L 10 R 4400/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 53/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4400/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der Prüfung, ob zur Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtbeiträge in ausreichender Zahl vorliegen, ist nicht zu prüfen, ob eine behauptete Beschäftigung ausgeübt wurde und ob sie Versicherungspflicht zur Rentenversicherung begründete. Denn selbst wenn eine versicherungspflichtige Beschäftigung als solche bejaht würde, würde dies allein noch nicht zur Annahme von Pflichtbeitragszeiten führen. Allein maßgebend ist, ob tatsächlich Pflichtbeiträge entrichtet wurden oder gleichgestellte Tatbestände, z.B. die Meldung der Beschäftigungszeit vorliegen.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05.10.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Der am 1964 geborene Kläger versuchte vom 17.08.1981 bis 09.06.1982 und vom 25.10.1982 bis 09.03.1983 eine Ausbildung zum Elektriker bei der Firma Z. + G. GmbH & Co. KG (Bl. 80, 99 VerwA), die er nicht abschloss (eigene Angaben des Klägers u.a. Bl. 39 VerwA) und war anschließend vom 10.03.1983 bis zum 24.02.1984 dort als Staplerfahrer beschäftigt. Für diese Zeiten wurden ebenso wie für Januar 1985, von November 1986 bis April 1987, von November 1999 bis März 2000 und von Dezember 2014 bis Juli 2015 Pflichtbeiträge für den Kläger entrichtet (insgesamt 48 Monate Pflichtbeiträge). Vom 27.08.1987 bis 31.01.2004 befand er sich - abgesehen von kurzen Unterbrechungen - fast durchgehend in Haft und anschließend (Bl. 91 VerwA, 19 SG-Akte) bis zum Zeitpunkt seiner Entlassung im Jahr 2014 in Sicherungsverwahrung (siehe Bl. 157 VerwA). Seither bezieht er Sozialleistungen. Hinsichtlich der Einzelheiten der rentenrechtlichen Zeiten wird auf den Versicherungsverlauf Bl. 53 f. der Senats-Akte Bezug genommen. Auf Grund eines durchgeführten Versorgungsausgleichs sind zehn Monate auf die Wartezeit anzurechnen (Bl. 205 VerwA).

Der Kläger hat einen am 27.08.1983 geborenen Sohn und eine am 02.02.1987 geborene Tochter. Nach Angaben der Beklagten (Bl. 24 SG-Akte S 14 R 53/17) wurden bereits mit Bescheid vom 24.01.1989 Kindererziehungszeiten im Versicherungskonto der Mutter anerkannt. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 23.06.2010 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Anerkennung von Kindererziehungszeiten für den Zeitraum 01.09.1983 bis 31.08.1984 und 01.03.1987 bis 29.02.1988 ab, da die Kinder in dieser Zeit von dem anderen Elternteil überwiegend erzogen worden seien.

Ebenfalls mit Bescheid vom 23.06.2010 (Bl. 111 VerwA) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2012 (Bl. 13 RechtsmittelVerwA) wies die Beklagte den ersten Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung wegen seit dem 24.08.1984 u.a. wegen Abhängigkeits- und Herzerkrankung behaupteter Erwerbsminderung (Bl. 45 VerwA) ab und begründete dies damit, dass die geforderte Wartezeit von 60 Monaten nicht erfüllt sei und auch eine vorzeitige Wartezeiterfüllung nicht vorliege, da der Leistungsfall dann spätestens am 30.04.1985 hätte eingetreten sein müssen, was nicht nachgewiesen sei.

