L 1 KR 155/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 27 KR 315/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 155/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 5/20 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
an LSG zurückverwiesen
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht ein Anspruch auf Krankengeld über den 14. November 2014 hinaus.

Die 1959 geborene Klägerin war pflichtversichertes Mitglied der Beklagten, seit dem 9. Oktober 2014 als Bezieherin von Arbeitslosengeld I.

Am 10. Oktober 2014 bescheinigte ihre Hausärztin, die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. R, fortdauernde Arbeitsunfähigkeit (AU) bis voraussichtlich einschließlich 30. Oktober 2014 mit der Diagnose adhäsive Entzündung der Schultergelenkskapsel.

Ab 22. Oktober 2014 gewährte die Beklagte der Klägerin Krankengeld. Auf Veranlassung der Beklagten untersuchte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. (MDK) die Beklagte am 29. Oktober 2014. Der Gutachter des MDK K gelangte in seiner Stellungnahme vom selben Tag zu dem Ergebnis, die Klägerin sei ausreichend belastbar für eine leichte angemessene Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Ab 8. November 2014 sei sie (insoweit) nicht weiter arbeitsunfähig.

Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 30. Oktober 2014 fest, dass die Arbeitsunfähigkeit am 7. November 2014 ende.

Am selben Tag stellte die Ärztin Reine Folge-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) bis voraussichtlich 7. November 2014 aus.

Die Klägerin erhob gegen den Bescheid vom 30. Oktober 2014 am 5. November 2014 Widerspruch: Der Bescheid widerspreche den Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien. Sie sei nicht in der Lage, als Sekretärin zu arbeiten. Kein ernstzunehmender Arzt könne am 29. Oktober 2014 feststellen, dass sie am 8. November 2014 nicht weiter arbeitsunfähig sei.

Die Hausärztin R bescheinigte auf einem so genannten Auszahlschein am 6. November 2014 fortlaufende AU bis voraussichtlich 14. November 2014.

Die Beklagte führte die Klägerin vom 8. November 2014 bis zum 15. Juni 2015 als Rentenantragstellerin nach § 189 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).

Die nächste Folgebescheinigung der Hausärztin R stammt (erst) vom 17. November 2014 (Montag) und attestiert voraussichtliche AU bis 25. November 2014.

Mit Schreiben vom 21. November 2014 teilte die Beklagte der Klägerin, sie als Rentenantragsstellerin zu führen und setzte Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung fest.

Am 24. November 2014 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2014 zurückgewiesen.

Sie hat die Klägerin seit 16. Juni 2015 als aufgrund § 188 Abs. 4 SGB V freiwillig Versicherte geführt.

Die Klägerin hat u. a. einen "Bericht für den Medizinischen Dienst" vom 6. November 2014 der Hausärztin R eingereicht, wonach die Arbeitsfähigkeit "nicht sicher eruierbar" sei. Zeitnah sei gebeten worden, die Klägerin erneut zu begutachten. Sie hat ausgeführt, das Schreiben vom 30. Oktober 2014 erfülle nicht die Anforderungen an einen Bescheid. Das MDK-Gutachten leide an Fehlern. Der Bescheid vom 30. Oktober 2014 hätte bereits am 7. November 2014 aufgehoben werden müssen, denn am 6. November 2014 habe die behandelnde Ärztin AU bis zum 14. November 2014 bescheinigt. Die Klägerin sei nach wie vor arbeitsunfähig. Die Bundesagentur habe sie als Sekretärin vermitteln wollen. Sie berufe sich auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. Mai 2017 (B 3 KR 22/15 R sowie B 3 KR 12/16 R). Ihre Ärztin sei aufgrund § 6 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie davon ausgegangen, dass ihre Bescheinigung vom 17. November 2014 rechtmäßig gewesen sei. Relevante Vorerkrankungen gäbe es nicht. Sie habe früher wegen einer "Fallhand (Karpalsyndrom)" Krankengeld bezogen. Die derzeitige Erkrankung sei ein Schulterleiden.

Die Beklagte hat vorgetragen, es gäbe Lücken in den Bescheinigungen über AU im Zeitraum zwischen dem 14. November 2014 bis zum 17. November 2014 sowie vom 13. März 2015 bis zum 19. März 2015. Ein unterstellter Krankengeldanspruch hätte aufgrund der Anrechnung von Vorerkrankungen wegen derselben Krankheit am 2. Juni 2015 geendet.

