S 31 KR 197/17 WA

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 31 KR 197/17 WA
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 KR 812/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen die Berücksichtigung des Einkommens ihres Ehemannes im Rahmen der Berechnung der von ihr als freiwilliges Mitglied der Krankenversicherung zu leistenden Beiträge.

Die Klägerin verfügt als Hausfrau über kein Arbeitseinkommen. Sie ist freiwilliges Mitglied bei der Beklagten. Der Ehemann sowie die gemeinsamen Kinder sind privat krankenversichert.

Mit der Einkommensanfrage vom 09.03.2009 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass mit Einführung des Gesundheitsfonds zum 01.01.2009 und der damit einhergehenden Pauschalierung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Krankenversicherung, sowie der neuen gesetzlich vorgegebenen Beitragsbemessungsgrundlagen ihre Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung ab diesem Zeitpunkt neu zu berechnen seien. In dem von der Klägerin daraufhin am 30.03.2009 übersandten Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2008 sind Einkünfte des Ehemannes aus nichtselbstständiger Arbeit (Bruttoarbeitslohn) in Höhe von 68.227 EUR ausgewiesen.

Nachdem die Beklagte zunächst mit Beitragsbescheid zum 30.03.2009 die Beitragshöhe auf Grundlage der neuen Beitragsbemessungsgrundlage ab dem 01.04.2009 festgesetzt hatte, erließ sie am 17.06.2009 einen weiteren Beitragsbescheid, in welchem die von der Klägerin zu leistenden monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.07.2009 neu festgesetzt wurden. Im Rahmen dieses Beitragsbescheides verringerte die Beklagte die Beitragsforderung mit der Begründung, dass ab 01.07.2009 der einheitliche Beitragssatz um 0,6 % auf 14,3 % gesenkt wurde. Für die Klägerin ergebe sich unter gleichbleibender Zugrundelegung monatlich beitragspflichtiger Einnahmen in Höhe von 1.837,50 EUR ein monatlicher Beitrag zur Krankenversicherung in Höhe von 262,76 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 35,83 EUR.

Die Klägerin legte Schreiben vom 10.07.2009 Widerspruch gegen die Neufestsetzung vom 17.06.2009 ein, indem sie ihren Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.03.2009 ausdrücklich auch auf die Neufestsetzung bezog. Im Rahmen ihres ersten Widerspruchs datiert auf den 28.04.2009 hatte die Klägerin zur Begründung ihres Widerspruchs bereits ausgeführt, dass die Beitragserhöhung um 89 % ohne Änderung der Lebensumstände unverhältnismäßig sei. Es hätte zumindest einer Übergangsregelung bedurft. Zudem fehle eine rechtswirksame Grundlage für die Beitragsbemessung, denn die einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedsgruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler, im folgenden BVerfGsSz) seien nicht in die Satzung der Beklagten einbezogen worden. Die BVerfGsSz würden zudem gegen geltendes Recht verstoßen. Würde die Klägerin unverheiratet mit ihrem Mann zusammen leben, so könnte keine Einkommensberücksichtigung erfolgen. Diese Abstufung verstoße gegen § 240 Abs. 2 SGB V. Die Berücksichtigung der Kinder sei zudem unverhältnismäßig, denn sie erfasse nicht, dass auch die Klägerin gegenüber ihren Kindern Unterhaltsverpflichtungen habe, welche im Rahmen der Beitragsbemessung zu berücksichtigen seien.

