L 32 AS 423/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 173 AS 16394/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 423/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Januar 2018 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschluss nach Aufrechnung.

Der im Juli 1970 geborene Beklagte beanspruchte vom Kläger mit dem am 11. August 2015 beim Sozialgericht Berlin eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Mit Bescheid vom 18. August 2015 bewilligte der Kläger dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II, worauf der Beklagte am 21. August 2015 Erledigung erklärte. Nachdem sich der Kläger am 31. August 2015 dem Grunde nach zur Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten bereiterklärt hatte, trat der Beklagte am 3. September 2015 seinen Kostenerstattungsanspruch gegen den Kläger aus diesem Verfahren an seinen Verfahrensbevollmächtigten und jetzigen Prozessbevollmächtigten zur Ausgleichung eines Betrages in Höhe von insgesamt 261,80 Euro aus der Gebührenrechnung vom 21. August 2015 ab, der diese Abtretung annahm.

Mit Bescheid vom 14. Dezember 2015 hob der Kläger gegenüber dem Beklagten seine Leistungsbewilligung wegen dessen Abmeldung aus dem Leistungsbezug ab 1. November 2015 auf und forderte vom Beklagten 99,87 Euro.

Mit Beschluss vom 22. April 2016 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Berlin zugunsten des Beklagten die ihm vom Kläger zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 261,80 Euro (Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. April 2016) fest.

Mit Schreiben vom 3. Mai 2016 zeigte der Verfahrensbevollmächtigte des Beklagten unter Vorlage der Abtretungserklärung vom 3. September 2015 die an ihn erfolgte Abtretung des Kostenerstattungsanspruches an.

Mit Schreiben vom 7. Juli 2016 erklärte der Kläger gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten bezugnehmend auf § 406 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Aufrechnung in Höhe von 99,87 Euro gegenüber der geltend gemachten Forderung von 261,80 Euro. Er teilte mit, dass sich daher als auszuzahlender Betrag aus dem Kostenerstattungsanspruch ein Betrag von 161,93 Euro ergebe.

Nach Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 22. April 2016 zeigte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 3. Februar 2017 die Absicht zur Zwangsvollstreckung an. Mit Beschluss vom 28. April 2017 bestimmte das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg (32 AR 1/17) den für die Vollstreckung zuständigen Gerichtsvollzieher.

Am 5. Mai 2017 hat der Kläger gegen den Beklagten Vollstreckungsabwehrklage erhoben.

Er hat gemeint, der Kostenerstattungsanspruch sei durch Auszahlung und im Übrigen durch Aufrechnung erfüllt und somit erloschen.

Der Kläger hat beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Berlin für unzulässig zu erklären.

Der Beklagte hat gemeint, der Erstattungsanspruch sei nicht entsprechend § 389 BGB dadurch erloschen, dass der Kläger mit Erstattungsforderungen in einer die Vergütungsforderung des Bevollmächtigten übersteigenden Höhe entsprechend § 387 BGB aufgerechnet habe. Die Aufrechnung habe nicht zum Erlöschen des Kostenerstattungsanspruches geführt, weil es an einer erforderlichen Aufrechnungslage fehle. Während es sich bei den Erstattungsforderungen des Klägers um Zahlungsansprüche handele, stelle sich der Anspruch des Klägers aus § 63 SGB X als Freistellungsanspruch dar, gegen den wegen fehlender Gleichartigkeit der Ansprüche eine Aufrechnung unzulässig sei. Auch die Unterscheidung zwischen einerseits materiell-rechtlichen Kostenerstattungsansprüchen und andererseits verfahrensrechtlichen Kostenerstattungsansprüchen führe nicht zur Wirksamkeit der Aufrechnung. Auf ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Freistellungsanspruch aus § 63 SGB X aus den fälligen Erstattungsforderungen könne sich nicht berufen werden.

Mit Beschluss vom 16. Juni 2017 hat das Sozialgericht die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. April 2016 einstweilen eingestellt.

