L 11 KA 58/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 199/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 58/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 101/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB zurückgewiesen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.03.2002 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten auch im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Feststellung eines sonstigen Schadens in Quartalen I/1996 bis IV/1996.

Der Kläger ist als Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg in L zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.

Die Beigeladenen zu 1), 6) und 7) sowie ein Mitglied des Beigeladenen zu 2) beantragten im Jahr 1997 die Feststellung eines sogenannten sonstigen Schadens mit der Begründung, der Kläger habe die Indikationsstellung für Narkosen bzw. deren Vorhaltung zu weit gestellt und den Krankenkassen damit durch Hinzuziehung eines Anästhesisten einen Schaden zugefügt.

Der Prüfungsausschuss Köln I überprüfte 676 Behandlungsfälle des Klägers und stellte für die streitigen Quartale des Jahres 1996 einen sonstigen Schaden in Höhe von 71.194,69 DM fest.

Dagegen legten der Kläger und die Beigeladenen zu 6) und 7) Widerspruch ein. Der Kläger trug vor, hinsichtlich der Feststellung eines sonstigen Schadens fehle jegliche Begründung. Die pauschale Feststellung "Behandlung in LA möglich" werde dem individuellen Behandlungsfall nicht gerecht. Der Prüfungsausschuss habe es versäumt, verbindliche Kriterien aufzuzeigen, nach denen entschieden werden könne, wann eine Anästhesieleistung indiziert sei.

Die Beigeladenen zu 6) und 7) trugen vor, die vom Prüfungsausschuss durchgeführten Maßnahmen seien nicht ausreichend.

In mehreren - zum Teil internen - Sitzungen überprüfte der Beklagte die Behandlungsfälle, hob mit dem angefochtenen Bescheid vom 15.10.2001 (Beschluss vom 08.08.2001) den Bescheid des Prüfungsausschusses teilweise auf und setzte ein Regressanspruch für die streitigen Quartale in Höhe von 108.625,28 DM fest. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Ausführungen im Bescheid des Beklagten verwiesen.

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben, die er im Wesentlichen wie folgt begründet hat: Der Beschluss des Prüfungsausschusses sei im Hinblick auf die ersten drei Quartale des Jahres 1996 bereits deshalb rechtswidrig gewesen, weil nach § 31 Abs. 3 der Verfahrensordnung die Zustellung des Beschlusses innerhalb von 2 Jahren nach Schluss des Kalenderjahres erfolgt sein müsse, in dem der Zahnarzt seine Abrechnung bei der Beigeladenen zu 8) eingereicht habe. Die Quartale I/1996 bis III/1996 seien im Jahr 1996 vom ihm abgerechnet worden, so dass die Verjährung 1997 und 1998 gelaufen sei; der Beschluss vom 14.01.1999 sei verfristet. Weiterhin rügt er die Besetzung des Beschwerdeausschusses bei der angefochtenen Entscheidung.

Der Beschluss des Beklagten sei auch deshalb rechtswidrig, weil an ihm Vertreter der Zahnärzte und der Kassen mitgewirkt hätten, die jedoch nicht durchgängig an den vorausgehenden Sitzungen des Beklagten teilgenommen hätten und damit auch nicht hätten wissen können, was im Einzelnen geprüft und zunächst festgehalten worden sei. Die beschlussfassenden Mitglieder des Beklagten müssten an allen Sitzungen teilgenommen haben. Weiterhin sei die Einladung zu den Sitzungen des Beklagten formell rechtswidrig, da eine "statistische Vergleichsprüfung" angekündigt, jedoch tatsächlich eine Einzelfallprüfung durchgeführt worden sei. Da er zu den internen Sitzungen des Beklagten nicht eingeladen worden sei, sei in mehrfacher Hinsicht sein Anhörungsrecht verletzt.

