L 3 AS 330/17

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 9 AS 1785/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 330/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. § 6 UnbilligkeitsV ist auf Fälle, in denen der Widerspruchsbescheid bis zum 31. Dezember 2016 ergangen ist, nicht anwendbar.
2. Für eine Rückwirkung von § 6 UnbilligkeitsV auf Zeiten vor dessen Inkrafttreten fehlt es an einer Sonderregelung.
3. Grundsätzlich bedarf es, wenn ein Jobcenter einen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten aufgefordert hat, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen, das Jobcenter diesen Antrag nach erfolglosen Fristablauf ersatzweise für den Leistungsberechtigten gestellt hat und der Aufforderungsbescheid angefochten ist, keines weiteren, auf die Verpflichtung des Jobcenters zur Rücknahme des ersatzweise gestellten Antrages gerichteten Rechtsschutzverfahrens. Denn wenn auf eine Anfechtungsklage des Leistungsberechtigten hin der Aufforderungsbescheid des Jobcenters aufgehoben wird, ist eine der Voraussetzungen für die Befugnis des Jobcenters, ersatzweise einen solchen Antrag stellen zu dürfen, entfallen. In einem solchen Fall ist das Jobcenter auf Grund seiner Bindung an Gesetz und Recht verpflichtet, von selbst und nicht erst auf gerichtliche Anordnung hin den Rentenantrag zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn gerügt wird, die Rentenantragstellung sei aus formellen Gründen unwirksam, weil dieser Einwand nicht Prüfungsgegenstand der die behauptete Rechtswidrigkeit des Aufforderungsbescheides betreffenden Anfechtungsklage ist.
4. Mit der Befugnis nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II, Anträge auf andere Sozialleistungen stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen zu können, verschafft der Gesetzgeber dem Jobcenter die Stellung eines Prozessstandschafters.
5. Der von einem Jobcenter für einen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ersatzweise gestellte Antrag auf eine andere, vorrangige Sozialleistung ist kein Verwaltungsakt.
6. Es ist einem Leistungsberechtigten verwehrt, den von einem Jobcenter für ihn gestellten Antrag auf vorzeitige Alltersrente eigenmächtig zurückzunehmen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 20. September 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 20. September 2016, mit welchem ihre Klage, gerichtet gegen die Aufforderung des Beklagten, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, und dem hilfsweise Begehren festzustellen, dass die ersatzweise Beantragung der vorzeitigen Altersrente durch den Beklagten rechtswidrig war, abgewiesen wurde.

Die 1951 geborene, alleinstehende Klägerin war erwerbslos und bezog seit längerem vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Mit Bescheid vom 20. März 2014 bewilligte ihr der Beklagte für die Zeit vom 1. April 2014 bis zum 30. September 2014 Leistungen in Höhe von 695,60 EUR (= 391,00 EUR [Regelbedarf] + 304,60 EUR [Kosten für Unterkunft und Heizung]).

Am 13. Juni 2014 erhielt der Beklagte vom Rentenversicherungsträger unter Verweis auf die Rentenauskunft vom 4. Juni 2014 die Mitteilung, dass die Klägerin am 14. Dezember 2016 die Regelaltersgrenze erreiche. Die Regelaltersrente belaufe sich auf 785,68 EUR, von der die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 64,43 EUR und 16,11 EUR in Abzug zu bringen seien. Ab dem 1. August 2014 könne sie abschlagsfrei eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen und ab dem 1. August 2016 abschlagsfrei sowohl eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit als auch eine Altersrente für Frauen beziehen. Frühester Rentenbeginn mit einem Rentenabschlag sei der 1. August 2011. Die Inanspruchnahme dieser vorzeitigen Altersrente zu dem genannten Zeitpunkt würde zu einer Minderung der Rente um 18,0 % führen.

Mit Bescheid vom 26. Juni 2014 forderte der Beklagte die Klägerin auf, bis spätestens zum 31. Juli 2014 einen Antrag auf Altersrente zu stellen. Nach den ihm vorliegenden Unterlagen habe sie Anspruch auf eine geminderte Altersrente.

Hiergegen legte die Klägerin am 16. Juli 2014 Widerspruch ein und rügte, dass der Beklagte keine Ermessenentscheidung getroffen und ihren Einzelfall nicht ausreichend gründlich angesehen und abgewogen habe. Aufgrund der Abschläge sei ihre Altersrente mit 63 Jahren, die sich auf einen Betrag von etwa 650,00 EUR belaufen würde, nicht existenzsichernd und hätte zur Folge, dass sie bis zu ihrem Lebensende Sozialhilfe beziehen müsse. Dies wäre bei Bezug einer ungekürzten Rente ab dem 1. August 2016 nicht der Fall.

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2014 zurück. Die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente sei auch nach den Voraussetzungen von §§ 2 bis 5 der Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente (Unbilligkeitsverordnung – UnbilligkeitsV) nicht unbillig. Eine behördliche Abwägungspflicht in Bezug auf die Auswirkungen des vorgezogenen Wechsels in das mögliche System des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) bestehe nicht, da hierfür individuell Ermittlungen und Überlegungen anzustellen wären. Im Übrigen stelle dies nach der gesetzgeberischen Konzeption der subsidiären Grundsicherung nach dem SGB II bereits keine unbillige Folge, sondern die vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehene generelle und ausnahmslose Konsequenz der Altersberentung dar.

Auf den von der Klägerin am 4. September 2014 gestellten Weiterbewilligungsantrag hin bewilligte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 16. Oktober 2014 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis zum 1. März 2015.

Mit dem an den Rentenversicherungsträger adressierten Schreiben vom 16. Oktober 2014 machte er einen Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) geltend. Außerdem ist in dem Schreiben in Fettdruck der Halbsatz enthalten, "dass dieses Schreiben gleichzeitig als Antragstellung nach § 5 Abs. 3 SGB II gilt." Hiervon setzte er die Klägerin mit Schreiben vom selben Tag in Kenntnis.

Den von der Klägerin gegen das Schreiben vom 16. Oktober 2014 erhobenen Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2015 als unzulässig, da es sich bei diesem Schreiben nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe.

Die Klägerin hat am 6. Oktober 2014 Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 26. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2014 erhoben (Az. S 9 AS 3826/14) sowie am 28. Januar 2015 gegen das Schreiben vom 16. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2015 in Bezug auf die Mitteilung über die Antragstellung nach § 5 Abs. 3 SGB II (Az. S 9 AS 310/15).

Im Verfahren Az. S 9 AS 3826/14 ist mit Beschluss vom 21. Mai 2015 die Deutsche Rentenversicherung Bund zum Verfahren beigeladen worden.

Ausweilich der Rentenauskunft vom 7. Januar 2015 würde sich die Altersrente bei vorzeitigem Renteneintritt zum 1. August 2014 auf 755,01 EUR (brutto), bei vorzeitigem Renteneintritt zum 1. August 2015 auf 780,60 EUR (brutto) und bei Renteneintritt zum 1. August 2016 dann ohne Abschläge auf 807,34 EUR (brutto) belaufen.