Mit Urteil vom 23. Januar 2018 hat das Sozialgericht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. April 2016 zum Aktenzeichen S 173 AS 16394/15 ER für unzulässig erklärt. Es hat außerdem die Berufung zugelassen: Die Vollstreckungsabwehrklage sei zulässig. Sie sei nach § 198 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 767 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) statthaft. Zuständiges Gericht sei das Sozialgericht als Prozessgericht des ersten Rechtszuges. Ein Rechtsschutzbedürfnis sei vorhanden, denn der Beklagte habe die Zwangsvollstreckung betrieben. Die Vollstreckungsabwehrklage sei auch begründet. Es werde eine materiell-rechtliche Einwendung gegen den titulierten Anspruch geltend gemacht, die nicht nach § 767 Abs. 2 oder 3 ZPO präkludiert sei. Der Beklagte sei richtiger Beklagter, denn der Kostenfestsetzungsbeschluss laute auf ihn und in seinem Namen werde die Zwangsvollstreckung betrieben. Der Kläger könne sich auf das Erlöschen des in Höhe von 261,80 Euro titulierten Kostenerstattungsanspruchs berufen. Die Abtretung des Anspruchs bewirke zwar den Wegfall der Anspruchsinhaberschaft des Beklagten. Der Titelgläubiger bleibe aber aktiv legitimiert, wenn er materiell-rechtlich aufgrund einer Einziehungsermächtigung befugt sei, Leistungen an sich zu verlangen. Von einer solchen Sachlage sei vorliegend auszugehen, denn bei einer "stillen" Sicherungsabtretung, wie sie zwischen den Beteiligten vereinbart worden sei, sei der Zedent in der Regel ermächtigt, die Forderung im eigenen Namen einzuziehen. Durch die Zahlung des Klägers sei der Anspruch in Höhe von 161,93 Euro (nebst anteiliger Zinsen) durch Erfüllung und in Höhe von 99,87 Euro durch Aufrechnung erloschen. Die entsprechende Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 387 ff. BGB voraussetzend bewirke die Aufrechnung entsprechend § 389 BGB die wechselseitige Tilgung zweier Forderungen, soweit sie sich deckten, zu dem Zeitpunkt, als sie sich erstmals aufrechenbar gegenüberstanden. Der Kläger habe die Aufrechnung mit Schreiben vom 7. Juli 2016 erklärt. Entsprechend § 387 BGB setze eine wirksame Aufrechnung eine so genannte Aufrechnungslage voraus. Es müssten sich also gegenseitige, gleichartige Forderungen gegenüberstehen, wobei die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung fällig und durchsetzbar sein müsse, die Hauptforderung dagegen lediglich erfüllbar zu sein brauche. Eine Gegenseitigkeit der Forderung bestehe nach Abtretung des Kostenerstattungsanspruches zwar nicht mehr. Es lägen jedoch die Voraussetzungen des § 406 BGB vor. Es lägen ferner mit der Forderung aus dem Bescheid vom 14. Dezember 2015 und dem Kostenerstattungsanspruch gleichartige Forderungen vor. Sowohl die Erstattungsforderung des Klägers als auch der Kostenerstattungsanspruch des Beklagten seien auf die Zahlung von Geld gerichtet. Der Inhalt des Kostenerstattungsanspruchs, der mittels Kostenfestsetzungsbeschlusses vollstreckt werden solle, sei nicht von der Frage abhängig, ob die Vergütungsforderung des Rechtsanwalts erfüllt worden sei oder nicht. Dieser (prozessuale) Kostenerstattungsanspruch sei stets auf die Zahlung von Geld gerichtet. Dies ergebe sich schon daraus, dass es sich bei dem Kostenfestsetzungsbeschluss gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 4 SGG um einen vollstreckbaren Titel handele. Ein Ausschluss der Aufrechnung aus Gesetz, Vertrag oder Eigenart des Schuldverhältnisses bestehe nicht. § 51 Abs. 1 SGB I komme nicht in Betracht, da der Kostenerstattungsanspruch keine Sozialleistung sei. Ein Aufrechnungsverbot aus § 394 Satz 1 BGB i. V. m. § 851 Abs. 1 ZPO, der über den Wortlaut hinaus auch zweckgebundene Forderungen der Pfändung entziehe, bestehe nicht, da der prozessuale Kostenerstattungsanspruch keiner generellen Zweckbindung unterliege. Ein allgemeiner Rechtsgedanke, der auf andere Fälle anwaltlicher Tätigkeit übertragbar wäre, folge insbesondere nicht aus § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO bei Gewährung von Prozesskostenhilfe. Die Aufrechnung verstoße nicht deshalb gegen Treu und Glauben oder gegen das Prinzip der Rechtswahrnehmungsgleichheit, weil verschuldete Leistungsempfänger Schwierigkeiten bekommen könnten, einen Rechtsanwalt zu finden. Dies sicherzustellen, sei Aufgabe der Prozesskostenhilfe. Der Beklagte habe seinen Prozesskostenhilfeantrag zurückgenommen. Bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe hätte der Kläger gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten die Aufrechnung wegen § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht geltend machen können. Mit der Möglichkeit der Prozesskostenhilfe sei dem Gebot der Rechtswahrnehmungsgleichheit genügt; eines Aufrechnungsverbotes bedürfe es nicht.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 3. Februar 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 2. März 2018 eingelegte Berufung des Beklagten.

Er ist der Ansicht, dass es sich um gegenseitige, nicht aber um gleichartige Forderungen handele. Während es sich bei Erstattungsforderungen des Klägers um Zahlungsansprüche handele, stelle sich der Anspruch des Beklagten aus § 63 SGB X als Freistellungsanspruch dar.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Januar 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte des Klägers (), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. April 2016 für unzulässig erklärt.

