L 4 AS 621/15

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 15 AS 6560/11
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 621/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 21. Juli 2015 wird zum Teil aufgehoben. Die insgesamt 15 Bescheide des Beklagten vom 16. Juni 2011, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2011, werden aufgehoben, soweit der Beklagte die Bewilligung von Leistungen jeweils über folgende Beträge hinaus aufgehoben und zurückgefordert hat:
- August 2006: 191,03 EUR
- September 2006: 186,03 EUR
- April 2007: 240,44 EUR
- Mai 2007: 414,02 EUR
- Juli 2007: 495,03 EUR
- Februar 2008: 416,81 EUR
- Juni 2008: 318,23 EUR

Die Bescheide des Beklagten vom 16. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2011 werden darüber hinaus aufgehoben, soweit der Beklagte die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Monate April und Mai 2007, März 2008 sowie März und Juni 2010 geltend macht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin 13 Prozent ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die (teilweise) Aufhebung bzw. Rücknahme sowie Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) im Zeitraum vom 1. April 2006 bis 30. September 2010. In dieser Zeit erhielt die Klägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin) Überweisungen der Stadtkasse/Kreiskasse G., die jeweils ihr Bruder veranlasste. Dieser war seinerzeit im Sozialamt der Stadt bzw. des Landratsamtes als Sachgebietsleiter tätig. Diese Einnahmen teilte sie dem Beklagten und Berufungskläger (im Folgenden: Beklagter) nicht mit. Dieser erhielt erstmals aufgrund eines Ermittlungsverfahrens wegen Geldwäsche gegen die Klägerin hiervon Kenntnis. Daraufhin hob er nach weiteren Ermittlungen die Leistungsbewilligungen für diesen Zeitraum (teilweise) auf und forderte die überzahlten Leistungen zurück, weil diese Einnahmen grundsicherungsrechtlich als Einkommen zu berücksichtigen seien.

Im Übrigen ist zum Sachverhalt wie folgt auszuführen:

Die am ... 1970 geborene Klägerin beantragte für sich und ihren am ... 1992 geborenen Sohn erstmals am 4. Oktober 2004 Grundsicherungsleistungen. In diesem Zusammenhang gab sie an, einer geringfügigen Beschäftigung bei einer Gebäudereinigungsfirma nachzugehen und hieraus ein Einkommen von 116 EUR monatlich zu erzielen, das im Folgemonat gezahlt werde. Außerdem erhalte sie Kindergeld von 154 EUR bzw. ihr Sohn Unterhalt von seinem Vater von 50 EUR monatlich. Mit Ausnahme ihres Girokontos verfüge sie über kein Vermögen. In dem Grundantrag wurden zudem umfangreiche Angaben zu den Einnahmen der Klägerin erfragt. In der Folge bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem Sohn – auch auf die Fortzahlungsanträge hin – Grundsicherungsleistungen, wobei er das von der Klägerin angegebene Einkommen bedarfsmindernd berücksichtigte. Als Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) berücksichtigte er zumindest ab Oktober 2005 nicht mehr die tatsächlichen KdUH.

Zeitraum Februar bis Juni 2006:

Im Dezember 2005 beantragte die Klägerin die Fortzahlung von Grundsicherungsleistungen und teilte in diesem Zusammenhang mit, dass sie seit August 2005 eine Warmmiete (431,69 EUR) zu zahlen habe. Im Übrigen seien keine Änderungen eingetreten. Zuletzt erließ der Beklagte Änderungsbescheide vom 29. Mai 2006 für Februar bis Juni 2006, bzw. vom 14. September 2006 für April 2006.

Zeitraum Juli bis Dezember 2006:

Am 15. Mai 2006 stellte die Klägerin einen weiteren Fortzahlungsantrag und teilte erneut mit, dass mit Ausnahme der Erhöhung der KdUH keine Änderungen eingetreten seien. Insbesondere gab sie dabei keine Änderungen in den Einkommensverhältnissen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft an. Auf dieser Grundlage bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 29. Mai 2006 Grundsicherungsleistungen für Juli bis Dezember 2006. Dabei berücksichtigte er lediglich KdUH von 349,41 EUR, weil die tatsächlichen Kosten unangemessen seien.

Zeitraum Januar bis Juni 2007:

Mit Fortzahlungsantrag vom 17. November 2006 beantragte die Klägerin erneut Grundsicherungsleistungen, wobei sie Änderungen in den Einkommensverhältnissen verneinte. Daraufhin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 30. November 2007 Grundsicherungsleistungen von 799,82 EUR monatlich. Die Klägerin reichte am 16. April 2007 die Betriebskostenabrechnung vom 26. März 2007 ein, aus der sich eine Nachzahlung von 46,81 EUR ergab. Darüber hinaus wurden die Abschläge für die Betriebs- und Heizkosten mit Wirkung zum 1. Mai 2007 angepasst. Mit Bescheid vom 24. Mai 2007 lehnte der Beklagte die Übernahme der Betriebskostennachzahlung überwiegend (Bewilligung von 4,80 EUR) ab, weil er die angemessenen Kosten bereits bewilligt habe. Mit einem Änderungsbescheid vom 24. Mai 2007 gewährte der Beklagte der Klägerin und ihrem Sohn für Juni 2007 insgesamt 799,00 EUR und begründete dies mit einer Verringerung der Heizkosten ab Mai 2007. Mit Schreiben vom 31. Mai 2007 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass keine Reduktion der Heizkosten eingetreten sei; vielmehr hätten sich die Nebenkosten erhöht.

Zeitraum Juli bis Dezember 2007:

Am 25. Mai 2007 beantragte die Klägerin die Fortzahlung der Leistungen ab Juli 2007. In den Antragsunterlagen informierte sie über die seit Mai 2007 gestiegenen Unterkunftskosten (Betriebskosten 70 EUR und Heizkosten 40 EUR). Änderungen in den Einkommensverhältnissen seien nicht eingetreten. Mit Bescheid vom 6. Juni 2007 bewilligte der Beklagte Grundsicherungsleistungen für Juli bis Dezember 2007 von 804 EUR monatlich.

Zeitraum Januar bis Mai 2008:

Auf den Fortzahlungsantrag vom 26. November 2007 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 17. Dezember 2007 Leistungen für den Zeitraum Januar bis Mai 2008. Die Klägerin hatte angegeben, dass keine Änderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen eingetreten seien.

Mit Veränderungsmitteilung vom 27. Februar 2008 teilte die Klägerin mit, ab dem 1. März 2008 eine bis Februar 2009 befristete versicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung als pflegerische Hilfskraft aufzunehmen, wobei das Arbeitsentgelt jeweils zum Monatsende gezahlt werde. Es betrage 685,00 EUR brutto bzw. 540,00 EUR netto. Mit Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung ende auch die Nebentätigkeit. Am 15. Februar 2008 teilte die Klägerin das im Januar 2008 erzielte Erwerbseinkommen (120 EUR) mit. Mit Schreiben vom 6. März 2008 informierte die Klägerin über die Verlängerung ihres Arbeitsvertrages auf 24 Monate, d.h. bis zum 28. Februar 2010. Am 6. März 2008 gab sie sodann das Zusatzblatt 2.1 (Einkommenserklärung) ab, in dem sie diverse Einnahmen – nicht jedoch die Überweisungen der Stadtkasse – mitteilte. Zudem gab die Arbeitgeberin der Klägerin in der Entgeltbescheinigung vom 5. März 2008 an, dass ab März 2008 ein monatlich gleichbleibendes Entgelt von 685 EUR (brutto) bzw. 543,89 EUR (netto) erzielt werde, welches sie der Klägerin im laufenden Monat zahle. Daraufhin erließ der Beklagte unter dem 12. März 2008 einen Änderungsbescheid für Februar bis Mai 2008 und berücksichtigte dabei den Verdienst aus Januar 2008 sowie das ab März 2008 erzielte Einkommen. Am 30. März 2008 reichte die Klägerin die Gehaltsabrechnung für März 2008 ein, aus der sich ein Einkommen von 685,00 EUR (brutto) bzw. 554,41 EUR (netto) ergab.

Am 4. April 2008 erreichte den Beklagten die Betriebskostenabrechnung vom 25. März 2008, der eine Gutschrift von 23,10 EUR zu entnehmen ist, welche mit der Miete für Mai 2008 verrechnet werde. Damit seien im Mai 2008 (nur) 425,59 EUR und nach Festsetzung der neuen Abschläge ab 1. Juni 448,69 EUR Miete (davon 67 EUR Betriebskosten und 42 EUR Heizkosten) zu zahlen.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15. April 2008 hob der Beklagte die Leistungsbewilligungen für März und April 2008 teilweise (i.H.v. 113,94 EUR) auf, weil er das (letzte) Einkommen aus der geringfügigen Beschäftigung im Februar 2008 sowie dasjenige für März 2008 berücksichtigte. Mit einem Änderungsbescheid vom selben Tag korrigierte der Beklagte die Leistungsbewilligung für Mai 2008 im Hinblick auf das tatsächlich erzielte Erwerbseinkommen und das Betriebskostenguthaben.