Mit Beschluss vom 13. August 2015 sind beide Verfahren bis zur Entscheidung des Bundessozialgerichts im Verfahren Az. B 14 AS 1/15 R ruhend gestellt worden; am 2. Juni 2016 sind sie unter den Az. S 9 AS 1785/16 sowie S 9 AS 1786/16 fortgeführt worden. Mit Beschluss vom 20. September 2016 sind beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

Das Sozialgericht hat die Klagen mit Urteil vom 20. September 2016 abgewiesen. Die Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, sei gemäß § 12a SGB II i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II rechtmäßig und die Klage gegen die Rentenantragstellung unzulässig. Die Voraussetzungen zur Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, seien im Fall der Klägerin gegeben. Ein Verstoß gegen die Regelungen der Unbilligkeitsverordnung läge nicht vor. Der Beklagte habe sein Ermessen hinsichtlich einer Aufforderung der Klägerin, vorzeitig eine Altersrente zu beantragen, erkannt und ermessensfehlerfrei ausgeübt. Eine atypische Fallkonstellation sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine solche ergebe sich auch nicht aus den von der Klägerin aufgeführten Erkrankungen. Es sei nicht ersichtlich, dass die vorzeitige Altersrente für sie einen außergewöhnlichen Nachteil darstelle. Zugleich hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Beklagte, nachdem er zu Recht die Klägerin zur Rentenantragstellung aufgefordert habe, auch einen entsprechenden Rentenantrag beim Rentenversicherungsträger habe stellen dürfen.

Die nunmehr anwaltlich vertretene Klägerin hat gegen das ihr am 21. Februar 2017 zugestellte Urteil am 21. März 2017 Berufung eingelegt. Sie verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie teilt mit, dass sie seit dem 1. August 2016 bestandskräftig eine ungeminderte Altersrente für Frauen in Höhe von monatlich 885,70 EUR (brutto) oder 797,58 EUR (netto) beziehe. Sie ist der Auffassung, dass angesichts der noch offenen Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über den Antrag des Beklagten auf geminderte Altersrente weiterhin ein rechtliches Interesse an der Fortführung des Gerichtsverfahrens bestehe. Dieses sei auch begründet, da der Beklagte gegen die Unbilligkeitsverordnung verstoßen habe. Die Entscheidung sei ermessensfehlerhaft ergangen. Schließlich liege auch kein wirksamer Antrag des Beklagten vor.

Die Klägerin beantragt:

Das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 20. September 2016 wird aufgehoben. Der Bescheid des Beklagten vom 26. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2014 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das Schreiben/der Antrag vom 16. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2015 unwirksam ist. Hilfsweise wird beantragt, den Beklagten zu verurteilen, den Antrag aus dem Schreiben vom 16. Oktober 2014 zurückzunehmen.

Die Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verweist auf die nach seiner Auffassung zutreffende erstinstanzliche Entscheidung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und des Rentenversicherungsträgers Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beigeladenen verhandeln und entscheiden, weil sie hierauf in der Ladung hingewiesen worden ist (vgl. § 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

II. Die Berufung der Klägerin ist in Bezug auf den Hauptantrag zulässig. Es mangelt insbesondere nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.

Das Rechtsschutzbedürfnis ist eine allgemeine Sachurteilsvoraussetzung, die bei jeder Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gegeben sein muss. Der Begriff des Rechtsschutzbedürfnisses bedeutet, dass nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung hat (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 19. April 2018 – L 3 AL 71/16 – juris Rdnr. 42, m. w. N.; Sächs. LSG, Urteil vom 24. Januar 2019 – L 3 AS 476/17 – juris Rdnr. 30, m. w. N.). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt unter anderem dann, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung weder gegenwärtig noch zukünftig die Stellung des Klägers oder Antragsstellers verbessern würde (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 8 SO 24/10 RNZS 2012, 798 [799] = juris Rdnr. 10; Sächs. LSG, Beschluss vom 28. Januar 2015 – L 3 AS 6/15 B ER PKH – juris Rdnr. 5; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG [12. Aufl., 2017], Vor § 51 Rdnr. 16a). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 24. September 2015 – L 3 AS 1738/13 – ZFSH/SGB 2016, 99 ff. = juris Rdnr. 34; Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung [35. Erg.-Lfg., September 2018], Vor § 40 Rdnr. 94).

Vorliegend ist das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage gegen die Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, nicht deswegen entfallen, weil der Klägerin für die Zeit ab dem 1. August 2016 bestandskräftig eine ungeminderte Altersrente für Frauen bewilligt worden ist (so bereits Sächs. LSG, Urteil vom 24. Januar 2019, a. a. O., Rdnr. 36 ff.). Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich der Aufforderungsbescheid in Folge des Erlasses des Rentenbescheides im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hätte. Danach bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 12. Juni 2013 entschieden, dass "nach bestandskräftiger Bewilligung einer Rente [ ...] das mit der Klage und der Berufung verfolgte Ziel, der in § 12a Satz 1 SGB II normierten Verpflichtung zur Rentenantragstellung nicht nachkommen zu müssen, wegen des in § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II bestimmten Leistungsausschlusses bei Bezug einer Rente wegen Alters aber nicht mehr erreicht werden" könne (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 225/12 B – juris Rdnr. 5). Diese Feststellung bezieht sich allerdings auf die vom Jobcenter beantragte vorzeitige Altersrente. Demgegenüber hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 19. August 2015 eine Erledigung des Aufforderungsbescheides verneint, wenn das Jobcenter gegen die Ablehnung des Antrages aus vorzeitige Altersrente durch den Rentenversicherungsträger Widerspruch eingelegt hat (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015 – BSGE 119, 271 ff. = SozR 4-4200 § 12a Nr. 1 = juris, jeweils Rdnr. 13). Ebenfalls im Urteil vom 19. August 2015 hat das Bundessozialgericht allerdings auch entschieden, dass für eine Anfechtungsklage auch dann noch ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe, wenn der Kläger zwischenzeitlich eine vom Rentenversicherungsträger bewilligte abschlagsfreie Regelaltersrente bezieht. Denn solange das auf dem Antrag des Beklagten beruhende Rentenverfahren nicht bestandskräftig abgeschlossen sei, begründe und erhalte die angefochtene Aufforderung die Verfahrensführungsbefugnis des Beklagten für den Kläger im Rentenverfahren, in dem eine rückwirkende Bewilligung einer vorzeitigen Altersrente in Betracht komme (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O.). Hiervon abweichend hat derselbe Senat jedoch im Urteil vom 9. August 2018 ausgeführt (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018 – B 14 AS 1/18 R – juris Rdnr. 12), dass sich der Aufforderungsbescheid nicht erledigt habe, weil bislang keine bestandskräftige Entscheidung über den Rentenanspruch des Klägers vorliege, und zwar weder in Bezug auf den Antrag des Jobcenters auf vorzeitige Altersrente noch in Bezug auf den Antrag des Klägers auf abschlagsfreie Altersrente (vgl. zu diesem Sachverhalt: SG Neubrandenburg, Urteil vom 20. Oktober 2017 – S 11 AS 658/17 – juris Rdnr. 4 und 12). Diese gewählte Formulierung lässt sich so verstehen, dass der 14. Senat nunmehr von einer Erledigung des Aufforderungsbescheides ausgehen würde, wenn die Regelaltersrente während des laufenden, diesen Bescheid betreffenden Verfahrens bestandskräftig bewilligt wird. Allerdings wird im Urteil vom 9. August 2018 in diesem Zusammenhang nicht das frühere Urteil vom 19. August 2015 zitiert und auch keine Begründung gegeben, weshalb – entgegen der früheren Rechtsauffassung – der Aufforderungsbescheid in Folge der bestandskräftigen Bewilligung der Regelaltersrente erledigt sein soll. Der 14. Senat hat im Urteil vom 9. August 2018 nicht zu erkennen gegeben, ob er mit der zitierten Textpassage beabsichtigt, von der eigenen früheren Rechtsprechung im Urteil vom 19. August 2015 abzuweichen oder sie gänzlich aufzugeben.