Mit Schreiben vom 29.06.2009 und 17.09.2009 legte die Beklagte der Klägerin die Berechnung der monatlichen Beiträge unter Anwendung der geänderten Rechtsgrundlage dar. Im Schreiben vom 17.09.2009 nahm die Beklagte ausdrücklich Bezug auf die Aufrechterhaltung des Widerspruchs vom 10.07.2009 und teilte mit, dass die Beitragsbescheide vom 30.03.2009 und vom 17.06.2009 ihre Gültigkeit behielten. Aus Blatt 27 der Verwaltungsakte ergibt sich, dass auch der Beitragsbescheid vom 01.07.2009 dem Widerspruchsausschuss vorlag.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2009 hielt die Beklagte ausdrücklich an ihrer Entscheidung vom 30.03.2009 fest und bestätigte unter Hinweis auf das Schreiben der Klägerin vom 10.07.2009 und dem Schreiben der Beklagten vom 17.09.2009 die aufgrund der Anwendung der BVGsSz die von der Klägerin geforderten monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Die Klägerin hat am 29.12.2009 Klage erhoben. Ergänzend zu der im Rahmen des Widerspruchs vorgetragenen Begründung führt sie aus, dass die Einkünfte ihres Mannes zu hoch in Ansatz gebracht worden seien. In Abzug zu bringen seien berufsbedingte Werbungskosten sowie Beiträge zur Rentenversicherung. Diese Beträge stünden tatsächlich nicht zur Verfügung. Bezüglich der Beiträge zur Rentenversicherung komme es zudem zu einer unzulässigen Doppelerfassung, da auch die späteren Rentenauszahlungen im Rahmen der Beitragsbemessung berücksichtigt würden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2009 zu verurteilen, über die Beitragshöhen ab dem 01.07.2009 nach Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bleibt bei der im Widerspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Alle Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Der mit der Klage angegriffene Bescheid vom 17.06.2009 ist gemäß § 86 SGG als abändernder Bescheid des bereits mit Widerspruch angegriffenen Bescheids vom 30.03.2009 Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Obwohl der Widerspruchsbescheid nicht ausdrücklich den Bescheid vom 17.06.2009 benennt, geht die Kammer im Wege der Auslegung davon aus, dass der Widerspruchsausschuss auch über diesen Bescheid entschieden hat. Im Rahmen des Widerspruchsbescheides wird nämlich auf ein Schreiben der Klägerin vom 10.07.2009 und auf ein Schreiben der Beklagten vom 17.09.2009 Bezug genommen, welche ausdrücklich auch den Bescheid vom 17.06.2009 zum Gegenstand hatten. Zudem lag der Bescheid vom 17.06.2009 entsprechend Bl. 27 VA dem Widerspruchsausschuss vor. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 17.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2009 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beitragsbescheid der Beklagten ist nicht zu beanstanden.

Die Klägerin war als freiwilliges Mitglied der Beklagten gemäß § 223 SGB V beitragspflichtig.

Für freiwillige Mitglieder wird gemäß § 240 Abs. 1 SGB V die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (im Folgenden: Spitzenverband) geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitgliedes berücksichtigt. Gemäß § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V sind bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtigen Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Abstufungen nach dem Familienstand oder der Zahl der Angehörigen, für die eine Versicherung nach § 10 besteht, sind gemäß § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V unzulässig. Soweit bei der Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder das Einkommen von Ehegatten oder Lebenspartnern nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz, die nicht einer Krankenkasse nach § 4 Abs. 2 angehören, berücksichtigt wird, ist gemäß § 240 Abs. 5 SGB V a.F. von diesem Einkommen für jedes gemeinsame unterhaltsberechtigte Kind für das eine Familienversicherung wegen der Regelung des § 10 Abs. 3 nicht besteht, ein Betrag in Höhe von einem Drittel der monatlichen Bezugsgröße, für nach § 10 versicherte Kinder ein Betrag in Höhe von einem Fünftel der monatlichen Bezugsgröße abzusetzen.

Die entsprechend § 240 Abs. 1 SGB V a.F. von dem Spitzenverband erlassenen BVerfGsSz a.F. konkretisieren in § 2 Abs. 4 die gesetzlichen Bestimmungen dahingehend, dass bei Mitgliedern, deren Ehegatte oder Lebenspartner nach dem LPartG nicht einer Krankenkasse (§ 4 Abs. 2 SGB V) angehören, sich die beitragspflichtigen Einnahmen aus den eigenen Einnahmen und den Einnahmen des Ehegatten oder Lebenspartners zusammensetzen. Von den Einnahmen des Ehegatten oder Lebenspartners ist für jedes gemeinsame unterhaltsberechtigte Kind 1. für das eine Familienversicherung nur wegen der Regelung des § 10 Abs. 3 SGB V nicht besteht, monatlich ein Betrag in Höhe von einem Drittel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV abzusetzen. Für die Beitragsbemessung werden nacheinander die eigenen Einnahmen des Mitglieds und die Einnahmen des Ehegatten oder Lebenspartners bis zur Hälfte der sich aus der nach Satz 1 und 2 ergebenen Summe der Einnahmen, höchstens bis zu einem Betrag in Höhe der halben Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt.

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 BVerfGsSz a.F. sind als beitragspflichtige Einnahmen das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen.