Die Vollstreckungsabwehrklage ist zulässig.

Ihre Statthaftigkeit ergibt sich aus § 198 Abs. 1 SGG i. V. m. § 767 Abs. 1 ZPO.

§ 198 Abs. 1 SGG bestimmt: Für die Vollstreckung gilt das Achte Buch der ZPO entsprechend, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt.

Dies trifft auf die Vollstreckungsabwehrklage zu. Das SGG enthält keine eigenständigen Vorschriften für die Vollstreckungsabwehrklage. Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens, die gegen eine Anwendung des § 767 Abs. 1 ZPO sprechen könnten, liegen nicht vor; es besteht im Gegenteil auch in diesem Verfahren ein Bedürfnis nach entsprechendem Rechtsschutz für den in § 767 Abs. 1 ZPO normierten Sachverhalt.

§ 767 Abs. 1 ZPO bestimmt: Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen. Diese Vorschrift findet nach § 795 Satz 1 ZPO auch für die in § 794 ZPO erwähnten Schuldtiteln, insbesondere auf Kostenfestsetzungsbeschlüsse (§ 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), mithin auf die in § 199 Abs. 1 Nr. 4 SGG ebenfalls benannten vollstreckbaren Kostenfestsetzungsbeschlüssen Anwendung.

Als zuständiges Gericht bestimmt § 767 Abs. 1 ZPO das Prozessgericht des ersten Rechtszuges (und nicht das Vollstreckungsgericht), also mithin das erstinstanzliche Gericht des jeweiligen Rechtsweges, in dem der Vollstreckungstitel geschaffen wurde, auch wenn das titelschaffende Gericht unter Verstoß gegen Zuständigkeitsvorschriften entschieden hatte ( Herget in Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 767, Rdnr. 10; Schmidt/Brinkmann in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 767, Rdnr. 47), vorliegend also das Sozialgericht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 12. Auflage 2017, § 198 Rdnr. 5a).

Die sonstigen allgemeinen Prozess-(Sachurteils-)Voraussetzungen (Herget in Zöller, Zivilprozessordnung, a. a. O., § 767, Rdnr. 8; Schmidt/Brinkmann in Münchener Kommentar zur ZPO, a. a. O., § 767 Rdnr. 43), insbesondere ein Rechtsschutzbedürfnis, liegen vor. Das Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, sobald ein Vollstreckungstitel auch ohne Klausel vorliegt und eine Zwangsvollstreckung ernstlich droht bis zur endgültigen Befriedigung des Gläubigers, die zum Titelverbrauch führt. Insbesondere braucht die Vollstreckung noch nicht begonnen zu haben (Herget in Zöller, Zivilprozessordnung, a. a. O., § 767, Rdnr. 8; Schmidt/Brinkmann in Münchener Kommentar zur ZPO, a. a. O., § 767 Rdnr. 43).

Angesichts der vom Beklagten ergriffenen Maßnahmen (Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 22. April 2016 und Bestimmung des zuständigen Gerichtsvollziehers durch Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg) droht eine Zwangsvollstreckung ernstlich; sie ist auch noch nicht beendet, denn der Beschluss des Sozialgerichts vom 16. Juni 2017 hindert eine Zwangsvollstreckung lediglich einstweilen.

Die Vollstreckungsabwehrklage ist auch begründet.

Die Vollstreckungsabwehrklage richtet sich nicht gegen den titulierten Anspruch selbst, sondern lediglich gegen die Vollstreckbarkeit des Titels (Herget in Zöller, Zivilprozessordnung, a. a. O., § 767, Rdnr. 5; Schmidt/Brinkmann in Münchener Kommentar zur ZPO, a. a. O., § 767 Rdnr. 2). Sie gleicht die Formalisierung der Zwangsvollstreckung aus. Die Vollstreckung als Staatsakt ist durch den Titel gerechtfertigt, die Vollstreckung als Akt der Gläubigerbefriedigung dagegen nur durch den vollstreckbaren Anspruch. Soweit nicht Einwendungen gegen den Anspruch durch die materielle Rechtskraft abgeschnitten sind, muss der Schuldner in den Stand versetzt werden, diese Einwendungen gegenüber dem Gläubiger zur Geltung zu bringen (Schmidt/Brinkmann in Münchener Kommentar zur ZPO, a. a. O., § 767 Rdnr. 1).

Der Kläger als Vollstreckungs- und Titelschuldner hat die Vollstreckungsabwehrklage zutreffend gegen den Beklagten gerichtet, denn der Beklagte ist der Vollstreckungs- und Titelgläubiger.

