L 6 U 123/16

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 33 U 162/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 123/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 6/20 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. BG-Kliniken/Unfallkrankenhäuser sind besondere Einrichtungen iSv § 33 Abs. 3 iVm Abs. 1 Sätze 1 und 3 SGB VII.
2. Ihr Vergütungsanspruch gegenüber den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung als ihren eigenen Gesellschaftern gründet auf den mit diesen (konkludent) geschlossenen Vergütungsverträgen iVm dem Vergütungstarif eigene Einrichtungen.
3. Der Vergütungsanspruch ist unabhängig von einer Kostenzusage und wird im Einzelfall unmittelbar mit der Inanspruchnahme der stationären Leistung durch den Versicherten in der eigenen Einrichtung des Unfallversicherungsträgers ausgelöst, wenn diese Versorgung medizinisch erforderlich ist.
4. Schuldner des Vergütungsanspruchs gegenüber der Klinik ist jedenfalls ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, der in einem zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung wirksamen Bescheid gegenüber dem Versicherten Unfallfolgen festgestellt hat, die Gegenstand der abgerechneten Behandlung waren.
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 1. September 2016 wird auf die Anschlussberufung der Klägerin dahingehend abgeändert, dass die Beklagte zur Zahlung von jährlich 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. Dezember 2013 verurteilt wird.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird zugelassen. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 362.609,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Vergütung stationärer Behandlungen des bei der Beklagten versicherten Beigeladenen zu 1. in einer Klinik der Klägerin vom 2. Dezember 2008 bis zum 11. September 2009 sowie vom 21. September 2009 bis zum 16. März 2010.

Der 1955 geborene Beigeladene zu 1., der bei der Beigeladenen zu 2) gesetzlich krankenversichert ist, stürzte am 26. Mai 2008 bei versicherter Tätigkeit als Postzusteller über eine am Boden stehende Tasche, prallte mit dem Gesicht und der rechten Schulter auf dem Boden auf und verletzte sich dabei das rechte Bein, die rechte Schulter und das Nasenbein. Der D-Arzt Dr. J. stellte die Diagnosen Schulterprellung rechts und Nasenprellung; nebenbefundlich bestehe beim Beigeladenen zu 1. eine bekannte Spastik mit verlangsamter Sprache und Motorik (D-Arztbericht sowie Unfallanzeige vom 26. Mai 2008). In seinem Nachschaubericht vom 3. Juni 2008 teilte Dr. J. vom Beigeladenen zu 1. angegebene brennende Schmerzen im Bereich des rechten Beines mit, derentwegen hausärztlich bereits eine neurologische Vorstellung initiiert worden sei. Aus Sicht des D-Arztes seien die Beschwerden des Beigeladenen zu 1. mit dem Unfall nicht vereinbar. Im H-Arztbericht vom 10. Juni 2008 gab Dipl.-Med. R. u.a. einen Druckschmerz über dem Dornfortsatz Th12 an und diagnostizierte eine Stauchung sowie Zerrung der HWS.

Mit Bescheid vom 26. Juni 2008 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 26. Mai 2008 – mit folgenlos ausgeheilten Prellungen der rechten Schulter und der Nase – als Arbeitsunfall an. Keine Unfallfolgen seien die ab dem 3. Juni 2008 geklagten Beschwerden im Bereich des rechten Beines und des Rückens/der LWS. Leistungen seien insoweit nicht zu erbringen.

In seinem hiergegen am 9. Juli 2008 erhobenen Widerspruch trug der Beigeladene zu 1. vor, er habe bereits in der Notaufnahme auf die Problematik mit dem rechten Bein hingewiesen. Seine vorbestehende Spastik habe nur die linke Körperhälfte betroffen.

Aus den am 26. August 2008 gefertigten MRT der HWS und LWS gingen nach der Auswertung des Radiologen Dr. B. insbesondere eine deutliche Spinalkanalstenose bei C4/5 mit Myelonkompression und deutlicher struktureller Läsion bei Osteochondrose sowie Osteochondroseveränderungen mit breitbasiger dorsaler Bandscheibenprotrusion bei Th12/L1 hervor. Am 30. September 2008 wurde beim Beigeladenen zu 1) in der Neurochirurgischen Universitätsklinik M. aufgrund der Diagnose Spinalkanalstenose C3/4 mit Myelopathie nach Contusio spinalis operativ eine Spondylodese C3/4 durch Einbringung eines PEEK-Ringes durchgeführt.