Die Beklagte hat unter Berücksichtigung der vorgenannten Vorschriften die von der Klägerin zu leistenden Versicherungsbeiträge richtig berechnet.

Soweit die Klägerin mit Blick auf § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V davon ausgeht, dass das dort formulierte Verbot der Abstufung nach Familienstand grundsätzlich die Berücksichtigung von Einkommen des Ehegatten ausschließt, so hält die Kammer diese Auslegung für abwegig. Nach Auffassung der Kammer hat sich der Gesetzgeber in § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V "nur" dagegen ausgesprochen, dass für die Bestimmung der Leistungsfähigkeit keine einkommensunabhängigen Kategorien (= Abstufungen) nach dem Familienstand zulässig sind. Ein Verbot der generellen Berücksichtigung tatsächlich vorhandener Einnahmen des Ehepartners ist damit nicht ausgesprochen. Dieses Verständnis des § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V orientiert sich erstens an der Formulierung "Abstufung nach dem Familienstand", die bereits rein sprachlich die Berücksichtigung der durch das Familieneinkommen definierte Leistungsfähigkeit an sich nicht ausschließt, sondern lediglich die Heranziehung des Familienstandes zur Bildung einer wie auch immer ausgestalteten Abstufung untersagt. Letzteres ist weder im Gesetz noch in den BVerfGsSz a.F. vorgesehen oder von der Beklagten im Rahmen ihrer Beitragsberechnung erfolgt. Die wörtliche Auslegung wird durch Sinn und Zweck der Vorschrift sowie durch die Systematik des § 240 SGB V gestützt. § 240 Abs. 2 SGB regelt, wie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der freiwilligen Mitglieder zu bestimmen ist. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Person lässt sich in keiner Weise pauschal vom Familienstand oder der Anzahl der Kinder ableiten. Wie der Fall der Klägerin zeigt, kann sich die Leistungsfähigkeit einer Person durch das von dem Ehepartner erwirtschaftete Familieneinkommen deutlich erhöhen, dies ist jedoch keineswegs zwingend. Es ist somit erforderlich, anstelle von pauschalen Abstufungen jeweils die konkrete Einnahmensituation der Mitglieder zu prüfen. Dass der Gesetzgeber über die pauschale Abstufung hinaus das real vorhandene und den Versicherten zur Verfügung stehende (Familien-)einkommen im Rahmen der Bewertung der wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigen wollte, lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen. Tatsächlich liegt es für die Kammer auf der Hand, dass die reale wirtschaftliche Leistungsfähigkeit maßgeblich durch das Familieneinkommen bestimmt wird. Letztlich wird dieses Verständnis des § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB systematisch durch § 240 Abs. 5 SGB V gestützt, in welchem die Berücksichtigungsfähigkeit des Einkommens von Ehegatten vorausgesetzt wird. § 240 Abs. 5 SGB V macht nur Sinn, wenn Einkommen des nicht gesetzlich krankenversicherten Ehegatten grundsätzlich berücksichtigt werden kann. Bezüglich § 240 Abs. 5 SGB V sei auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18.11.2015 (B 12 KR 21/14 R) verwiesen, in welcher über die Freibeträge für Kinder im Rahmen der nicht angezweifelten Berücksichtigung von Ehegatteneinkommen entschieden wurde.

Die Beklagte hat zu Recht zur Berechnung die BVerfGsSz a.F. berücksichtigt.

Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 19.12.2012 (B 12 KR 20/11 R) bestätigt, dass die Regelungen der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwilligen Mitgliedern der Krankenversicherung bietet. Die Kammer schließt sich ausdrücklich dieser Rechtsauffassung an.

Auch die konkrete Berechnung der Beitragsbemessungsgrundlage durch die Beklagte weist keine Fehler auf. Zu Recht hat die Beklagte insbesondere Werbungskosten sowie Beitragszahlungen zur Rentenversicherung unberücksichtigt gelassen. Anders als bei den hauptberuflich Selbstständigen findet bei allen anderen freiwillig Versicherten das sogenannte Bruttoprinzip Anwendung (vgl. BVerfG Urteil vom 22.05.2001, 1BvL 4/96; BSG Urteile vom 17.03.2010 B 12 KR 4/09 R und 21.12.1993, 12 RK 28/93). Zudem regelt § 3 Abs. 1 BVerfGsSz a.F., dass Einnahmen ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen sind. Der Einwand, die Rentenbeiträge würden jetzt und die Rentenauszahlung später nochmals zur Beitragsberechnung herangezogen, ist richtig. Es existiert jedoch keine gesetzliche Regelung, die es verbietet, Versorgungsbezüge, welche ihrerseits mit der Beitragspflicht unterliegenden Einnahmen finanziert wurden, der Beitragspflicht zu unterwerfen (vgl. BSG Urteil vom 25.04.2007, Az.: B 12 KR 26/95 R zur Berücksichtigung betrieblicher Altersversorgung).

