S 45 (19) AS 92/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
45
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 45 (19) AS 92/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die teilweise Aufhebung einer Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der am 00.00. 1951 geborene Kläger bezieht von der Beklagten seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 15. Juni 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.07.2005 bis zum 31. Dezember 2005 Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich insgesamt 659,25 Euro (345,00 Euro Regelleistungen und 314,25 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung).

In der Zeit vom 29. September bis zum 20. Oktober 2005 absolvierte der Kläger eine von der LVA Rheinprovinz finanzierte vollstationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation in der B in 00000 F. Hiervon machte er der Beklagten im September 2005 Mitteilung.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2005 teilte die Deutsche Rentenversicherung Rheinland dem Kläger mit, dass er für die Dauer der Leistung zur medizinischen Rehabilitation Anspruch auf Übergangsgeld habe. Er erhalte von der Deutschen Rentenversicherung Rheinland keine Zahlungen. Vielmehr werde ihm das Arbeitslosengeld II durch den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende weitergezahlt. Das weitergezahlte Arbeitslosengeld II gelte als Vorleistung auf das Übergangsgeld des Rentenversicherungsträgers.

Mit Änderungsbescheid vom 16. September 2005 setzte die Beklagte unter Aufhebung der vorhergehenden Bewilligungsentscheidung die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 01. Oktober 2005 bis zum 31. Oktober 2005 in Höhe von monatlich 578,75 Euro neu fest (264,50 Euro gekürzte Regelleistung und 314,25 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung); dabei berücksichtigte sie ein Einkommen des Klägers für den Monat Oktober 2005 in Höhe von 80,50 Euro. Zur Begründung führte sie aus, die Regelleistung nach § 20 SGB II sei bei voller Verpflegung während der Reha-Maßnahme des Klägers pauschal um 35 v. H. zu kürzen. Die Verpflegung während der stationären Therapie sei Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08. März 2006 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 17. März 2006 Klage erhoben.

Zur Begründung beruft sich der Kläger darauf, dass er auch während des Aufenthaltes in der B Kosten gehabt habe, so z. B. für den Kaffeeautomaten sowie die Anschaffung von Telefonkarten. Auch habe er sich an Kostenrechnungen für Sanitätshausleistungen beteiligen müssen (Vorlage einer Quittung vom 18. Oktober 2005 über 10,00 Euro Eigenanteil für Lumbalbandagen). Schließlich habe er auch nach Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme die üblichen Haushaltskosten gehabt.

Der Kläger beantragt,

den Änderungsbescheid vom 16. September 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig. Mit Beschluss vom 11. August 2006 hat das Gericht den hier zur Entscheidung stehenden Rechtsstreit entsprechend § 113 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von dem gleichzeitig mit Klageerhebung am 17. März 2006 geltend gemachtem Klagebegehren betreffs Bekleidungskosten für die stationäre Rehabilitationsmaßnahme abgetrennt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässig Klage ist unbegründet. Der angefochtene Änderungsbescheid vom 16. September 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2006, mit dem die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) für die Zeit vom 01. Oktober 2005 bis zum 31. Oktober 2005 in Höhe von monatlich 578,75 Euro neu festgesetzt und die vorhergehende höhere Leistungsbewilligung insoweit teilweise aufgehoben hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Hiernach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - um einen solchen handelt es sich bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld II - mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes Vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (vgl. BSGE 78, 109, 111 m. w. N.). Der Verwaltungsakt ist nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i. V. m. §§ 40 Abs. 1 Satz 1, Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde.