Die hiergegen erhobene Klage (S 15 R 824/12) wies das Sozialgericht (SG) Freiburg nach ergebnislosen Ermittlungen bei den vom Kläger für die Zeit von 1982 bis 1985 benannten Ärzten (Unterlagen waren nicht mehr vorhanden) und Beiziehung der Akten der Justizvollzugsanstalt F. (keine Arztberichte vor Beginn der Strafhaft, vgl. Bl. 63 SG-Akte S 15 R 824/12 sowie die nachfolgend referierte Begründung) mit Gerichtsbescheid vom 07.05.2013 ab. Seine Entscheidung begründete es ebenfalls damit, dass die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten nicht erfüllt sei. Es komme auch eine vorzeitige Erfüllung der Wartezeit gemäß § 53 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht in Betracht, da dann die Erwerbsminderung im Zeitraum 26.10.1982 bis 30.04.1985 hätte eingetreten sein müssen. Dies sei jedoch nicht nachgewiesen. Es lasse sich weder den sachverständigen Zeugenauskünften noch der beigezogenen Personalakte - diese beginne erst im Jahr 2009 - und den ärztlichen Behandlungsakten - diese existierten erst ab August 1987 - entnehmen, dass im Zeitraum 26.10.1982 bis 30.04.1985 eine Erwerbsminderung eingetreten sei. Gleiches gelte für das Gutachten des Prof. Dr. M. vom 16.11.2000 (Bl. 17 f. SMDVerwA) und den vorgelegten ärztlichen Attesten (Universitätsklinik F. vom 22.11.2011, Dr. S. vom 13.11.2007, Prof. Dr. Z. vom 29.12.2009, ZfP E. vom 19.03.2009 und 20.07.2007, Bl. 52 f. SMDVerwA). Dies gehe zu Lasten des Klägers. Außerdem habe der Kläger im Zeitraum vom 26.10.1982 bis 30.04.1985 tatsächlich eine Ausbildung als Elektriker absolviert und sei als Staplerfahrer tätig gewesen.

Die Berufung (L 2 R 2347/13) wurde vom Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Urteil vom 18.09.2013 zurückgewiesen. Der 2. Senat verwies darin auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Gerichtsbescheids und führte ergänzend aus, dass während einer Beschäftigung im Rahmen der Strafhaft bzw. der Sicherungsverwahrung kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestehe. Zwar seien Strafgegangene, die nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Arbeitsentgelt erhalten, beitragspflichtig zur Bundesagentur für Arbeit und unterfielen auch der Unfallversicherung. In der Rentenversicherung habe der Gesetzgeber jedoch gerade nicht vorgesehen, dass eine während des Strafvollzugs bzw. während der Sicherungsverwahrung geleistete oder zu leistende Arbeit eine Versicherungspflicht auslöse. Vielmehr sei die entsprechende Regelung des § 190 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) vom 16.03.1976 (BGBl. I S. 581 ff.) nicht durch das dazu erforderliche besondere Bundesgesetz in Kraft gesetzt worden. Das Bundesverfassungsgericht habe auch bereits entschieden, dass hierin kein Verstoß des Gesetzgebers gegen Grundrechte oder das Sozialstaatsgebot liege (Verweis auf BVerfGE 98, 169 ff.).

Am 03.02.2016 stellte der Kläger u.a. wegen Schmerzen in der Halswirbelsäule und beidseitiger Arthrose in den Zehen (Bl. 44 SMDVerwA) einen erneuten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (Bl. 152 VerwA) und legte bereits aktenkundige Befundberichte aus den Jahren 2007, 2009, 2011 und 2012 vor (Bl. 53 f. SMDVerwA).

Mit Bescheid vom 19.02.2016 und Widerspruchsbescheid vom 12.12.2016 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab (Bl. 199 VerwA), weil die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten nicht erfüllt sei. Gefangene in einer Justizvollzugsanstalt unterlägen nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Zeit während des Vollzugs einer Freiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung gelte für die Rentenversicherung auch nicht als Ersatz- oder Anrechnungszeit. Die Vollzugsbehörde entrichte für die Gefangenen, auch wenn sie ihrer Arbeitspflicht gemäß § 41 Strafvollzugsgesetz nachkämen, keine Beiträge zur Rentenversicherung. Lediglich Gefangene, denen gemäß § 39 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz gestattet sei, einer Arbeit, Berufsausbildung oder beruflichen Weiterbildung auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Anstalt nachzugehen, unterlägen nach den Vorschriften SGB VI der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung wie freie Arbeitnehmer. Dieser Fall treffe auf den Kläger nicht zu. Die Wartezeit sei auch nicht vorzeitig erfüllt.