In materieller Hinsicht sei es so, dass er keine Anästhesien verordne oder zum Anästhesisten überweise, sondern lediglich den Patienten dem Anästhesisten vorstelle. Der Bescheid sei nicht hinreichend im Einzelfall begründet. Der Beklagte hätte im Einzelnen darlegen müssen, warum auf dem Hintergrund der Richtlinien eine andere Art der Schmerzausschaltung angezeigt gewesen sei. Ein Schaden könne der Beigl. zu 8) durch die Verfahrensweise nicht entstehen. Denn die Krankenkassen zahlten jeweils eine Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung getrennt an die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) und die Beigeladene zu 8). Es handele sich um budgetierte Ziffern. Allenfalls denkbar sei eine geringere Vergütung der Anästhesisten durch die KV NO, wenn mehr Anästhesiefälle aus dem Honorartopf der Anästhesisten bei der KV NO bezahlt würden.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 15. Oktober 2001 aufzuheben und den Widerspruch des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat ausgeführt, sein Bescheid sei rechtsmäßig. Den Einwand der Verfristung vermöge er nicht nachzuvollziehen. Auch die Besetzungsrüge gehe fehl.

Die Beigeladene zu 8) hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 20.03.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe vorliegend zu Recht das Vorliegen eines sonstigen Schadens festgestellt. Es liege eine Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten vor, denn eine Narkose oder Analgesie gehöre nur dann zur vertragszahnärztlichen Versorgung, wenn eine andere Art der Schmerzausschaltung nicht angezeigt sei. Dies bedeute, dass der Vertragszahnarzt vorrangig mildere Mittel in Form einer Lokalanästhesie anzuwenden habe und zur Narkose erst dann schreiten dürfe, wenn die Lokalanästhesie aus medizinisch indizierten Gründen versage. Diese Grundsätze habe der Kläger nicht beachtet. Die mit einem Vertragszahnarzt fachkundig besetzte Kammer schließe sich nach Durchsicht der dem Bescheid in der Anlage beigefügten Übersichten, aus denen insoweit die Namen der Patienten, die von dem Kläger abgerechneten Leistungsziffern des BEMA, die gemäße Richtlinien abrechenbare Anästhesie, die vom Kläger gewählte Narkoseart, die Diagnose des Klägers für die Abweichung und die Wertung des Beklagten hervorgehe, der Beurteilung des Beklagten voll inhaltlich an. Der Schaden sei auch vom Kläger kausal verursacht worden. Es sei letztlich ein Schaden bei den Krankenkassen eingetreten. Der Kläger habe die Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten auch schuldhaft begangen, denn zumindest durch den Einführungslehrgang in die vertragszahnärztliche Tätigkeit sei er mit den Richtlinien vertraut gemacht worden.

Verfahrensfehler seien nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Quartale I/1996 bis III/1996 sei eine Verjährung nicht eingetreten. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Prüfungsausschuss persönlich anwesend gewesen sei. In dieser Sitzung sei ihm der Beschluss mündlich bekannt gegeben worden. Die Bekanntgabe des Beschlusses eines Gremiums der gemeinsamen Selbstverwaltung gegenüber einen in der mündlichen Verhandlung anwesenden Beteiligten führe dazu, dass bereits ab diesem Zeitpunkt und nicht erst nach schriftlicher Erteilung des Bescheides - der Lauf der Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt werde. Damit liege zugleich der für die Unterbrechung der Verjährung notwendige Erlass des Verwaltungsaktes im Sinne von § 52 SGB X vor. Die Besetzung des beklagten Beschwerdeausschusses sei auch nicht unzureichend gewesen. Zwar gehörten dem Beschwerdeausschuss jeweils 4 Vertreter der Vertragszahnärzte und 4 Vertreter der Krankenkassen an, jedoch sei er beschlussfähig, wenn mindestens 2 Vertreter der Zahnärzte und der Krankenkassen anwesend seien. Verfahrensfehler seien auch nicht deshalb gegeben, weil die beschlussfassenden Mitglieder des Beklagten nicht durchgängig an allen vorhergegangenen Sitzungen, in denen Einzelfälle geprüft worden waren, teilgenommen hätten. Eine dahingehende Verpflichtung ergebe sich nicht aus den einschlägigen Bestimmungen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sei letztlich auch nicht gegeben. Dem Kläger sei vorliegend im hinreichenden Umfange Gelegenheit gegeben worden, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Ihm sei in der ersten Sitzung des Beklagten mitgeteilt worden, dass eine Einzelfallprüfung durchgeführt werde. Soweit die folgenden Ladungen fehlerhaft den Hinweis auf die statistische Vergleichsprüfung enthalten hätten, sei dies unschädlich.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Klageverfahren wiederholt. Ergänzend trägt er vor, aus dem angefochtenen Bescheid des Beklagten sei nicht ersichtlich, dass die auch vom Beklagten angenommenen indizierten Anästhesien (Lokalanästhesien) bei der Berechnung des Schadens gegengerechnet worden seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.03.2002 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 15.10.2001 auf Grund der Sitzung vom 08.08.2001 aufzuheben, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates zu entscheiden.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 8) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten L 11 KA 100/02 ER haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird - insbesondere hinsichtlich des Vertrages der Beteiligten - ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 SGG). Dieser ist rechtmäßig.