Vorliegend war in der Zeit vom 01. Oktober 2005 bis zum 31. Oktober 2005 eine wesentliche Änderung eingetreten, da sich der Leistungsanspruch des Klägers in diesem Zeitraum infolge seiner stationären Unterbringung reduziert hatte. Denn der Kläger hatte während der Zeit seiner stationären Unterbringung in der B freie Verpflegung erhalten. Hierbei handelt es sich um eine dem Kläger zugewendete geldwerte Sachleistung, die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Einkommen des Klägers zu berücksichtigen ist. Entscheidungen, die eine entsprechende Berücksichtigung der freien Verpflegung mit der Begründung einer fehlenden Rechtsgrundlage für die entsprechende Kürzung der Regelleistung ablehnen (so Sozialgericht Detmold, Beschluss vom 10. Januar 2006, Az.: S 9 AS 237/05 ER), übersehen, dass der Gesetzgeber in § 11 Abs. 1 SGB II ausdrücklich nicht nur reine Geldleistungen zur Einkommensanrechnung vorgesehen hat, sondern neben "Einnahmen in Geld" auch "Einnahmen in Geldeswert" zur entsprechenden Berücksichtigung aufgezählt hat.

Auch die Festsetzung des Wertes der freien Verpflegung durch die Beklagte mit 35 % der Regelleistung für 20 Tage, also mit (345,00 Euro x 35 Prozent x 2/3 =) 80,50 Euro ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der für die Ernährung bestimmte Anteil der Regelleistung ist nämlich mindestens in dieser Höhe anzusetzen. Dies ergibt sich auch daraus, dass nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Sachbezugsverordnung (SachbezV) in der Fassung vom 22. Oktober 2004 (BGBL I, S. 2663), die nach § 2 Abs. 4 Arbeitslosengeld Il/Sozialgeldverordnung (ALG ll-V) für die Bewertung von Sachleistungen heranzuziehen ist, für freie Verpflegung sogar ein Betrag von monatlich 200,30 Euro anzusetzen ist (ebenso Sozialgericht Koblenz, Urteil vom 20. April 2006, Az. S 13 AS 229/05). Das von der Beklagten berücksichtigte Einkommen des Klägers aus Sachleistungen von 80,50 Euro für 20 Tage im Oktober 2005 (das 120,75 Euro umgerechnet auf 30 Tage entspricht) ist danach keinesfalls zu hoch, sondern eher (zugunsten des Klägers) zu niedrig angesetzt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Argumentation des Klägers, wonach ihm während der stationären Rehabiiitationsleistungen sowie in der anschließenden Zeit danach weitere Kosten entstanden sind. Es war dem Kläger zuzumuten, diese Kosten aus dem ihm verbliebenen Betrag der Regelleistung in Höhe von 164,50 Euro zu decken.

Die hier streitigen Leistungen waren auch nicht nach § 25 Satz 1 Halbsatz 1 SGB II in der Fassung vom 21. März 2005 in voller Höhe weiter zu zahlen. Nach dieser Vorschrift erbringen die Träger der Leistungen nach dem SGB II die bisherigen Leistungen als Vorschuss auf die Leistungen der Rentenversicherung weiter, wenn ein Bezieher von Arbeitslosengeld II dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld bei medizinischen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung hat. Diese Vorschrift bezweckt, hinsichtlich der Geldleistungen einen Trägerwechsel zu vermeiden. Sie soll also zum einen den damit verbundenen Verwaltungsaufwand verhindern und zum anderen auch den Beziehern von Arbeitslosengeld II die Unzuträglichkeiten ersparen, die sich aus einem Wechsel des zuständigen Sozialleistungsträgers ergeben. Über die Höhe der von dem Träger der Leistungen nach dem SGB II zu zahlenden, jedoch als Vorschuss auf das Übergangsgeld anzurechnenden Leistungen, trifft § 25 SGB II hingegen keine Regelung. Insoweit bleibt es bei der Anwendung der einschlägigen Vorschriften des SGB II zur Feststellung der Höhe des Leistungsanspruches und damit auch bei der Anwendbarkeit der Regelungen zur Einkommensanrechnung nach § 11 SGB II.

Die Kostenentscheidung beruht auf§§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich. Streitig sind hier laufende Leistungen über einen Bewilligungszeitraum von 1 Monat mit einem Gesamtwert von 80,50 Euro. Die Berufung bedarf bei dieser Sachlage nach Auffassung der Kammer gemäß § 144 SGG der Zulassung, weil die Beschwer weder 500,00 Euro überschreitet (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) noch laufende Leistungen für mehr als 1 Jahr im Streit stehen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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