L 3 U 340/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 2403/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 340/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die bloße Absicht, auf einer forstwirtschaftlichen Fläche keine forstwirtschaftlichen Tätigkeiten zu entfalten, ändert an deren Eigenschaft als solcher jedenfalls solange nichts, wie dort forstwirtschaftliche Pflanzen wachsen. Sie entzieht der auf tatsächliche und rechtliche Kritierien gestützten Vermutung einer forstwirtschaftlichen Nutzung nicht ihre Grundlage (Anschluss an BSG, Urteil vom 23.01.2018 - B 2 U 10/16 R -).
2. Der Zuständigkeitsbescheid nach § 136 SGB VII hat lediglich deklaratorische Bedeutung. Er vollzieht die materielle Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers formell und stellt sie bindend fest (Anschluss an BSG, Urteil vom 23.01.2018 - B 2 U 4/16 R -).
3. Die fehlende Bekanntgabe eines Zuständigkeitsbescheides steht der Inanspruchnahme zur Zahlung der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung nicht entgegen.
4. Die Beitragspflicht zur gesetzlichen Unfallversicherung verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG, da ihr keine erdrosselnde oder konfiskatorische Wirkung zukommt (Anschluss an BSG, Urteil vom 07.12.2004 - B 2 U 43/03 R -). Sie ist eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (Anschluss an LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.08.2003 - L 3 U 102/02 -).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.12.2018 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind die Pflicht des Klägers zur Beitragsleistung, seine Inanspruchnahme als Gesamtschuldner für die Beiträge sowie die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung in den Jahren 2007 bis 2011 und 2016 bis 2017 streitig.

Der Kläger war zunächst zusammen mit A. und H. jeweils zu einem Drittel Miteigentümer des Flurstücks F1 in der Gemarkung R. Das Grundstück hat eine Gesamtflächengröße von 1,1408 Hektar, davon 0,8558 Hektar Wald und 0,2850 Hektar Unland. Laut Bescheid über die Zurechnungsfortschreibung des Finanzamts J. vom 02.01.2018 ist zwischenzeitlich nach dem Versterben des H. dessen Miteigentumsanteil auf die Erbengemeinschaft B., R. und An. übergegangen. Den Miteigentumsanteil des A. hält inzwischen C.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft M., stellte durch an H. gerichteten Bescheid vom 22.06.2012 den Beginn ihrer Zuständigkeit für die P. Besitzgemeinschaft an dem oben genannten Flurstück fest. Sie führte aus, im Interesse einer kostensparenden Verwaltungspraxis künftig den Schriftverkehr mit H. zu führen und ihn im Wege einer gesamtschuldnerischen Haftung zur Beitragszahlung heranzuziehen.

Durch zwei weitere Bescheide vom 22.06.2012 forderte die Rechtsvorgängerin der Beklagten Beiträge für die Geschäftsjahre 2007 bis 2009 (41,65 EUR, 41,60 EUR und 41,51 EUR) und für die Jahre 2010 bis 2011 (47,02 EUR und 45,37 EUR) nach. Diese Beitragsschulden in Höhe von insgesamt 217,15 EUR beglich H.

Gegen die Bescheide vom 22.06.2012 erhob der Kläger Widersprüche. Er machte geltend, er führe kein forstwirtschaftliches Unternehmen. Die Waldfläche könne wegen ihrer geringen Größe nicht wirtschaftlich genutzt werden und sei zur Verwilderung bestimmt. Durch Widerspruchsbescheid vom 25.06.2013 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Die gesetzliche landwirtschaftliche Unfallversicherung umfasse auch Unternehmen der Forstwirtschaft. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei für das Vorliegen eines forstwirtschaftlichen Unternehmens eine Gewinnerzielungsabsicht nicht Voraussetzung. Ein forstwirtschaftliches Unternehmen im Sinne des Unfallversicherungsrechts sei jedes Unternehmen, das der Gewinnung von Holz zu dienen bestimmt oder nach seiner Beschaffenheit zu dienen in der Lage sei und nach den gesetzlichen Vorschriften forstwirtschaftlich bearbeitet werden müsse. Nach Sinn und Zweck der landwirtschaftlichen Unfallversicherung sei entscheidend, dass entweder konkrete forstwirtschaftliche Arbeiten durch den Eigentümer des Grundstücks selbst oder von Dritten verrichtet würden oder aber bei im Einzelfall nicht feststellbaren Tätigkeiten aufgrund der dem Waldbesitzer durch die Waldgesetze auferlegten Bewirtschaftungspflichten solche Tätigkeiten und damit die Eigenschaft als forstwirtschaftlicher Unternehmer vermutet würden. Die bloße Absicht, auf einer bestimmten forstwirtschaftlichen Fläche keine forstwirtschaftliche Tätigkeit zu entfalten, ändere an deren Eigenschaft jedenfalls so lange nichts, wie dort forstwirtschaftliche Pflanzen wüchsen. Als Miteigentümer träfen den Kläger waldrechtliche Pflichten im Hinblick auf die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Waldes. Demnach seien alle Waldbesitzer grundsätzlich der zuständigen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft zugehörig. Diese Zugehörigkeit trete kraft Gesetzes ein. Die im Widerspruchsverfahren vorgenommene Überprüfung der angefochtenen Beitragsbescheide habe hinsichtlich der zu Grunde gelegten Betriebsdaten und der Bemessung der Beitragshöhe keine Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit ergeben.