Vom 26. November 2008 bis zum 2. Dezember 2008 befand sich der Beigeladene zu 1. unter den Diagnosen Contusio spinalis mit Myelopathie insbesondere in Höhe C3/4, multisegmentale cervikale Spinalkanalstenose, spastische Hemiparese links sowie Schmerzsymptomatik in beiden Beinen stationär in der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Krankenhauses S. (Bericht vom 2. Dezember 2008). Deren Chefarzt Dr. J. schätzte unter dem 27. November 2008 ein, unter Würdigung der bildgebenden Befunde und des Verlaufs sei die Verschlechterung der Neurologie auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Am 2. Dezember 2008 wurde der Beigeladene zu 1. in das Zentrum für Rückenmarkverletzte der Klägerin verlegt, wo seine Weiterbehandlung unter den gleichen Diagnosen wie im Krankenhaus S. erfolgte. Am 8. Dezember 2008 wurde im Zentrum für Rückenmarkverletzte eine Korporektomie HWK 5 sowie Spondylodese mit Beckenkammspan und ventraler Verplattung HWK 4 auf HWK 6 vorgenommen. Am 9. Dezember 2008 erfolgte dort bei einem postoperativ aufgetretenen Hämatom mit nachfolgender cervicaler Spinalkanalstenose eine Revisionsoperation. Am 7. Januar 2009 fand eine weitere operative Spinalkanaldekompression mit Laminektomie zwischen C3-5 statt (Zwischenberichte vom 12. Dezember 2008 und 13. Januar 2009). Das Zentrum berichtete fortlaufend über die weiteren Behandlungen (z.B. Bericht vom 8. Januar 2010 über die Revisionsoperation am 27. November 2009 mit Neuinstrumentierung C6/7, Spinalkanalerweiterung und Bandscheibenausräumung).

Die Beklagte holte von dem Direktor des Zentrums für Rückenmarkverletzte der Klägerin Dr. R. das Gutachten vom 2. März 2009 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, die fingerbetonte Schwäche der rechten Hand nach Spinalmarkkontusion C3/4, die armbetonte Hyperreflexie beiderseits, die koordinative Störung mit erschwertem Gangbild und der Notwendigkeit des Gebrauchs eines Rollators, das rechtsbetonte Schmerzsyndrom mit brennenden Schmerzen am Körper bei Schädigung der sensiblen Rückenmarksbahnen sowie die bestehende Blasenstörung beruhten auf dem Arbeitsunfall. Durch ihn sei es bei Überstreckung der HWS für einen kurzen Moment zu einem Kneifzangenmechanismus gekommen, der auf das Rückenmark gewirkt habe. Die beim Beigeladenen zu 1. bestehende Schadensanlage in Form der linksseitigen Hemiparese sei nicht so leicht ansprechbar gewesen, dass zur Auslösung der bezeichneten Gesundheitsstörungen Alltagseinwirkungen genügt hätten. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit ca. 80 vom Hundert (vH) einzuschätzen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2009 half die Beklagte dem Widerspruch des Beigeladenen zu 1. ab und erkannte die ab dem 3. Juni 2008 geklagten Beschwerden im Bereich des rechten Beines bzw. der LWS als Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. Mai 2008 an. Nach den schlüssigen Darlegungen Dr. R. lägen unfallbedingt die im Gutachten bezeichneten Gesundheitsstörungen im Sinne einer inkompletten Tetraparese mit erheblichen koordinativen Störungen, einem Schmerzsyndrom sowie einer Blasenstörung vor. Die unfallbedingte MdE betrage ca. 80 vH. Insgesamt seien zur Überzeugung des Widerspruchsausschusses damit Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Heilbehandlung, ggf. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Teilhabe in der Gemeinschaft und ergänzende Leistungen, Pflege, Geldleistungen sowie Unfallrente) zu gewähren.

In seiner beratenden Stellungnahme vom 25. Mai 2009 meinte Dr. V., bei nicht nachgewiesener Verletzung der HWS bzw. des Rückenmarks, aber erheblichen degenerativen Vorschädigungen sei dem Arbeitsunfall allenfalls die Bedeutung einer unwesentlichen Teilursache zur Manifestation eines fortgeschrittenen degenerativen Vorschadens beizumessen. Empfehlenswert erscheine die Veranlassung eines weiteren Zusammenhangsgutachtens.