Zeitraum Juni bis November 2008:

Am 30. April 2008 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 1. Juni 2008. Gleichzeitig teilte sie in der Anlage I mit, dass sie bzw. ihr Sohn (nur) Einkommen aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, Kindergeld und Unterhalt erhielten. In diesem Zusammenhang reichte sie auch die Einkommensbescheinigung der Arbeitgeberin vom 29. April 2008 für den laufenden Monat sowie die Gehaltsabrechnung für April 2008 ein. Die Arbeitgeberin gab erneut an, das Einkommen sei monatlich gleichbleibend.

Daraufhin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 14. bzw. 15. Mai 2008 Grundsicherungsleistungen für Juni bis November 2008, wobei er von einem Einkommen aus Erwerbstätigkeit von 554,41 EUR (netto) ausging. Mit einem Änderungsbescheid vom 17. Mai 2008 bewilligte der Beklagte aufgrund der Regelsatzanpassung zum 1. Juli 2008 bis zum Ende des Bewilligungszeitraumes höhere Leistungen. In der Folge reichte die Klägerin Einkommensnachweise für die Monate Mai bis November 2008 ein, nach denen sie jeweils höheres Erwerbseinkommen erzielte, als arbeitsvertraglich vereinbart bzw. von der Klägerin ursprünglich mitgeteilt worden war. Gleichwohl gab die Arbeitgeberin in diversen Einkommensbescheinigungen stets an, dass das Arbeitsentgelt monatlich gleich hoch sei.

Aufgrund der vorgelegten Einkommensnachweise erließ der Beklagte mit Datum vom 4. November 2008 einen Änderungsbescheid für September und Oktober 2008. Unter dem 1. Dezember 2008 erließ der Beklagte zudem einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid bezüglich der Leistungen für November 2008 und forderte von der Klägerin 166,64 EUR (23,20 EUR KdUH und 143,44 EUR Regelleistung) zurück, weil diese Einkommen erzielt habe, das zur Minderung des Anspruchs geführt habe.

Zeitraum Dezember 2008 bis Mai 2009:

Am 13. Oktober 2008 beantragte die Klägerin die Fortzahlung von Grundsicherungsleistungen ab dem 1. Dezember 2008, wobei sie keine Änderungen der Einnahmesituation angab. Mit Bescheid vom 27. Oktober 2008 bewilligte der Beklagte Leistungen für Dezember 2008 bis Mai 2009. Nach Vorlage der Einkommensbescheinigungen erließ er für Dezember 2008 bis März 2009 einen Änderungsbescheid vom 20. April 2009, in dem er den tatsächlichen Verdienst berücksichtigte.

Aus der Betriebskostenabrechnung vom 31. März 2009 ergab sich eine Nachzahlung von 269,67 EUR, welche (zunächst) im Mai 2009 fällig war. Darüber hinaus wurden die Betriebskostenabschläge von 109 auf 135 EUR angehoben. Von der Nachzahlung übernahm der Beklagte mit Bescheid vom 20. April 2009 einen Betrag von 132,80 EUR. Außerdem reichte die Klägerin die Einkommensbescheinigung für April 2009 sowie eine Ratenzahlungsvereinbarung vom 14. April 2009 mit ihrer Vermieterin ein, wonach die Nachzahlung in zwei Raten von 134,84 EUR und 134,83 EUR im Mai und Juni 2009 zu zahlen war.

Mit Änderungsbescheid vom 14. Mai 2009 bewilligte der Beklagte für April 2009 Leistungen unter Berücksichtigung des tatsächlichen Erwerbseinkommens.

Zeitraum Juni bis November 2009:

Auch für die Zeit ab Juni 2009 stellte die Klägerin einen Fortzahlungsantrag, über den der Beklagte mit Bescheid vom 14. Mai 2009 entschied. Aufgrund der Regelsatzanpassung zum 1. Juli 2009 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 6. Juni 2009 ab Juli 2009 höhere Grundsicherungsleistungen.

Mit Datum vom 14. Mai 2009 schlossen die Klägerin und ihre Arbeitgeberin für Juni 2009 einen Änderungsvertrag über eine höhere Arbeitszeit. Nachdem die Klägerin auch die Lohnabrechnung für November 2009 eingereicht hatte, erließ der Beklagte für diesen Monat einen Änderungsbescheid vom 26. Mai 2010.

Zeitraum Dezember 2009 bis Mai 2010:

Mit weiterem Fortzahlungsantrag vom 26. Oktober 2009 beantragte die Klägerin erneut die Fortzahlung von Grundsicherungsleistungen: In ihren Einkommensverhältnissen seien keine Änderungen eingetreten. Daraufhin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 11. November 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Dezember 2009 bis Mai 2010 und berücksichtigte hierbei Einkommen in unterschiedlicher Höhe.

Am 1. März 2010 reichte die Klägerin einen Arbeitsvertrag ein, mit dem das Arbeitsverhältnis um ein Jahr bis zum 28. Februar 2011 verlängert wurde. In der Folge legte sie auch die Betriebskostenabrechnung vom 29. März 2010 vor, aus der sich eine Gutschrift von 88,85 EUR ergab, welche die Vermieterin mit der Miete für Mai 2010 verrechnete. Gleichzeitig wurden die Abschlagszahlungen angepasst. Mit Änderungsbescheid vom 26. Mai 2010 bewilligte der Beklagte Leistungen unter Berücksichtigung des tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens für März 2010.

Zeitraum Juni 2010 bis November 2010:

Schließlich beantragte die Klägerin auch die Fortzahlung von Grundsicherungsleistungen ab Juni 2010 und gab erneut an, (lediglich) über Erwerbseinkommen, Kindergeld und Unterhalt zu verfügen. Daraufhin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 26. Mai 2010 Grundsicherungsleistungen für Juni bis November 2010 in unterschiedlicher Höhe, wobei er das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung von 88,85 EUR lediglich i.H.v. 47,60 EUR im Juni 2010 berücksichtigte.

Am 24. Juli 2010 vereinbarten die Klägerin und ihre Arbeitgeberin mit Wirkung zum 1. Juli 2010 bis zum 28. Februar 2011 eine Anpassung der Arbeitszeit und des Lohnes auf 1.058,33 EUR.

Nachdem die Klägerin das im Juni 2010 erzielte Erwerbseinkommen nachgewiesen hatte, bewilligte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 20. September 2010 geänderte Grundsicherungsleistungen. Auch für September 2010 erließ er einen Änderungsbescheid, nachdem er Kenntnis vom tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt erlangt hatte.

Am 9. Mai 2011 erhielt der Beklagte durch ein Schreiben der Polizeidirektion O. Kenntnis von einem Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wegen des Verdachtes der Geldwäsche und des Sozialleistungsbetruges. Sie habe im Zeitraum vom 1. April 2006 bis zumindest 10. September 2010 Gutschriften auf ihrem Konto erhalten, die aus Straftaten stammten. Die zuständige Staatsanwaltschaft gehe davon aus, dass die Klägerin den Erhalt verschwiegen habe. Der Beklagte wurde gebeten, die Leistungsansprüche unter Berücksichtigung der Zuflüsse auf dem Konto der Klägerin neu zu berechnen.

Mit Schreiben vom 26. April 2011 informierte der Beklagte die Polizeidienststelle über die der Klägerin ausgezahlten Leistungen, welche sich auf 19.601,49 EUR summierten.

Mit diversen Schreiben vom 18., 19. und 20. Mai 2011 hörte der Beklagte die Klägerin zu einer vollständigen bzw. teilweisen Aufhebung/Rücknahme und Erstattung von Leistungen in diversen Monaten einschließlich der Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung an. Den jeweiligen Anhörungsschreiben war weder zu entnehmen, wie der Beklagte die Höhe der Erstattungsbeträge ermittelte, noch auf welche Tatsachen er die Annahme der groben Fahrlässigkeit stützte. Die Klägerin gab in der Folge an, kein Einkommen von der Stadtkasse G. erhalten zu haben.

Mit Datum vom 16. Juni 2011 erließ der Beklagte mehrere Aufhebungs- bzw. Rücknahme- und Erstattungsbescheide, denen nunmehr die Berechnung der Ansprüche der Klägerin und der Rückforderungsbeträge zu entnehmen waren. Dabei berücksichtigte der Beklagte die Zahlungseingänge jeweils vollständig im Zuflussmonat als Einkommen. Darüber hinaus konkretisierte er den Fahrlässigkeitsvorwurf.