Auf der Grundlage des zitierten Rechtssatzes des Bundessozialgerichtes im Urteil vom 19. August 2015 besteht auch vorliegend für das im Rahmen des Berufungsverfahrens verfolgte Anfechtungsbegehren der Klägerin somit weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis (so auch Sächs. LSG, Urteil vom 24. Januar 2019, a. a. O., Rdnr. 39).

Dem steht nicht § 34 Abs. 4 Nr. 3 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) entgegen (so bereits Sächs. LSG, Urteil vom 24. Januar 2019, a. a. O., Rdnr. 39). Danach ist nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente der Wechsel in eine andere Rente wegen Alters ausgeschlossen. Ein Wechsel in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn die andere Rentenart vor oder gleichzeitig mit der Altersrente beginnt (vgl. BT-Drs. 16/3794 S. 33 [zu Nummer 7 Buchst. c]; ebenso: Sächs. LSG, Urteil vom 25. Januar 2010 – L 7 R 582/08 – juris Rdnr. 35; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juni 2016 – L 9 R 695/16 – info also 2016, 270 ff. = juris Rdnr. 22, m. w. N.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. November 2016 – L 2 R 176/16 – juris Rdnr. 21; Sächs. LSG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – L 4 R 791/17 – juris Rdnr. 19; Freudenberg, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI [2. Aufl., 2013], § 34 Rdnr. 84). Dies wäre hier nicht der Fall. Denn die Klägerin bezieht erst seit dem 1. August 2016 eine (Regel)Altersrente für Frauen. Der Beklagte hatte aber bereits mit Schreiben vom 16. Oktober 2014 einen Antrag für die Klägerin auf vorzeitige Altersrente gestellt. Wenn der Rentenversicherungsträger dem Antrag stattgeben sollte, würde die vorzeitige Altersrente am 1. Oktober 2014 (vgl. § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI) beginnen und damit mehr als eineinhalb Jahre vor der Regelaltersrente.

III. Jedoch ist die Berufung der Klägerin in Bezug auf den Hauptantrag, mit dem die Aufhebung des Bescheides vom 26. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2014 begehrt wird, unbegründet.

Der angefochten Bescheid vom 26. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2014 ist formell (1) und materiell-rechtlich (2) rechtmäßig.

1. Der Aufforderungsbescheid vom 26. Juni 2014 litt zwar an einem Anhörungsmangel; dieser wurde aber im Widerspruchsverfahren geheilt (a). Der Bescheid war inhaltlich hinreichend bestimmt (b) und die der Klägerin für die Beantragung einer vorzeitigen Altersrente gesetzte Frist war angemessen (c).

a) Der Beklagte unterlies es zwar, die Klägerin vor dem Erlass des Bescheides vom 26. Juni 2014 anzuhören, wozu er nach § 24 Abs. 1 SGB X verpflichtet war (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 24. Januar 2019, a. a. O., Rdnr. 42; ebenso: Bay. LSG, Beschluss vom 21. November 2016 – L 11 AS 721/16 B ER – juris Rdnr. 14; offen gelassen: BSG, Urteil vom 9. März 2016 – B 14 AS 3/15 RFEVS 68, 126 ff. = juris Rdnr. 17; BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 46/15 RNZS 2016, 831 ff. = juris Rdnr. 16). Nach dieser Regelung ist dem Beteiligten, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Ein Eingriff in die Rechte der Klägerin liegt in der Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen. Denn auch wenn die Klägerin bereits auf Grund von § 12a Satz 1 SGB II und vorbehaltlich der Ausnahmeregelungen in § 12a Satz 2 SGB II und in der Unbilligkeitsverordnung verpflichtet war, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich war, und der Bezug einer vorzeitigen Altersrente kraft Gesetzes zur Folge hat, dass nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II der betreffende Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem SGB II mehr erhält, verschafft sich der Beklagte mit dem Aufforderungsbescheid die Möglichkeit, auf der Grundlage von § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II unter Beachtung weiterer Voraussetzungen ersatzweise für die Klägerin einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen und ihn damit im Fall einer positiven Entscheidung des Rentenversicherungsträgers gegen ihren Willen aus dem Bezug von SGB II-Leistungen ausschließen zu können (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 24. Januar 2019, a. a. O.).

Von einer Anhörung der Klägerin konnte der Beklagte auch nicht absehen, weil keiner der Ausnahmetatbestände aus § 24 Abs. 2 SGB II erfüllt war.

Der Anhörungsmangel wurde aber im Widerspruchsverfahren geheilt.

Das Bundessozialgericht hat im Urteil vom 26. Juli 2016 offen gelassen, ob eine erneute oder nachzuholende Anhörung im Widerspruchsverfahren im Einzelfall entbehrlich sein kann, wenn der Betroffene die von der Behörde (bewusst oder unbewusst) unterlassene Verfahrenshandlung der Anhörung selbst vornimmt, die im Ergebnis das bewirkt, was herbeizuführen der Behörde oblag (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juli 2016 – B 4 AS 47/15 R – juris 15, unter Verweis auf BSG, Urteil vom 29. September 1991 – 4 RK 4/91BSGE 69, 247 [253 f.] = SozR 3-1300 § 24 Nr. 4 S. 10 f. = juris Rdnr 32, 35). Denn eine Heilung des Anhörungsmangels allein durch die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens setze zumindest voraus, dass der Ausgangsbescheid alle wesentlichen (Haupt-)Tatsachen, das heißt alle Tatsachen, die die Behörde ausgehend von ihrer materiell-rechtlichen Rechtsansicht berücksichtigen muss und kann, nennt (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juli 2016, a. a. O.; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 4. Mai 2017 – L 3 AL 39/14 – info also 2017, 217 ff. = juris Rdnr. 42).