Hiergegen hat der Kläger am 04.01.2017 Klage beim SG Karlsruhe erhoben und damit begründet, dass die Wartezeit erfüllt sei. Im Maßregelvollzug gelte - im Gegensatz zum Strafvollzug - keine Arbeitspflicht, weshalb es sich um freiwillige Arbeitsverhältnisse gehandelt habe, die auch in der Sozialversicherung zu berücksichtigen seien. Außerdem hätten auch Kindererziehungszeiten berücksichtigt werden müssen, da die Mutter der Kinder zeitweise berufstätig gewesen sei und somit die Kindererziehung nicht habe übernehmen können, während er arbeitslos gewesen sei und die Kindererziehung übernommen habe. Auch sei die Wartezeit vorzeitig erfüllt, da die Erwerbsminderung im Zeitraum 26.10.1982 bis 30.04.1985 eingetreten sei.

Das SG Karlsruhe hat nach Beiziehung der Akten des SG Freiburg (S 15 R 824/12) und des LSG (L 2 R 2347/13) die Klage mit Gerichtsbescheid vom 05.10.2017 - dem Kläger am 09.10.2017 zugestellt - abgewiesen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wären erfüllt, wenn die Erwerbsminderung bereits im Zeitraum 26.10.1982 bis 30.04.1985 eingetreten wäre. Das SG Freiburg (S 15 R 824/12) und das LSG (L 2 R 2347/13) hätten jedoch bereits entschieden, dass der Eintritt eines Leistungsfalles trotz umfassender Ermittlungsbemühungen nicht nachgewiesen werden könne. Der Kläger habe keine neuen Belege vorgebracht und es seien auch keine weiteren Ermittlungsansätze ersichtlich. Das SG Karlsruhe hat daher hinsichtlich der geltend gemachten Erwerbsminderung im Zeitraum 26.10.1982 bis 30.04.1985 auf den Gerichtsbescheid des SG Freiburg (S 15 R 824/12) und das Urteil des LSG (L 2 R 2347/13) verwiesen. Für die Zeit nach dem 01.05.1985 scheide ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung aus, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ebenfalls nicht erfüllt seien. Die Beschäftigungen während der Haft und der Sicherungsverwahrung stellten kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis dar und Kindererziehungszeiten seien nicht zu berücksichtigen, weil die Kinder gemeinsam erzogen worden seien und keine übereinstimmende Erklärung der Elternteile zugunsten des Klägers vorliege.

Mit seiner am 09.11.2017 beim LSG eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 21.01.2019 gegenüber dem Kläger (u.a.) die Vormerkung der Zeiten vom 01.09.1985 bis 28.02.1986 und vom 01.03.1989 bis 31.08.1989 als Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung abgelehnt (Bl. 32 ff. Senats-Akte). Der Bescheid werde gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05.10.2017 und unter Aufhebung des Bescheides vom 19.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2016 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Prozessakten der ersten und zweiten Instanz und die Gerichtsakten der Verfahren S 15 R 824/12 und L 2 R 2347/13 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 19.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 19.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2016, mit dem die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ablehnte. Der Bescheid vom 21.01.2019 (Bl. 30 Senats-Akte) ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da dieser den Bescheid vom 19.02.2016 weder abändert noch ersetzt, sondern lediglich Versicherungszeiten feststellt bzw. ablehnt.

Rechtsgrundlage für die hier vom Kläger begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 SGB VI. Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1 Satz 1 der Regelung) bzw. voller (Abs. 2 Satz 1 der Regelung) Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Voraussetzung für diesen Rentenanspruch ist nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI auch, dass der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bzw. Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB VI vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit (fünf Jahre, § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) erfüllt ist. Dabei zählt ein nur zum Teil belegter Monat als voller Monat (§ 122 Abs. 1 SGB VI).