Konkret hat der Beklagte für folgende Monate Bescheide erlassen:

Tabelle nicht darstellbar

Hiergegen erhob die Klägerin am 4. Juli 2011 Widerspruch und begründete diesen wie folgt: Sie habe kein Einkommen von der Stadtkasse G. erzielt. Die Anweisungen habe ihr Bruder vorgenommen, an den sie die erhaltenen Gelder weitergeleitet habe. Diese hätten ihr daher nicht zur Verfügung gestanden. Außerdem habe sie im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung am 29. Juni 2011 Angaben getätigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2011 wies der Beklagte die Widersprüche gegen die ergangenen Bescheide zurück. Die Entscheidungen seien rechtmäßig. Zwar habe die Klägerin die ihr überwiesenen Beträge teilweise umgehend weitergeleitet, weshalb sie diese nicht zu ihrem Lebensunterhalt habe verwenden können. Diese (überwiesenen) Beträge seien allerdings nicht angerechnet worden. Er habe lediglich diejenigen Beträge berücksichtigt, welche nicht umgehend und nachweislich per Überweisung weitergeleitet worden seien.

Die Klägerin habe zumindest grob fahrlässig die Einkommenszuflüsse verschwiegen, obwohl sie verpflichtet gewesen sei, den Beklagten hierüber zu informieren (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X und § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Soweit Einkommen nach den zuletzt ergangenen Bewilligungsbescheiden erzielt worden sei, finde die Aufhebung ihre rechtliche Grundlage auch in § 48 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Die Einkommenszuflüsse ergäben sich aus den im Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnissen. Sie sei verpflichtet, die zu viel gezahlten Leistungen zu erstatten. Dies gelte auch für die Sozialversicherungsbeiträge, soweit die Leistungen vollständig aufgehoben worden seien.

Hiergegen hat die Klägerin am 25. November 2011 Klage beim Sozialgericht (SG) Halle erhoben und diese folgendermaßen begründet: Sie sei mit Strafbefehl des Amtsgerichts G. vom 22. September 2011 (Az: 10 Cs 340 Js 4688/11) wegen leichtfertiger Geldwäsche rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 2.250,00 EUR verurteilt worden. Sie habe ihrem Bruder gutgläubig ihr Girokonto zur Verfügung gestellt, damit dieser es – wie sich später herausstellte – für Straftaten habe nutzen können. Insgesamt habe ihr Bruder Überweisungen von 44.381,53 EUR veranlasst. Hiervon habe sie 22.466,55 EUR an ihn überwiesen und ihm den Restbetrag abzüglich einer Differenz von 187,96 EUR per Post geschickt. Dieser Betrag setze sich aus diversen Einzelbeträgen zusammen, die aus Cent-Beträgen sowie Zuwendungen zu Geburtstagen und Weihnachten stammten. Sie sei in die Machenschaften ihres Bruders nicht involviert gewesen; sie hat aber eingeräumt, dass ihr der kriminelle Ursprung der Überweisungen hätte auffallen müssen. Letztlich habe ihr das Geld nicht zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes zur Verfügung gestanden, weil sie es zeitnah auf ein Konto ihres Bruders überwiesen bzw. ihm per Post zugesandt habe. Aufgrund dessen sei auch das Ermittlungsverfahren wegen Betruges eingestellt worden.

Das SG hat die Akte der Staatsanwaltschaft G. zum Aktenzeichen ... beigezogen. Mit Schreiben vom 15. Juni 2015 hat das SG darauf hingewiesen, dass die Anfechtungsklage zumindest teilweise begründet sein dürfte. Hinsichtlich der genauen Einzelheiten wird auf Blatt 138 der Gerichtsakte Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung vom 21. Juli 2015 hat das SG Beweis erhoben durch Vernehmung des Bruders der Klägerin, des Zeugen S. H ...

Dort hat die Klägerin erklärt: Ihr Bruder habe ihr mitgeteilt, er werde Prämien erhalten. Gleichzeitig habe er gebeten, hierfür ihr Konto nutzen zu dürfen. Cent-Beträge könne sie behalten. Den Rest solle sie ihm überweisen bzw. per Post in einem gefütterten Briefumschlag zurücksenden. Hierauf habe sie vertraut. Das Guthaben habe ihr – mit Ausnahme eines Betrages von 187,96 EUR – nie zur Verfügung gestanden. Ihr Bruder habe ihr mitgeteilt, welchen Betrag sie überweisen und welchen sie ihm per Post zuschicken solle. Wann sie das Geld abgehoben bzw. ihrem Bruder übersandt habe, könne sie nicht mehr sagen. Ihr Bruder habe sie zeitnah zu den Überweisungen – meist noch am selben Tag bzw. einen Tag später – angerufen. Sie verweise insoweit auf ihre Angaben gegenüber der Staatsanwaltschaft. Allerdings könne sie nicht mehr sagen, ob sie – wie im Strafverfahren angegeben – auch Münzen mit der Post verschickt habe.

Der Zeuge hat ausgesagt: Er habe die Klägerin darüber informiert, dass auf ihrem Konto Zahlungen der Stadt G. eingehen würden, die sie ihm überweisen solle. Welche konkreten Angaben er gemacht habe, könne er nicht mehr sagen. Er habe sie telefonisch bzw. per SMS gebeten, diese Beträge an ihn zu überweisen. Sie hätten vereinbart, dass die Klägerin Kleinstbeträge zwischen 20 und 50 EUR jedes Mal einbehalten könne und die Beträge stets zu überweisen seien. Erst auf Nachfrage hat er angegeben, dass wohl auch Geld per Post versandt worden sei. An die konkreten Anweisungen könne er sich jedoch nicht mehr erinnern. Sofern ihm die Klägerin das Geld postalisch übersandt haben sollte, dürfte dies wohl auf seine Veranlassung hin geschehen sein. Er wisse auch nicht, ob die Klägerin von seinen strafbaren Handlungen Kenntnis gehabt habe. Bezüglich der Kleinstbeträge hat er ergänzend angegeben, seine Schwester gebeten zu haben, einen konkreten Betrag an ihn weiterzuleiten, sodass sie über den Restbetrag habe verfügen können. Auf konkrete Nachfrage, weshalb Teilbeträge überwiesen und andere postalisch zurückgeschickt worden seien, hat er sich auf fehlende Erinnerungen berufen.

Das SG hat der Anfechtungsklage mit Urteil vom 21. Juli 2015 stattgegeben und die Bescheide vom 16. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2011 aufgehoben. Es hat dies insbesondere damit begründet, dass es sich bei den vom Beklagten berücksichtigten Überweisungen nicht um Einkommen gehandelt habe. Die Klägerin habe ihrem Bruder den Gesamtbetrag per Überweisungen oder Brief zukommen lassen. Hierzu sei sie aufgrund der Abreden mit ihm verpflichtet gewesen. Es habe sich lediglich um Durchlaufposten und damit nicht um Einkommen gehandelt. Es seien folglich weder nachträgliche Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten noch seien die ursprünglichen Bewilligungsbescheide rechtswidrig.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 12. August 2015 zugestellte Urteil am 14. September 2015, einem Montag, Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Das Urteil des SG sei rechtswidrig, weil es die Zahlungseingänge auf dem Konto der Klägerin nicht als Einkommen berücksichtigt habe. Insbesondere habe es sich nicht um Durchlaufposten gehandelt. Vielmehr stellten diese einen wertmäßigen Zuwachs bei der Klägerin dar, weil sie eben nicht mit wirksamen Rückzahlungsverpflichtungen – ähnlich der Rechtsprechung des BSG zu Darlehen – belastet gewesen seien. Vorliegend habe es sich um freiwillige Zahlungen durch den Bruder der Klägerin ohne eine vertragliche Grundlage gehandelt. Die Rückzahlungen seien somit ohne eine zivilrechtliche Verpflichtung erfolgt. Auch sei eine Herausgabepflicht gegenüber dem Landkreis G. nicht ersichtlich, sodass die Klägerin diese Zuwendungen – in voller Höhe – für ihren Lebensunterhalt hätte verbrauchen können. Unabhängig hiervon gehe er davon aus, dass die Klägerin ihrem Bruder kein Geld per Post zugesandt habe

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 21. Juli 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin ist der Argumentation des Beklagten entgegengetreten. Sie vertritt insbesondere die Ansicht, dass zumindest ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung bzw. eine Schadensersatzpflicht bestanden habe. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 197 f. der Gerichtsakte verwiesen.

Der Senat hat die Akte der Staatsanwaltschaft G. zum Aktenzeichen ... erneut beigezogen sowie Kontoauszüge für den streitigen Zeitraum angefordert.