Letzteres ist hier der Fall. Der Beklagte stellte im Bescheid vom 26. Juni 2014 die Regelung des § 12a Satz 1 SGB II dar und erläuterte, aus welchen Gründen seiner Meinung nach die Kläger verpflichtet sei, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen. Er wies darauf hin, dass er, der Beklagte, befugt sei, den Antrag ersatzweise zu stellen, wenn die Klägerin die Antragstellung nicht umgehend vornehme. Zudem gab er der Klägerin die Möglichkeit, in einem dem Bescheid beigefügten Formular entweder vorformulierte, an die Unbilligkeitsverordnung angelehnte Antworten anzukreuzen oder selbständig einen sonstigen Grund für das Absehen von einer Antragstellung zu beschreiben. Damit sprach der Beklagte im angefochtenen Bescheid alle entscheidungserheblichen Punkte an und eröffnete der Klägerin die Möglichkeit, substantiiert zum Aufforderungsbescheid Stellung zu nehmen. Hiervon machte sie im Widerspruchsschreiben vom 16. Juli 2014 Gebrauch.

b) Der Bescheid ist inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X. Soweit die Klägerin aufgefordert wurde, eine "geminderte Altersrente" zu beantragen, war für einen verständigen, objektiven Beobachter (vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 2017 – B 14 AS 9/17 R – SozR 4-1300 § 45 Nr. 19 = juris Rdnr. 21; Engelmann, in: von Wulffen/ Schütze, SGB X [8. Aufl., 2014], § 33 Rdnr. 7) aus dem Gesamtzusammenhang der weiteren Ausführungen in dem Bescheid zu erkennen, dass damit die vorzeitige Altersrente, die in der der Klägerin erteilten Rentenauskunft vom 4. Juni 2014 beschrieben war, gemeint war.

c) Schließlich war auch die der Klägerin im Bescheid vom 26. Juni 2014 gesetzte Frist bis zum 31. Juli 2014, das heißt von etwas mehr als einem Monat, für den Nachweis einer Antragstellung angemessen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 34; zur in der Regel angemessenen Frist von einem Monat: BSG, Beschluss vom 12. Februar 2009 – B 5 R 386/07 BSozR 4-1500 § 153 Nr. 7 = NZS 2009, 701 ff. = juris Rdnr. 20).

2. Der Bescheid vom 26. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2014 ist auch materiell-rechtlich rechtmäßig.

a) Rechtsgrundlage für die Ermächtigung des Beklagten, die Klägerin zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente aufzufordern, und, sofern diese der Aufforderung nicht nachkommen sollte, selbst den Antrag zu stellen, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes § 12a SGB II i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 16. ff.; BSG, Urteil vom 9. August 2018 – B 14 AS 1/18 R – juris Rdnr. 13).

Nach § 12a Satz 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Abweichend hiervon sind nach § 12a Satz 2 SGB II Leistungsberechtigte nicht verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen (Nummer 1) oder Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz oder Kinderzuschlag nach dem Bundeskindergeldgesetz in Anspruch zu nehmen, wenn dadurch nicht die Hilfebedürftigkeit aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens drei Monaten beseitigt würde (Nummer 2).

Nach der Übergangsregelung von § 65 Abs. 4 Satz 2 SGB II (sog. "58er-Regelung") hat ab 1. Januar 2008 abweichend von § 2 SGB II auch ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, wenn der Anspruch vor dem 1. Januar 2008 entstanden ist, der erwerbsfähige Leistungsberechtigte vor diesem Tag das 58. Lebensjahr vollendet hat und die Regelvoraussetzungen des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts allein deshalb nicht erfüllen, weil sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen und nutzen wollen, ihre Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer Arbeit zu beenden.

Die 1951 geborene Klägerin, die die Voraussetzungen der "58er-Regelung" nicht erfüllte, konnte eine vorzeitige Altersrente mit Vollendung ihres 63. Lebensjahres beanspruchen. Bei rechtzeitiger Antragstellung (vgl. § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) kam somit ein Anspruch auf vorzeitige Altersrente ab dem 1. August 2014 in Betracht. Die Klägerin war auch zur Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, weil diese im Sinne von § 12a Satz 1 SGB II zur Beseitigung ihrer Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II erforderlich war. Sie stand im streitigen Zeitraum im Bezug von Leistungen nach dem SGB II und war hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 SGB II, da sie ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen sichern konnte und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhielt. Unabhängig von der Höhe der voraussichtlichen oder tatsächlichen vorzeitigen Altersrente und dem Umstand, dass die Klägerin ihren notwendigen Lebensunterhalt gegebenenfalls nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten und ihr deshalb insoweit nach § 19 Abs. 1, § 27 Abs. 1 SGB XII ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu leisten sein könnte, hätte die Klägerin allein schon mit der Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente ihre Hilfebedürftigkeit beseitigt und wäre aus dem Leistungssystem nach dem SGB II ausgeschieden (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O ..., Rdnr. 33; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 24. Januar 2019, a. a. O., juris Rdnr. 54). Denn nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II erhält Leistungen nach dem SGB II unter anderem nicht, wer Rente wegen Alters bezieht.

Damit war die Klägerin grundsätzlich nach § 12a SGB II verpflichtet, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen und in Anspruch zu nehmen.

b) Vorliegend ist ein in der Unbilligkeitsverordnung geregelter Ausnahmetatbestand von der Verpflichtung der Klägerin, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch nehmen zu müssen, nicht gegeben.

(1) In der Unbilligkeitsverordnung (in der hier maßgebenden, vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung vom 14. April 2008 [BGBl. I S. 734]) sind die Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen Leistungsberechtigte gleichwohl zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nicht verpflichtet sind, abschließend geregelt (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 23). § 1 UnbilligkeitsV, wonach Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre, ist selbst kein Unbilligkeitstatbestand, sondern greift als "Grundsatz"-Regelung nur den Wortlaut aus der Verordnungsermächtigung in § 13 Abs. 2 SGB II auf (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O.). Die Voraussetzungen von § 2 UnbilligkeitsV (Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld), § 3 UnbilligkeitsV (bevorstehende abschlagsfreie Altersrente), § 4 UnbilligkeitsV (Erwerbstätigkeit) und § 5 UnbilligkeitsV (bevorstehende Erwerbstätigkeit) sind ersichtlich nicht gegeben. Insbesondere konnte die Klägerin erst zum 1. August 2016 und damit – bezogen auf den 1. August 2014 als frühestem Zeitpunkt für eine vorzeitige Altersrente – nicht "in nächster Zukunft" oder alsbald abschlagsfrei Rente beziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist dies der Fall, wenn zwischen abschlagsbehafteter und abschlagsfreier Altersrente ein Abstand von lediglich vier Monaten liegt (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018 – B 14 AS 1/18 R – juris Rdnr. 16).

(2) Der Einwand der Klägerin, sie sei erkrankt und erwerbsunfähig, führt nicht dazu, dass es unbillig wäre, anstelle der Leistungen nach dem SGB II vorzeitig Altersrente zu beantragen. Die Erwerbsfähigkeit ist nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II i. V. m. § 8 Abs. 1 SGB II Voraussetzung einer Leistungsberechtigung, so dass die Klägerin bei einer länger währenden Erwerbsunfähigkeit bereits von Gesetzes wegen von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen wäre (vgl. hierzu z. B. § 7 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II). Im Übrigen hat die Klägerin ausweislich der Akten des Rentenversicherungsträgers zu keinen Zeitpunkt einen Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente gestellt.

(3) Zum 1. Januar 2017 ist § 6 UnbilligkeitsV in Kraft getretenen (vgl. Artikel 1 Nr. 1 i. V. m. Artikel 2 der Verordnung vom 4. Oktober 2016 [BGBl. I S. 2210]).

