20 EUR und der vom Beklagten als angemessen herangezogenen Heizkosten von 97,00 EUR (bzw. 92,00 EUR) ist ersichtlich, dass ein Umzug zur Kostensenkung unwirtschaftlich und für die Kläger unzumutbar ist. Auf die Frage, welcher Maximalbetrag der Heizkosten letztlich zu Grunde zu legen ist oder ob auf ein anderes Heizmittel nach dem Bundesweiten Heizspiegel zurückzugreifen ist, kommt es im Ergebnis nicht an. In jedem Fall sind durch den Beklagten auch die Heizkosten in voller Höhe zu übernehmen, selbst wenn diese als unangemessen betrachtet werden.

Der Beklagte hat daher den Klägern für den streitigen Zeitraum Dezember 2011 bis März 2012 Kosten der Unterkunft und Heizung von insgesamt 461,20 EUR monatlich zu gewähren. Abzüglich der bereits infolge des Ausgangsbescheides vom 06.05.2011 und der Änderungsbescheide vom 26.03.2012 und 28.03.2012 im Überprüfungsverfahren gezahlten Beträge ergibt sich eine noch zu zahlende Differenz für den Monat Dezember 2011 von 46,39 EUR und jeweils 48,00 EUR für die Monate Januar bis März 2012. Im Hinblick auf die gebotene Individualisierung der Leistungsansprüche der Kläger ergibt sich für den Kläger zu 1) für Dezember 2011 eine Nachzahlung von 23,20 EUR und für die Monate Januar bis März 2012 eine Nachzahlung von 24,00 EUR monatlich. Für die Klägerin zu 2) ergibt sich für Dezember 2011 eine Nachzahlung von 23,19 EUR und für die Monate Januar bis März 2012 eine Nachzahlung von 24,00 EUR monatlich. Die Kammer geht dabei hinsichtlich der Berechnung im Übrigen von den unstreitigen Beträgen aus, die der Beklagte seiner Anspruchsermittlung zugrunde gelegt hat.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG i. V. m. § 183 Satz 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache. Dem Begehren der Kläger ist vollständig entsprochen worden.

4.

Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt. Es liegen nach Auffassung der Kammer aber Gründe für eine Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG vor. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das ist vorliegend der Fall. Die Frage, ob die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung die Vorgaben der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum schlüssigen Konzept erfüllt, wird von den Kammern des Sozialgerichts Dessau-Roßlau nicht einheitlich beantwortet. Diese Frage war und ist für eine Vielzahl von Fällen relevant, zudem ist eine Vielzahl von Verfahren beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hierzu anhängig.
Rechtskraft
Aus
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