S 14 KA 252/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 252/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt von den Kosten des Verfahrens 2/3, die Beklagte 1/3.

Tatbestand:

Streitig ist der Antrag der Klägerin auf Erhöhung des für ihre Praxis geltenden maximal abrechenbaren Punktzahlvolumens (Individualbudget).

Die seit dem 01.01.1992 niedergelassene Klägerin ist Anästhesistin und zur vertragsärztlichen Versorgung in Korschenbroich zugelassen. Ihr wurde ein Individualbudget von 430.161,0 Punkten auf Grundlage des Bemessungszeitraumes der Quartale III/97 bis II/98 zuerkannt. Unter Berücksichtigung des erlaubten Zuwachses nach der bis zum 30.06.2004 geltenden Fassung des Honorarverteilungsmaßstabes der Beklagten (HVM) gewährte ihr die Beklagte im Jahr 2004 ein maximal zulässiges Punktzahlvolumen von 481.780,3 Punkten.

Im Oktober 2003 beantragte die Klägerin die Erhöhung des ihr zuerkannten Individualbudgets durch Ausdehnung bis zum Fachgruppendurchschnitt von 692.598,0 Punkten. Zum einen habe sie in Zeiten der Erziehung ihrer Kinder die Praxis in der Vergangenheit nicht voll betrieben, nunmehr könne sie sich aber voll und ganz der Praxis widmen. Weiter habe sie Anspruch darauf, in jedem Falle bis zum Fachgruppendurchschnitt wachsen zu können. Darüber hinaus seien drei neue Kliniken in E gegründet worden, für die sie die anästhesiologischen Leistungen erbringen möchte. Hierbei handele es sich um einen äußerlichen Umstand, so dass ihrem Antrag auf Abänderung des Individualbudgets nach dem HVM der Beklagten stattzugeben sei.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27.02.2004 ab, da die Prüfung des Antrages - unter Berücksichtigung und Würdigung ihrer Angaben - unter keinem Gesichtspunkt ergeben habe, dass Ausnahmetatbestände vorliegen, die eine Änderung des Individualbudgets rechtfertigten. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 18.10.2004 zurück. Gemäß § 7 Abs. 9 HVM könne der Vorstand der Beklagten in begründeten Fällen auf Antrag aus Sicherstellungsgründen Zuschläge auf den individuellen Punktzahlengrenzwert bewilligen. Hierzu sei zunächst eine nachweisliche Veränderung der Leistungsmenge erforderlich, die so erheblich sei, dass der Punktzahlengrenzwert aus dem Bemessungszeitraum nicht mehr angemessen sei. Nach den vorliegenden Abrechnungsunterlagen sei festzustellen, dass das maximal abrechenbare Punktzahlvolumen der Praxis zwar unter dem Fachgruppendurchschnitt liege, jedoch der Leistungsbedarf im Vergleich zum Bemessungszeitraum rückläufig sei, so dass ein zusätzlicher Mehrbedarf nicht zu erkennen sei.

Die Klägerin hat am 18.11.2004 Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt sie vor, dass sie seit dem 01.01.2004 mit den C3-Kliniken in E zusammenarbeite. Die Klinik sei neu gegründet worden und es kämen daher neue Patienten hinzu. Diese Patienten müssten von einem Anästhesisten versorgt werden. Das Gebiet sei gesperrt, so dass jeder Anästhesist sein Budget ausgenutzt habe. Hierin sei ein äußerlicher Umstand im Sinne des HVM zu sehen, so dass ein Grund auf eine Abänderung des Individualbudgets vorliege.

Aufgrund der Regelungen der §§ 7 und 13 des Honorarverteilungsvertrages in der Fassung ab 01.07.2004 (Rhein. Ärzteblatt) hat die Beklagte der Klägerin zwischenzeitlich ein 10%iges Wachstum bezogen auf das unter der "Alt-Regelung" realisierte Individualbudget zugestanden. Das Individualbudget beträgt seit dem Quartal I/05 nunmehr 551.040,1 Punkte.

Die Klägerin hat dies als Teilanerkenntnis angenommen und verweist darüber hinaus darauf, dass sie im Quartal III/05 erneut eine Kürzung um 345.000 Punkte habe hinnehmen müssen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.02.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2004 zu verurteilen, über ihren Antrag auf Erhöhung des Individualbudgets unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Eine Steigerung der Leistungsmenge allein reiche nicht aus, um eine Ausnahmeregelung gewähren zu können. Die Klägerin habe sich zur Verbesserung ihrer wettbewerbsrechtlichen Situation in einer freien unternehmerischen Entscheidung in Kenntnis der für sie geltenden Abrechnungsbedingungen in einem überversorgten Gebiet dazu entschlossen, ihre Tätigkeit durch die Übernahme der Patienten der C3-Kliniken auszuweiten. Da die Anzahl der im Planungsbereich zu versorgenden Patienten auch nach Eröffnung der Kliniken gleich geblieben sein dürfte, keine Veränderung der Arztzahl geltend gemacht werde, im Gegenteil, der Planungsbereich nach wie vor gesperrt sei, könne die Neugründung der Klinik gerade nicht mit einer externen Ursache im Sinne des HVM gleichgesetzt werden. Im Übrigen verweise sie auf die Wachstumsregelungen der §§ 7, 13 HW.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 28.04.2005 den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (S 14 KA 256/04 ER). Die hiergegen erhobene Beschwerde hat das Landessozialgericht NRW mit Beschluss vom 18.07.2005 zurückgewiesen (L 10 B 11/05 KA ER).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn diese Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die Beklagte es zu Recht abgelehnt, das Individualbudget der Klägerin auf den Fachgruppendurchschnitt.