Am 29.07.2013 hat der Kläger deswegen unter dem Aktenzeichen S 15 U 2624/13 (nach Ruhen des Verfahrens zunächst unter dem Aktenzeichen S 15 U 1524/14 und nach weiterem Ruhen unter dem Aktenzeichen S 15 U 2403/16 fortgeführt) Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben.

Die Beklagte machte im Weiteren durch Bescheid vom 17.04.2014 Beiträge in Höhe von 56,24 EUR für das Jahr 2013 und durch Bescheid vom 03.12.2014 einen Beitragsvorschuss in Höhe von 44,99 EUR für das Jahr 2014 geltend. Durch weiteren Bescheid vom 24.08.2015 setzte die Beklagte den Beitrag für das Jahr 2014 in Höhe von 77,05 EUR fest und forderte für das Jahr 2015 einen Beitragsvorschuss in Höhe von 61,64 EUR. Die Bescheide waren jeweils an H. gerichtet. Diese Beiträge bzw. Beitragsvorschüsse erbrachte H.

Am 18.04.2016 teilte H. der Beklagten mit, der Kläger würde seinen Beitragsanteil nicht an ihn leisten. Ein deshalb von H. gegen den Kläger geführtes zivilgerichtliches Verfahren hatte keinen Erfolg. In dem klageabweisenden Urteil vom 12.05.2016 führte das Amtsgericht (AG) Jena (28 C 822/13) aus, H. habe für die Jahre 2007 bis 2011 keinen Ausgleichsanspruch gegen den Kläger, weil er gegenüber der Beklagten nicht zur Beitragsleistung verpflichtet gewesen sei. Der Kläger habe substantiiert und ausreichend bestritten, das Waldgrundstück als forstwirtschaftliches Unternehmen genutzt zu haben.

Mit Schreiben vom 13.07.2016 teilte die Beklagte H. mit, sie halte das Urteil des AG Jena für unzutreffend. In Anbetracht dieses Urteils sei es aber unbillig, weiterhin H. als Gesamtschuldner zur Beitragszahlung für die Besitzgemeinschaft P. heranzuziehen. Sie beabsichtige deshalb, ab dem Jahr 2016 die Beiträge im Wege der gesamtschuldnerischen Haftung gegenüber dem Kläger geltend zu machen.

Für das Jahr 2015 forderte die Beklagte durch Bescheid vom 24.08.2016 von H. Beiträge in Höhe von 18,25 EUR unter Berücksichtigung des bereits geleisteten Beitragsvorschusses in Höhe von 61,64 EUR.

Nach Anhörung des Klägers vom 21.09.2016 führte die Beklagte gegenüber dem Kläger durch Bescheid vom 27.09.2016 aus, ihn künftig als Mitteilungsempfänger der P. Besitzgemeinschaft zu führen und die Beiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung künftig von ihm als Gesamtschuldner zu fordern. Nach § 65 Abs. 1 Satz 2 ihrer Satzung würden Mitunternehmer für die Beiträge als Gesamtschuldner (§ 421 BGB) haften. Schuldeten demnach mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet sei, könne der Gläubiger die Schuld nach seinem pflichtgemäßen Ermessen von jedem Schuldner ganz fordern. Sie habe den Kläger als Mitteilungsempfänger und Gesamtschuldner ausgewählt, weil er mit den Beitragsangelegenheiten vertraut sei und der bisherige Mitteilungsempfänger und Gesamtschuldner H. ausweislich des Urteils des AG Jena seinen internen Ausgleichsanspruch nicht gegenüber dem Kläger habe durchsetzen können. Mit weiterem Bescheid vom 27.09.2016 forderte die Beklagte vom Kläger für das Jahr 2016 einen Beitragsvorschuss in Höhe von 63,90 EUR.