Richtiger Beklagter bei der Vollstreckungsabwehrklage ist der Vollstreckungsgläubiger. Das ist grundsätzlich der im Titel oder in der Vollstreckungsklausel als Gläubiger Benannte. Der richtige Beklagte bestimmt sich somit nicht nach der wirklichen materiellen Berechtigung. Ist die titulierte Forderung auf einen Dritten übertragen, bleibt bei Einzelrechtsnachfolge der Titelgläubiger richtiger Beklagter, solange der Titel nicht umgeschrieben ist und er noch die Vollstreckung betreibt. Nach Titelumschreibung ist der neue Titelgläubiger der richtige Beklagte. Fehlt noch die Titelumschreibung, so kann die Klage ausnahmsweise (auch) gegen den Rechtsnachfolger erhoben werden, wenn von ihm die Vollstreckung droht, was voraussetzt, dass jedenfalls die Voraussetzungen der Titelumschreibung vorliegen (Brinkmann/Schmidt, Münchener Kommentar zur ZPO, a.a.O., § 767, Rdnr. 45; Herget in Zöller, Zivilprozessordnung, a. a. O., § 767, Rdnr. 11; BGH, Urteil vom 9. Dezember 1992 – VIII ZR 218/91, Rdnrn. 17, 18, zitiert nach juris, m.w.N., abgedruckt in BGHZ 120, 387 = NJW 1993, 1396).

Nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. April 2016 ist der Beklagte der in diesem Titel bezeichnete Gläubiger.

Der Verfahrensbevollmächtigte des Beklagten hat zwar mit Schriftsatz vom 29. Juli 2016 beantragt, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. Juli 2016 auf ihn im Wege der Titelumschreibung umzuschreiben. Der Gerichtsakte ist allerdings nicht zu entnehmen, dass dies geschehen wäre.

Der Kläger macht mit der erklärten Aufrechnung eine Einwendung, die den durch den Kostenfestsetzungsbeschluss festgestellten Anspruch selbst betrifft, also eine materiell-rechtliche Einwendung, nämlich das Erlöschen dieses Anspruches geltend, die auch vorliegt und die die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung zur Folge hat.

Einwendungen, die den festgestellten Anspruch selbst betreffen, können immer nur materiell-rechtliche Einwendungen sein. In Betracht kommen rechtshemmende und rechtsvernichtende Einwendungen. Hauptbeispiel für eine rechtsvernichtende Einwendung gegen den titulierten Anspruch ist die Erfüllung. Als Erfüllungssurrogate fallen unter § 767 Abs. 1 ZPO insbesondere die Leistung an Erfüllungsstatt, vorbehaltlich des § 767 Abs. 2 ZPO auch die Aufrechnung nach § 389 BGB. Auch der Verlust der Sachbefugnis des Gläubigers ist eine Einwendung, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch betrifft. In Betracht kommt u. a. die Abtretung der Forderung (Schmidt/Brinkmann in Münchener Kommentar zur ZPO, a. a. O., § 767 Rdnrn. 58, 60, 66; Herget in Zöller, Zivilprozessordnung, a. a. O., § 767, Rdnr. 12.9, 12.4). In letztgenanntem Fall wird zwar kein Erlöschen oder keine Hemmung des titulierten Anspruchs geltend gemacht, wohl aber, dass eine Vollstreckung zugunsten des Titelgläubigers unzulässig ist (Schmidt/Brinkmann in Münchener Kommentar zur ZPO, a. a. O., § 767 Rdnr. 66).

Die Aufrechnung findet ihre Rechtsgrundlage in der entsprechenden Anwendung der §§ 387 ff. BGB.

Das Sozialgesetzbuch (SGB) enthält keine allgemeine Regelung der Aufrechnung, denn § 51 SGB I betrifft nur Möglichkeiten der Aufrechnung eines Leistungsträgers gegen Ansprüche auf Geldleistungen i. S. von §§ 11, 18 - 29 SGB I (BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 – B 3 KR 21/03 R, Rdnr. 14, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr. 2). Gleichwohl besteht grundsätzlich die Möglichkeit, einer öffentlich-rechtlichen Forderung im Wege der Aufrechnung, auf die §§ 387 ff BGB entsprechend anzuwenden sind, entgegenzutreten (BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 – B 3 KR 21/03 R, Rdnr. 14). Im Sozialversicherungsrecht werden lediglich die Beschränkungen eines allgemeinen Aufrechnungsrechts geregelt, das - wie im sonstigen öffentlichen Recht - durch das Vorliegen der zivilrechtlichen Grundvoraussetzungen eröffnet wird; es handelt sich nicht um Sondervorschriften, die das Zivilrecht verdrängen. Greifen die sozialrechtlichen Beschränkungen nicht ein, bleibt die Aufrechnung an die zivilrechtlichen Voraussetzungen geknüpft; einer anderweitigen Rechtsgrundlage bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994 – 12 RK 69/93, Rdnr. 16, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 75, 283 = SozR 3-2400 § 28 Nr. 2; BSG, Urteil vom 12. Juli 1990 – 4 RA 47/88, Rdnr. 48, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 67, 143 = SozR 3-1200 § 52 Nr. 1). Es handelt sich bei der Aufrechnung um ein Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts (BSG, Urteil vom 09. Juni 1988 – 4 RA 9/88 Rdnr. 25, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 63, 224 = SozR 1300 § 48 Nr. 47, das deshalb auch dem Versicherten gegenüber dem Leistungsträger zusteht).