Die Klägerin hat sich im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wie folgt eingelassen: Anfang 2006 habe ihr Bruder sie angesprochen und gebeten, ihr Konto für Prämienzahlungen nutzen zu dürfen. Seine Frau solle hiervon nichts erfahren. Zwar habe ihr diese Begründung nicht plausibel erschienen, gleichwohl sei es ihrem Bruder gelungen, ihre Zweifel zu zerstreuen. Die erste Überweisung sei am 7. März 2006 auf ihrem Konto eingegangen. Jedes Mal, wenn derartige Zahlungen eingingen, habe ihr Bruder sie kontaktiert und ihr mitgeteilt, wie sie mit dem Geld verfahren solle. Einen von ihm festgelegten Teil habe sie auf ein Konto bei der C. Bank überwiesen, einen zweiten habe sie in einem gefütterten Briefumschlag per Post an ihn gesandt. Er habe stets lediglich kleine Scheine (höchstens 50 EUR) gewollt. Kleinere Beträge habe sie in Münzen dazu gelegt, lediglich Cent-Beträge habe er nicht gewollt. Das Porto habe er nicht erstattet. Aber sie habe sich die Beträge von Anfang an notiert, sodass sie jederzeit über die Geldflüsse auskunftsfähig gewesen sei. Gleichzeitig habe sie zu ihrer eigenen Sicherheit vermerkt, welche Beträge sie in Absprache mit ihrem Bruder habe behalten dürfen. Sie habe erkannt, dass es sich wohl nicht um Prämienzahlungen handeln könne und deshalb nachgefragt. Ihr Bruder habe ihr aber erklärt, bei den angegebenen Verwendungszwecken handele es sich lediglich um Erläuterungen; sie solle sich keine Gedanken machen. Wörtlich habe er geäußert, dass er sie doch nicht in krumme Sachen verwickeln würde. Zudem hätten ihr die Aktenzeichen, die sie lediglich als Zahlenfolgen gedeutet habe, nichts gesagt. Argwöhnisch sei sie nicht geworden. Allerdings habe sie unklare Dinge mit ihrem Bruder besprochen. Als Grund für die Aufteilung der Rückzahlungen habe ihr Bruder angegeben, er habe von dem Bargeld seiner Frau Geschenke kaufen wollen. Hinsichtlich der Überweisungen des Landratsamtes G. (Kreisgebietsreform in Sa. und Verlust des Status als kreisfreie Stadt) hat die Klägerin geäußert, dass sie die Unterschiede zwischen den Namen S. und H. einfach so hingenommen habe. Einen Grund könne sie hierfür nicht mehr angeben.

Bezüglich des Verdachts des Sozialleistungsbetruges hat die Klägerin sich wie folgt eingelassen: Es treffe zu, dass sie die bei ihr verbliebenen Geldbeträge dem Jobcenter nicht mitgeteilt habe, weil Geldgeschenke nach ihrer Vorstellung anrechnungsfrei gewesen seien und Cent-Beträge wegen einer Geringfügigkeit sich nicht auf den Leistungsanspruch ausgewirkt hätten. Da sie aus den Überweisungen keinen Vorteil gehabt habe, sondern noch Kosten von jeweils 1,45 EUR für Porto bzw. 0,70 EUR für jeden Briefumschlag, werde sie gegen die Rückforderungen des Jobcenters vorgehen. Außerdem hat sie monatsgenaue Übersichten über die von ihr vorgetragenen Postsendungen übergeben.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Akte der Staatsanwaltschaft G. haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der Beratung des Senats gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Der maßgebliche Beschwerdewert von 750 EUR ist überschritten, denn es sind Erstattungsforderungen von mehr als 9.000,00 EUR und damit verbundene Aufhebungs- und Rücknahmeentscheidungen für eine Vielzahl von Monaten in den Jahren 2006 bis 2010 streitig.

Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben worden. Denn der Beklagte hat gegen das ihm am 12. August 2015 zugestellte Urteil am 14. September 2015, einem Montag, Berufung erhoben, sodass die Berufungsfrist gem. § 64 SGG gewahrt worden ist.

Die Berufung ist auch überwiegend begründet. Die Bescheide vom 16. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2011 sind weitgehend rechtmäßig und beschweren die Klägerin insoweit nicht im Sinne von §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Es kann dahinstehen, ob die Aufhebungs- und Rücknahmeentscheidungen des Beklagten ihre rechtliche Grundlage in § 40 Abs. 1 und 2 Nr. 3 SGB II (in der Fassung vom 13. Mai 2011) in Verbindung mit § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) (in der Fassung vom 20. April 2007) und § 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) oder in § 40 Abs. 1 und 2 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB X finden, da es hierauf nicht ankommt.

§ 45 Abs. 1 SGB X regelt, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. § 45 SGB X findet Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deswegen geändert werden soll. Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wegen § 40 Abs. 1 und 2 Nr. 3 SGB II ist diese Rechtsfolge jeweils zwingend. Beide Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes, der aufgehoben werden soll, ab (BSG – Urteil vom 28. März 2013 – B 4 AS 59/12 R – Rn. 17 m.w.N. – juris) und knüpfen an unterschiedliche Sachverhalte und Verschuldensvorwürfe (auch im Sinne der subjektiven Voraussetzungen für eine Rücknahme bzw. Aufhebung) an und haben ggf. unterschiedliche Konsequenzen für den Umfang einer rechtmäßigen Aufhebungs- und Erstattungsforderung. Letztlich bedarf es aber keiner Entscheidung, ob die zutreffende Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligungen in § 45 SGB X oder § 48 SGB X liegt. Es liegen – wie noch auszuführen sein wird – sowohl die Voraussetzungen von § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X als auch von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X vor, weil die Klägerin es grob fahrlässig bzw. vorsätzlich unterlassen hat, Angaben zu den Einnahmen von der Stadt-/Kreiskasse zu tätigen (vgl. BSG – Urteil vom 15. Juni 2016 – B 4 AS 41/15 R – Rn. 15 – juris – unter dem Gesichtspunkt des Austausches der Rechtsgrundlage m.w.N.).

Die angefochtenen Bescheide sind in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere leiden sie nicht an einem Anhörungsmangel. Gemäß § 24 Abs. 1 SGB X ist vor Erlass eines Verwaltungsaktes, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Sinn und Zweck der Anhörungspflicht des § 24 SGB X ist die Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG). Ihm soll Gelegenheit gegeben werden, vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes Stellung – und damit auf die konkrete Entscheidung Einfluss – zu nehmen (Franz in juris-PK, [Stand: 1. Dezember 2017], zu § 24 SGB X, Rn. 10 m.w.N. zur Rechtsprechung des BSG). Den Beteiligten ist deshalb Gelegenheit zur Äußerung zu den für den beabsichtigten Verwaltungsakt entscheidungserheblichen Tatsachen zu geben. In welcher Art und Weise bzw. in welchem Umfang dies zu geschehen hat, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei muss der Beteiligte in die Lage versetzt werden, sich zu entscheidungserheblichen Tatsachen sachgerecht äußern zu können (Franz. a.a.O., Rn. 26 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind jedenfalls mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens erfüllt (vgl. zur Heilung im Widerspruchsverfahren Schneider-Danwitz in juris-PK, [Stand: 1. Dezember 2017], zu § 41 SGB X, Rn. 31 mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des BSG). In den angefochtenen Bescheiden vom 16. Juni 2011 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass es sich bei den Überweisungen ihres Bruders im Zuflussmonat um anzurechnendes Einkommen gehandelt und sie es pflichtwidrig unterlassen habe, dieses Einkommen anzugeben, wodurch es zu einer Überzahlung gekommen sei. (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X bzw. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Die Ermittlung des jeweiligen Aufhebungs- bzw. Rücknahmebetrages ergab sich auch aus den beigefügten Berechnungsbögen, so dass sich die Klägerin umfassend und sachgerecht zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen äußern konnte.

Auch die materiellen Voraussetzungen für die (teilweise) Aufhebung der der Klägerin bewilligten Leistungen liegen grundsätzlich – wenn auch nicht in jedem Fall in der korrekten Höhe – vor. Die maßgeblichen Bewilligungsbescheide vom

Tabelle nicht darstellbar

sind nach teilweiser Aufhebung derselben für März, Mai bis August und November 2008 sowie Juni 2009 (Aufhebungsbescheide vom 15. April 2008, 27. Oktober 2008, 4. November 2008 und 21. Juli 2009) rechtswidrig geworden bzw. von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die Klägerin hatte durch den Eingang der diversen Überweisungen der Stadtkasse G. bzw. der Kreiskasse G. einen geringeren Leistungsanspruch nach dem SGB II, als durch den Beklagten zuerkannt. Denn wegen dieser Zahlungen war sie nicht in den vom Beklagten festgestellten Umfang hilfebedürftig.

Zwar erfüllte die Klägerin im hier streitigen Zeitraum dem Grunde nach die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Insbesondere erfüllte sie die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II in den jeweils gültigen Fassungen. Sie hatte das 15. Lebensjahr vollendet und die maßgebliche Altersgrenze noch nicht erreicht, war erwerbsfähig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in W. und damit in der Bundesrepublik Deutschland.