Nach § 6 Satz 1 UnbilligkeitsV ist die Inanspruchnahme unbillig, wenn Leistungsberechtigte dadurch hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII werden würden. Dies ist nach § 6 Satz 2 UnbilligkeitsV insbesondere anzunehmen, wenn der Betrag in Höhe von 70 % der bei Erreichen der Altersgrenze (§ 7a SGB II) zu erwartenden monatlichen Regelaltersrente niedriger ist als der zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Unbilligkeit maßgebende Bedarf der leistungsberechtigten Person nach dem SGB II. Dies wäre bei der Klägerin der Fall. Bei ihr beliefe sich die zu erwartende Altersrente bei abschlagsfreiem Renteneintritt zum 1. August 2016 auf 807,34 EUR (brutto). 70 % hiervon sind 565,14 EUR. Der für die Klägerin maßgebende Bedarf betrug 695,60 EUR ausweislich des Bewilligungsbescheides vom 20. März 2014. Der Betrag von 565,14 EUR unterschreitet den individuellen Bedarf der Klägerin ("Bedarf der leistungsberechtigten Person"), so dass zu erwarten ist, dass die Klägerin bei vorzeitiger Rentenbewilligung hilfebedürftig bleiben würde, was die Unbilligkeit nach der seit 1. Januar 2017 maßgebenden Rechtslage begründen würde.

§ 6 UnbilligkeitsV findet im Falle der Klägerin jedoch keine Anwendung. Denn richtige Klageart gegen die Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantrage, ist die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 14 AS 1/15 RBSGE 119, 271 ff. = SozR 4-4200 § 12a Nr. 1 = juris, jeweils Rdnr. 12; BSG, Urteil vom 9. August 2018 – B 14 AS 1/18 R – SozR 4-4200 § 12a Nr. 2 = juris, jeweils Rdnr. 12). Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist nach den allgemeinen Grundsätzen bei einer reinen Anfechtungsklage der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. die Nachweise bei Keller, a. a. O., § 54 Rdnr. 33). Da der Beklagte vorliegend den Widerspruchsbescheid bereits am 9. September 2014, das heißt fast 15 ½ Monate vor dem Inkrafttreten von § 6 UnbilligkeitsV erlassen hat, kann diese Regelung im Falle der Klägerin keine Anwendung finden (ebenso für bis zum 31. Dezember 2016 ergangene Widerspruchsbescheide: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. April 2017 – L 5 AS 340/16 B ER – ZFSH/SGB 2017, 770 ff. = juris Rdnr. 34; Adolph, in: Adolph, Sozialgesetzbuch II, Sozialgesetzbuch XII, Asylbewerberleistungsgesetz [109. Erg.-Lfg., August 2019], § 12a SGB II Rdnr. 35).

Für eine Rückwirkung von § 6 UnbilligkeitsV auf Zeiten vor dessen Inkrafttreten fehlt es an einer Sonderregelung. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber mit der Rechtsänderung zum 1. Januar 2017 gerade auf die bis dahin aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts reagieren wollte. So ist auf Seite 2 des Verordnungsentwurfes (veröffentlicht neben anderen Dokumenten unter https://www.bmas.de/DE/Service/ Gesetze/unbilligkeitsverordnung.html) ausgeführt: "Das Bundessozialgericht hat in seinen Entscheidungen vom 19. August 2015 (B 14 AS 1/15 R) und 23. Juni 2016 (B 14 AS 46/15 R) bestätigt, dass die Unbilligkeitsverordnung die Ausnahmetatbestände abschließend regelt, bei deren Vorliegen Leistungsberechtigte nicht zur vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente verpflichtet sind. Dabei wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass eine etwaige künftige Hilfebedürftigkeit der Leistungsberechtigten bei Bezug der Altersrente keinen bei der Ermessensentscheidung nach § 5 Absatz 3 SGB II atypischen Fall begründet." Diese Rechtslage wurde aus zwei Gründen als "ungünstig" angesehen. "Zum einen kann eine Unbilligkeit darin begründet sein, in der Zeit zwischen der Vollendung des 63. Lebensjahres und der Regelaltersgrenze hilfebedürftig zu sein, deshalb eine vorgezogene Altersrente beantragen zu müssen und in der Folge durch die wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme entstehenden Abschläge nach Erreichen der Regelaltersgrenze bis zum Lebensende hilfebedürftig zu bleiben. Zum anderen entsteht dadurch ein erhebliches Maß an unnötiger Bürokratie, weil die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Nachgang bis zum Lebensende jährlich neu beantragt werden müssen." (Seite 2 des Verordnungsentwurfes) Trotz der als "ungünstig" empfundenen Rechtslage hat der Verordnungsgeber davon abgesehen, der neuen Regelung in § 6 UnbilligkeitsV Rückwirkung beizumessen (in diesem Sinne auch Bay. LSG, Beschluss vom 21. November 2016 – L 11 AS 721/16 B ER – juris Rdnr. 25; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. November 2017 – L 18 AS 426/17 – juris Rdnr. 14), auch nicht für Aufforderungsbescheide, die noch nicht bestandskräftig waren.

c) Schließlich erfordert die Rechtmäßigkeit einer Aufforderung zur Beantragung einer vorrangigen Leistung, dass das Jobcenter das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.

Die Aufforderung zur Beantragung einer vorrangigen Leistung steht im Ermessen des Beklagten (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 25 ff.; Sächs. LSG, Urteil vom 24. Januar 2019, a. a. O. juris Rdnr. 74). Die Ermessensausübung ist gerichtlich nur eingeschränkt darauf zu prüfen (vgl. § 39 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – [SGB I]); § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG), ob Ermessen überhaupt ausgeübt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O.; BSG, Urteil vom 26. Juni 2016 – B 14 AS 46/15 RNZS 2016, 831 ff. = juris Rdnr. 24). Das Bundessozialgericht hat hierzu im Urteil vom 19. August 2015 in Bezug auf die Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente ausgeführt, dass "relevante Ermessensgesichtspunkte [ ] nur solche sein [können], die einen atypischen Fall begründen, in dem vom gesetzlichen Regelfall der Aufforderung zur Antragstellung zur Durchsetzung der Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen abzusehen ist. Dafür dürften bei der Aufforderung zur Rentenantragstellung nur besondere Härten im Einzelfall in Betracht kommen, die keinen Unbilligkeitstatbestand im Sinne der UnbilligkeitsV begründen, aber die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente aufgrund außergewöhnlicher Umstände als unzumutbar erscheinen lassen. Soweit sich Umstände für solche Härten nicht aufdrängen, ist es am Leistungsberechtigten, atypische Umstände seines Einzelfalles vorzubringen, die der Leistungsträger zu erwägen hat" (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rdnr. 29; vgl. auch BSG, Urteil vom 26. Juni 2016, a. a. O., juris Rdnr. 26).