§ 387 BGB bestimmt: Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.

Nach § 406 BGB gilt: Der Schuldner kann eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Die fehlende Gegenseitigkeit der Forderungen steht nicht entgegen. Es mangelt nicht an der Gleichartigkeit der Forderungen.

Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, besteht eine Gegenseitigkeit der Forderungen nach der Abtretung des Kostenerstattungsanspruches nicht mehr. Es bedarf einer solchen Gegenseitigkeit aber nicht, denn die Voraussetzungen des § 406 BGB liegen vor.

§ 406 BGB betrifft allein die Aufrechnung des Schuldners gegenüber dem Zessionar, also dem neuen Gläubiger, die nach Abtretung erklärt wird; die Vorschrift stellt eine Sonderregelung gegenüber § 404 BGB, wonach der Schuldner dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen kann, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren, hinsichtlich der Einwendung der Aufrechnung dar. § 406 BGB liegt ebenso wie § 404 BGB der Gedanke zugrunde, dass der Schuldner durch die Abtretung nicht benachteiligt werden, er also gegenüber dem neuen Gläubiger nicht ungünstiger gestellt werden soll, als er gegenüber dem alten Gläubiger stand. Hatte der Schuldner vor der Abtretung wirksam die Aufrechnung erklärt, so war die abgetretene Forderung bereits vor der Abtretung (§ 398 BGB) erloschen, so dass sich der Schuldner hierauf schon nach § 404 BGB gegenüber dem neuen Gläubiger berufen kann. War die Aufrechnungslage bereits vor der Abtretung gegeben, so kann der Schuldner ohne weiteres durch Erklärung gegenüber dem Zessionar aufrechnen, ungeachtet der infolge der Abtretung fehlenden Gegenseitigkeit der Forderungen. Die Rechte des Schuldners werden durch § 406 BGB zusätzlich dahin erweitert, dass er sich bei Gutgläubigkeit auch auf solche Umstände berufen darf, die später als im Zeitpunkt der Abtretung eingetreten sind und die ihm ohne die Abtretung das Recht zur Aufrechnung gegenüber dem früheren Gläubiger gegeben hätten. Ein solcher Schuldner wird in seinem Aufrechnungsrecht geschützt, wenn er bei Erwerb der Gegenforderung damit rechnen konnte, sich durch Aufrechnung hiermit von der inzwischen ohne sein Wissen abgetretenen Forderung befreien zu können (BGH, Urteil vom 26. Juni 2002 – VIII ZR 327/00, Rdnr. 17, zitiert nach juris, abgedruckt in NJW 2002, 2865).

Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, kann der Kläger als Vollstreckungs- und Titelschuldner die ihm gegen den Beklagten als bisherigen Gläubiger zustehende Forderung von 99,87 Euro aus dem Bescheid vom 14. Dezember 2015 dem Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten gegenüber aufrechnen, denn die Ausschlussgründe des § 406 zweiter Halbsatz BGB liegen nicht vor.

Bei Erwerb der Forderung von 99,87 Euro aufgrund des Bescheides vom 14. Dezember 2015 hatte der Kläger keine Kenntnis von der am 3. September 2015 erfolgten Abtretung, da er diese erst durch die Anzeige des Verfahrensbevollmächtigten am 3. Mai 2016 erlangte. Diese Forderung war auch nicht erst zu letztgenanntem Zeitpunkt der Kenntnis, sondern bereits mit Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 14. Dezember 2015 fällig. War diese Forderung somit vor dem Zeitpunkt der Kenntnis (nicht nur begründet, sondern auch) schon fällig, hat die Fälligkeitsregelung keine eigenständige Bedeutung. Insbesondere schadet es nach der ausdrücklichen Anordnung des § 406 BGB nicht, wenn die Gegenforderung erst nach der abgetretenen Forderung fällig wurde, aber der Schuldner bis dahin von der Abtretung nichts wusste (Roth/Kieninger, Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 406 Rdnr. 10).

Der Zweck des § 406 BGB verlangt allerdings Gleichartigkeit zur Zeit des nach § 406 BGB maßgebenden Zeitpunkts der Aufrechnungserklärung.