Sie war jedoch nicht in dem vom Beklagten mit diversen Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheiden festgestellten Umfang hilfebedürftig, § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 9 Abs. 1 SGB II. Danach ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Klägerin war in der Lage, ihren bzw. den Bedarf des mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Sohnes (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II) durch ihr bzw. das zu berücksichtigende Einkommen ihres Sohnes (in größerem Umfang als vom Beklagten angenommen) zu decken:

Die Berücksichtigung des Einkommens des Sohnes aus Unterhaltszahlungen seines Vaters von 50 EUR monatlich bzw. des gesetzlichen Kindergeldes sowie der Erwerbstätigkeit der Klägerin ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach unstreitig. Der Senat hat auch keinen Zweifel daran, dass die Anrechnung dieses Einkommens rechtmäßig erfolgte.

Der Beklagte hatte im Rahmen der Leistungsbewilligungen allerdings nicht die vollständigen KdUH als Bedarf berücksichtigt, weil er diese nicht für angemessen hielt. Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens hat er jedoch zutreffend eingeräumt, dass in der Zeit bis 2010 ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der KdUH im Sinne der Rechtsprechung des BSG (vgl. hierzu u.a. Urteile vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 10/18 R; B 14 AS 24/18 R; B 14 AS 12/18 R und B 14 AS 11/18 R und B 14 AS 41/18 R – juris) nicht vorlag und daher auf die Wohngeldtabelle zzgl. 10 % abzustellen sei. Diese Werte sind – auch nach dem Vortrag des Beklagten – nicht überschritten. Aufgrund dessen sind die vollständigen KdUH abzüglich der Kosten der zentralen Warmwasserbereitung als Bedarf zu berücksichtigen. Diese waren in den streitigen Monaten in der Regelleistung enthalten (vgl. BSG – Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/11b AS 15/07 R – Rn. 21 – juris sowie § 20 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 10. Oktober 2007 bzw. vom 24. März 2011).

Neben den bekannten Einnahmen sind – entgegen der Auffassung des SG – auch die diversen vom Bruder der Klägerin veranlassten – Kontogutschriften aus Überweisungen der Stadtkasse bzw. Kreiskasse G. dem Grunde nach als Einkommen zu berücksichtigen. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II bestimmt in der insoweit unverändert geltenden Fassung, dass alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen sind. Dabei kommt es auf die Herkunft oder die Rechtsgrundlage der Einnahmen nicht an (Söhngen in juris-PK, [Stand: 25. September 2019)], zu § 11 SGB II, Rn. 39). Nicht als Einnahmen sind hingegen Einkünfte anzusehen, die von vornherein mit einer (wirksamen) Rückzahlungspflicht verbunden sind, da diese nicht endgültig zur Verfügung stehen und deshalb bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auch nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes verwendet werden können (Söhngen, a.a.O., Rn. 45). Dies ist insbesondere für darlehensweise gewährte Leistungen anzunehmen (vgl. BSG – Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 46/09 R, ähnlich auch BSG – Urteil vom 13. Juni 1985 – 7 RAr 27/84 – für das AFG – juris). Andererseits sind Sozialleistungen im Zuflussmonat auch dann als Einkommen zu berücksichtigen, falls diese zurückgezahlt werden, deren Bewilligung aber erst im Folgemonat aufgehoben wird (vgl. BSG – Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 165/10 R – juris).

Eine solche rechtlich verbindliche bzw. konkrete Verpflichtung zur Rückzahlung bestand hier weder im Verhältnis der Klägerin zum Zeugen (vgl. hierzu unter i) noch im Verhältnis zu dem durch die Untreue des Zeugen geschädigten Landkreis G. bzw. dessen Rechtsvorgängerin, der Stadt G. (vgl. hierzu unter ii).

Eine zwischen den Geschwistern getroffene Abrede zur Rückzahlung ist gem. § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit § 266 Strafgesetzbuch (StGB) nichtig (vgl. zur Nichtigkeit von Rechtsgeschäften bei Verstoß gegen ein Strafgesetz allgemein Armbrüster in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., zu § 134, Rn. 50 ff.; vgl. auch OLG München – Urteil vom 19. Februar 2002 – 9 U 3318/01 – juris). Strafrechtliche Verbote – insbesondere rechtsgeschäftliche Verpflichtungen zu einem strafbaren Verhalten – stellen den Hauptanwendungsfall des § 134 BGB dar (Armbrüster a.a.O., Rn. 50 und 52). Die Klägerin war an der mehrjährigen und fortgesetzten Untreue ihres Bruders zulasten seines Arbeitgebers beteiligt (vgl. §§ 25 ff. StGB). Die Angaben der Klägerin, nichts von dessen kriminellen Aktivitäten gewusst zu haben, sind nicht glaubhaft. Dabei ist es rechtlich nicht bedeutsam, ob die Klägerin Täterin (§ 25 StGB) war oder (lediglich) Beihilfe (§ 27 StGB) leistete. Auf Grund der Angaben der Klägerin sowohl im Ermittlungsverfahren als auch im sozialgerichtlichen Verfahren, dem Eindruck, den sie in der mündlichen Verhandlung gegeben hat sowie der Angaben ihres Bruders in der mündlichen Verhandlung vor dem SG ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin in den Plan ihres Bruders eingeweiht war und diesen wissentlich und willentlich gefördert hat, weil sie an den rechtswidrig erlangten Beträgen nahezu hälftig beteiligt war.

Es ist nicht glaubhaft, wenn die Klägerin angibt, sie sei von Prämienzahlungen zugunsten ihres Bruders ausgegangen. Sollte dies zutreffen, wäre nicht nachzuvollziehen, weshalb diese Zahlungen nicht unmittelbar auf das Gehaltskonto des Bruders überwiesen wurden. Soweit die Klägerin angegeben hat, ihre Schwägerin solle nichts von den Zahlungen erfahren, sind ihre Angaben bereits widersprüchlich, weil sie bekundet hat, die erheblichen Zahlungen per Post seien deshalb notwendig gewesen, weil ihr Bruder seiner Frau Geschenke kaufen wollte. Wäre dies der Fall, ist nicht nachzuvollziehen, weshalb der Zeuge das Risiko eingegangen ist, dass seine Ehefrau das Bargeld in der Post findet. Vor der Ehefrau sicher verdeckt geblieben wären die Vorgänge nur dann, wenn die Rückflüsse vollständig und nicht nur teilweise bargeldlos durch Überweisungen erfolgt wären. Außerdem ist nicht begreiflich, wie der Zeuge derart teure Geschenke seiner Frau hätte erklären können. Es ist nicht davon auszugehen, dass diese von der finanziellen Situation ihrer Familie keine Kenntnis hatte. Auch die zuletzt in der mündlichen Verhandlung behauptete Ahnungslosigkeit der Klägerin bzw. das Vertrauen in ihren Bruder glaubt der Senat nicht. Wäre sie ahnungslos bzw. vertrauensselig gewesen, so hätte es der nach ihrem eigenen Vortrag im zeitlichen Zusammenhang mit den einzelnen Postsendungen angefertigten Notizen bezüglich der Höhe und Zeitpunkte der Postsendungen nicht bedurft. Letztlich ergibt sich aus den einzelnen Verwendungszwecken auch für die Klägerin eindeutig, dass es sich nicht um Prämien zugunsten ihres Bruders handeln konnte. Auch wenn sich aus den Verwendungszwecken nicht ergeben mag, welchen Hintergrund die Zahlungen hatten, wusste die Klägerin, dass die Zahlungen weder ihr noch ihrem Bruder zustanden. Insbesondere hat die Klägerin in der Beschuldigtenvernehmung eingeräumt, erkannt zu haben, dass es sich nicht um Prämien handeln konnte, weshalb sie ihren Bruder kontaktiert habe.