Die Klägerin ist seit dem 8. Juli 2017 als Sekretärin (wieder) sozialversicherungspflichtig bei ihrem Ehemann beschäftigt.

Das SG hat Befundberichte eingeholt und die Akte der Klägerin bei der Bundesagentur für Arbeit beigezogen. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 18. April 2018 hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben und ihren Bescheid vom 30. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2014 dahingehend abgeändert, dass ein Anspruch auf Krankengeld auch für die Zeit vom 8. bis 14. November 2014 festgestellt wird. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen.

Mit Urteil vom selben Tag hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, der Anspruch auf Krankengeld sei nach § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V in der hier noch maßgeblichen Fassung vom 17. Juli 2009 von dem Tag an zu gewähren, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folge, hier also aufgrund der am 11. September 2014 festgestellten AU ab 12. September 2014. Zunächst habe der Anspruch aus § 49 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V geruht, solange der Klägerin Leistungsfortzahlung von Arbeitslosengeld gewährt worden ist. Ab 22. Oktober 2014 sei der Zahlungsanspruch auf Krankengeld entstanden, der allerdings mit Ablauf des 14. November 2014 erloschen sei. Die Mitgliedschaft der Klägerin als Bezieherin von Arbeitslosengeld I sei nur bis zu diesem Datum nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erhalten geblieben, solange ein Anspruch aufgrund Krankengeld bestanden habe. Für einen über den 14. November 2014 hinausgehenden Anspruch fehle es an der rechtzeitigen Feststellung der weiteren AU.

Gegen diese ihr am 19. Mai 2018 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin vom 11. Mai 2018. Zu deren Begründung trägt sie nunmehr vor, am Donnerstag, den 13. November 2014, habe ihr Ehemann bei ihrer Ärztin angerufen. Diese habe erklärt, am Freitag nicht da zu sein, es reiche aber, am darauffolgenden Montag zu erscheinen, da die AU-Bescheinigung rückwirkend ausgestellt werden könne. Die Klägerin hat erneut auf die AU-Richtlinie verwiesen. Das SG habe die Kernaussagen des Urteils des BSG (B 3 KR 22/15 R) uminterpretiert. Es liege ein erhebliches Mitverschulden der Krankenkasse vor, weil die Beklagte die Zusendung eines weiteren Auszahlscheines verweigert habe, was an Nötigung grenze.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. April 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2014 über den 14. November 2014 hinaus Krankengeld bis zum 28. Juli 2017 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung. Sie habe weder Aufklärungs- und Beratungspflichten verletzt, in dem sie keinen weiteren Auszahlschein zugeschickt habe, noch sei ersichtlich, dass die Klägerin dadurch gehindert gewesen sei, ihre Ärztin rechtzeitig aufzusuchen. Es sei der Klägerin auch ohne Vorliegen eines weiteren Formulars zur Auszahlung ohne weiteres möglich gewesen, diese am Montag, den 17. November 2014 aufzusuchen.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang der Beklagten lag zur mündlichen Verhandlung vor und war Gegenstand der Erörterung.

Entscheidungsgründe:

Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 30. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Klägerin hat ab dem 15. November 2014 keinen Anspruch auf Krankengeld nach § 44 Abs. 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn sie wegen Krankheit arbeitsunfähig sind oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitierungseinrichtung behandelt werden. Die Klägerin war zwar auch über den 14. November 2014 hinaus arbeitsunfähig erkrankt. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die von ihrer behandelnden Arzt rückwirkend ab dem 15. November 2045 ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in der Sache zutreffend war. Der weitere Fortbestand des Anspruchs auf Krankengeld scheitert aber daran, dass die Klägerin ab dem 15. November 2014 nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert war.

Ursprünglich bestand eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Während des Bezugs von Krankengeld setzte sich die Mitgliedschaft bei der Beklagten jedoch nach § 192 Abs.1 Nr. 2 SGB V fort. Tatsächlich bezogen hat die Klägerin Krankengeld bis zum 14. November 2014. Ab dem Folgetag bestand kein Anspruch auf Krankengeld.