Auf die allgemeine Wartezeit werden nach § 51 Abs. 1 SGB VI Kalendermonate mit Beitragszeiten angerechnet. Nach § 55 Abs. 1 S. 1 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Mit den im Versicherungsverlauf mit Pflichtbeiträgen ausgewiesenen 48 Monaten erfüllt der Kläger zu keinem Zeitpunkt die allgemeine Wartezeit (fünf Jahre = 60 Kalendermonate).

Auf die Wartezeit werden gemäß § 52 Abs. 1 SGB VI auch Monate angerechnet, die durch die Durchführung eines Versorgungsausgleichs übertragen worden sind. Auch mit den auf die Wartezeit somit anrechenbaren zehn Monaten aus dem Versorgungsausgleich erreicht der Kläger lediglich 58 Kalendermonate Pflichtbeiträge.

Soweit ein Anspruch auf Rente eine bestimmte Anzahl an Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit voraussetzt, zählen hierzu nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI auch Pflichtbeiträge, für die aus den in §§ 3 oder 4 genannten Gründen Beiträge gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten. Nach § 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind versicherungspflichtig auch Personen in der Zeit, für die ihnen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind. Es kann an dieser Stelle offenbleiben, ob, und wenn ja, inwieweit die vom Kläger für den Zeitraum vom 10.04.1984 mit der Begründung, er sei ab da arbeitslos gewesen, bis 27.08.1987 (Begründung: dann sei er in Strafhaft gewesen) geltend gemachten (Bl. 83, 91 VerwA) Kindererziehungszeiten als Pflichtbeitragszeiten zu berücksichtigen sind. Denn wenn der vom Kläger behauptete Versicherungsfall der Erwerbsminderung (damals: Erwerbsunfähigkeit nach § 1247 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) tatsächlich bis zum 30.04.1985 eingetreten wäre, wäre die Wartezeit vorzeitig erfüllt.

Die allgemeine Wartezeit ist gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 SGB VI u.a. dann vorzeitig erfüllt, wenn der Versicherte vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden oder gestorben ist und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat. In diesem Fall ist es auch nicht erforderlich, dass in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit liegen (§ 43 Abs. 5 SGB VI). Ist der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit (nach dem früheren Recht der RVO) vor dem 01.01.1992 und nach dem 31.12.1972 eingetreten, genügen sechs Monate mit Pflichtbeiträgen in den letzten zwei Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit (§ 245 Abs. 3 SGB VI).

Der Kläger macht seit dem ersten Verwaltungsverfahren (Angabe Bl. 31 VerwA: Mitte der 80er Jahre; Angabe Bl. 45 VerwA: seit 24.08.1984) durchgehend (Klagebegründung gegenüber dem SG Karlsruhe, Bl. 21 S 14 R 53/17) den Eintritt des Versicherungsfalles einer Erwerbsminderung in dem Zeitraum, in dem nach der Mitteilung der Beklagten ihm gegenüber die Wartezeit vorläufig erfüllt wäre, also im Zeitraum 26.10.1982 bis 30.04.1985 (Bl. 21 SG-Akte S 14 R 53/17), geltend. Dieser Zeitraum liegt innerhalb der bis zum 09.03.1989 dauernden Sechs-Jahres-Frist des § 53 Abs. 2 Satz 1 SGB VI - diese beginnt nach § 26 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. §§ 187, 188 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) am Tag nach der Beendigung der Ausbildung am 10.03.1983 und endet an dem Tag nach sechs Jahren, der dem letzten Tag der Ausbildung entspricht (Heidemann in: jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, Stand 01.07.2013, § 53 Rdnr. 57) - und bei Eintritt der Erwerbsminderung im Zeitraum 26.10.1982 bis 30.04.1985 lägen in den letzten zwei Jahren vorher ein Jahr Pflichtbeiträge.

