S 11 KR 88/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 11 KR 88/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 B 105/03 KR NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von 30,67 EURO aus Anlass und der Anschaffung eines Blutzuckermessgerätes zum Preis von 99,00 DM (50,62 EURO).

Die im Juli 1939 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Im Oktober 2000 kam es bei ihr zu einer Entgleisung ihrer Blutzuckerwerte, worauf sie sich in Behandlung von Dr. B in C begab. Dieser diagnostizierte unterschiedliche Blutzuckerwerte; am 05.10. 427mg/dL, am 06.10. 396 mg/dL und am 12.10. 251 mg/dL (Befundbericht Dr. B vom 13.11.2001).

Am 12.10.2000 ließ sie durch ihre Bekannten U und Q bei dem C Sanitärhaus G eine von Dr. B ausgestellte Verordnung über ein Blutzuckermessgerät und ein Blutdruckmessgerät vorlegen, die auf das Kassenrezept allerdings nur das Blutdruckmessgerät erhielten. Auf sofortige Nachfrage bei der Beklagten erhielten sie den Hinweis, dass vor Bereitstellung des Blutzuckermessgerätes noch eine augenärztliche Untersuchung zur Notwendigkeit des Hilfsmittels erforderlich sei. Ohne diese Untersuchung durchzuführen, kauften die Bekannten für die Klägerin noch am selben Tag das Blutzuckermessgerät zum Preis von 99,00 DM (Rechnung Firma G vom 12.10.2000).

Am 12.01.2001 beantragte sie unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung von Dr. B die Erstattung der Kosten für das selbstbestimmte Blutzuckermessgerät, was die Beklagte mit Bescheid vom 09.03.2001 ablehnte. Der hiergegen von der Klägerin am 20.03.2001 eingelegte Widerspruch wurde mit Hinweis auf die Heil- und Hilfsmittelrichtlinien mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2001 von der Beklagten abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 22.06.2001 vor dem Sozialgericht Detmold mit der Begründung Klage erhoben, das Blutzuckermessgerät sei medizinisch notwendig gewesen zur Einstellung ihres Blutzuckers. Aufgrund ihres kommunalpolitischen Engagements habe sie dieses Gerät benötigt. Im Übrigen habe auch ihr behandelnder Internist Dr. T ihr das Gerät verschreiben wollen. Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass eine Messung durch Teststreifen möglich gewesen sei. Ferner hat sie ärztliche Bescheinigungen ihres behandelnden Augenarztes Dr. U, C, vorgelegt, wonach die Klägerin unter "einer altersentsprechenden Presbyopie", die mit einer Brille korrigiert werde, leide und es zu Schwierigkeiten beim Ablesen der Blutzuckerteststreifen "kommen kann" (ärztliche Bescheinigungen vom 08.11.2002 und 20.01.2003).

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 09.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin aus Anlass der Beschaffung eines Blutzuckermessgerätes am 12.10.2000 noch 30,67 EURO zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie sich auf den Inhalt ihres angefochtenen Bescheides berufen und ferner ausgeführt, dass nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 03.11.1999 - B 3 KR 3/99 R - die Versorgung mit Hilfsmitteln für ehrenamtliche Tätigkeiten nicht den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung umfasse.

Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat das Gericht von Dr. B einen Befund- und Behandlungsbericht eingeholt, in dem dieser mitgeteilt hat, dass die Verordnung des Blutzuckermessgerätes "auf Wunsch" der Klägerin verordnet worden sei, im Übrigen habe die Klägerin ihren Blutzucker auch mittels Teststreifen im Urin selbst bestimmen können; Wegen des genauen Inhalts des eingeholten Befundberichts wird auf Bl. 35 f. der Gerichtsakte Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den der beigezogenen Kassenakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 09.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2001 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beschwert, da dieser nicht rechtswidrig ist. Zu Recht hat die Beklagte die Leistung eines Blutzuckermessgerätes als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung und einen Anspruch auf Kostenerstattung abgelehnt.

Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Kostenerstattung kommt nur § 13 Abs. 3 des Sozialgesetzesbuches V (SGB V) in Betracht. Danach sind einer Versicherten Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung zu erstatten, wenn sie dadurch entstanden sind, dass die Krankenkasse die unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Voraussetzung 1) oder die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Voraussetzung 2). Dabei muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründeten Umstand (bei Voraussetzung 1: Unvermögen zur rechtzeitigen Leistung; bei Voraussetzung 2: rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil der Versicherten (Kostenlast) ein Kausalzusammenhang stehen, ohne den die Bedingung des § 13 Abs., 3 SGB V für eine Ausnahme von Sachleistungsgrundsätzen nicht erfüllt ist. Das bedeutet einmal, dass die Krankenkasse nur für solche Leistungen aufzukommen hat, die sie auch bei rechtzeitiger bzw. ordnungsgemäßer Bereitstellung der geschuldeten Behandlung hätte gewähren müssen. Des weiteren bedeutet es, dass die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung, soweit diese nicht ausnahmsweise unaufschiebbar war, nur zu ersetzen sind, wenn die Krankenkasse die Leistungsgewährung vorher abgelehnt hatte; ein Kausalzusammenhang und damit eine Kostenerstattung fällt aus, wenn die Versicherte sich die streitige Behandlung außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges selbst beschafft, ohne sich vorher mit der Krankenkasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten (wie hier BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 15).