In der Gesamtschau geht der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles daher von einer Tatbeteiligung der Klägerin aus. Dabei lässt das tatsächliche Geschehen – insbesondere Überweisungen an den Kläger einerseits und Bargeldabhebungen andererseits – nur den Schluss zu, dass die Klägerin selbst wirtschaftlich hiervon profitiert hat. Die erlangten Vermögenswerte wurden entgegen den Angaben der Klägerin zwischen den Geschwistern nahezu hälftig geteilt. Von den 44.381,53 EUR, welche dem Konto der Klägerin gutgeschrieben wurden, überwies diese nach ihren Angaben lediglich 22.466,55 EUR an ihren Bruder. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ist der Senat davon überzeugt, dass der nicht überwiesene Anteil, auch nachdem die Klägerin ihn abgehoben hatte, bei ihr verblieb. Die von ihr behaupteten Briefsendungen hat es nach Überzeugung des Senats so nicht gegeben. Die diesbezüglichen Angaben sind nicht glaubhaft. Es ist insbesondere nicht erklärlich, weshalb die Klägerin ihre (nach eigenen Angaben) beschränkten finanziellen Mittel aufgrund des Bezuges von Grundsicherungsleistungen sogar noch dafür genutzt haben will, ihrem Bruder tausende Euro zu übersenden und selbst nur Kleinstbeträge behalten zu haben. Außerdem stehen der Behauptung der Klägerin, von den Transaktionen nur in einem sehr kleinen Umfang von 187,96 EUR profitiert zu haben, die Bekundungen des Bruders als Zeuge entgegen. Denn der Klägerin sollen zumindest 20 bis 50 EUR bei jeder Überweisung verblieben sein. Schließlich hat der Bruder auch angegeben, dass die Rückflüsse ausschließlich bargeldlos mittels Überweisung erfolgt seien; Zahlungen per Post habe es nicht gegeben. Die Klägerin habe nahezu die kompletten Zahlungen überweisen sollen. Erst auf Nachfrage und Vorhalt hat er eingeräumt, dass wohl auch Teilzahlungen per Post erfolgt seien, wobei er sich an Einzelheiten nicht erinnern konnte. In jedem Fall habe er der Klägerin jedoch mitgeteilt, welche Beträge sie ihm zukommen lassen solle. Insofern sind die Angaben des Zeugen, welche im Nachgang zum Vorhalt gemacht wurden, nicht glaubhaft. Angesichts der Dauer der fortgesetzten Untreuehandlungen und der zum Teil sehr hohen Beträge, welche er von der Klägerin auf diese Weise erhalten haben will, ist nicht nachzuvollziehen, dass der Zeuge sich erst auf Nachfrage an postalische Geldflüsse über ca. fünf Jahre in einem Umfang von ca. 22.000 EUR erinnert haben will, zumal er seiner Frau hiervon größere Geschenke gemacht haben soll. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG die Vermutung geäußert hat, ihr Bruder habe es ihr übelgenommen, dass sie gegenüber den Strafverfolgungsbehörden vollständige Angaben gemacht und das gegen ihn gerichtete Strafverfahren erst ins Rollen gebracht habe, überzeugt auch das nicht. Die zuständigen Strafverfolgungsbehörden hatten bereits durch entsprechende Hinweise des früheren Arbeitgebers Kenntnis von den Untreuehandlungen. Auch eine Absicht, die Klägerin zu belasten, ist der Aussage des Zeugen vor dem SG nicht zu entnehmen; vielmehr hat er – zugunsten der Klägerin – angegeben, dass er die gesamten ihr überwiesenen Gelder bargeldlos zurückerhalten habe. Auch hat er eine Tatbeteiligung der Klägerin verneint. Angesichts der aufgezeigten Umstände des Einzelfalles ist für den Senat erwiesen, dass die Klägerin an den Untreuehandlungen beteiligt war und damit eine zwischen ihr und ihrem Bruder getroffene Vereinbarung über die (teilweise) Rückzahlung der ihr zugeflossenen Beträge gem. § 134 BGB in Verbindung mit § 266 StGB unwirksam war.

Unzweifelhaft bestand eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Landkreis G. gem. § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 StGB (vgl. zur Eigenschaft des § 266 StGB als Schutzgesetz auch BGH – Urteil vom 17. März 1987 – VI ZR 282/85 – juris). Diese schließt aber die Berücksichtigung der Überweisungsbeträge als Einkommen im Ergebnis nicht aus. Der vorliegende Sachverhalt ist nicht mit der vom BSG entschiedenen Darlehenskonstellation (vgl. BSG – Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 46/09 R) vergleichbar. Auch soweit das BSG in einer Entscheidung zum Recht der Arbeitslosenhilfe (vgl. BSG – Urteil vom 6. April 2000, B 11 AL 31/99 R – juris) entschieden hat, dass die Berücksichtigung eines Kfz, das mit Mitteln aus einer Untreue (§ 266 StGB) erworben worden und noch vorhanden war, nicht als Einkommen berücksichtigt werden könne, folgt hieraus nichts anderes (vgl. auch unter Berufung auf diese Rechtsprechung LSG B.-Brandenburg – Beschluss vom 9. Januar 2017 – L 23 SO 327/16 B ER – juris – für aus Straftaten erlangte Einnahmen im Sinne des § 82 SGB XII – mit Verweis auf Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 9. März 1967 – VI B 23.66, wonach es nicht im Einklang mit der Rechtsordnung stehe, den Einsatz derartiger Einnahmen zur Bestreitung des Lebensunterhalts zu fordern, wenn hierdurch Ersatzansprüche des Geschädigten gemindert würden). Denn es gibt auch nach Ansicht des BSG Fallkonstellationen, in denen Einnahmen aus strafbaren Handlungen bedarfsmindernd zu berücksichtigen sind. Dies gilt für Fallkonstellationen, in denen eine den erzielten Einnahmen gegenüberstehende Rückzahlungsverpflichtung entweder überhaupt nicht oder aber zumindest nicht konkret erkennbar sind (BSG – Urteil vom 6. April 2000, B 11 AL 31/99 R – Rn. 25 – juris).

Die Voraussetzungen einer solchen Ausnahme waren vorliegend erfüllt. Davon, dass die erlangten Mittel in diesem Sinne konkret mit der Pflicht zur Rückzahlung durch die Klägerin verbunden wären, war der Senat im Ergebnis nicht überzeugt. Sie erlangte die ihr zugeflossenen Einnahmen – wie bereits dargelegt – durch Straftaten (Untreue – § 266 StGB), an denen sie beteiligt war. Hieraus resultiert grundsätzlich die Verpflichtung zum Ersatz des zugefügten Schadens (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB, vgl. §§ 249 ff. BGB). Anders als bei weggenommenen beweglichen Sachen, welche unmittelbar mit einem Herausgabeanspruch (§ 985 BGB) belastet sind und aus denen ein gutgläubiger Erwerb nicht möglich ist (§ 947 Abs. 1 BGB), ist aber Giralgeld mit keinem solchen Herausgabeanspruch belastet. Dies schon deswegen nicht, weil es sich um keine Sache handelt. Es ist auch nicht absonderbar. Mit der Buchung der Beträge wird vielmehr der Kontoinhaber – hier die Klägerin – alleinige Anspruchsinhaberin des Auszahlungsanspruchs gegen das kontoführende Institut. Sie hat damit die alleinige Verfügungsgewalt über das Guthaben und kann dieses umfassend für ihren Lebensunterhalt verwenden (so auch Sächsisches LSG – Urteil vom 8. November 2018 – L 7 AS 1086/14 – Rn. 41; zustimmend auch Lange, jurisPR-SozR 2/2019 Anm. 1; ähnlich auch LSG Hamburg – Urteil vom 4. Juni 2019 – L 4 AS 203/16 – Rn. 55 – juris).

Bei dem Ersatzanspruch handelt es sich, unabhängig auf welche zivilrechtliche Rechtsgrundlage man diesen stützt, um eine Geldforderung. Die Vollstreckung richtet sich nach den §§ 802a ff. Zivilprozessordnung (ZPO). Diese erfolgt in das gesamte Vermögen des Schuldners, wobei Schutzvorschriften – unabhängig von der Herkunft der Forderung – wie zum Beispiel § 811 ZPO oder die §§ 850 ff. ZPO zu beachten sind. Falls derartige Schutzvorschriften greifen, verbleibt das durch die Straftat gewonnene Geld im Vermögen des Schuldners und steht seinem Lebensunterhalt zur Verfügung. Ein etwaiger Ersatzanspruch war zum Zeitpunkt der jeweiligen Zuflüsse aber noch derart unkonkret, dass er nicht mit einer sofortigen Rückzahlungsverpflichtung verbunden angesehen werden kann. Es bedarf dafür noch der Aufklärung der Straftaten durch die Ermittlungsbehörden. Im Anschluss müsste der Geschädigte noch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche geltend machen (vgl. Sächsisches LSG, a.a.O., Rn. 42). Es war im hier streitigen Zeitraum aber noch unklar, ob bzw. in welchem Umfang der geschädigte Landkreis G. (als Rechtsnachfolger der kreisfreien Stadt G.) gegenüber der Klägerin Schadensersatzansprüche geltend machen würde. Denn er erhielt erst im Jahr 2011 – und damit nach den hier streitigen Bewilligungsmonaten – Kenntnis vom Schaden aus Untreuehandlungen. Daher standen die finanziellen Mittel nach der jeweiligen Kontogutschrift in der alleinigen Verfügungsgewalt der Klägerin. Es unterlag im Rechtssinne ihrer freien Entscheidung, die ihrem Konto gutgeschriebenen finanziellen Mittel für ihren Lebensunterhalt einzusetzen.