Allerdings bestätigten die bereits durch das SG Freiburg in dem Verfahren S 15 R 824/12 durchgeführten Ermittlungen (u.a. Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte, Auswertung vorgelegter Befundberichte, Beiziehung der Akten der Justizvollzugsanstalt F. ) die behauptete Erwerbsminderung gerade nicht, weshalb das SG Freiburg die Klage des Klägers in dem Verfahren S 15 R 824/12 zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 07.05.2013 abwies (Bl. 59 SG-Akte S 15 R 824/12), was durch den 2. Senat des LSG mit Urteil vom 18.09.2013 (L 2 R 2347/13) bestätigt wurde (Bl. 63 ff. LSG-Akte). Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf die Gründe dieser Entscheidungen.

Nichts Anderes gilt in Bezug auf die maßgebende vorzeitige Wartezeiterfüllung nach § 245 Abs. 3 SGB VI. Dann müsste der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit spätestens am 01.10.1985 eingetreten sein, weil nur dann in den davorliegenden zwei Jahren (01.10.1983 bis 30.09.1985) sechs Monate mit Pflichtbeiträgen (Oktober 1983 bis Februar 1984 und Januar 1985) liegen. Aus den o.g. Gründen lässt sich dies ebenfalls nicht nachweisen.

Dass nach dem geltend gemachten Zeitpunkt des Versicherungsfalls (spätestens April 1985) eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes (nach ggf. wieder hergestellter Erwerbsfähigkeit) eintrat, die zu einer (ggf. erneuten) Erwerbsminderung zu einem späteren Zeitpunkt geführt haben könnte, behauptet der Kläger selbst nicht. Selbst wenn man aber den Eintritt einer Erwerbsminderung des Klägers zum Zeitpunkt der Stellung der Rentenanträge im April 2010 oder Februar 2016 annehmen würde, hätte er keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, da dann jedenfalls die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 SGB VI nicht vorlägen. Denn weder ausgehend von April 2010, noch von Februar 2016 wurden für den Kläger in den letzten fünf Jahren mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge entrichtet.

Insoweit macht der Kläger ausschließlich geltend, dass seine behauptete Tätigkeit während der Haft und der Sicherungsverwahrung versicherungspflichtig gewesen sei. Indessen kommt es hierauf nicht an.

Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Beitragszeiten auch Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) gezahlt worden sind. § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI stellt somit schon seinem Wortlaut nach darauf ab, dass Beiträge gezahlt worden sind. Hierzu bestimmt § 197 Abs. 1 SGB VI, dass Pflichtbeiträge wirksam sind, wenn sie gezahlt werden, solange der Anspruch auf ihre Zahlung noch nicht verjährt ist oder ausnahmsweise eine spätere Zahlung zulässig ist. Das bloße Vorliegen eines Versicherungspflichttatbestandes (z.B. abhängige Beschäftigung § 1 Nr. 1 SGB VI) in einem bestimmten Zeitraum reicht zur Berücksichtigung solcher Zeiten bei der Prüfung rentenrechtlicher Ansprüche deshalb nicht aus, wie der Senat schon mehrmals entschieden hat (zuletzt Urteil vom 11.05.2017, L 10 2675/14; ebenso Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 55 SGB VI Rdnr. 4 m.w.N.). Beiträge wurden aber für eine Tätigkeit während der Haft und der Sicherungsverwahrung nicht entrichtet.

Der tatsächlichen Beitragsentrichtung steht die ordnungsgemäße Meldung von Beschäftigungszeiten (vgl. § 28a Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV -) gleich. Denn nach § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (Satz 2) und § 199 Satz 1 SGB VI sieht dies für die ordnungsgemäße Meldung vor. Eine solche Meldung in Bezug auf die behauptete Tätigkeit des Klägers während der Sicherungsverwahrung ist aber gerade nicht erfolgt. Der Senat hat auch nicht zu entscheiden, ob eine solche Meldung hätte vorgenommen werden müssen. Denn dies wäre Gegenstand eines Beitragseinzugsverfahrens nach § 28h Abs. 1 und 2 SGB IV gewesen (vgl. BSG, Urteil vom 29.06.2000, B 4 RA 57/98 R, in juris Rdnr. 58; Urteil vom 29.01.2004, B 4 RA 29/03 R, in juris Rdnr. 90; Urteil vom 14.03.2018, B 12 KR 17/16 R m.w.N.).