Die gegen die Bescheide vom 27.09.2016 vom Kläger erhobenen Widersprüche, mit denen der Kläger wiederum den Betrieb eines forstwirtschaftlichen Unternehmens bestritt, auf das Urteil des AG Jena verwies und ausführte, wenn er auf dem Grundstück wegen einer Weisung der Thüringer Forstbehörde tätig werden müsse, werde er ein "sach- & fachkundiges Lohn-Forst-Unternehmen" beauftragen, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 08.11.2016 zurück. Hinsichtlich der Beitragspflicht des Klägers zur gesetzlichen Unfallversicherung verwies die Beklagte auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 25.06.2013. Wegen der gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme des Klägers für die Beitragsschulden berief sich die Beklagte auf ihre Satzung. Die Haftung als Gesamtschuldner verhindere eine Aufsplittung der Vielzahl der bei der Beklagten erfassten Eigentümergemeinschaften und eine entsprechende anteilige Beitragserhebung. Infolge einer Aufsplittung würde der zum Beitragseinzug erforderliche Aufwand massiv steigen und damit zu einer Kostensteigerung führen. Als Mitteilungsempfänger und Gesamtschuldner sei der Kläger ausgewählt worden, weil er mit den Beitragsangelegenheiten vertraut und bisher dem internen Ausgleichsanspruch als Gesamtschuldner nicht wie der weitere Miteigentümer nachgekommen sei.

Deswegen hat der Kläger am 28.11.2016 Klage zum SG Karlsruhe (S 15 U 4059/16) erhoben.

Durch den an den Kläger gerichteten Bescheid vom 01.08.2017 setzte die Beklagte für das Jahr 2016 den Beitrag in Höhe von 83,32 EUR fest und forderte abzüglich des bereits geleisteten Vorschusses von 63,90 EUR weitere 19,42 EUR. Darüber hinaus forderte die Beklagte für das Jahr 2017 einen Beitragsvorschuss in Höhe von 66,66 EUR.

Den aus den bereits vorgenannten Erwägungen vom Kläger erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 13.09.2017 unter Bekräftigung ihrer bisherigen Ausführungen zurück.

Die deshalb vom Kläger am 25.09.2017 zum SG Altenburg erhobene Klage hat das SG Altenburg unter Erklärung seiner örtlichen Unzuständigkeit durch Beschluss vom 01.12.2017 (S 3 U 2342/17) an das SG Karlsruhe (S 8 U 132/18) verwiesen.

Für das Jahr 2017 forderte die Beklagte mit an den Kläger gerichteten Bescheid vom 30.07.2018 unter Berücksichtigung des bereits geforderten Vorschusses in Höhe von 66,66 EUR noch einen Beitrag in Höhe von 26,43 EUR.

Der Widerspruch des Klägers hatte wiederum keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 30.08.2018).

Hiergegen hat der Kläger am 17.09.2018 Klage zum SG Karlsruhe erhoben (S 1 U 2943/18).

Das SG Karlsruhe hat durch Beschluss vom 30.04.2018 die Verfahren S 15 U 4059/16 und S 8 U 132/18 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 15 U 4059/16 verbunden. Durch weiteren Beschluss vom 31.10.2018 hat das SG Karlsruhe die Verfahren S 15 U 2403/16, S 15 U 4059/16 und S 1 U 2943/18 unter dem Aktenzeichen S 15 U 2403/16 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Durch Beschluss vom 06.11.2018 (S 15 U 2403/16) hat das SG Karlsruhe die zwischenzeitlich weiteren Miteigentümer des Flurstücks F1 der Gemarkung R. zum Verfahren beigeladen.

Der Kläger hat in den erstinstanzlichen Verfahren die Aufhebung der Bescheide vom 22.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2013, der Bescheide vom 27.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2016, des Bescheides vom 01.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2017 und des Bescheides vom 30.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2018 verfolgt. Zur Begründung seiner Klagen hat er seine Ausführungen aus den Widerspruchsverfahren bekräftigt und nochmals betont, falls er aufgrund einer behördlichen Weisung auf dem Waldgrundstück tätig werden müsse, beauftrage er ein entsprechendes Unternehmen. Ergänzend hat der Kläger ausgeführt, die von der Beklagten herangezogene, sich aus der Rechtsprechung des BSG ergebende Vermutungsreglung für eine forstwirtschaftliche Nutzung finde im Gesetz keine Stütze. Im Weiteren seien die Beitragsforderungen für die Jahre 2007 und 2008 verjährt. Auch sei die Ermittlung der Beitragshöhe nicht nachvollziehbar. Die Nettobeiträge differierten jährlich, wogegen der Bruttobeitrag gleichbleibend sei. Zuletzt hat der Kläger auf das Urteil des SG Karlsruhe vom 09.04.2014 (S 15 U 2643/13) verwiesen, mit dem das SG Karlsruhe bezüglich eines weiteren in seinem Eigentum stehenden Waldgrundstücks seine Beitragspflicht zur gesetzlichen Unfallversicherung verneint hat. Auch das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 14.06.2017 (L 21 U 161/15) stütze sein Klagebegehren.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klagen beantragt. Sie hat ihre Ausführungen aus den Widerspruchsbescheiden bekräftigt und ausgeführt, die Beitragsforderungen für die Jahre 2007 und 2008 seien nicht verjährt. Hinsichtlich der Berechnung der Beiträge hat die Beklagte auf ihre diesbezüglichen Erläuterungen in den Beitragsbescheiden verwiesen. Das LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 09.07.2015 – L 10 U 2233/14 –) habe das Urteil des SG Karlsruhe vom 09.04.2014 (S 15 U 2643/13) aufgehoben. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers sei vom BSG als unzulässig verworfen worden (Beschluss vom 21.01.2016 – B 2 U 178/15 B –).