In diesem Zusammenhang ist – wie eingangs erwähnt – zu berücksichtigen, dass der Ursprung der Einnahmen im Bereich der Grundsicherung rechtlich nicht bedeutsam ist. Insbesondere gibt es keinen für die gesamte Rechtsordnung gültigen Grundsatz, wonach nicht an den Erwerb rechtswidriger Einnahmen angeknüpft und deren Verwertung verlangt werden kann (vgl. nur § 40 Abgabenordnung; ähnlich auch Schmidt in juris-PK, [Stand: 13. August 2018], zu § 82 SGB X, Rn. 25.2; vgl. auch Schmidt in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl., zu § 11, Rn. 23 sowie Hengelhaupt in Hauck/Noftz, [Stand Januar 2015], zu § 11 SGB II, Rn. 281). Damit ist eine Einnahme lediglich dann nicht als Einkommen zu berücksichtigen, wenn sie faktisch nicht verwertet werden kann, sie also wertlos ist. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn bei der Verwertung eine gleichwertige und konkrete Gegenforderung besteht, was allerdings nicht allein deshalb der Fall ist, weil die Einnahmen – wie vorliegend – aus Straftaten stammt (so auch Schmidt, in Eicher/Luik, a.a.O.). Dies gilt auch dann, wenn hierdurch unter Umständen Mittel verbraucht werden, die später zu einer Wiedergutmachung beitragen könnten (so auch Schmidt in Eicher/Luik, a.a.O.). Es kommt nicht darauf an, dass eine Anrechnung des durch Untreue erlangten Geldes den eingetretenen Schaden vergrößern könnte, da die Summe dann nicht mehr für Erstattungsleistungen zur Verfügung steht (so aber LSG B.-Brandenburg, a.a.O.). Denn das SGB II dient nicht dazu, dem durch eine Straftat Geschädigten Schadensersatzansprüche zu sichern (ebenso Lange, a.a.O. und LSG Hamburg, a.a.O., Rn. 55 - juris).

Selbst wenn man dieser Argumentation zur Berücksichtigung der aus Straftaten erlangten Einnahmen im Hinblick darauf, dass Ersatzansprüche des Geschädigten unmittelbar mit der schädigenden Handlung entstehen (§ 271 Abs. 1 BGB), ohne dass es auf die Kenntnis oder Kennenmüssen des Anspruchs ankommt (so auch Schaer, juris-PR-SozR 17/2019, Anm. 4), nicht folgt, wäre zu prüfen, ob bzw. in welchem Umfang die aus der Straftat erlangten Einnahmen zur Befriedigung dieser Ersatzansprüche dienen sollen (Klerks, info also 2019, 222 (225 f.). Auch in diesem Fall ist die Berücksichtigung der Einnahmen als Einkommen nicht ausgeschlossen. Denn nach Lage der Akten sollten die Einnahmen jedenfalls nicht dazu dienen, Ansprüche des Landkreises G. (als Rechtsnachfolger der Stadt G.) zu befriedigen.

Außerdem ist im Vergleich mit den Fällen, in denen der Hilfebedürftige Einnahmen aus anderen staatlichen Mitteln erhält (z.B. Kindergeld), die später als unrechtmäßig erlangt zurückgezahlt werden müssen (vgl. hierzu BSG – Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 165/10 R – juris), kein Unterschied zugunsten eines Hilfebedürftigen zu machen, der die Einnahmen aus Straftaten bzw. deliktischen Handlungen erlangt hat. Vielmehr ist allein auf den Moment des Geldzuflusses abzustellen und in diesem Zeitpunkt festzustellen, ob der Hilfebedürftige die zugeflossenen Einnahmen zur Bestreitung des Lebensunterhalts hätte einsetzen können, denn das SGB II dient der Deckung einer aktuellen Bedarfslage im jeweiligen Zeitpunkt (vgl. auch Sächsisches LSG, a.a.O., Rn. 43; LSG Hamburg, a.a.O., Rn. 55). Davon geht der Senat im vorliegenden Fall aus, denn die Klägerin konnte selbst entscheiden, ob sie die ihr zugeflossenen Zahlungen für ihren Lebensunterhalt einsetzen, in ihrem Vermögen behalten oder an ihren Bruder weiterleiten wollte.

Letztlich sprechen auch systematische Erwägungen für eine Berücksichtigung der erzielten Einnahmen als Einkommen im Sinne von § 11 SGB II. Die bloße Gefahr, dass bereite Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts nach Erfüllung von Schadensersatzpflichten nicht mehr zur Verfügung stehen, darf nicht dazu führen, dass ein aktueller Bedarf – trotz finanzieller Mittel – bejaht wird und der Grundsicherungsträger deshalb gehalten ist, Grundsicherungsleistungen zu bewilligen und auszuzahlen. Die Hilfebedürftigkeit besteht demnach erst, wenn das Einkommen nach Maßgabe der Bestimmungen des SGB II nicht mehr zu berücksichtigen ist (so auch Beschluss des Landessozialgerichts B.-Brandenburg vom 30. August 2017 – L 31 AS 1462/17 B ER – Rn. 32 und 33 – juris; ähnlich auch Preis/Nazik, NZS 2017, 260 – Anmerkung zum Beschluss des LSG B.-Brandenburg vom 9. Januar 2017 – L 23 SO 327/16 B ER).

Im Ergebnis führte die Verneinung einer Einkommensanrechnung zu einer Besserstellung des Straftäters im Rahmen der Sozialleistungen, die der Gesetzgeber ersichtlich nicht bezweckt hat. Dementsprechend ist es auch zu Recht anerkannt, dass Einkünfte aus unsittlicher oder verbotener Tätigkeit, wie beispielsweise der Hehlerei als Einkommen zu berücksichtigen sind (so auch Preis/Nazik, a.a.O., 260 f.)

Die auf dem Konto der Klägerin eingegangenen Überweisungen sind damit nach Maßgabe des § 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld – Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – (ALGIIV) anzurechnen.

Der Senat konnte offenlassen, ob es sich bei den durch den Bruder der Klägerin veranlassten Überweisungen um laufende oder einmalige Einnahmen handelte. Denn es handelt sich jedenfalls nicht um laufende Einnahmen, die monatlich zufließen, weshalb die Einkommensanrechnung nach denselben Grundsätzen wie bei einmaligen Einnahmen erfolgt. Aus der Gesamtschau des Sachverhalts ergibt sich zwar eine Abrede zwischen der Klägerin und ihrem Bruder, wonach diese ihr Konto zur Verfügung stellte. Damit war von vornherein vereinbart, dass sich die Zuflüsse nicht in einem einmaligen Akt erschöpfen sollten, sondern es zu mehrfachen Überweisungen kommen würde. Allerdings hat die Klägerin weder vorgetragen, noch ist sonst ersichtlich, dass Überweisungen (regelmäßig) in maximal monatlichen Zeitabständen zufließen sollten.

Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 ALG IIV sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Für laufende Einnahmen, die in größeren als monatlichen Zeitabständen zufließen, gelten die Regelungen für einmalige Einnahmen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 ALG IIV). Diese sind gem. § 2 Abs. 3 ALG IIV in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung bzw. § 2 Abs. 4 in der ab dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen, wobei sie auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen sind.

In Anlehnung an den grundsätzlich sechsmonatigen Bewilligungszeitraum sind die Überweisungen (ab dem Zuflussmonat) auf sechs Monate aufzuteilen und mit jeweils 1/6 zu berücksichtigen. Absetzungen sind hiervon nicht vorzunehmen, weil die Klägerin in den streitigen Monaten Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielte, bei denen bereits die maßgeblichen Absetzungen vorgenommen wurden. Soweit das BSG in einer Entscheidung ausgeführt hat, die Verteilung von (einmaligen) Einnahmen auf zwölf Monate sei für die Rechtslage bis einschließlich 2010 nicht zu beanstanden, ist dies hier nicht von Bedeutung. Denn das BSG hat lediglich entschieden, dass eine Einkommensverteilung auf längere Zeiträume nicht möglich gewesen sei (BSG – Urteil vom 10. September 2013 – B 4 AS 89/12 R – Rn. 23 – juris). Die Verteilung auf sechs Monate wird hierdurch nicht ausgeschlossen. Auch der Senat hat in seinem Urteil vom 15. Februar 2019 (L 4 AS 165/12 – Rn. 41 – juris) die Verteilung einer einmaligen Einnahme im Jahr 2007 auf sechs Monate nicht beanstandet.

Sinn und Zweck der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist es, konkrete Bedarfslagen zu decken, sodass es grundsätzlich auf die jeweilige Einkommens- und Vermögenssituation im Bedarfszeitraum ankommt. Allerdings ist für eine rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligungen gem. §§ 45 oder 48 SGB X zu berücksichtigen, dass ein konkreter Bedarf nicht ungedeckt bleibt, wenn zu Unrecht gezahlte Leistungen zurückgefordert werden (vgl. hierzu zusammenfassend BSG – Beschluss vom 1. April 2016 – B 14 AS 286/15 B – Rn. 5 f. mit Verweis auf BSG – Urteil vom 10. September 2013 – B 4 AS 89/12 R; BSG – Urteil vom 29. November 2012 – B 14 AS 33/12 – Rn. 15 f; ähnlich auch Urteil des erkennenden Senats vom 15. Februar 2019 – L 4 AS 165/12 – Rn. 38, 41 – juris).