Nach §§ 19, 28 der Verfahrensordnung haben die Prüfgremien auch den sonstigen Schaden festzustellen, den ein Vertragszahnarzt infolge schuldhafter Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten verursacht hat.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mehrfach entschieden, dass die den Prüfgremien von den Vertragspartnern des BMV-Ä zugewiesene Kompetenz, auch über das Vorliegen sogenannter sonstiger Schäden zu befinden, an die den Prüfgremien gesetzlich vorgegebene Aufgabe der "Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung" gebunden sei. Die Zuständigkeit der Prüfgremien hat es damit begründet, dass die Partner des BMV-Ä berechtigt seien, ihnen eine innerhalb des Rechtszwecks der "Gewährleistung einer wirtschaftlichen Versorgung der Kranken" liegende Schadensfeststellungskompetenz zuzuweisen (BSGE 55, 144, 150; BSG Soz-R 5540, § 34 Nr. 1; Soz-R 5545, § 24 Nr. 2). § 72 Abs. 2 SGB V bestimme im Wesentlichen übereinstimmend mit der früheren Regelung des § 368 g Abs. 1 RVO, dass die kassenärztliche Versorgung durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln sei, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemeinen Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet sei und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet würden. Während § 72 SGB V den allgemeinen Ermächtigungsrahmen umschreibe, der den Vertragspartnern des Bundesmantelvertrages und der Gesamtverträge vom Gesetz vorgegeben werde, werde in § 106 Abs. 5 SGB V der Aufgabenbereich der Prüfgremien eingehend auf die Prüfung der Wirtschaftlichkeit festgeschrieben. Nach § 106 Abs. 5 Satz 1 SGB V entscheide der Prüfungsausschuss auf Antrag der Krankenkasse oder KV, ob der Vertrags(zahn)arzt gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind.

In der Bestimmung des § 38 Abs. 3 BMV-Ä werde an § 106 Abs. 5 SGB V angeknüpft. § 38 Abs. 3 BMV-Ä räume nach seinem Wortlaut den Prüfungsgremien zwar eine Zuständigkeit zur Feststellung sonstiger Schäden im umfassenden Sinne ein. Indessen sei die Bestimmung einschränkend dahin auszulegen, dass den Prüfgremien nur eine Schadensfeststellungskompetenz innerhalb des Rechtszwecks der Gewährleistung einer wirtschaftlichen Versorgung der Kranken zugewiesen werde (BSG, Urteil vom 16.10.1991 - 6 RKa 32/90).

Die vom Kläger gerügten Fehler des Verfahrens vor dem Beklagten liegen nicht vor.