Das Vorliegen anderer Tatbestände der Fiktion einer Beitragsentrichtung - insoweit wird auf die Darstellung von Gürtner, a.a.O., Rdnr. 9 verwiesen - ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht behauptet.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist es nicht entscheidungserheblich, ob - wie der Kläger behauptet - eine Tätigkeit während der Haft und der Sicherungsverwahrung versicherungspflichtig war (s. hierzu aber die Ausführungen des 2. Senats des LSG in seinem Urteil vom 18.09.2013, L 2 R 2347/13).

Soweit ein Anspruch auf Rente eine bestimmte Anzahl an Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit voraussetzt, zählen - wie oben bereits dargelegt - gemäß § 55 Abs. 2 SGB VI hierzu auch Pflichtbeiträge, für die aus den in § 3 genannten Gründen Beiträge gezahlt worden sind (Nr. 2) und in § 3 Satz 1 Nr. 1 SGV VI ist dies für anzurechnende Kindererziehungszeiten der Fall. Da der Kläger - wie oben ebenfalls bereits dargelegt - jedoch lediglich Kindererziehungszeiten für den Zeitraum 10.04.1984 bis 27.08.1987 geltend macht und dieser Zeitraum nicht innerhalb der Fünf-Jahres-Frist, gerechnet ab Rentenantragstellung im April 2010 und Februar 2016 liegt, kann auch an dieser Stelle offenbleiben, ob der Kläger zu Recht Kindererziehungszeiten für sich in Anspruch nimmt.

Lediglich am Rande weist der Senat darauf hin, dass für den geltend gemachten Zeitraum Kindererziehungszeiten bereits bestandskräftig (§ 77 SGG) bis 31.08.1984 und ab 01.03.1987 (Bescheid vom 23.06.2010) sowie verbindlich, weil rechtswirksam (§ 39 SGB X) für die Zeit vom 01.09.1985 bis 28.02.1986 (Bescheid vom 21.01.2019) abgelehnt worden sind und der Kläger ausweislich des Versicherungsverlaufs lediglich in der Zeit vom 14.04.1984 bis 11.05.1985 arbeitslos war. Dagegen war er in der Zeit vom 24.11.1986 bis 27.03.1987 sogar sozialversicherungspflichtig beschäftigt und konnte somit - so aber seine Behauptung für diesen Zeitraum - schwerlich seine Kinder, da arbeitslos, überwiegend erzogen haben. Im verbleibenden Zeitraum belegter Arbeitslosigkeit und vom Kläger mit der Begründung, er sei arbeitslos gewesen, in Anspruch genommener Kindererziehungszeit, der von den genannten Bescheiden nicht betroffen ist (letztlich nur vom 01.09.1984 bis 11.05.1985 = neun Monate), ist ein Monat (Januar 1985) ohnehin mit einem Pflichtbeitrag belegt, sodass lediglich acht Monate Kindererziehungszeiten - falls nachweisbar - in Betracht kämen. Erst zusammen mit den im Versicherungsverlauf bis Januar 2015 ausgewiesenen 42 Monaten Pflichtbeiträge, den zehn Monaten aus dem Versorgungsausgleich und den acht Kalendermonaten für die Berechnung angenommener Kindererziehungszeit hätte der Kläger die Wartezeit erfüllt, also erstmals mit dem Pflichtbeitrag für Januar 2015. Bei einem Eintritt des Versicherungsfalls der Erwerbsminderung ab dem Jahr 2015 wäre aber zu keinem Zeitpunkt die besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung der Drei-Fünftel-Belegung erfüllt, weil für den Kläger in den Jahren von 1986 bis heute nur 19 Monate Pflichtbeiträge entrichtet wurden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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