So liegt der Fall hier. Für den Bewilligungsabschnitt, in dem die Einnahmen tatsächlich zugeflossen sind, kommt es auf einen Verbrauch der (einmaligen) Einnahmen nicht an. Für den folgenden Bewilligungsabschnitt kommt es auch bei einer Rücknahme bzw. Aufhebung gem. §§ 45 und 48 SGB X darauf an, dass die (einmaligen) Einnahmen im Bedarfszeitraum tatsächlich zur Verfügung standen. Denn in einem abschließenden Schritt ist zu prüfen, ob zugeflossenes Einkommen als "bereites Mittel" geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken. Dies gilt auch bei Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme über einen Verteilzeitraum hinweg ohne Einschränkungen (vgl. BSG – Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 14 AS 76/12 R – Rn. 11 mit Verweis auf das Urteil vom 29. November 2012 – B 14 AS 33/12 R – Rn. 13 ff. m.w.N. sowie Urteil des erkennenden Senats vom 15. Februar 2019 – L 4 AS 165/12 – Rn. 41 – juris). Zwar ist der Hilfebedürftige grundsätzlich gehalten, das Einkommen auch dann zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage über den Bewilligungsabschnitt hinaus für seinen eigenen Lebensunterhalt zu verwenden. Dies gilt auch dann, wenn er sich hierdurch außerstande setzt, anderweitig bestehende (bzw. angenommene) Verpflichtungen zu erfüllen (BSG – Urteil vom 19.9.2008 – B 14/7b AS 10/07 R – Rn. 25 – juris). Wenn die (einmalige) Einnahme, deren Berücksichtigung als Einkommen in Rede steht, tatsächlich aber nicht (mehr) uneingeschränkt zur Verfügung steht, ist ein Leistungsanspruch – für den neuen Bewilligungsabschnitt – nicht ausgeschlossen. Die Verweigerung existenzsichernder Leistungen aufgrund einer unwiderleglichen Annahme, dass die Hilfebedürftigkeit bei bestimmtem wirtschaftlichen Verhalten – dem Verbrauch der einmaligen Einnahme in bestimmten monatlichen Teilbeträgen – (teilweise) abzuwenden gewesen wäre, ist mit Art. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 GG nicht vereinbar (vgl. auch BVerfG – Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – Rn. 28 – juris). Diesem Gedanken folgt das gesetzgeberische Grundprinzip, dass Einkommen nicht "fiktiv" berücksichtigt werden darf, sondern tatsächlich geeignet sein muss, Hilfebedürftigkeit zu beseitigen (BSG – Urteile vom 12. Dezember 2013 – B 14 AS 76/12 R – Rn. 11 sowie vom 29. November 2012 – B 14 AS 33/12 R – Rn. 14 m.w.N. – juris).

Insofern können lediglich diejenigen Teilbeträge, welche die Klägerin nachweislich an ihren Bruder überwiesen hat, im folgenden Bewilligungsabschnitt nicht mehr berücksichtigt werden. Anders ist dies hinsichtlich des bei der Klägerin verbliebenen Restbetrages zu beurteilen, weil ein Verbrauch weder behauptet wird noch sonst ersichtlich ist.

Auf dieser Grundlage ergibt sich für die einzelnen Monate der Aufhebung bzw. Rücknahme der Leistungsbewilligungen folgende Berechnung:

Tabelle nicht darstellbar

Die maßgeblichen Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheide beruhen auch auf Angaben, die die Klägerin vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) bzw. auf Verstößen gegen durch Rechtsvorschriften vorgeschriebene Pflichten zur Mitteilung wesentlicher, für die Klägerin nachteiliger Änderungen der Verhältnisse, denen diese vorsätzlich nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X).

Die Klägerin wurde in ihrem Erstantrag vom 4. Oktober 2004 ausdrücklich danach gefragt, ob sie bzw. die in ihrem Haushalt lebenden Angehörigen laufende oder einmalige Einnahmen gleich welcher Art hätten. Eine Beschränkung erfolgte ausdrücklich nicht. Gleichzeitig wurde klargestellt, dass Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert sind. In der Folge erhielt die Klägerin auch Leistungen unter Berücksichtigung der von ihr angegebenen Einnahmen (Kindergeld, Unterhalt, Einkommen aus Erwerbstätigkeit). Die Klägerin wusste also positiv, dass Einnahmen gleich welcher Art für die Anspruchsermittlung erheblich waren bzw. zumindest sein könnten. Gleichzeitig wurde sie darüber belehrt, dass Änderungen – insbesondere der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse – unaufgefordert und unverzüglich mitzuteilen sind. Auch in den Folgeanträgen wurden Änderungen in den Einkommensverhältnissen erfragt. In der Folge hat die Klägerin – nach erstmaligem Zufluss der Einnahmen – in ihrem Fortzahlungsantrag vom 15. Mai 2006 ebenso wie in den weiteren Fortzahlungsanträgen – Änderungen in den Einkommensverhältnissen verneint bzw. soweit Änderungen im Erwerbseinkommen eingetreten waren, diese mitgeteilt. In späteren Jahren wurde sie dann danach befragt, ob sie bzw. weitere Personen der Bedarfsgemeinschaft Einkommen hätten, wobei den Ausfüllhinweisen ergänzende Erläuterungen zu entnehmen waren. Gleichwohl hat sie die Zahlungseingänge vorsätzlich verschwiegen. Dass die Klägerin die subjektive Vorstellung gehabt haben mag, zur (teilweisen) Weiterleitung der erhaltenen Einnahmen verpflichtet gewesen zu sein, führt nicht zu einer abweichenden Bewertung. Denn hierauf kommt es rechtlich nicht an. Für die Frage, ob Einkommen erzielt wurde, ist diese Annahme bedeutungslos. Nach Würdigung der Gesamtumstände geht der Senat deshalb von vorsätzlichem Verhalten der Klägerin aus.

Eine Rücknahme bzw. Aufhebung der Leistungsbewilligungen ist auch nicht wegen einer Begrenzung der der Klägerin gem. §§ 60 ff. Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) obliegenden Mitwirkungspflichten gem. § 65 Abs. 1 und 3 SGB I ausgeschlossen. Sie bestehen u.a. nicht, soweit ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung steht, ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann. Angaben, die den Antragsteller, den Leistungsberechtigen oder ihm nahestehende Personen in die Gefahr bringen würden, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.

Ein Fall des § 65 Abs. 1 SGB I – Gefahr der Aussetzung der Strafverfolgung – ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Zwar hätte sich die Klägerin mit wahrheitsgemäßen Angaben der Gefahr einer Strafverfolgung wegen Geldwäsche (§ 261 StGB), Untreue (§ 266 StGB) bzw. Sozialleistungsbetruges (§ 263 StGB) – ausgesetzt; allerdings tritt die Mitwirkungsgrenze nicht automatisch ein. Diese muss vielmehr geltend gemacht werden (so auch LSG Sachsen-Anhalt – Beschluss vom 18. Dezember 2008 – L 5 B 415/08 AS ER – L 5 416/08 AS ER mit Verweis auf die Kommentierung von Seewald im Kasseler Kommentar zu § 65 SGB I, Rn. 31; aktuell: Stellbrink, [Stand August 2019], Rn. 43; ähnlich auch Preis/Nazik, NZS 2017, 260 – Anmerkung zum Beschluss des LSG B.-Brandenburg vom 9. Januar 2017 – L 23 SO 327/16 B ER m.w.N.).

Die Aufhebungsbescheide vom 16. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2011 waren daher im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern. Die Erstattungsforderungen finden ihre rechtliche Grundlage in § 40 SGB II i.V.m. § 50 Abs. 1 SGB X.

Darüber hinaus sind dann die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang nicht gem. § 40 SGB II i.V.m. § 335 Abs. 1 und 5 SGB III zu erstatten. Die Voraussetzungen von § 335 Abs. 1 und 5 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung lagen in diesen Fällen nicht vor. So wurden in den Monaten April und Mai 2007 die Leistungen nur teilweise aufgehoben, sodass die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – [SGB V] und § 20 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – [SGB XI]) bestand. Zugleich waren die Beiträge seinerzeit unabhängig von der Höhe zustehenden Grundsicherungsleistungen zu entrichten (vgl. § 232 a SGB V und § 57 Abs. 1 SGB XI in der insoweit für den streitigen Zeitraum unverändert geltenden Fassung). Ab dem März 2008, d.h. mit Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung durch die Klägerin hat diese schon deshalb keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten, weil sie hierdurch keinen Vorteil hatte. Sie war bereits aufgrund dieser versicherungspflichtigen Beschäftigung versicherungspflichtig (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Erstattungspflichtig ist bzgl. der Beiträge (zur Krankenversicherung) der Gesundheitsfond, an den der Beklagte die Beiträge (ggf.) abgeführt hat (so auch Aubel in juris-PK zu § 40 SGB II, [Stand: 28. Juni 2019], Rn. 104 f.).

Soweit Beiträge nach Maßgabe von § 40 SGB II i.V.m. § 335 Abs. 1 und 5 SGB III gleichwohl zu erstatten sind, ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass diese vom Beklagten nicht in zutreffender Höhe entrichtet wurden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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