Daraufhin erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 5. Juni 2009, sie sei vorliegend nicht der richtige Kostenträger. Zuständig sei die Beigeladene zu 2.; entsprechendes sei bei zukünftigen Verordnungen zu beachten (Mitteilung vom 27. Juli 2009 an die Klägerin sowie E-Mail vom 5. August 2009 an Dr. R.).

Mit Bescheid vom 12. August 2009 stellte die Beklagte fest, die ab dem 26. August 2008 geklagten Beschwerden im Bereich des rechten Beines, der HWS, des Rückens und der LWS seien keine Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. Mai 2008; Leistungen seien insoweit nicht zu erbringen. Diesen Bescheid übersandte die Beklagte wiederum Dr. R. verbunden mit dem Hinweis, ab dem 26. August 2008 nicht mehr zuständiger Kostenträger zu sein.

Gegen den Bescheid erhob der Beigeladene zu 1. am 31. August 2009 mit der Begründung Widerspruch, dieser habe nur unter Beachtung von § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) erlassen werden dürften. Die dort benannten gesetzlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt.

Die Beklagte beauftragte die Leitende Ärztin des Rückenmarkverletztenzentrums der Unfallklinik M. Dr. M. mit der Erstellung des Gutachtens vom 18. Januar 2010. Nach deren Ansicht habe unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit des Beigeladenen zu 1. bis zum 25. November 2008 bestanden. Infolge des am 26. Mai 2008 erlittenen Hyperextensionstraumas der HWS bei vorbestehenden degenerativen Veränderungen mit spinalen Engen bei C3/4, C5/6 und C6/7 sowie geringeren Ausmaßes bei C4/5 sei es zu einer Myelopathie C3/4, einer anteiligen rechts- und beinbetonten sensiblen Störung, einer anteiligen rechts- und beinbetonten Tonusstörung, einer daraus resultierenden anteiligen Störung der Gangkoordination sowie anteiligen subjektiven Beschwerden gekommen. Für diese Unfallfolgen sei eine MdE um allenfalls 20 vH zu veranschlagen.

Mit Bescheid vom 11. März 2010 half die Beklagte dem Widerspruch des Beigeladenen zu 1. teilweise ab und stellte unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 25. November 2008 fest. Als Unfallfolgen bestünden nach Überstreckungstrauma der HWS bei vorbestehenden ausgeprägten degenerativen Veränderungen mit eingeengtem Rückenmarkskanal bei C3/4, C5/6 und C6/7, Schädigung des Rückenmarks C3/4 sowie nach operativem Eingriff am 30. September 2008 eine untergeordnete anteilige rechts- und beinbetonte Störung der Gefühlsempfindung, eine untergeordnete anteilige rechts- und beinbetonte Erhöhung der Muskelspannung, eine resultierende untergeordnete anteilige Störung der Gangkoordination und untergeordnete anteilige subjektive Beschwerden. Keine Unfallfolgen seien die ausgeprägten Veränderungen der HWS mit eingeengtem Rückenmarkskanal C3/4, C5/6 und C6/7 sowie Schädigung des Rückenmarks C3/4 und mehrfachen operativen Eingriffen sowie eine seit der Geburt bestehende inkomplette spastische Tetraparese mit überwiegend anteiliger rechts- und beinbetonter Störung der Gefühlsempfindung, überwiegend anteiliger rechts- und beinbetonter Erhöhung der Muskelanspannung, überwiegend anteiliger Störung der Gangkoordination und überwiegend anteiligen subjektiven Beschwerden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. April 2010 wies die Beklagte den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Auf die hiergegen am 20. April 2010 vor dem Sozialgericht (SG) S. erhobene Klage hob das – nach Fusion zuständige – SG M. den Bescheid vom 12. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2010 mit Urteil vom 13. September 2012 rechtskräftig auf (S 46 U 90024/10), da diesen Entscheidungen der Widerspruchsbescheid vom 25. März 2009 entgegen stehe. Dessen Bestandskraft könne nur nach den §§ 45, 48 SGB X beseitigt werden.