Soweit der Kläger rügt, dass an den verschiedenen - auch internen - Sitzungen des Beklagten nicht durchgehend dieselben Ausschussmitglieder mitgewirkt haben, ist diese Rüge nicht berechtigt. Denn - wie auch im gerichtlichen Verfahren - ist hinsichtlich der dem Beklagten auferlegten Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung weder in den Prüfvereinbarungen und der Verfahrensordnung noch im Sozialgesetzbuch bestimmt, dass die bei der Beschlussfassung mitwirkenden Ausschussmitglieder auch an allen vorherigen Sitzungen zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes mitgewirkt haben müssen. Die rechtliche Verantwortung für die zu treffende Entscheidung tragen allein die Ausschussmitglieder, die an der Sitzung teilgenommen haben, in der die Entscheidung getroffen worden ist. Dabei haben sie alle vorherigen Ermittlungen des Ausschusses zu berücksichtigen und auf Grund dieser Ermittlungen letztlich die für sie entscheidungserheblichen Tatsachen festzustellen. Insoweit ist es unerheblich, dass an der Entscheidung mitwirkende Ausschussmitglieder an vorhergegangenen Sitzungen, in denen Teile des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes ermittelt worden sind, nicht teilgenommen haben. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn in früheren Sitzungen "Zeugen" gehört worden sind und es für die Entscheidung des Gremiums wesentlich auf die Glaubwürdigkeit dieser "Zeugen" ankommt. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Soweit der Kläger rügt, dass bei der Entscheidung des Beklagten am 08.08.2001 lediglich zwei Vertreter der Zahnärzte und zwei Vertreter der Krankenkassen (Verbände) mitgewirkt haben, ist auch diese Rüge unbegründet. Wie das Sozialgericht im angefochtenen Urteil bereits zutreffend dargelegt hat, ist zu differenzieren zwischen der Zusammensetzung des Beschwerdeausschusses gemäß § 6 der Verfahrensordnung in Verbindung mit Ziffer 2 der Übergangsregelung der Verfahrensordnung ab I/1993 und der Bestimmung über die Beschlussfähigkeit. Während gemäß § 6 der Verfahrensordnung in Verbindung mit Ziffer 2 der Übergangsregelung der Verfahrensordnung ab I/1993 dem Beschwerdeausschuss jeweils vier Vertreter der Vertragszahnärzte und vier Vertreter der Krankenkassen (Verbände) angehören, also die grundsätzliche Zusammensetzung des Beklagten bestimmt wird, regelt § 10 der Verfahrensordnung, wie viele Mitglieder der sogenannten Regelbesetzung mindestens anwesend sein müssen, um eine Entscheidung zu treffen. Insoweit kommt es für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Beklagten allein darauf an, ob die in § 10 der Verfahrensordnung bestimmte Mindestbesetzung des Beschwerdeausschusses bei der streitigen Entscheidung eingehalten worden ist. Da der Beklagte entsprechend der Bestimmung in § 10 der Verfahrensordnung bei der streitigen Entscheidung mit zwei Vertretern der Zahnärzte und zwei Vertretern der Krankenkassen (Verbände) besetzt war, ist die Entscheidung des Beklagten insoweit nicht zu beanstanden. Dabei ist es unerheblich, dass für den Zeitraum ab dem Quartal I/1993 hinsichtlich der sogenannten Regelbesetzung eine Änderung gegenüber dem vorherigen Zeitraum vereinbart worden ist, dies jedoch hinsichtlich der sogenannten Mindestbesetzung unterblieben ist.

Die vom Kläger gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs ist bereits deshalb nicht erkennbar, weil der Kläger in der Sitzung am 08.08.2001, in der der streitbefangene Beschluss gefasst wurde, ausreichend Gelegenheit hatte, seine Bedenken und Einwände vorzutragen und zu den Feststellungen des Beklagten sich zu äußern. Darüber hinaus ist die entsprechende Verfahrensweise - wie sich aus der Sitzungsniederschrift des Beklagten vom 17.05.2000 ergibt - in dieser ersten Sitzung des Beklagten mit allen Verfahrensbeteiligten - also auch dem Kläger - einvernehmlich vereinbart worden. Insoweit ist es ebenfalls unbeachtlich, dass der Kläger zu einzelnen Sitzungen eine Einladung bekommen hat, die das Prüfverfahren unrichtig bezeichnet hat. Denn dem Kläger war von der ersten Sitzung des Beklagten an die Prüfungsart "Einzelfallprüfung" bekannt. Im Übrigen hat der Kläger in der Sitzung des Beklagten am 08.08.2001 auch keine Einwendungen gegen die Vorgehensweise des Beklagten erhoben.

Der Bescheid des Beklagten ist auch in materieller Hinsicht rechtmäßig.

Der Kläger hat seine vertragszahnärztlichen Pflichten verletzt. Dies ergibt sich daraus, dass nach B III Nr. 10 Abs. 2 der Richtlinien für die ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche zahnärztliche Versorgung für den chirurgischen Bereich bestimmt ist, dass eine Narkose oder Analgesie nur dann zu vertragszahnärztlichen Versorgung gehört, wenn eine andere Art der Schmerzausschaltung nicht angezeigt ist. Nach Nr. 10 Abs. 1 wird bei der chirurgischen Behandlung im Oberkiefer der Schmerz in der Regel durch Infiltrationsanästhesie ausgeschaltet, bei größeren Eingriffen oder bei entzündlichen Prozessen durch Leitungsanästhesie, notfalls durch Leitungs- und Infiltrationsanästhesie. Im Unterkiefer ist die Leitungsanästhesie in der Regel angezeigt. Dies bedeutet, dass der Vertragszahnarzt vorrangig mildere Mittel in Form einer Lokalanästhesie anzuwenden hat und zur Narkose erst dann schreiten darf, wenn die Lokalanästhesie aus medizinisch indizierten Gründen versagt.