Die Beigeladenen haben sich im erstinstanzlichen Verfahren nicht geäußert.

Durch Urteil vom 17.12.2018 hat das SG Karlsruhe die Klagen abgewiesen. Nach Ansicht des SG Karlsruhe haben bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Klage hinsichtlich der Beiträge für die Jahre 2007 bis 2011 bestanden, weil H. diese Beiträge bereits vollständig erbracht und das AG Jena die gegen den Kläger gerichtete Klage auf Innenausgleich im Gesamtschuldverhältnis abgewiesen habe. Jedenfalls seien die Klagen unbegründet, weil der Kläger die grundsätzliche Vermutung für eine forstwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks nicht widerlegt habe. Die bloße Absicht des Klägers, keine forstwirtschaftliche Nutzung vorzunehmen, sei nicht ausreichend. Ermessensfehlerfrei habe die Beklagte den Kläger als Gesamtschuldner in Anspruch genommen. Auch der Höhe nach seien die Beitragsbescheide nicht zu beanstanden.

Gegen das Urteil des SG Karlsruhe hat der Kläger am 28.01.2019 Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt.

Zur Berufungsbegründung führt der Kläger aus, das Waldgrundstück wirtschaftlich nicht zu nutzen. Das Thüringer Waldgesetz räume ihm die Möglichkeit ein, den forsttechnischen Betrieb im Bedarfsfall gegen Gebühren auf die Landesforstanstalt zu übertragen. Darüber hinaus sei die Bewirtschaftung des Grundstücks wegen seiner Lage im Landschaftsschutzgebiet "Mittleres Saaletal zwischen Göschwitz und Camburg" erschwert.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.12.2018 sowie die Bescheide vom 22.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2013, die Bescheide vom 27.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2016, den Bescheid vom 01.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2017 und den Bescheid vom 30.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verweist auf das erstinstanzliche Urteil.

Die Beigeladenen haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Zur weiteren Darstellung der Sach- und Rechtslage wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte, nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerechte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die Bescheide vom 22.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2013, die Bescheide vom 27.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2016, der Bescheid vom 01.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2017 und der Bescheid vom 30.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2018. Der Kläger begehrt mit den erhobenen Anfechtungsklagen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG die Aufhebung dieser Bescheide.

Im Ergebnis hat das SG Karlsruhe die Klagen zu Recht abgewiesen. Die vom Kläger erhobenen Anfechtungsklagen sind teils unzulässig (hierzu unter 1.) und im Übrigen unbegründet (hierzu unter 2.).

1. Soweit sich die Anfechtungsklagen gegen die Beitragsforderungen für die Jahre 2007 bis 2011 richten, sind sie bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis ist das berechtigte Interesse des Klägers, mittels eines gerichtlichen Verfahrens Rechtsschutz zu erlangen. Es fehlt, wenn eine Klage selbst im Falle ihres Erfolgs für den Kläger keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 8 SO 24/10 R – juris, Rn. 10; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, Vorb. zu § 51, Rn. 16a). Die Beiträge für die Jahre 2007 bis 2011 hat H. als Gesamtschuldner bereits vollständig an die Beklagte geleistet. Er kann zwar grundsätzlich vom Kläger den auf ihn entfallenden Beitrag im Innenausgleich verlangen (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des AG Jena vom 12.05.2016 (28 C 822/13) steht H. dieser Ausgleichsanspruch in den Jahren 2007 bis 2011 gegenüber dem Kläger jedoch nicht zu. Mithin kann der Kläger durch die Aufhebung der für die Jahre 2007 bis 2011 ergangenen Beitragsbescheide seine Situation weder rechtlich noch wirtschaftlich verbessern.