Die Kammer folgt auch dem auf § 2 Abs. 4 BVerfGsSz a.F. abgeleiteten konkreten Berechnungsweg der Beklagten. Das Bruttoarbeitseinkommen des Ehegatten der Klägerin betrug ausweislich des Steuerbescheides 68.227,00 Euro, auf 12 Monate umgerechnet 5.685,58 Euro. Für die beiden gemeinsamen Kinder waren von diesem Betrag je 1/3 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV (2009 = 2.520,00 Euro), sprich je 840,00 Euro in Abzug zu bringen. Die so berechnete Summe der Einnahmen war bis zur Hälfte, höchstens bis zu einem Betrag in Höhe der halben Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen. Tatsächlich war die Hälfte der 2009 geltenden Beitragsbemessungsgrenze (3.675,00 Euro/2 = 1.837,50 Euro). Im Falle der Klägerin war die Berücksichtigung der hälftigen Beitragsbemessungsgrenze angesichts des diese übersteigenden berücksichtigungsfähigen Einkommens des Ehegatten anzeigt.

Letztlich hat das Gericht auch keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken, welche gegen die Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens im Rahmen des § 240 SGB V sprechen würden.

Die Klage kann nicht auf Art. 3 Grundgesetz (GG) gestützt werden.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist erst dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (st.Rspr. des BVerfG seit BVerfGE 55, 72; vgl. BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55; BVerfGE 117, 272, 300 f).

Die Klägerin hat mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG auf die aus ihrer Sicht zu der Gruppe der verheirateten freiwilligen Mitglieder wesentlich gleiche Gruppe der ledigen Elternteile verwiesen, welche unverheiratet mit ihren Kinder zusammenleben.

Die Kammer sieht keine Wesensgleichheit zwischen der Gruppe der verheirateten freiwilligen Mitglieder, bei welchen es zu einer Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens kommt und der Gruppe der ledigen freiwillig Versicherten, bei welchen das Einkommen des (nicht eingetragenen) Partners nicht berücksichtigt wird. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist eine auf Dauer angelegtes, von Verantwortung füreinander geprägte Partnerschaft, in welcher die Partner die Verpflichtung eingegangen sind, angemessen die Familie durch ihre Arbeit und ihr Vermögen zu unterhalten (vgl. z.B. §§ 1353, 1356, 1357,1360 BGB). Sie steht unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes (Art. 6 GG) und wird vielerorts – zum Beispiel steuerrechtlich (etwa in Form des Ehegattensplittings), erbrechtlich oder versicherungsrechtlich (etwa in Form der Familienversicherung oder der Hinterbliebenenrenten) in besonderem Maße gegenüber ledig Zusammenlebenden begünstigt. Tatsächlich hatte der Ehegatte der Klägerin die Möglichkeit sich anstatt privat freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern und so sowohl seine Kinder als auch seine Ehefrau ohne weitere Beitragsbelastung über § 10 SGB V im Rahmen der Familienversicherung abzusichern. Dass er diese Möglichkeit (damals) nicht genutzt hat, war seine Entscheidung. Eine Möglichkeit, welche unehelichen Lebenspartnern nicht eröffnet ist. Im Gegensatz zur Ehe besitzt die Lebensgemeinschaft ohne Trauschein keinerlei Verbindlichkeit rechtlicher Art. Sie ist nicht durch gegenseitige Rechte und Pflichten geprägt und beinhaltet insbesondere nicht die gegenseitige Verpflichtung zum Familienunterhalt beizutragen.

Dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft gegenüber der Ehe im Rahmen des § 240 SGB V in der vorliegenden Konstellation als vorteilhafter erscheint, ist zwar mit Blick auf den verfassungsrechtlich gebotenen besonderen Schutz der Ehe möglicherweise auf den ersten Blick befremdend. Tatsächlich ist es jedoch folgerichtig angesichts der sich im Gesetz spiegelnden Vorstellung der Ehe als Verantwortungs- und Haushalts- bzw. Unterhaltsgemeinschaft – eine Vorstellung die weder gesetzlich noch außergesetzlich mit Blick auf nichteheliche Lebensgemeinschaften unterstellt werden kann. In Bezug auf nichteheliche Lebensgemeinschaften kann weder eine verbindliche Verantwortlichkeit füreinander noch ein gemeinsames Unterhalten der Familie angenommen werden.

Die Klägerin profitiert aufgrund der gesetzlichen Bevorzugung der Ehe verstanden als verbindliche, auf Dauer angelegte Verantwortungs- und Haushaltsgemeinschaft im Vergleich zu nichtehelichen Lebenspartnern in unterschiedlichen rechtlichen Bereichen. Dass aufgrund der mit der Ehe verbundenen Haushalts- und Unterhaltsgemeinschaft die Einnahmen ihres Ehegatten im Rahmen der Beitragsberechnung Berücksichtigung finden, erscheint nur folgerichtig. Wer an vielen Stellen von dem Institut der Ehe profitiert, kann kaum verlangen, dass er – sobald sich dies finanziell für ihn ungünstig auswirkt – so gestellt wird, als gebe es die eheliche Gemeinschaft nicht. Eine solches "Rosinenpicken" würde dazu führen, dass zwar z.B. steuerrechtlich von einem Füreinandereinstehen und einem Familienunterhalt ausgegangen würde – anders lässt sich das Ehegattensplitting kaum rechtfertigen – , dies und damit ein Wesenszug der Ehe gleichzeitig jedoch im Rahmen der Bestimmung der finanziellen Leistungsfähigkeit nach § 240 SGB schlicht negiert würde. Ein solche gesetzgeberische Widersprüchlichkeit wäre kaum verständlich – dies umso weniger als dem Ehemann der Klägerin tatsächlich die Möglichkeit gegeben war, sich freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern und dadurch von der Bevorzugung der Ehe und Familie im Rahmen der Familienversicherung zu profitieren.

Auch Art. 6 GG der Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens im Rahmen des § 240 SGB V nicht entgegen. Art. 6 GG verpflichtet zwar den Staat dazu, Eingriffe in die Familie zu unterlassen, und zudem Ehe und Familie durch geeignete Maßnahmen auch wirtschaftlicher Art zu fördern (BVerfG Urteil vom 03.04.2001, 1 BvR 1629/94). Bezüglich der Frage, wie der Staat die Ehe und Familie wirtschaftlich fördert, ist dem Staat jedoch ein weiter Spielraum zuzugestehen. Zur Zeit werden Familien zum Beispiel durch allgemeine Regelungen des Familienlastenausgleichs im Kindergeldrecht und im Steuerrecht wirtschaftlich entlastet. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung besteht zudem bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Möglichkeit der Familienversicherung und im Rahmen der Berücksichtigung der Einnahmen des Ehepartners entsprechend der Beitragsgrundsätze Selbstzahler eine Abzugsberechtigung für gemeinsame, unterhaltsberechtigte Kinder. Eine Verpflichtung, die rechtlich gegebene eheliche gegenseitige Haushalts- und Unterhaltspflicht im Rahmen der Feststellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu ignorieren, ist aus Art. 6 nach Auffassung der Kammer nicht ableitbar.

Letztlich kann sich die Klägerin mit Blick auf Art. 2 GG auch nicht auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes berufen und mit Blick auf ihre bisherige deutlich geringere Beitragsbelastung eine Übergangsregelung fordern. Tatsächlich unterlag das Finanzierungssystem der gesetzlichen Krankenversicherungen von jeher deutlichen Veränderungen und stand zudem bereits seit längerem unter einem steigenden Kostendruck. Ein Vertrauen in den dauerhaften Bestand der für die Klägerin günstigen Rechtslage im Bereich des Beitragsrechts hatte keine ausreichende Grundlage (vgl. Nichtannahmebeschluss BVerfG vom 28.02.2008 hinsichtlich der Berücksichtigung von Versorgungsbezügen seit 2004, Az.: 1 bvR 2137/06). Eine Unverhältnismäßigkeit der von der Klägerin zu leistenden Beiträge ist angesichts ihrer durch das Familieneinkommen gegebenen Leistungsfähigkeit nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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