Der Kläger hat die Anästhesieleistungen schuldhaft veranlasst, obgleich hierfür eine medizinische Indikation in den vom Beklagten festgestellten Fällen nicht vorlag. Der Kläger verkennt, dass er alleinverantwortlich die Entscheidung zu treffen hat, ob die zahnmedizinische Behandlung den Richtlinien entsprechend mittels Leitungs- und/oder Infiltrationsanästhesie erfolgen kann oder aber eine andere Art der Schmerzausschaltung erforderlich ist. Ob und inwieweit diese Richtlinien aus der subjektiven Sicht des Klägers nicht mehr die aktuellen zahnmedizinischen Erkenntnisstand widerspiegeln, ist irrelevant. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang geäußerte Auffassung, dass der Anästhesist entscheide, welche Art der Anästhesie indiziert sei, trifft zwar grundsätzlich zu, jedoch verkennt der Kläger dabei, dass allein er als Vertragszahnarzt darüber zu entscheiden hat, ob aus zahnmedizinischen Gesichtspunkten eine Narkose angezeigt ist. Der hinzugezogene Anästhesist hat demgegenüber darüber zu befinden, ob gegen die Narkose aus Sicht seines Fachgebietes Bedenken bestehen oder Kontraindikationen vorhanden sind, der Patient also narkosefähig ist.

Der mit einem Vertragszahnarzt fachkundig besetzte erkennende Senat stellt nach Durchsicht der dem Bescheid in der Anlage beigefügten Übersichten fest, dass die Beurteilung des Beklagten hinsichtlich der Erforderlichkeit der streitigen Anästhesien vollinhaltlich zutreffend ist. Der Kläger hat in den vom Beklagten festgestellten Fällen Anästhesien veranlasst, obgleich hierfür eine medizinische Indikation nicht vorlag.

Der Senat hat unter fachkundiger Mitwirkung des ehrenamtlichen Richters Dr. Oehler die Feststellungen des Beklagten anhand von Einzelfällen beispielhaft überprüft. Dabei ist der Senat bei der Prüfung der Fälle 17 und 20 Quartal I/1996 - DAK sowie in den Fällen 1 bis 3 im Quartal II/1996 - DAK zu der Überzeugung gelangt, dass auf Grund der vom Kläger angegebenen Diagnose eine Anästhesieleistung nicht in Betracht kam. Weiterhin hat sich ergeben, dass der Beklagte durchaus differenziert bei seiner Prüfung vorgegangen ist. So hat der Beklagte bei den Behandlungsfällen 17 und 18 im Quartal IV/1996 - BEK bei einem im Wesentlichen gleichen zahnmedizinischen Eingriff eine differenzierte Betrachtung vorgenommen und die Anästhesie im Fall Nr. 17 wegen des Umfanges des Eingriffes für erforderlich angesehen. Ähnlich verhält es sich bei den Fällen Nr. 5 und 7 im Quartal II/1996 - DAK, wo der Beklagte bei einem behandlungsunwilligen Kind wegen des Umfangs der Behandlung und bei einem Patienten mit geistiger Behinderung trotz eines geringfügigen Eingriffes die Anästhesie für erforderlich angesehen hat. In den Behandlungsfällen 12 im Quartal IV/1996 DAK und 12 im Quartal III/1996 - AOK sowie im Fall 11 im Quartal III/1996 - TK und im Fall 24 im Quartal IV/1996 - BEK hat der Beklagte nach den Feststellungen des Senates zutreffend auf Grund der Diagnose des Klägers für die Abweichung die Erforderlichkeit einer Anästhesie verneint.

Die differenzierte Betrachtung des Beklagten bei der angefochtenen Entscheidung zeigt sich auch in der Beurteilung der Fälle 28 und 27 im Quartal II/1996 - AOK. In beiden Fällen handelte es sich nach Angabe des Klägers um ein behandlungsunwilliges Kind. Während im Fall Nr. 28 die Anästhesie auf Grund des Umfangs der vertragszahnärztlichen Behandlung als gerechtfertigt angesehen worden ist, hat der Beklagte im Fall Nr. 47 die Erforderlichkeit einer Anästhesie verneint, da lediglich ein geringfügiger zahnmedizinischer Eingriff erforderlich war.