2. Im Übrigen sind die Klagen, soweit sie sich gegen die Beitragspflicht des Klägers, gegen seine Inanspruchnahme als Gesamtschuldner und gegen die Beitragsforderungen für die Jahre 2016 und 2017 richten, unbegründet.

a) Die Beklagte hat zu Recht durch Bescheid vom 22.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2013 ihre Zuständigkeit für das Flurstücks F1 der Gemarkung R. festgestellt.

aa) Der Bescheid vom 22.06.2012 war nicht an den Kläger, sondern an H. gerichtet. Er ist dem Kläger auch nicht nach § 37 SGB X bekanntgegeben worden. Eine Bevollmächtigung des H. für den Kläger hat ebenso nicht bestanden. Der Kläger ist aber gleichwohl durch diesen Bescheid beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), weil die Beklagte im Bescheid ausführt, dass der/die Miteigentümer des Grundstücks verpflichtet seien, H. den/die seinem/ihren Anteil entsprechenden Betrag zu erstatten. Insofern steht dem Kläger, auch wenn er nicht Adressat des Bescheides war, ein Anfechtungsrecht zu.

bb) Die Beklagte hat durch Bescheid vom 22.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2013 zutreffend ihre Zuständigkeit für das Flurstück F1 der Gemarkung R. festgestellt.

Der Versicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung kraft Gesetzes unterliegen nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a SGB VII unter anderem "Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens". Beitragspflichtig sind demnach Unternehmer, die nach dieser Vorschrift versichert sind oder die versicherte Arbeitskräfte beschäftigen (§ 150 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Der Begriff des landwirtschaftlichen Unternehmens erfährt in § 123 Abs. 1 SGB VII eine Legaldefinition; er umfasst nach Nr. 1 der genannten Vorschrift unter anderem Unternehmen der Forstwirtschaft. Nach der Rechtsprechung des BSG setzt die Annahme eines Unternehmens der Forstwirtschaft voraus, dass der Inhaber des Unternehmens über Grund und Boden verfügt, der zum Zwecke der Gewinnung von Forsterzeugnissen bearbeitet wird (vgl. BSG, Urteil vom 07.12.2004 – B 2 U 43/03 R – juris, Rn. 18). Eine bestimmte Mindestgröße der forstwirtschaftlich genutzten Waldfläche ist zur Begründung der Unternehmenseigenschaft nicht erforderlich, wie sich im Umkehrschluss aus der in § 5 Satz 1 SGB VII geregelten (bis zu einer Größe von 0,25 Hektar) und hier nicht einschlägigen Möglichkeit einer Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag ergibt. Die Heranziehung als forstwirtschaftlicher Unternehmer setzt auch nicht voraus, dass die Bewirtschaftung der Waldflächen ein bestimmtes Mindestmaß an Arbeitsaufwand erfordert. Mit der Schaffung der Befreiungsmöglichkeit in § 5 SGB VII und der Präzisierung des Begriffs "Kleingarten" in § 123 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII – der hier gleichermaßen nicht erfüllt ist (§ 1 Abs. 1 Bundeskleingartengesetz [BKleingG]) – hat der Gesetzgeber nunmehr selbst klargestellt, wo bei landwirtschaftlichen Kleinstbetrieben die Grenze der Versicherungspflicht verlaufen soll (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 19).

Die Bearbeitung und Bewirtschaftung von Waldflächen kann entsprechend der Eigenart der Forstwirtschaft auf verschiedene Weisen erfolgen. Während die sogenannte Nachhaltsunternehmen jedes Jahr schlagreifes Holz ernten, geschieht dies bei den sogenannten aussetzenden Unternehmen nur in mehrjährigen Zwischenräumen, wobei sich die Zeiten ohne Anbau und Einschlag von Holz über Jahrzehnte hinziehen können. Demnach unterscheiden sich forstwirtschaftliche Unternehmen, zumindest über längere Zeiträume betrachtet, in ihrem äußeren Erscheinungsbild stark. Gemeinsam ist ihnen lediglich der Bestand von Flächen, auf denen Bäume wachsen beziehungsweise nachwachsen. Konkrete Bewirtschaftungsmaßnahmen (etwa Planzungen oder Fällungen) gehören dagegen nicht zum notwendigen Erscheinungsbild eines forstwirtschaftlichen Unternehmens (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 20).

