S 21 AS 330/18

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
21
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 21 AS 330/18
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 143/20 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um das Vorliegen einer Untätigkeit im Widerspruchsverfahren.

Der im Jahr 1982 geborene Kläger stellte am 14.04.2016 bei der Beklagten eine Folgeantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – (SGB II) für den Zeitraum ab dem 01.05.2016.

Durch Bescheid v. 05.08.2016 wurde die Leistungsgewährung versagt, da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten im Verwaltungsverfahren nicht nachgekommen sei. Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch die Prozessbevollmächtigte, mit Schreiben v. 10.08.2016 Widerspruch ein und machte ergänzende Angaben.

Mit Schreiben v. 03.11.2016, eingegangen bei der Beklagten am 08.11.2016, teilte der Kläger persönlich seinem Sachbearbeiter Herrn D. mit, dass er seinen Widerspruch gegen dessen Bescheid zurücknehme. Er werde seiner Anwältin das Mandat entziehen und wolle kein Gerichtsverfahren mehr.

Die Prozessbevollmächtigte hat für den Kläger am 18.04.2018 eine Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Darmstadt erhoben.

Sie trägt vor, der Kläger habe den Widerspruch gegen den Bescheid v. 05.08.2016 nicht zurücknehmen wollen. Er habe nicht verstanden, was er unterschreibe, da er nicht gut Deutsch könne. Er habe nicht gewusst, dass er damit auf gesetzliche Ansprüche verzichte. Auch sei anhand des Widerspruchsschreibens nicht zu erkennen, welcher Widerspruch gegen welchen Bescheid zurückgenommen werde. Es seien noch mehr Bescheide, Sachen, Anträge etc. beim Beklagten anhängig gewesen.

Sie beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch gegen den Bescheid v. 05.08.2016 zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, eine Untätigkeit liege nicht vor, da der Widerspruch wirksam zurückgenommen worden sei. Es sei damals auch lediglich dieses eine Widerspruchsverfahren anhängig gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann gem. § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da der Sachverhalt geklärt ist und die Sache keine wesentlichen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist.

Die Untätigkeitsklage ist bereits unzulässig.

Der Widerspruch v. 10.08.2016 gegen den Bescheid v. 05.08.2016 ist nicht mehr anhängig. Der Kläger hat den Widerspruch durch sein Schreiben an den Beklagten v. 03.11.2016 zurückgenommen. Das Rücknahmeschreiben war insbesondere aus Sicht eines verständigen Empfängers an Stelle des Beklagten so auszulegen, dass der Widerspruch v. 10.08.2016 zurückgenommen werden sollte. Ein anderes Widerspruchsverfahren war zum damaligen Zeitpunkt nicht anhängig. Der Kläger richtete sich zudem ausdrücklich an seinen Sachbearbeiter D., der den Bescheid v. 05.08.2016 erlassen hatte. Auch aus dem Zusatz, der Kläger wolle kein Gerichtsverfahren mehr, ergibt sich nicht, dass die Erklärung sich insgesamt auf die damals ebenfalls anhängigen Rechtsstreite beim Sozialgericht Darmstadt beziehen sollte. Vielmehr erweckte das Schreiben den Eindruck, dass der Kläger sämtliche Streitigkeiten mit der Beklagten – gleich ob gerichtlich oder außergerichtlich – nunmehr beenden wollte.

Etwaige Willensmängel des Klägers – etwa ein Irrtum hinsichtlich des Inhalts seiner Erklärung – sind unbeachtlich. Die Erklärung einer Rücknahme des Widerspruches steht einer Prozesshandlung gleich. Eine Anfechtung wegen Willensmängeln ist ausgeschlossen (BVerwGE 57, 342; MKLS/B. Schmidt, 12. Aufl. 2017, SGG § 83 Rn. 5). Es ist daher unerheblich, ob der Kläger den Inhalt der schriftlichen Erklärung - beispielsweise wegen mangelnder Kenntnis der deutschen Sprache - falsch verstanden hat.

Auch Gründe, wegen derer es der Beklagten aus Treu und Glauben verwehrt wäre, sich auf die Rücknahmeerklärung zu berufen, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Das zulässige Rechtsmittel der Berufung ergibt sich aus den §§ 105 Abs. 2, 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
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