Nach der Grundregel des § 387 BGB ist es erforderlich und genügend, wenn die Gleichartigkeit im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vorliegt. § 406 BGB enthält über die Gleichartigkeit keine Vorschrift; er verlangt insbesondere nicht, dass die Forderungen schon zur Zeit der Abtretung gleichartig gewesen sind. Der Grundgedanke des § 406 BGB, eine Schlechterstellung des Schuldners durch die Abtretung zu verhindern, nötigt mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift nicht dazu, ihn eines Vorteils zu berauben, den er unter bestimmten Voraussetzungen durch die Abtretung erlangen kann. Auch die Rücksichtnahme auf den Gläubiger rechtfertigt keine abweichende Beurteilung, denn dem Gläubiger steht es frei, von der Abtretung Abstand zu nehmen (BGH, Urteil vom 22. Januar 1954 – I ZR 34/53, Rdnr. 19, zitiert nach juris, abgedruckt in BGHZ 12, 136).

Gleichartigkeit liegt insbesondere bei Geldforderungen vor. Sowohl die Forderung des Klägers in Höhe von 99,87 Euro aus dem Bescheid vom 14. Dezember 2015 als auch die Forderung in Höhe von 261,80 Euro des Beklagten bzw. seines Verfahrensbevollmächtigten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. April 2016 sind Geldforderungen, die zum Zeitpunkt der erklärten Aufrechnung mit Schreiben des Klägers vom 7. Juli 2016 bestanden haben.

Das Vorbringen des Beklagten zur fehlenden Gleichartigkeit geht am Sachverhalt vorbei. Es ist zwar höchstrichterlich geklärt, dass es an der Voraussetzung einer gleichartigen Forderung nach § 387 BGB fehlt, wenn eine Geldforderung einem Freistellungsanspruch (Anspruch auf Befreiung von einer Verbindlichkeit) gegenübersteht (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 – X ZR 135/08, Rdnr. 3, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 22. März 2011 – II ZR 100/09, Rdnr. 16, zitiert nach juris), weil ein Freistellungsanspruch auf ein Tun schlechthin, also auf eine ersetzbare Handlung, gerichtet ist, der nach § 887 ZPO zu vollstrecken ist und es sich damit nicht um einen Anspruch auf Zahlung einer Geldleistung, deren Vollstreckung nach §§ 803 bis 882a ZPO zu erfolgen hat, handelt (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Oktober 2016 – L 31 AS 1774/16, Rdnr. 31, zitiert nach juris unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 28. Juni 1983 – VI ZR 285/81, Rdnr. 9, zitiert nach juris, abgedruckt in NJW 1983, 2438). Es ist ebenfalls höchstrichterlich geklärt, dass der Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X, solange der Erstattungsgläubiger den Vergütungsanspruch seines Rechtsanwalts noch nicht beglichen hat, einen Freistellungsanspruch darstellt (BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 – B 14 AS 60/13 R, Rdnr. 14, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-1300 § 63 Nr. 22). Es geht vorliegend jedoch nicht um einen Freistellungsanspruch nach § 63 SGB X. Außerdem besteht die Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. April 2016 unabhängig davon, ob der Beklagte die Vergütungsforderung seines Verfahrensbevollmächtigten erfüllt hat oder nicht.

Die Aufrechnung erfolgt nach § 406 BGB durch Erklärung gegenüber dem neuen Gläubiger.

Der Kläger erklärte die Aufrechnung mit seiner Forderung in Höhe von 99,87 Euro mit Schreiben vom 7. Juli 2016 gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten als dem neuen Gläubiger und nicht gegenüber dem Beklagten.

Das Schreiben vom 7. Juli 2016 ist an den Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten gerichtet, ohne dass hierbei auf dessen Bevollmächtigung für den Beklagten abgehoben wird. Der Kläger bezieht sich zudem auf die erfolgte Abtretung sowie auf § 406 BGB. Angesichts dessen ist nicht zweifelhaft, dass die vom Kläger erklärte Aufrechnung gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten als dem neuen Gläubiger erfolgte.

Ist die Aufrechnung somit wirksam, hat sie im erklärten Umfang zum Erlöschen des durch den Kostenfestsetzungsbeschluss festgestellten Anspruchs geführt. § 389 BGB ordnet an: Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

Eine Begrenzung oder ein Ausschluss der Aufrechnung ergibt sich auch nicht aus anderen Gründen, wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat.

Eine Begrenzung folgt nicht aus § 51 Abs. 1 SGB I.

§ 51 Abs. 1 SGB I bestimmt: Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind.

§ 11 Satz 1 SGB I, wonach Gegenstand der sozialen Rechte die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen (Sozialleistungen) sind, definiert die Geldleistungen als Sozialleistungen (vgl. auch BSG, Urteil vom 07. Februar 2007 – B 6 KA 6/06 R, Rdnr. 16, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 31; BSG, Urteil vom 20. Dezember 1983 – 6 RKa 19/82, Rdnr. 10, zitiert nach juris, abgedruckt in BSGE 56, 116 = SozR 1200 § 44 Nr. 10).