Wegen der die Forstwirtschaft prägenden langen Bewirtschaftungszeiträume besteht nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 21; BSG, Urteil vom 28.09.1999 – B 2 U 40/98 R ¬– juris, Rn. 19; BSG, Urteil vom 23.01.2018 – B 2 U 7/16 R – juris, Rn. 14) die – widerlegbare – Vermutung, dass bei bestehenden Nutzungsrechten an forstwirtschaftlichen Flächen auch bei im Einzelfall fehlenden konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen eine forstwirtschaftliche Tätigkeit und damit die Eigenschaft des Nutzungsberechtigten als forstwirtschaftlicher Unternehmer gegeben ist. Solange auf den in Rede stehenden Flächen Bäume wachsen oder nachwachsen, kann von einem "Brachliegenlassen" nicht gesprochen werden, auch wenn über einen langen Zeitraum keine Pflege- oder Erhaltungsmaßnahmen vorgenommen werden. Um die Vermutung der Eigenschaft des Nutzungsberechtigten als forstwirtschaftlicher Unternehmer zu widerlegen, reicht es deshalb nicht aus, wenn behauptet wird, die betreffende Forstfläche werde, gleich aus welchen Gründen, nicht bewirtschaftet.

Der Vermutung der forstwirtschaftlichen Nutzung steht nicht entgegen, dass das Grundstück wegen seiner Größe, Lage, Bodenbeschaffenheit oder aus anderen Gründen für eine wirtschaftlich sinnvolle forstliche Nutzung nicht geeignet ist. Für das Vorliegen eines zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung beitragspflichtigen Unternehmens wird eine Gewinnerzielungsabsicht nicht vorausgesetzt (vgl. BSG, Urteil vom 07.12.2004 – B 2 U 43/03 R – juris, Rn. 21).

Orientiert an dieser Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, hat der Kläger die Vermutung einer forstwirtschaftlichen Nutzung des Flurstücks F1 der Gemarkung R. nicht widerlegt.

Soweit der Kläger vorbringt, für die Vermutung einer fortwirtschaftlichen Nutzung ergebe sich aus dem Gesetz keine Grundlage, verkennt er, dass im Wege der Auslegung des Begriffs "Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens" in § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a SGB VII die Gerichte befugt sind, Vermutungsregelungen aufzustellen. Die Anwendung und Auslegung der Gesetze durch die Gerichte stehen mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) im Einklang, wenn sie sich in den Grenzen vertretbarer Auslegung und zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung bewegen (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss vom 26.11.2018 – 1 BvR 318/17, 1 BvR 1474/47, 1 BvR 2207/17 – juris, Rn. 29). Für eine Überschreitung dieser Grenzen ergeben sich vorliegend keine Anhaltspunkte.

Der Kläger hat zur Widerlegung der Vermutung lediglich vorgetragen, eine forstwirtschaftliche Nutzung nicht zu beabsichtigen. Selbst wenn der Kläger aber den Entschluss gefasst hat, auf Lebenszeit die gesamte Waldfläche wirtschaftlich nicht zu nutzen, reicht dieser bloße Entschluss zur Widerlegung der Vermutung nicht aus. Die bloße Absicht, auf einer bestimmten forstwirtschaftlichen Fläche keine forstwirtschaftliche Tätigkeit zu entfalten, ändert an deren Eigenschaft als solcher jedenfalls solange nichts, wie dort forstwirtschaftliche Pflanzen wachsen. Sie entzieht der auf tatsächliche und rechtliche Kriterien gestützten Vermutung nicht ihre Grundlagen. Insbesondere in rechtlicher Hinsicht ändert sich dadurch an der Verpflichtung des Klägers aus den §§ 18, 19 Thüringer Waldgesetz (ThürWaldG) als Waldbesitzer, den Wald jedenfalls in gewissem Umfang zu bewirtschaften, nichts (vgl. BSG, Urteil vom 23.01.2018 – B 2 U 10/16 R – juris, Rn. 22). Der Kläger hat zwar insofern ausgeführt, zur Erfüllung seiner Pflichten nach dem ThürWaldG ein "sach- & fachkundiges Lohn-Forst-Unternehmen" zu beauftragen und dass ihm das ThürWaldG die Möglichkeit einräume, den forsttechnischen Betrieb im Bedarfsfall gegen Gebühren auf die Landesforstanstalt zu übertragen. Dies ist jedoch unerheblich und führt deshalb nicht zur Widerlegung der Vermutung. Denn trotz der Ausführung der Arbeiten durch ein beauftragtes Unternehmen bleibt der Kläger Adressat der sich aus dem ThürWaldG ergebenden Pflichten. Ihm verbleibt die maßgebliche Entscheidungsbefugnis über die Beauftragung des Unternehmens und die Berechtigung, dem beauftragten Unternehmen Vorgaben über die Ausführung zu machen. Auch hat er die Kosten der Ausführung durch einen Dritten zu tragen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.12.2008 – L 3 U 107/16 – juris, Rn. 53).