Mit Rechnungen vom 16. Dezember 2009 sowie 12. Januar und 30. April 2010 stellte die Klägerin der Beklagten Kosten der Behandlungen des Beigeladenen zu 1. vom 2. bis 31. Dezember 2008 i.H.v. 22.140,00 EUR, 1. Januar bis 11. September 2009 i.H.v. 198.789,00 EUR, 21. September bis 31. Dezember 2009 i.H.v. 82.110,00 EUR sowie vom 1. Januar bis 16. März 2010 i.H.v. 59.570,00 EUR in Rechnung. Hierauf leistete die Beklagte unter Hinweis auf ihre Schreiben vom 5. Juni, 27. Juli und 5. August 2009 keine Zahlungen.

Die am 12. April 2013 vom Beigeladenen zu 1. vor dem SG M. gegen die Beklagte erhobene – und insbesondere auf Zahlung von Verletztenrente gerichtete – Klage (S 8 U 74/13) nahm der Beigeladene zu 1. nach gerichtlichem Hinweis vom 19. März 2015 unter dem 27. April 2015 zurück.

Mit Schreiben vom 18. November 2013 informierte die Klägerin den Beigeladenen zu 1. u.a. darüber, dass auf ihre Rechnungen keine Zahlungen der Beklagten erfolgt seien, die Beigeladene zu 2. aber für die stationäre Behandlung vom 21. September 2009 bis zum 16. März 2010 Kosten i.H.v. 95.293,52 EUR übernommen habe (insoweit seitens der Klägerin insgesamt 141.680,00 EUR gegenüber der Beklagten abgerechnet). Am 20. Dezember 2013 hat die Klägerin vor dem SG H. Klage erhoben und zur Begründung darauf verwiesen, dass die stationären Behandlungen des Beigeladenen zu 1. wegen der Verschlechterung der Gangstörung mit heftig brennenden Schmerzen in beiden Beinen und Rückenbeschwerden notwendig gewesen seien. Mit der Aufhebung des Bescheides vom 12. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. April 2010 bestehe für die Beklagte kein Grund, die Übernahme der Behandlungskosten zu verweigern. Grundlage des Anspruchs sei der Bescheid vom 25. März 2009. Dieser entfalte auch Bindungswirkung zwischen der Beklagten und ihr. Zudem habe die Beigeladene zu 2. im April 2011 ihr gegenüber eine Leistungspflicht abgelehnt. Unabhängig hiervon sei die Beklagte jedenfalls auf Grundlage von § 14 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (SGB IX) in seiner seinerzeit gültigen Fassung (a.F.) leistungspflichtig. Denn sie habe die Rechnungen nach Prüfung ihrer Zuständigkeit nicht unverzüglich an den ihrer Ansicht nach zuständigen Kostenträger weitergeleitet.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, ihre gegenüber dem Beigeladenen zu 1. erlassenen Bescheide entfalteten nur zwischen diesem und ihr Bindungswirkung und hätten keinen Einfluss auf Ersatz der Behandlungskosten. Entscheidend sei, dass vorliegend keine Kostenübernahmeerklärung gegenüber der Klägerin erfolgt sei. Die Vorschrift des § 14 SGB IX a.F. finde nur zwischen Rehabilitationsträgern, nicht jedoch zwischen solchen und Leistungserbringern Anwendung.

Am 18. Mai 2015 beantragte der Beigeladene zu 1. bei der Beklagten die Zahlung von Verletztenrente und bezog sich zur Begründung auf die Einschätzung von Dr. R. sowie das Urteil des SG M. vom 13. September 2012. Mit per Post übersandtem Bescheid vom 24. Juni 2015 bewilligte die Beklagte dem Beigeladenen zu 1. ab dem 26. November 2008 Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH. Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. Mai 2008 seien nach Überstreckungstrauma der HWS bei vorbestehenden ausgeprägten degenerativen Veränderungen mit eingeengtem Rückenmarkskanal bei C3/4, C5/6 und C6/7 sowie Schädigung des Rückenmarks bei C3/4 und mehrfachen operativen Eingriffen: eine untergeordnete anteilige rechts- und beinbetonte Störung der Gefühlsempfindung, eine untergeordnete anteilige rechts- und beinbetonte Erhöhung der Muskelanspannung, eine resultierende untergeordnete anteilige Störung der Gangkoordination und untergeordnete anteilige subjektive Beschwerden. Keine Unfallfolgen seien ausgeprägte degenerative Veränderungen der HWS mit eingeengtem Rückenmarkskanal bei C3/4, C5/6 und C6/7 sowie Schädigung des Rückenmarks bei C3/4 und mehrfachen operativen Eingriffen, eine seit der Geburt bestehende inkomplette spastische Tetraparese mit resultierender überwiegend anteiliger rechts- und beinbetonter Störung der Gefühlsempfindung, überwiegend anteiliger rechts- und beinbetonter Erhöhung der Muskelspannung, überwiegend anteiliger Störung der Gangkoordination und überwiegend anteilige subjektive Beschwerden. Den dagegen am 27. Juli 2015 erhobenen Widerspruch des Beigeladenen zu 1. wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2017 als unbegründet zurück. Das dagegen vor dem SG M. geführte Klageverfahren (S 8 U 129/16) blieb im Ergebnis ohne Erfolg (s. hierzu am Tatbestandsende).