Gemäß § 7 Abs. 9 HVM (in der Fassung vom 30.11.2002; Rhein. Ärzteblatt 1/2003, S. 76ff.) kann nach Anhörung des HVM-Ausschusses der Vorstand auf Antrag aus Sicherstellungsgründen Zuschläge auf das maximal abrechenbare individuelle Punktzahlvolumen (Individualbudget) des Arztes/der Praxis bewilligen, wenn besondere Umstände des Einzelfalles vorliegen. Hierzu zählen insbesondere dauerhafte Veränderungen in der vertragsärztlichen Versorgung in unmittelbarem Umfeld der Arztpraxis (z.B. durch Praxisaufgaben ohne Nachfolger, Erlöschen von Ermächtigungen von Krankenhausärzten). Voraussetzung ist ferner, dass die Veränderungen in der vertragsärztlichen Versorgung gegenüber dem Bemessungszeitraum zu einer nachweislich veränderten Leistungsmenge geführt haben und deshalb das Verhältnis zwischen dieser Leistungsmenge und dem Punktzahlengrenzwert aus dem Bemessungszeitraum nicht mehr angemessen ist (LSG NRW Urteil vom 21.05.2003 - L 10 KA 86/02 -).

Diese Voraussetzungen werden von der Klägerin nicht sämtlich erfüllt. Unter Bezugnahme auf die hierzu bereits ergangenen Entscheidungen, insbesondere des LSG NRW mit Beschluss vom 18.07.2005, ist nicht ersichtlich, dass aufgrund externer Umstände z.B. von Praxisaufgaben oder Erlöschen von Ermächtigungen eine Änderung der Bedarfssituation bzw. der Versorgungsstruktur im Umfeld der Praxis der Klägerin eingetreten ist. Die in § 7 Abs. 9 HVM genannten Umstände stellen nach Ansicht der Kammer solche dar, die externer Natur sind, also solche, auf die der betroffene Arzt im Regelfall keine Möglichkeit der Einflussnahme hat (vgl. auch LSG NRW Urteil vom 30.04.2004 - L 10 KA 70/02 -). Die Klägerin hat jedoch in eigenverantwortlicher Entscheidung in Kenntnis ihrer Praxissituation die Tätigkeit in den C3-Kliniken in E aufgenommen und ihre Praxisorganisation entsprechend umgestellt. Darüber hinaus ist aufgrund der Bedarfssituation im Planungsbereich E für die Kammer nicht erkennbar, dass durch die Eröffnung der C3-Kliniken ein über den bisherigen hinausgehender neuer Bedarf entstanden ist. Sofern die Klägerin selbst darauf verweist, dass der Planungsbereich für Anästhesisten gesperrt ist, was sich im Übrigen auch der amtlichen Bekanntmachung zur Bedarfsplanung entnehmen lässt (Rhein. Ärzteblatt 12/2005 S. 64), spricht dies gerade gegen einen im Planungsbereich bestehenden besonderen Versorgungsbedarf.

Auch wenn mit Ausnahme des Quartals IV/05, in dem die Klägerin nach ihren Angaben drei Wochen für Interplast im Einsatz war, eine Steigerung der Leistungsmenge gegenüber der durchschnittlichen Leistungsmenge der Quartale des Bemessungszeitraums zu verzeichnen ist, genügt dies allein nicht, um eine Ausnahmeregelung nach § 7 Abs. 9 HVM rechtfertigen zu können. Vielmehr wird diese Situation nach Auffassung der Kammer in ausreichender Weise von den Wachstumsmöglichkeiten nach §§7, 13 HW erfasst. Die Klägerin hat bereits im Laufe des Verfahrens ein Wachstum von 10% aufgrund der Leistungssteigerungen im Jahr 2004 realisieren können. Bei weiterer anhaltender Steigerung der Leistungsmenge wird die Klägerin in den nächsten zwei Jahren ihr Individualbudget bis auf den Fachgruppendurchschnitt steigern können. Damit ist für sie aufgrund der Wachstumsregelungen die Möglichkeit gegeben, innerhalb eines Gesamtzeitraums von fünf Jahren auf den Fachgruppendurchschnitt wachsen zu können. Ausnahmetatbestände, die ein Abweichen von dieser Wachstumsregelung, d.h. ein vorzeitiges Anheben des Individualbudgets auf den Fachgruppendurchschnitt rechtfertigen könnten, sind - wie oben bereits dargelegt - nicht gegeben.

Das gilt auch im Hinblick auf die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 10 FIVM. Diese allgemeine Auffang- bzw. Flärteklausel soll nur die Fälle erfassen, die untypisch und nicht konkret vorhersehbar sind. Typischerweise vorhersehbare Fallgruppen müssen hingegen zumindest in Grundzügen im HVM selbst geregelt werden, um die Kompetenz für die Flonorarverteilung nicht zu weitgehend von der Vertreterversammlung auf den Vorstand zu verlagern (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 28). Anhaltspunkte für einen untypischen oder auch konkret nicht vorhersehbaren Fall sind vorliegend nicht gegeben.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kammer hat hierbei berücksichtigt, dass sich die Beteiligten bereits in Form eines Teilanerkenntnisses über eine Erhöhung des Individualbudgets auf 551.040,1 Punkte auf Basis des unter der "Alt-Regelung" realisierten Punktzahlvolumens geeinigt haben.
Rechtskraft
Aus
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