Der (prozessuale) Kostenerstattungsanspruch ist keine Sozialleistung.

Ein Aufrechnungsverbot ergibt sich nicht aus § 394 Satz 1 BGB i. V. m. § 851 Abs. 1 ZPO.

§ 394 Satz 1 BGB regelt: Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt. Nach § 851 Abs. 1 ZPO ist eine Forderung in Ermangelung besonderer Vorschriften der Pfändung nur insoweit unterworfen, als sie übertragbar ist.

Der (prozessuale) Kostenerstattungsanspruch unterliegt keiner Zweckbindung dahingehend, dass er nur zur Befriedigung des Verfahrensbevollmächtigten dient. Ein allgemeiner Rechtsgedanke lässt sich weder aus § 43 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) noch aus § 126 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 ZPO herleiten.

§ 43 RVG bestimmt: Tritt der Beschuldigte oder der Betroffene den Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung von Anwaltskosten als notwendige Auslagen an den Rechtsanwalt ab, ist eine von der Staatskasse gegenüber dem Beschuldigten oder dem Betroffenen erklärte Aufrechnung insoweit unwirksam, als sie den Anspruch des Rechtsanwalts vereiteln oder beeinträchtigen würde. Dies gilt jedoch nur, wenn zum Zeitpunkt der Aufrechnung eine Urkunde über die Abtretung oder eine Anzeige des Beschuldigten oder des Betroffenen über die Abtretung in den Akten vorliegt.

Nach § 126 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 ZPO gilt: Die für die Partei bestellten Rechtsanwälte sind berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beizutreiben. Eine Einrede aus der Person der Partei ist nicht zulässig.

Die Aufrechnung gegen einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch unterliegt als solche, abgesehen vom Einzelfall, in dem einer Aufrechnung der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden könnte, allein den Einschränkungen, die das Gesetz hierfür ausdrücklich vorsieht. Es kann dahinstehen, ob diese Sonderregelungen nur deshalb getroffen worden sind, um dem betreffenden Prozessbevollmächtigten den Honoraranspruch für seine Tätigkeit zu garantieren. Ein allgemeiner Rechtsgedanke, der auf andere Fälle anwaltlicher Tätigkeit übertragbar wäre, dahingehend, dem Honoraranspruch des Anwalts eine bevorrechtigte Stellung einzuräumen, kann aus diesen punktuellen Regelungen jedenfalls nicht abgeleitet werden. Die Sonderregelungen für den Strafprozess und bei Gewährung von Prozesskostenhilfe zeigen im Gegenteil, dass der Gesetzgeber das Problem gesehen, es aber nicht für erforderlich gehalten hat, den Kostenerstattungsanspruch in allen Bereichen für den Prozessbevollmächtigten der siegreichen Partei zu sichern. An diese Wertung des Gesetzgebers, also keine besondere Stellung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs in anderen Verfahren, ist der Richter gebunden. Eine Korrektur dieser Rechtslage über Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) kommt nicht in Betracht. Ein Bedürfnis hierfür ist nicht nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen evident und unabweisbar, so dass eine Lücke, die im Wege der Rechts- oder Gesetzesanalogie zu schließen wäre, nicht besteht. Der Zugang des bedürftigen Beteiligten ist durch das Institut der Prozesskostenhilfe gesichert. Das Honorar des ihm beigeordneten Rechtsanwalts ist über § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO garantiert. Bei einem nicht bedürftigen Beteiligten steht es dem Prozessbevollmächtigten frei, bei Annahme des Mandats einen angemessenen Vorschuss zu fordern (§ 9 RVG) und damit das Risiko eines späteren Ausfalls seiner Honorarforderung in Grenzen zu halten. Die Auffassung, qualifizierte Berater würden wegen der Gefahr eines möglichen Honorarausfalls Mandate nicht übernehmen, obschon ein Erfolg der Klage zum überwiegenden Teil zu erwarten sei, ist durch nichts belegt (Bundesfinanzhof - BFH, Beschluss vom 30. Juli 1996 – VII B 7/96, Rdnrn. 14, 16, 18, zitiert nach juris).

Schließlich macht der Kläger als Einwendung nach § 767 Abs. 1 ZPO zu Recht nicht einen Verlust der Sachbefugnis des Beklagten geltend, auch wenn der Kostenerstattungsanspruch bereits am 3. September 2015 vom Beklagten an seinen Verfahrensbevollmächtigten abgetreten wurde. Mit dieser Einwendung könnte er die Erklärung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung nicht erreichen.

Obwohl der Kostenerstattungsanspruch bereits am 3. September 2015 vom Beklagten an seinen Verfahrensbevollmächtigten abgetreten wurde, wäre der Kläger mit dieser Einwendung nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert.