Mit Beschluss vom 16. März 2016 hat das SG H. die Beigeladenen am Verfahren beteiligt.

Mit Urteil vom 1. September 2016 hat das SG H. die Beklagte verurteilt, der Klägerin auf deren Rechnungen 22.140,00 EUR, 198.789,00 EUR, 82.110,00 EUR sowie 59.570,00 EUR nebst 4 % Zinsen ab dem 22. März 2016 (Zustellung der Klage an den Beigeladenen zu 1.) zu zahlen und hierzu in den Gründen aufgeführt: Da die Klägerin gegenüber der Beklagten als Unfallversicherungsträgerin die Erstattung von Aufwendungen für die Behandlung von Arbeitsunfallfolgen geltend mache, sei nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Sozialrechtsweg eröffnet. Die gemäß § 54 Abs. 5 SGG zulässige Leistungsklage sei auch begründet, wenngleich sich die Leistungspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht aus den §§ 26 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) in Verbindung mit § 14 SGB IX a.F. ergebe. Denn diese Norm finde nur zwischen dem Berechtigten auf Teilhabeleistungen und dem jeweils angegangenen Leistungsträger im Sinne der §§ 12 sowie 18 bis 29 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) bzw. im Fall der Erstattung von Leistungen gemäß § 14 Abs. 4 SGB IX a.F. zwischen den Leistungsträgern im Sinne des § 12 SGB I untereinander Anwendung. Die Klägerin sei aber weder Berechtigte nach den §§ 26 ff. SGB VII bzw. § 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) noch Leistungsträger im Sinne der §§ 12 sowie 18 bis 29 SGB I. Zudem handele es sich bei den von ihr geltend gemachten Aufwendungen nicht um Leistungen, die sie im Rahmen einer Maßnahme zur Teilhabe gegenüber dem Beigeladenen zu 1. erbracht habe.

Die Klägerin habe gegenüber der Beklagten auch keinen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen aus Vertrag. Denn zwischen beiden bestehe kein Vertrag, aus dem sich die unmittelbare Leistungspflicht der Beklagten zur Übernahme von Kosten, die der Klägerin im Rahmen der Heilbehandlung des Beigeladenen zu 1. entstanden seien, ergebe.

Ein Zahlungsanspruch der Klägerin lasse sich auch nicht aus den Vorschriften über eine Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) nach den §§ 677 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ableiten, die im öffentlichen Recht entsprechend gälten. Denn vorliegend habe die Behandlung des Beigeladenen zu 1. seitens der Klägerin jedenfalls nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Beklagten entsprochen, die eine Leistungserbringung wegen der Bein- und Rückenbeschwerden bereits mit Bescheid vom 26. Mai 2008 abgelehnt habe. Auch für Behandlungen nach dem Erlass des Bescheides vom 25. März 2009 könne nicht von einer Fremdgeschäftsführung ausgegangen werden, da die Klägerin nicht dargelegt habe, dass sie deshalb von einem für sie fremden Geschäft ausgegangen sei. Eine Kostenübernahmeerklärung habe die Beklagte gegenüber der Klägern nicht abgegeben. Mit der Mitteilung der Beklagten vom 5. Juni 2009, sie sei nicht der zuständige Kostenträger, sei keine Fremdgeschäftsführung für die Beklagte mehr möglich gewesen.