Soweit der Kläger meint, es liege kein sonstiger Schaden vor, da allenfalls eine Wirtschaftlichkeitsprüfung beim Anästhesisten in Betracht komme, ist dies unzutreffend. Der Kläger hat einen Schaden verursacht, weil auf seine Veranlassung und ohne zwingende medizinische Indikation Anästhesien vom Anästhesisten durchgeführt und abgerechnet worden sind. Ob der betreffende Anästhesist einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen wird, ist eine hiervon losgelöste Frage. Da in der Regel nur eine statistische Vergleichsprüfung (§ 106 Abs. 2 Nr. 1, 1. Alternative SGB V) in Betracht kommt, ist schon offen, ob der Anästhesist überhaupt auffällig wird. Im Übrigen wird bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung das angeforderte Honorar in der Regel allenfalls bis auf die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis gekürzt. Damit würden dem Anästhesisten immer noch Überschreitungen zugestanden, die weit über dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe liegen. Im Falle einer Wirtschaftlichkeitsprüfung ist daher niemals konkret feststellbar, ob gerade die vom Kläger veranlassten Leistungen gekürzt werden. Zu einem zweifachen Schadensausgleich, einerseits durch den Regress gegenüber dem Kläger und andererseits durch die Wirtschaftlichkeitsprüfung beim Anästhesisten, kann es daher nicht kommen (Urteil des erkennenden Senates vom 12.03.1997 - L 11 Ka 42/96).

Der Einwand des Klägers, es sei nicht dem Beklagten, sondern allenfalls der KV Nordrhein ein Schaden entstanden, vermag ihn ebenfalls nicht zu entlasten. Dass den Prüfungsgremien kein Schaden entstanden sein muss, ist selbstverständlich, sie haben einen solchen nur zuständigkeitshalber festzustellen. Ungeachtet der Frage, ob die anästhesistischen Leistungen in den streitigen Quartalen unter einer begrenzten Gesamtvergütung gezahlt worden sind, ist der Schaden letztlich bei den Krankenkassen eingetreten. Dies folgt aus § 12 Abs. 1 SGB V, wonach die Krankenkassen nicht notwendige Leistungen nicht bewilligen und damit auch nicht bezahlen dürfen. Bestätigt wird dies durch § 106 SGB V. Die gesetzliche Anordnung, Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchzuführen, würde zu einem erheblichen Teil leerlaufen, wenn infolge von Budgetierungen, Kontingentierungen oder gedeckelten Gesamtvergütungen ein konkreter, auf den Einzelfall bezogener Schaden bei den Krankenkassen nicht nachweisbar wäre. Letztlich kann dahinstehen, ob der Schaden bei den Krankenkassen oder bei der KV Nordrhein entstanden ist. Die §§ 19, 28 der Verfahrensordnung verlangen nur, dass der Zahnarzt infolge schuldhafter Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten einen Schaden verursacht hat. Die Prüfgremien sind hiernach nicht verpflichtet, im Einzelnen darzulegen, bei wem der Schaden entstanden ist (Urteil des erkennenden Senates a. a. O.).

Einer Gegenrechnung der vom Beklagten angenommenen indizierten Leitungs- und/oder Infiltrationsanästhesien bedarf es deshalb nicht, weil der Kläger bei den vom Beklagten geprüften und beanstandeten Behandlungsfällen immer auch eine entsprechende Anästhesie abgerechnet hat.

Letztlich ist eine Verjährung nicht eingetreten, denn § 31 Abs. 3 Verfahrensordnung findet auf das Prüfverfahren zur Feststellung eines sonstigen Schadens keine Anwendung. Gemäß § 19 Abs. 3 Verfahrensordnung können Anträge - von den am Honorarverfahren nicht beteiligten Krankenkassen - innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Kalendervierteljahres gestellt werden, in dem die Krankenkasse von der Entstehung des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat. Da diese Kenntniserlangung durchaus erst nach mehr als 2 Jahren erfolgen kann, wäre zwar die Antragstellung noch zulässig, aber der Anspruch bereits verjährt. Deshalb kann insoweit nur die allgemeine Verjährungs- bzw. Verwirkungsfrist bestehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG in der Fassung bis zum 01.01.2002. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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