Bei Zugrundelegung dieser rechtlichen Kriterien ist für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch kein Raum. Ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 1. Voraussetzung SGB V als unaufschiebbare Leistung scheidet aus. Zu den unaufschiebbaren Leistungen zählen Notfälle im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V und andere dringende Bedarfslagen, wie z. B. Systemversagen oder Versorgungslücken. Ob eine Leistung unaufschiebbar ist oder nicht, beurteilt sich ausschließlich nach medizinischen Kriterien. Nach diesen Grundsätzen bestand am 12.10.2000 keine solche unaufschiebbare Bedarfslage. Zunächst waren die Blutzuckerwerte nach dem eingeholten Bericht von Dr. Aydin zu diesem Zeiptunkt mit 251 mg/dL nur noch grenzwertig pathologisch. Zudem ist anerkannt, dass durch die von der Beklagten nach § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V als Sachleistung bereitgestellte ärztliche Notversorgung eine solche unaufschiebbare Bedarfslage grundsätzlich ausschließt (dazu mit weiteren Hinweisen Krauskopf-Wagner, SozKV, § 13 SGB V Rd.-Nr. 24). Anhaltspunkte, dass am 12.10.2000 für die Klägerin eine solche ärztliche Notversorgung nicht bestand, hat diese noch nicht einmal vorgetragen und sind für die Kammer nicht ersichtlich. Tatsächlich dokumentiert die tatsächlich von der Beklagten als Sachleistung erbrachte Behandlung durch Dr. B in der Zeit der massiven Blutzuckerentgleisung ab dem 05.10.2000 genau das Gegenteil.

Auch die Voraussetzungen der 2. Voraussetzung des § 13 Abs. 3 SGB V (zu Unrecht abgelehnte Leistung) liegen nicht vor. Wie von der Klägerin selbst vorgetragen, hat die Beklagte ihr gegenüber am 12.10.2000 die Bereitstellung eines Blutzuckermessgerätes nicht abgelehnt, sondern von dem Ergebnis einer augenärztlichen Untersuchung abhängig gemacht. Dies ist auch sachgerecht, zumal Dr. B ausdrücklich dem Gericht gegenüber mitgeteilt hat, dass die Benutzung von sogenannten Teststreifen zur Blutzuckerbestimmung im Falle der Klägerin ausreichend gewesen sei. Soweit Dr. T in seinen Bescheinigungen vom 08.11.2000 und 20.01.2001 ohne nachvollziehbare medizinische Begründung die Benutzung eines digitalen Blutzuckermessgerätes "empfiehlt", bedeutet dies nur, dass die Beklagte zutreffend am 12.10.2000 davon ausgehen durfte, dass der medizinische Sachverhalt noch nicht abschließend aufgeklärt war. Insoweit brauchte die Kammer nicht zu prüfen, ob entsprechend den Ausführungen von Dr. B es sich in Wirklichkeit um eine Gefälligkeitsverordnung ("auf Wunsch der Klägerin") gehandelt hat, denn maßgebend für die Leistungspflicht der Beklagten ist nicht die ärztliche Verordnung, sondern das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen nach den §§ 27, 33 SGB V (wie hier: BSG B 3 KR 3/00 R vom 28.06.2001). In diesem Zusammenhang macht es für die vom Gericht vorzunehmende Prüfung keinen Unterschied, ob neben Dr. B noch andere Ärzte der Klägerin ein Blutzuckermessgerät verordnen wollten.

Bei Zugrundelegung der dargestellten rechtlichen Kriterien ist für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch kein Raum, ohne dass noch weiter gerichtliche Ermittlungen notwendig waren. Eine endgültige Ablehnung der Bereitstellung eines Blutzuckermessgerätes kann frühestens in dem Bescheid vom 09.03.2001 gesehen werden. Bei dieser Sachlage fehlt es an dem notwendigen Kausalzusammenhang zwischen Leistungsverweigerung und der bereits am 12.10.2000 begründeten Kostenerstehung, so dass die Frage der medizinischen Notwendigkeit eines Blutzuckermessgerätes von der Kammer nicht entschieden werden brauchte.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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