Nach dieser Vorschrift sind Einwendungen nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.

Diese (Präklusions)Vorschrift ist bei Ansprüchen aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen nicht anwendbar. Dabei ist ohne Bedeutung, ob die Aufrechnung vor oder nach Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses erklärt worden bzw. ob die geltend gemachte Aufrechnungslage vorher oder nachher entstanden ist. Die Präklusion des § 767 Abs. 2 ZPO greift nicht - auch nicht analog - ein, wenn sich die Vollstreckungsgegenklage gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss richtet, weil im Kostenfestsetzungsverfahren keine Gelegenheit besteht, solche Einwendungen geltend zu machen (BGH, Urteil vom 22. Juni 1994 – XII ZR 39/93, Rdnr. 6, zitiert nach juris), denn materielle Einwendungen insbesondere zur Aufrechnung gestellte Gegenforderungen sind im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu entscheiden (BGH, Urteil vom 15. November 1951 - IV ZR 72/51, Rdnr. 16, zitiert nach juris, abgedruckt in BGHZ 3, 381 = NJW 1952, 144; Schmidt/Brinkmann, Münchener Kommentar zur ZPO, a.a.O., § 767 Rdnr. 75; Herget in Zöller, Zivilprozessordnung, a. a. O., § 767, Rdnr. 20; BGH, Urteil vom 5. Januar 1995 – IX ZR 241/93, Rdnr. 7, zitiert nach juris; BGH, Beschluss vom 14. Mai 2014 – XII ZB 548/11, Rdnr. 7).

Es besteht kein Grund, vorliegend eine Ausnahme zuzulassen (zu den aus verfahrensökonomischen Gründen angezeigten Ausnahmen, wenn es um materiell-rechtliche Einwände geht, die keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit dem im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne weiteres klären lassen: siehe BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2009 – XII ZB 79/06, Rdnrn. 10 und 12: unstreitig gezahlter Prozesskostenvorschuss; BGH, Beschluss vom 23. März 2006 – V ZB 189/05, Rdnr. 4, zitiert nach juris: bei unstreitigen Tatsachen zur Verjährung; differenzierend BGH, Beschluss vom 22. November 2006 – IV ZB 18/06, Rdnrn. 9 und 11: Entstehen zur Erstattung angemeldeter Rechtsanwaltskosten).

Durch die Abtretung hat sich nichts daran geändert, dass der Beklagte materiell berechtigt ist, die Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss zu verlangen. Der Titelgläubiger bleibt trotz Abtretung des titulierten Anspruchs und des damit verbundenen Verlustes der Inhaberschaft aktivlegitimiert, die Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen, wenn er materiell-rechtlich aufgrund einer Einziehungsermächtigung befugt ist, Leistung an sich zu verlangen. Bei einer "stillen" Sicherungsabtretung ist der alte Gläubiger (Zedent) in der Regel ermächtigt, die Forderung im eigenen Namen einzuziehen (BGH, Urteil vom 09. Dezember 1992 – VIII ZR 218/91, Rdnr. 30, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 19. Oktober 2000 – IX ZR 255/99, Rdnr. 5, zitiert nach juris, abgedruckt in BGHZ 145, 352; vgl. für den Fall, dass eine Einziehungsermächtigung bestritten ist und auch über die Person des Gläubigers Unsicherheit herrscht: BGH, Urteil vom 19. Oktober 2000 – IX ZR 255/99, Rdnr. 15, zitiert nach juris).

Von einer solchen "stillen" Sicherungsabtretung mit Einziehungsermächtigung ist vorliegend auszugehen, denn noch im Zeitpunkt des Erlasses des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 22. April 2016 war die Abtretung nicht offengelegt. Eine abweichende Abrede hinsichtlich einer Einziehungsermächtigung ist damit nicht ersichtlich und erst recht nicht vorgetragen.

Die Berufung muss mithin erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits. Diese Vorschrift ist maßgebend, denn § 183 Satz 1 SGG ist anzuwenden. Nach § 183 Satz 1 SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit u. a. für Leistungsempfänger kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Es werden sämtliche Ansprüche erfasst, die sich aus diesem Verhältnis ergeben können. Dies betrifft auch alle nachfolgenden Verfahren als Annexverfahren, wenn das zugrundeliegende gerichtliche Verfahren von § 183 SGG erfasst wird (vgl. auch Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 4. September 2019 – L 3 AL 201/16 B, Rdnr. 32, zitiert nach juris). Das zugrundeliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes des Beklagten, aus dem der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. April 2016 herrührt, wurde vom Beklagten als Leistungsempfänger betrieben.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen. Insbesondere hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung. Aufgrund der oben genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass und unter welchen Voraussetzungen gegenüber Kostenerstattungsansprüchen aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen wirksam aufgerechnet werden kann.
Rechtskraft
Aus
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