Auch ein Vergütungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beigeladenen zu 2. aus § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V scheide aus, weil letztere infolge der Bestandskraft des Bescheides vom 25. März 2009 hinsichtlich der Behandlung der dort bezeichneten Gesundheitsstörungen kein zuständiger Kostenträger sei. Der Klägerin stehe jedoch gegenüber der Beklagten ein Durchgriffsanspruch auf Begleichung der Kosten der dem Beigeladenen zu 1. erbrachten Behandlungen zu, deren Erforderlichkeit und Höhe zwischen den Beteiligten unstrittig sei. Dieser ergebe sich aus dem Freistellungsanspruch des Beigeladenen zu 1. gegen die Beklagte. Die Beklagte habe im Widerspruchsbescheid vom 25. März 2009 umfassend Arbeitsunfallfolgen festgestellt. Soweit sie hierin die Ablehnung von Leistungen im Bescheid vom 26. Juni 2008 nicht ausdrücklich aufgehoben habe, stehe dies einer Leistungspflicht gegenüber dem Beigeladenen zu 1. nicht entgegen. Denn die Ablehnung von Leistungen habe neben der Ablehnung von Unfallfolgen keine eigenständige Bedeutung (Hinweis auf Bundessozialgericht {BSG], Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 46/03 R – juris). Die im Bescheid vom 25. März 2009 bezeichneten Unfallfolgen hätten weiterhin Bestand, da der Bescheid vom 12. August 2009 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 11. März 2010 und der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2010 durch das Urteil des SG M. vom 13. September 2012 rechtskräftig aufgehoben worden sei. Die Beklagte sei daher gegenüber dem Beigeladenen zu 1. nach den §§ 26 ff. SGB VII leistungspflichtig, wozu auch die notwendige Behandlung der unfallbedingten Gesundheitsstörungen gehöre. Soweit der Beigeladene zu 1. in diesem Zusammenhang Ansprüchen ausgesetzt sei, habe er gegenüber der Beklagten einen Freistellungsanspruch. Da die Klägerin aus den Behandlungen, die Gegenstand der hier streitigen Rechnungen seien, gegenüber dem Beigeladenen zu 1. Zahlung (aus dem Behandlungsvertrag) verlangen könne, und diesem deswegen wiederum gegenüber der Beklagten ein Freistellungsanspruch zustehe, könne die Klägerin im Wege eines Durchgriffs direkt Zahlung an sich von der Beklagten verlangen.

Gegen das ihr am 19. Oktober 2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 8. November 2016 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Ihre Verpflichtung zur Übernahme von Behandlungskosten erfüllten die Unfallversicherungsträger durch mit den Leistungserbringern geschlossene Verträge. Entsprechend habe die Klägerin in ihren Rechnungen eine Vergütung ausgewiesen, wie sie in der zwischen dem DGUV e.V. und der BG Kliniken-Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung gGmbH (BG-Klinikverbund) getroffenen Vereinbarung der Vergütung für Versicherte der gesetzlichen Unfallversicherung in ihren eigenen Einrichtungen geregelt sei (Vergütungstarif eigene Einrichtungen). In seinem Urteil vom 12. Januar 2010 (B 2 U 28/08 RBSGE 105, 210) habe das BSG aber entschieden, dass zwischen dem Krankenhaus und dem Unfallversicherungsträger kein Vertragsverhältnis bestehe und die Vergütung sich daher letztlich nach den Regelungen der GoA richte. Vorliegend fehle es in dieser Hinsicht jedoch an der erforderlichen Fremdgeschäftsführung, wie das SG insoweit zutreffend entscheiden habe. Als vertragliche Anspruchsgrundlage komme allenfalls die – als Reaktion auf das Urteil des BSG vom 12. Januar 2010 – zwischen dem DGUV e.V. und dem Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. für ihre Mitglieder geschlossene und zum 1. Januar 2013 in Kraft getretene "Rahmenvereinbarung über die Behandlungen von Versicherten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung" (Rahmenvereinbarung) in Betracht, der die Klägerin allerdings nicht beigetreten sei. Zwar seien BG-Kliniken besondere Einrichtungen im Sinne von § 33 Abs. 3 SGB VII. Auch hieraus lasse sich für die Klägerin indessen nichts ableiten. Da sie die Behandlung zu ihren Lasten unter dem 5. Juni 2009 gegenüber der Klägerin abgebrochen habe, finde schließlich § 54 Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger keine Anwendung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 1. September 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt unter Einschluss einer Anschlussberufung,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte zur Zahlung von jährlich 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. Dezember 2013 verurteilt wird, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Sie hält das Urteil des SG H. im Ergebnis (der Hauptsacheentscheidung) für zutreffend. Zwischen ihr und der Beklagten bestehe jedenfalls aufgrund jahrelangen konkludenten Handelns und anstandsloser Rechnungsbegleichung eine Vergütungsvereinbarung. So habe die Beklagte z.B. im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2008 die Kosten von insgesamt 23 Behandlungsfällen beglichen, wobei ihr Rechtsvorgänger (Verein für Berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung e.V.) dem DGUV Landesverband Nordwest stets die jeweils gültigen Behandlungskostentarife mitgeteilt habe. Dessen Mitglieder seien vom Landesverband entsprechend laufend informiert worden.