Gemessen hieran kann nicht festgestellt werden, dass dem Beklagten bei seiner Entscheidung ein Ermessenfehler unterlaufen ist. Der Beklagte gab in seiner Widerspruchsentscheidung zu erkennen, dass ihm bei seiner Entscheidung gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II eine vom Gesetzgeber eingeräumte Ermessensausübung obliegt. Er prüfte, ob die Voraussetzungen der Unbilligkeitsverordnung in der damals geltenden Fassung im Fall der Klägerin gegeben waren. Zu darüberhinausgehenden Ermessenserwägungen musste sich der Beklagte nicht veranlasst sehen, weil Anhaltspunkte für atypische Umstände fehlen, die ein Abweichen vom gesetzlichen Regelfall nahegelegt hätten. Insbesondere sind weder die isolierte Betrachtung der Höhe des Leistungsanspruchs nach dem SGB II oder dem SGB XII noch die Höhe der vorrangigen Sozialleistung geeignet, eine Unzumutbarkeit ihrer Inanspruchnahme aufgrund außergewöhnlicher Umstände zu begründen (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 15. August 2015, a. a. O.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. April 2017 – L 5 AS 340/16 B ER – juris Rdnr. 34; LSG Hamburg, Urteil vom 24. Mai 2018 – L 4 AS 385/16 – juris Rdnr. 49). Der Beklagte setzte sich im Widerspruchsbescheid mit diesem Einwand auseinander und führte aus, dass die Auswirkungen des vorgezogenen Wechsels in das mögliche Leistungssystem nach dem SGB XII kein Grund für eine weitergehende behördliche Abwägungspflicht seien. Wie auch das Bundessozialgericht entschieden hat, waren die durch die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente folgenden dauerhaften Rentenabschläge und die damit einhergehenden geringeren Rentenerhöhungen dem Gesetzgeber bekannt und können nicht zur Annahme einer außergewöhnlichen Härte führen (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2016, a. a. O., juris Rdnr. 27; LSG Hamburg, a. a. O.; LSG Berlin-Brandenburg, a. a. O).

In Bezug auf den Einwand der Erkrankung der Klägerin kann dahingestellt bleiben, ob sich daraus überhaupt ein atypischer Fall hätte ergeben können. Denn jedenfalls konnte der Beklagte diesen Umstand nicht in seine Ermessenserwägungen einstellen, da er ihm nicht bekannt war. Maßgebend ist nämlich bei einer Anfechtung einer Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, wie bei anderen Anfechtungsklagen die letzte Behördenentscheidung (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 24. Mai 2018 – L 4 AS 385/16 – juris Rdnr. 44; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. September 2019 – L 31 AS 1574/17 – NJ 2019, 545 ff. = juris Rdnr. 24), hier also der 9. September 2014, als der Widerspruchsbescheid erlassen wurde. Die Klägerin hat den Aspekt ihrer Erkrankung aber erstmals im Berufungsverfahren vorgebracht.

IV. Die Berufung bleibt auch im Übrigen erfolglos.

1. Soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass das Schreiben des Beklagten vom 16. Oktober 2014 oder der darin enthaltene Antrag auf vorzeitige Altersrente in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2015 unwirksam ist, fehlt der Klägerin das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil vorliegend die Feststellungklage subsidiär zu der hilfsweise verfolgten Leistungsklage ist.

a) Grundsätzlich bedarf es, wenn ein Jobcenter einen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten aufgefordert hat, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen, das Jobcenter diesen Antrag nach erfolglosen Fristablauf ersatzweise für den Leistungsberechtigten gestellt hat und der Aufforderungsbescheid angefochten ist, keines weiteren, auf die Verpflichtung des Jobcenters zur Rücknahme des ersatzweise gestellten Antrages gerichteten Rechtsschutzverfahrens. Denn wenn auf eine Anfechtungsklage des Leistungsberechtigten hin der Aufforderungsbescheid des Jobcenters aufgehoben wird, ist eine der Voraussetzungen für die Befugnis des Jobcenters, ersatzweise einen solchen Antrag stellen zu dürfen, entfallen. In einem solchen Fall ist das Jobcenter auf Grund seiner Bindung an Gesetz und Recht (vgl. Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes [GG]) verpflichtet, von selbst und nicht erst auf gerichtliche Anordnung hin den Rentenantrag zurückzunehmen (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 24. Januar 2019, a. a. O., juris Rdnr. 34).

Vorliegend besteht allerdings die Besonderheit, dass seitens der Klägerin nicht nur geltend gemacht wird, der Aufforderungsbescheid sei rechtswidrig, sondern dass darüber hinaus auch die Rentenantragstellung aus formellen Gründen für unwirksam erachtet wird. Dieser Einwand ist nicht Prüfungsgegenstand der die behauptete Rechtswidrigkeit des Aufforderungsbescheides betreffenden Anfechtungsklage. Deshalb bedarf es eines gesonderten Rechtsschutzverfahrens, in dem der die Antragstellung betreffende formelle Einwand geprüft wird.

b) Für eine solche Prüfung ist die Feststellungsklage nicht die richtige Klageart.

Obwohl dies im Gegensatz zu § 43 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) oder § 41 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht ausdrücklich im Sozialgerichtsgesetz geregelt ist, findet der Grundsatz der Subsidiarität auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung mit der Folge, dass eine Feststellungsklage nachrangig ist gegenüber einer Gestaltungs- oder Leistungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2013 – B 4 AS 42/12 RBSGE 113, 177 ff. = SozR 4-1200 § 60 Nr. 3 = juris, jeweils Rdnr. 12, m. w. N.; Keller, a. a. O., § 55 Rdnr. 19, m. w. N.; Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG [2. Aufl., 2014], § 55 Rdnr. 12, m. w. N.). Ausnahmen vom Grundsatz der Subsidiarität sollen gelten, wenn die Feststellungsklage einen weitergehenden Rechtsschutz bietet, oder wenn ohne die Feststellungklage eine abschließende Streitbeilegung nicht möglich ist (vgl. hierzu die Nachweise bei Keller, a. a. O., § 55 Rdnr. 19b). Teilweise wird auch die Auffassung vertreten, dass eine Feststellungklage bei einem Rechtsstreit mit einer an Gesetz und Recht gebundenen (vgl. Artikel 20 Abs. 3 Halbsatz 2 GG) juristischen Person des öffentlichen Rechts ausreichend und damit zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 – B 3 KR 12/04 RSozR 4-2500 § 125 Nr. 2 = juris Rdnr. 17; BSG, Urteil vom 20. Dezember 2018 – B 3 KR 11/17 R – SozR 4-2500 § 130a Nr. 12 = juris, jeweils Rdnr. 20). Die Feststellungsklage soll auch zulässig sein, wenn eine Verweisung auf den eigentlich vorrangigen Klageweg mit einem unzumutbaren Risiko verbunden wäre (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juli 2004, a. a. O.).

Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass zwischen den Beteiligten ein Dreiecksverhältnis besteht: die Klägerin ist gegenüber dem Beklagten eine erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II und gegenüber dem Rechtenversicherungsträger eine Versicherte mit Anspruch sowohl auf Regelaltersrente als auch vorzeitige Altersrente. Das beklagte Jobcenter wiederum ist einerseits gegenüber der Klägerin als erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zur Gewährung und Erbringung von Leistungen nach dem SGB II verpflichtet, solange die Klägerin nicht nach Maßgabe des SGB II von Leistungen ausgeschlossen ist; andererseits steht der Beklagte gegenüber dem Rentenversicherungsträger in dessen Eigenschaft als Träger anderer Sozialleistungen (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB II) in einem Konkurrenzverhältnis und ist nach Maßgabe des SGB II nur nachrangig zur Leistungserbringung gegenüber der Klägerin verpflichtet. Zudem ist er auf der Grundlage und nach Maßgabe von § 5 Abs. 3 SGB II i. V. m. § 12a SGB II berechtigt, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente bei dem für die Klägerin zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einzulegen. In diesem Dreiecksverhältnis dient es der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit aller Beteiligten, wenn nicht nur die Unwirksamkeit der Antragstellung durch den Beklagten mit Schreiben vom 16. Oktober 2014 festgestellt wird, sondern wenn der Beklagte zwecks Beseitigung jeglichen Rechtsscheines im Rahmen einer echten Leistungsklage verpflichtet wird, den Rentenantrag zurückzunehmen.

c) Die Argumente des Klägerbevollmächtigten vermögen die Zulässigkeit der Feststellungklage im vorliegenden Fall nicht zu begründen.