Ein solcher entsteht nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der vor dem 23. Juli 2015 geltenden, hier aber noch maßgeblichen Fassung - wenn keine Behandlung im Krankenhaus oder einer stationären Rehabilitationseinrichtung erfolgt – von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist danach Voraussetzung für den Bestand des Anspruchs auf Krankengeld. Das gilt auch für die Verlängerung einer bereits bestehenden und von der Krankenkasse bestätigten Arbeitsunfähigkeit, die von dem Arzt nur abschnittsweise (= bis zu einem konkreten Zeitpunkt) bescheinigt worden ist. Ein bereits entstandener Krankengeldanspruch aus einer Versicherung als Beschäftigter bzw. Bezieher von Arbeitslosengeld I und mit ihm die Versicherung bleibt indessen ohne Unterbrechung aufrecht erhalten, solange die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts jeweils erneut ärztlich festgestellt wird (BSG, Urt. v. 10. Mai 2012 – B 1 KR 19/11 R juris-Rdnr. 18). Der Gesetzgeber hat es mit der Einführung der Vorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 2 SGB V nunmehr ausdrücklich zur Voraussetzung für den Fortbestand des Krankengeldanspruches erklärt, dass die weitere Arbeitsunfähigkeit jeweils abschnittsweise bestätigt wird. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass nicht die Geltung dieses Grundsatzes als solcher in Fragte gestellt, sondern den Versicherten ein Tag mehr Zeit für die Einholung der Anschlussbescheinigung eingeräumt werden sollte. Letzteres ist hier aber ohne Bedeutung, weil die Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin noch unter der Geltung des alten Rechts erfolgen musste. Demnach hätte für den Fortbestand des Anspruchs auf Krankengeld die weitere Arbeitsunfähigkeit des Klägers über den 14. November 2014 hinaus spätestens bis zum Ablauf dieses Tags festgestellt werden müssen. Das ist aber nicht erfolgt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG, Urt. v. 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R - juris Rdnr. 34).

Danach steht dem Krankengeldanspruch eine erst nachträglich erfolgte ärztliche AU-Feststellung nicht entgegen, wenn 1. der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um (a) die ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen, und (b) dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeld-Anspruch erfolgt ist, 2. er an der Wahrung der Krankengeld-Ansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (z. B. eine irrtümlich nicht erstellte AU-Bescheinigung), und 3. er - zusätzlich - seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht.

Die Klägerin hat nicht alles ihr mögliche und zumutbare getan, um innerhalb der gesetzlichen Frist eine verlängernde AU-Bescheinigung zu erhalten. Es gibt zunächst keine Anhaltspunkte dafür, dass sie am 13. oder 14. November 2014 aufgrund von Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit daran gehindert gewesen sein könnte, den Fortbestand ihrer AU ärztlich feststellen zu lassen. Zu ihren Obliegenheiten hätte dann jedenfalls gehört, bis zum 14. November 2014 einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufzusuchen und diesem ihre Beschwerden zu schildern. Dies hat die Klägerin aber unstreitig nicht getan. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, dass nach den Behauptungen der Klägerin ihr Ehemann am 13. November 2014 mit der Hausärztin telefoniert hat. In der Rechtsprechung des BSG ist nämlich bereits geklärt, dass Fehlberatungen, die einer vertragsärztlichen Praxis unterlaufen sind, die Versicherten nicht grundsätzlich zu entlasten vermögen und auch keinen sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegen die Krankenkasse auslösen (BSG, Urteile vom. 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R - juris Rdnr. 13; vom 16. Dezember 2014 -B 1 KR 19/14 R – juris-Rdnr. 16). Das BSG hält grundsätzlich an dieser Rechtsprechung fest, wonach es dem Versicherten obliegt, zur Vermeidung einer Unterbrechung von Krankengeldansprüchen und zum Erhalt eines durchgehenden umfassenden Krankenversicherungsschutzes Pflichtversicherter für eine Folge-AU-Bescheinigung spätestens am letzten Tag der zuvor bescheinigten AU Sorge zu tragen (Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R – Rdnr. 20). Die neuere Rechtsprechung des 3. Senats des BSG, auf die die Klägerin wiederholt Bezug nimmt, schränkt zwar die Geltung dieses Grundsatzes ein, aber nicht mit Bedeutung für den vorliegend zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt. Denn sie begründet eine Einschränkung nur, soweit eine dem Arzt unterlaufende sonstige Fehleinschätzung mit der bereits als Ausnahmefall anerkannten Situation vergleichbar ist, dass der Arzt bei der Untersuchung des Versicherten das weitere Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit verkennt (Urt. v. 11. Mai 2017 Rdnr. 25). Eine medizinische Fehleinschätzung kann ein Arzt aber erst abgeben, wenn er den Versicherten auch gesehen und untersucht hat. Daraus ergibt sich als Voraussetzung der Erheblichkeit einer sonstigen (ärztlichen) Fehleinschätzung die persönliche Vorstellung des Versicherten beim Arzt, wie sie vom BSG in seiner bereits genannten Entscheidung auch ausdrücklich gefordert worden ist. Es muss ein Arzt-Patienten Kontakt stattgefunden haben (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 15. Mai 2018 – L 11 KR 4179/17 - juris-Rdnr. 24). Erst das gibt dem Arzt die Möglichkeit, durch eine richtige Entscheidung den Fortbestand des Anspruchs auf Krankengeld zu sichern. Dass die Hausärztin die Klägerin davon abgehalten haben könnte, noch am selben Donnerstag die Praxis aufzusuchen oder einen anderen Arzt zu konsultieren, ist zudem nicht vorgetragen oder ersichtlich.