Das SG Karlsruhe hat zutreffend ausgeführt, dass sich aus dem vom Kläger genannten Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 14.06.2017 (L 21 U 161/15) keine abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage ergibt. In dem vom LSG Berlin-Brandenburg entschiedenen Verfahren hat der dortige Kläger nicht lediglich – wie der Kläger im vorliegenden Verfahren – vorgebracht, eine Bewirtschaftung des Waldgrundstücks nicht vornehmen zu wollen, sondern entsprechende Belege vorgelegt (Schreiben des Jagdleiters der D. Jagdgemeinschaft und der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein), aus denen sich eine anderweitige Nutzung des Grundstücks als zu forstwirtschaftlichen Zwecken ergeben hat.

Das Urteil des SG Karlsruhe vom 09.04.2014 – S 15 U 2643/13 –, auf das sich der Kläger im Weiteren stützt, hat das LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 09.07.2015 – L 10 U 2233/14 –) aufgehoben. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat das BSG als unzulässig verworfen (Beschluss vom 21.01.2016 – B 2 U 178/15 B –).

Soweit der Kläger zuletzt im Berufungsverfahren auf die Lage des streitgegenständlichen Flurstücks im Landschaftsschutzgebiet "Mittleres Saaletal zwischen Göschwitz und Camburg" hingewiesen hat, ergibt sich auch hieraus keine abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Denn der Kläger hat insofern lediglich geltend gemacht, die wirtschaftliche Nutzung sei aufgrund dieser Lage erschwert. Wie bereits ausgeführt, steht der Vermutung der forstwirtschaftlichen Nutzung aber nicht entgegen, dass das Grundstück wegen seiner Größe, Lage, Bodenbeschaffenheit oder aus anderen Gründen für eine wirtschaftlich sinnvolle forstliche Nutzung nicht geeignet ist. Für das Vorliegen eines zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung beitragspflichtigen Unternehmens wird eine Gewinnerzielungsabsicht nicht vorausgesetzt (vgl. BSG, Urteil vom 07.12.2004 – B 2 U 43/03 R – juris, Rn. 21).

Grundrechte des Klägers werden durch die Beitragspflicht nicht verletzt. Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG liegt nicht vor, weil der Beitragspflicht keine erdrosselnde oder konfiskatorische Wirkung zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 07.12.2004 – B 2 U 43/03 R – ¬juris, Rn. 35; LSG Hamburg, Urteil vom 10.10.2018 – L 2 U 48/16 – juris, Rn. 24). Die Beitragspflicht ist eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie ist durch eine legitime sozialpolitische Zielsetzung, nämlich die Pflichtversicherung aller bewirtschafteten beziehungsweise zu bewirtschaftenden Waldgrundstücke begründet (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.08.2003 ¬– L 3 U 102/02 – juris, Rn. 33). Die aus den §§ 18, 19 ThürWaldG dem Kläger als Waldbesitzer obliegende Pflicht, seinen Wald jedenfalls in gewissem Umfang zu bewirtschaften, die seine Unternehmereigenschaft mitbegründet, verstößt ebenso nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Sie ist eine aus der Allgemeinwohlbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) folgende zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums.

b) Zu Recht hat die Beklagte auch den Kläger, nachdem sie zunächst H. als Gesamtschuldner in Anspruch genommen hatte, durch Bescheid vom 27.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2016 als Gesamtschuldner für die Beiträge in Anspruch genommen.

aa) Die Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme der Eigentümer des streitgegenständlichen Flurstücks als Gesamtschuldner ergibt sich aus § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in Verbindung mit § 65 Abs. 1 Satz 2 der Satzung der Beklagten. Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet ist, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger nach § 421 Satz 1 BGB die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Die Entscheidung des Unfallversicherungsträgers, ob und gegebenenfalls welchen Gesamtschuldner er in welcher Höhe in Haftung nimmt, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Der Gesamtschuldnerschaft im öffentlichen Recht ist die Ermessenseinräumung begrifflich immanent (vgl. BSG, Urteil vom 30.03.2017 – B 2 U 10/15 R – juris, Rn. 15).

Sind Sozialleistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch (§ 39 Abs. 1 SGB I).

Für einen Verstoß gegen die vorgenannten Grundsätze durch die Beklagte ergeben sich keine Anhaltspunkte. Die Beklagte hat nachvollziehbar im Bescheid vom 27.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2016 ihre zutreffenden Ermessenserwägungen für die Inanspruchnahme des Klägers als Gesamtschuldner dargelegt. Der Kläger war zweifelsfrei Miteigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks, er war mit dem Beitragsverfahren vertraut und der bisher als Gesamtschuldner in Anspruch genommene H. konnte seinen internen Ausgleichsanspruch gegen den Kläger nicht durchsetzen. Zwar hält der Senat das Urteil des AG Jena vom 12.05.2016 (28 C 822/13) im Verfahren des H. gegen den Kläger auf Ausgleich wegen der gesamtschuldnerischen Beitragshaftung, wonach der Kläger gegenüber der Beklagten nicht zur Beitragsleistung verpflichtet sei, aus den unter 2. a) bb) dargelegten Gründen für unzutreffend. Gleichwohl regelt es, nachdem es in Rechtskraft erwachsen ist, die Rechtsbeziehungen zwischen den Gesamtschuldnern im Hinblick auf den Ausgleichsanspruch für die Beitragsjahre 2007 bis 2011 abschließend. Nachdem der weitere Miteigentümer des Grundstücks den Ausgleichsanspruch des H. bislang erfüllt hatte, durfte die Beklagte es als billig ansehen, zukünftig den Kläger als Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen.