(1) Soweit er für die Zulässigkeit der Feststellungklage darauf verweist, dass auf Grund der Entscheidungen des Beklagten die Klägerin unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums leben müsste, und dass damit ein schwerwiegender Grundrechtseingriff gegeben sei, verortet er dies selbst zutreffend bei der Zulässigkeitsvoraussetzung des Feststellungsinteresses (vgl. § 55 Abs. 1 SGG: "berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung"). Das Feststellungsinteresse ist jedoch eine weitere, gesonderte Sachurteilsvoraussetzung neben der der Subsidiarität der Feststellungklage.

Lediglich informatorisch merkt der Senat an, dass die Annahme des Klägerbevollmächtigten, die Klägerin werde bei einer Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente auf ein Leben unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums verwiesen, unzutreffend ist. Denn wenn der Zahlbetrag einer Rente nicht ausreicht, um den Bedarf eines Rentenempfängers zu decken, hat er Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB XII (vgl. Knickrehm/Hahn, in: Eicher/Luik, SGB II [4. Aufl., 2017], § 5 Rdnr. 31).

(2) Auch der Einwand des Klägerbevollmächtigte, die Ablehnung des Feststellungsantrages verletze die Klägerin im Rechtsstaatsgebot, weil sie keinen adäquaten Rechtsschutz gegen eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über den "angeblichen" Antrag (hierzu unter Nummer 2 Buchst. c) des Beklagten habe, und weil unklar sei, ob sie gegen einen eventuellen Bescheid über eine vorzeitige Altersrente mit einer Anfechtungsklage vorgehen könne, trägt nicht.

Durch § 99 SGB VI (vgl. Artikel 1 des Gesetzes vom 16. Dezember 1989 [BGBl I S. 2261]) wurde das Antragsprinzip in die gesetzliche Rentenversicherung eingeführt (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 2005 – B 13 RJ 41/04 RBSGE 95, 300 ff. = SozR 4-2200 § 1290 Nr. 1 = juris Rdnr. 15). Ein Rentenantrag kann jedenfalls bis zum Eintritt der Bestandskraft des Rentenbescheides grundsätzlich zurückgenommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 1995 – 13 RJ 43/94BSGE 76, 218 ff. = SozR 3-2500 § 50 Nr. 3 = juris Rdnr. 24; Schmidt/Kador, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI [2. Aufl. 2013], § 99 Rdnr. 10). Mit der Befugnis nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II, Anträge auf andere Sozialleistungen stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen zu können, verschafft der Gesetzgeber dem Jobcenter die Stellung eines Prozessstandschafters (vgl. Stachnow-Meyerhoff, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [4. Aufl., 2015], § 5 Rdnr. 100; Lange, jurisPR SozR 16/2017 Anm. 1, m. w. N.; so bereits zu § 91a BSHG: BSG, Urteil vom 19. Dezember 1991 –12 RK 24/90BSGE 70, 72 ff. = SozR 3-5910 § 91a Nr. 1 = juris Rdnr. 13). Weil ein Prozessstandschafter aber nur "im eigenen Namen einen fremden Anspruch" geltend machen kann, bleibt der erwerbsfähige Leistungsberechtigte weiterhin der Anspruchsinhaber (so zu § 1538 RVO: BSG, Beschluss vom 8. Juli 1965 – 12/4 RJ 130/60BSGE 23, 168 = SozR Nr. 19 zu § 161 SGG = juris Rdnr. 3; vgl. auch Lange, a. a. O.). Dies bedeutet, dass ein Betroffener, vorliegend die Klägerin, den Bescheid, mit dem der Rentenversicherungsträger auf den Antrag eines Jobcenters hin eine vorzeitige Altersrente bewilligt, anfechten kann (vgl. Jüttner, in: Adolph, Sozialgesetzbuch II, Sozialgesetzbuch XII, Asylbewerberleistungsgesetz [Stand: 109. Erg.-Lfg., August 2019], § 5 SGB II Rdnr. 37; Lange, a. a. O.). Die Klägerin ist damit entgegen der Befürchtung ihres Bevollmächtigten nicht rechtsschutzlos gestellt.

2. In Bezug auf den hilfsweise zum Feststellungsantrag gestellten Antrag, den Beklagten zu verurteilen, den Antrag auf vorzeitige Altersrente aus dem Schreiben vom 16. Oktober 2014 zurückzunehmen, ist die echte Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 5 SGG statthaft. Denn der von einem Jobcenter für einen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ersatzweise gestellte Antrag auf eine andere, vorrangige Sozialleistung ist kein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 SGB X (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. März 2016 – L 5 AS 25/16 B ER – juris Rdnr. 55; Bay. LSG, Beschluss vom 3. Juni 2016 – L 7 AS 233/16 B ER – juris Rdnr. 45; Thür. LSG, Beschluss vom 1. Juni 2017 – L 4 AS 851/16 B – juris Rdnr. 29; Stachnow-Meyerhoff, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [4. Aufl., 2015], § 5 Rdnr. 102.1 [Aktualisierung vom 30.01.2017]).

a) Sie ist auch im Übrigen zulässig. Zwar könnte erwogen werden, dass die Klägerin der begehrten gerichtlichen Entscheidung nicht bedarf, weil sie – wie beschrieben – weiterhin Anspruchsinhaberin ist. Eine ausdrückliche Regelung, auf Grund derer sie gehindert wäre, im Rahmen ihrer Dispositionsfreiheit den vom Beklagten auf der Grundlage von § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II gestellten Rentenantrag zurückzunehmen, gibt es nicht. Allerdings hat das Bundessozialgericht zu § 51 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V), wonach die Krankenkasse Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit nach ärztlichem Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert ist, eine Frist von zehn Wochen setzen, innerhalb der sie einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen haben, entschieden, dass der Versicherte, der auf die Aufforderung der Krankenkasse hin einen entsprechenden Antrag gestellt hat, diesen Antrag wirksam nur noch mit Zustimmung der Krankenkasse zurücknehmen oder beschränken kann (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 1 KR 6/03 RBSGE 94, 26 ff. = SozR 4-2500 § 51 Nr. 1 = juris Rdnr. 22 ff., m. w. N.). Die vom Bundessozialgericht zu § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V angestellten Erwägungen sind auf die einem Jobcenter vom Gesetzgeber durch § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II eingeräumte Rechtsstellung übertragbar. Es ist deshalb der Klägerin verwehrt, den vom Beklagten mit Schreiben vom 16. Oktober 2014 gestellten Rentenantrag eigenmächtig zurückzunehmen (vgl. hierzu auch Lange, a. a. O.).

b) Die echte Leistungsklage ist jedoch unbegründet, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Rücknahme des vom Beklagten ersatzweise für sie gestellten Antrages auf vorzeitige Altersrente hat.