Soweit die Klägerin auf die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 SGB V (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie) in der Fassung vom 14. November 2013, in Kraft getreten am 28. Januar 2014, abstellt, verfängt dies nicht. Eine rückwirkend erfolgende Feststellung ist für § 46 SGB V nicht ausreichend und nach dem Gesetz auch nicht zulässig. Vertragsärzte dürfen zwar nach § 5 Abs. 3 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie ausnahmsweise eine Krankschreibung auch für Tage vor dem Behandlungsbeginn ausstellen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 46 Absatz 1 Satz 2 SGB V lässt eine solche rückwirkend erfolgte ärztliche Feststellung den Krankengeldanspruch aber erst ab diesem Tage entstehen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. September 2019 - L 9 KR 254/18 - juris-Rdnr. 26). Die Regelungen in der AU-Richtlinie über den Zeitpunkt der AU-Feststellung einem danach erlaubten retro- und prospektiven Feststellungszeitraum gestaltet den leistungsrechtlichen Krankengeldtatbestand gerade nicht (BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 20/11 R – Rdnr. 13).

Im vorliegenden Fall konnte der Klägerin, die ihre Ärztin nicht und auch keinen anderen aufgesucht hatte, am 14. November 2014 nicht durch einen Arzt der Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit bestätigt werden. Demnach endete die Versicherung wegen eines Anspruchs auf Krankengeld an diesem Tag.

Am 15. November 2014 war die Klägerin nicht mehr aufgrund eines fortbestehenden Krankengeldanspruches versichert. Die ab diesem Tag einsetzende Formalversicherung als Rentenantragstellerin nach § 189 SGB V beinhaltete keinen Anspruch auf Krankiengeld. Rentenantragsteller sind wie Rentner nur dann mit Anspruch auf Krankengeld versichert, wenn sie aus einer -neben einem etwaigen Rentenbezug- ausgeübten Beschäftigung oder Tätigkeit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, das der Beitragsberechnung unterlag. Dies folgt aus der Regelung über die Höhe und Berechnung des Krankengeldes (§ 47 SGB V), welche auf die Existenz eines Regelentgelts abstellt (BSG, Urteile vom 26. Juni 2007 – B 1 KR 2/07 R –, juris-Rdnr. 18; – B 1 KR 8/07 R –, juris-Rdnr. 20; Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl., § 44 SGB V, Stand: 26.09.2019, Rdnr. 54).

Auch ein nachwirkender Anspruch nach dem Ende der Mitgliedschaft aus § 19 Abs. 2 SGB V liegt nicht vor. § 19 Abs. 2 SGB V verdrängt nur eine Versicherung ohne Krankengeldanspruch wie hie eine Formalversicherung nach § 189 SGB V oder eine freiwillige nach § 188 Abs. 4 SGB V, wenn bei prognostischer Betrachtung am letzten Tag der bisherigen Mitgliedschaft davon auszugehen ist, dass spätestens nach Ablauf eines Monats eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall (mit Krankengeldanspruch) erlangt werden wird (BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 19/11 RBSGE 111, 9 bis 18, Rdnr. 34 zur Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V). Eine solche Prognose konnte die Beklagte hier nicht treffen. Es war hier angesichts der fortlaufenden AU überhaupt nicht, geschweige denn klar ersichtlich, dass die Klägerin innerhalb eines Monats ab dem 8. November 2014 wieder sozialversicherungspflichtig beschäftigt oder Arbeitslosengeld I beziehen würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.

Die Revision ist nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Beim BSG sind Revisionsverfahren anhängig Frage der Erforderlichkeit eines Arzt-Patientenkontakts bei der Erfüllung der Obliegenheit alles Zumutbare unternommen zu haben, um rechtzeitig eine ärztliche AU-Feststellung zu erhalten.
Rechtskraft
Aus
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