bb) Die mangelnde Bekanntgabe des Zuständigkeitsbescheides vom 22.06.2012 nach § 37 SGB X steht der Inanspruchnahme des Klägers als Gesamtschuldner nicht entgegen. Der Zustänigkeitsbescheid hat lediglich deklaratorische Bedeutung. Als deklaratorischer Verwaltungsakt vollzieht er die materielle Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers formell und stellt sie bindend fest (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1971 – 7/2 RU 74/68 – juris, Rn. 11; BSG, Urteil vom 23.01.2018 – B 2 U 4/16 R – juris, Rn. 12; Feddern in: Kasseler Kommentar, Stand: 107. EL Dezember 2019, § 136 SGB VII, Rn. 2; Bigge in: Eichenhofer/v. Koppenfels-Spies/Wenner, SGB VII, 2. Aufl. 2019, § 136, Rn. 5). Die Beitragspflicht des Klägers ergibt sich aus dem Gesetz und besteht deshalb unabhängig von ihrer Feststellung durch Verwaltungsakt mit Beginn der Unternehmereigenschaft. Demnach wäre die Beklagte auch bereits ab diesem Zeitpunkt für einen Arbeitsunfall entschädigungspflichtig, selbst wenn zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls noch kein Zuständigkeitsbescheid ergangen gewesen wäre.

c) Die Klagen sind auch insoweit unbegründet, als sie sich gegen die Beitragsbescheide (Bescheide vom 22.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2013, Bescheid vom 27.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2016, Bescheid vom 01.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2017 und Bescheid vom 30.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2018) richten.

Die Rechtsgrundlage für die Beitragsbescheide ergibt sich aus § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB VII in Verbindung mit §§ 182, 183 SGB VII. Die Beitragsvorschussbescheide stützen sich auf § 164 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit §§ 182, 183 Abs. 5a Satz 1 SGB VII.

Die fehlende Bekanntgabe des Zuständigkeitsbescheids vom 20.06.2012 gegenüber dem Kläger (vgl. hierzu unter 2. a) aa)) ist aufgrund dessen rein deklaratorischer Wirkung (vgl. hierzu unter 2. b) bb)) unerheblich. Wie bereits ausgeführt, ergibt sich aus den gesetzlichen Vorgaben (§§ 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a, 150 Abs. 1 Satz 2 SGB VII in Verbindung mit § 123 Abs. 1 SGB VII) die grundsätzliche Beitragspflicht des Klägers.

Konkrete Einwände gegen die Höhe der geforderten Beiträge hat der Kläger nicht vorgebracht. Er hat im erstinstanzlichen Verfahren lediglich die unterschiedliche Höhe der Jahresbeiträge gerügt. Die unterschiedliche Höhe der Jahresbeiträge ist jedoch bereits durch die jährlich variierende Höhe der Hebesätze (vgl. Seite 2 des Bescheides vom 22.06.2012) zu erklären.

Auch für den Senat sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die auf eine zum Nachteil des Klägers unzutreffende Höhe der streitgegenständlichen Beitragsforderungen und Beitragsvorschussforderungen schließen ließen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die sich aus § 182 SGB VII ergebenden Berechnungsgrundlagen (Umlagesoll, Flächenwert, Arbeitsbedarf, Arbeitswert) oder die sich aus ihrer Satzung ergebenden Berechnungsgrundlagen (§ 182 Abs. 2 Satz 4 SGB VII) unzutreffend angewandt hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Der Kläger gehört im vorliegenden Rechtstreit nicht zu den in § 183 SGG genannten kostenprivilegierten Personen. Mit seiner Klage verfolgt er gegenüber der Beklagten keine Rechte als Versicherter auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern wendet sich gegen die grundsätzliche Feststellung der Beitragspflicht sowie die Erhebung von Beiträgen durch die Beklagte von ihm als Unternehmer (vgl. BSG, Beschluss vom 05.03.2008 – B 2 U 353/07 B – juris, Rn. 6).

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.
Rechtskraft
Aus
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