(1) Anspruchsgrundlage für ein Klagebegehren, den Beklagten zur Rücknahme seines ersatzweise gestellten Antrages auf vorzeitige Altersrente zu verurteilen, ist der allgemeine öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch (vgl. Thür. LSG, Beschluss vom 1. Juni 2017, a. a. O., Rdnr. 30; Lange, a. a. O.). Mit diesem richterrechtlich entwickelten Rechtsinstitut sollen Beeinträchtigungen eines Freiheitsgrundrechts oder eines gleichgestellten Anspruchs auf Unterlassen ausgeglichen werden, die durch ein Tätigwerden der Eingriffsverwaltung hervorgerufen sind (vgl. BSG, Urteil vom 16. März 1977 –1 RA 53/76 – SozR 2200 § 1407 Nr. 2 = juris Rdnr. 16; vgl. auch Thür. LSG, Beschluss vom 1. Juni 2017, a. a. O., m. w. N.).

(2) Die Voraussetzungen für einen Folgenbeseitigungsanspruch in diesem Sinne sind vorliegend nicht erfüllt.

(2.1) Materiell-rechtlich ist die Antragstellung durch den Beklagten nicht zu beanstanden, weil die in § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II festgelegten Handlungsvoraussetzungen erfüllt sind. Der Beklagte hatte die Klägerin mit Bescheides vom 26. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2014 aufgefordert, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, und die Klägerin stellte innerhalb der angemessenen Frist nicht einen solchen Antrag. Seine Entscheidung, ersatzweise für die Klägerin beim zuständigen Rentenversicherungsträger einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen, traf der Beklagte ermessensfehlerfrei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen unter Ziffer III der Entscheidungsgründe verwiesen.

(2.2) Der formelle Einwand des Klägerbevollmächtigten, der Antrag sei unwirksam, weil der Gegenstand des Antrages nicht hinreichend erkennbar sei, ist unbegründet. Zwar ist sein Hinweis darauf, dass aus einem Antrag das Begehren des Antragstellers erkennbar sein muss, zutreffend (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. April 1958 – 10 RV 393/56BSGE 7, 118; Öndül, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I [3. Aufl., 2018], § 16 Rdnr. 24; Gutzler, in: Lilge/Gutzler, SGB I [5. Aufl., 2019], § 16 Rdnr. 17). Dies ist hier aber der Fall.

Ausgangspunkt ist § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Danach wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Weitere Regelungen in Bezug auf formelle Anforderungen an einen Rentenantrag enthält das SGB VI nicht, sodass auf die allgemeinen Regelungen im Sozialgesetzbuch Erstes Buch zurückzugreifen ist (vgl. Schmidt/Kador, a. a. O.). Regelungen über die Antragstellung finden sich in § 16 SGB I. In Ermangelung allgemeiner Regelungen und vor dem Hintergrund, dass das Sozialverwaltungsverfahren grundsätzlich nichtförmlich ist (vgl. § 9 SGB X), kann ein Antrag auf Sozialleistungen – vorbehaltlich etwaiger Sonderregelungen – formlos gestellt werden (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 RBSGE 117, 192 ff. = SozR 4-1500 § 163 Nr. 7 = juris, jeweils Rdnr. 32; Knecht, in: Hauck/Noftz SGB I [43. Erg.-Lfg., Juni 2018], § 16 Rdnr. 7; Öndül, a. a. O., Rdnr. 25). Ein im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren gestellter Antrag ist eine einseitige, empfangsbedürftige, öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die – sofern das Sozialrecht keine speziellen Regelungen trifft – die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), insbesondere des § 133 BGB über die Auslegung einer Willenserklärung, Anwendung finden (vgl. BSG, Urteil vom 11. September 2001 – B 2 U 41/00 RSozR 3-2200 § 1150 Nr. 5 = juris Rdnr. 24, m. w. N.; Öndül, a. a. O., Rdnr. 18, m. w. N.). Maßgebend für die Auslegung eines Antrags ist der unter Berücksichtigung aller Umstände erkennbare wirkliche Wille des Antragstellers (vgl. BSG, Urteil vom 11. September 2001, a. a. O., m. w. N.). Wenn nicht bereits ein übereinstimmendes Verständnis von Erklärendem und Erklärungsempfänger feststeht, ist die Erklärung nach dem Horizont des Erklärungsempfängers auszulegen, das heißt danach, wie sich die Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte für einen objektiven Betrachter in der Lage des Erklärungsgegners darstellt. Hierbei sind die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2017 – B 1 KR 28/16 R – juris Rdnr. 37, m. w. N.). Ferner hat die Auslegung nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung zu erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 – B 4 AS 29/13 RBSGE 115, 225 ff. = SozR 4-4200 § 37 Nr. 6 = juris, jeweils Rdnr. 16, m. w. N.; Knecht, a. a. O., m. w. N.; Öndül, a. a. O., Rdnr. 24, m. w. N.).

Gemessen hieran ist aus dem Schreiben des Beklagten vom 16. Oktober 2014 klar und unzweideutig zu entnehmen, welcher Antrag gestellt werden sollte. Zwar ist, wie vom Klägerbevollmächtigten bemängelt, im Betreff des genannten Schreibens nur ein Erstattungsanspruch und nicht auch eine Antragstellung bezeichnet. Wegen der Formfreiheit eines Sozialleistungsantrages war es aber auch nicht erforderlich, alle im Text des Schreibens angesprochenen Gegenstände in die Betreffzeile aufzunehmen. Dass überhaupt ein Leistungsantrag gestellt werden sollte, ergibt sich unzweideutig aus der Formulierung, "dass dieses Schreiben gleichzeitig als Antragstellung nach § 5 Abs. 3 SGB II gilt." Welche Sozialleistung beantragt werden soll, ergibt sich aus den allen Beteiligten bekannten Vorgeschichte zum Schreiben vom 16. Oktober 2014 und dem Sachzusammenhang, in dem das Schreiben erging. Der Rentenversicherungsträger hatte den Beklagten am 13. Juni 2014 unter Verweis auf die Rentenauskunft vom 4. Juni 2014 darüber unterrichtet, dass die Klägerin die Regelaltersgrenze am 14. Dezember 2016 erreiche und ab dem 1. August 2016 abschlagsfrei sowohl eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit als auch eine Altersrente für Frauen beziehen könne. Bereits seit dem 1. August 2014 könne sie abschlagsfrei eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen und schon seit dem 1. August 2011 eine Altersrente mit Abschlägen beziehen. Für die ersatzweise Antragstellung durch den Beklagten im Oktober 2014 folgt aus diesen Daten, dass zu diesem Zeitpunkt für die Klägerin ausschließlich ein Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen in Betracht kam. Für einen etwaigen Anspruch auf eine abschlagsfreie Altersrente für schwerbehinderte Menschen ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen nichts; auch klägerseits ist in Bezug auf eine Schwerbehinderung der Klägerin nichts vorgetragen worden.

Dass eine sprachlich gelungenere Antragstellung wünschenswert gewesen wäre, ändert nichts daran, dass das Antragsbegehren des Beklagten für den Rentenversicherungsträger klar erkennbar war.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

VI. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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