Abgesehen davon ergebe sich der Vergütungsanspruch entgegen der Ansicht des SG H. auch aus GoA. Denn dass die Heilbehandlung des Beigeladenen zu 1. im Rahmen des mit diesem geschlossenen Behandlungsvertrages auch in den Pflichtenkreis der Klägerin falle, lasse das Merkmal des fremden Geschäfts nach der Figur des auch fremden Geschäfts nicht entfallen (Hinweis auf Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 11. März 2016 – V ZR 102/15NJW 2016, 2407). Fremdheit des Geschäft sei gegeben, weil sie eine medizinisch erforderliche Behandlung durchgeführt habe, die die Beklagte im Verhältnis zum Beigeladenen zu 1. als Sachleistung der gesetzlichen Unfallversicherung habe erbringen müssen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 – B 2 U 28/08 R – s.o.). Den Bescheiden der Beklagten komme über eine interpartes-Geltung hinaus insoweit Tatbestandswirkung zu (Hinweis auf Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. Januar 2010 – VI R 52/08 – juris). Ein entgegenstehender Wille der Beklagten sei nach § 679 BGB unbeachtlich. Schließlich ergebe sich ihr Zahlungsanspruch auch aus den Grundsätzen der Drittschadensliquidation. Der Beigeladene zu 1. habe über einen Anspruch aus den §§ 26 Abs. 1, 27 Abs. 1 Nr. 6 SGB VII verfügt. Ihm sei aber deshalb kein Schaden entstanden, weil die Heilbehandlung durchgeführt worden sei. Für deren Kosten könne er nicht in Anspruch genommen werden, da unstreitig medizinische Behandlungsnotwendigkeit bestanden habe, aus der eine Kostenübernahmepflicht der Beklagten folge. Diese lasse einen Direktanspruch gegenüber dem Beigeladenen zu 1. nach § 630a Abs. 1 BGB entfallen. Für diesen bei ihr zufällig bewirkten Schaden habe die Beklagte einzustehen.

Die Beklagte hat das vom SG M. im Verfahren S 8 U 129/16 eingeholte orthopädisch-unfallchirurgische Gutachten Dr. D. vom 8. Oktober 2018 vorgelegt. Dieser ist zu dem Ergebnis gelangt, Dr. R. sei nicht und Dr. M. nicht hinsichtlich eines erlittenen Hyperextensionstraumas zu folgen. Unfallbedingt seien lediglich eine Nasenprellung und eine Schulterprellung aufgetreten.

Weiter hat die Beklagte das (rechtskräftige) Urteil des SG M. vom 22. Januar 2019 im Verfahren S 8 U 129/16 übermittelt, mit dem dieses die Klage des Beigeladenen zu 1. gegen sie abgewiesen und sich zur Begründung auf die Darlegungen Dr. D. gestützt hat. Entgegen den Ausführungen im Urteil vom 13. September 2012 seien eine inkomplette Tetraparese mit erheblichen koordinativen Störungen, das Schmerzsyndrom und die Blasenstörung von der Beklagten im Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 25. März 2009 nicht als Unfallfolgen festgestellt worden. Denn dessen Bestandskraft beziehe sich nur auf den Tenor. Die übrigen von der Beklagten (im Bescheid vom 24. Juni 2015) bestandskräftig anerkannten Unfallfolgen seien nicht nachvollziehbar.

Schließlich hat sich die Beklagte im Hinblick auf die Rechnungen der Klägerin vom 16. Dezember 2009 über insgesamt 220.929,00 EUR auf Verjährung berufen. Nach den §§ 195, 199 BGB sei der entsprechende Vergütungsanspruch mit Ablauf des Jahres 2012 verjährt gewesen.

Der Beigeladene zu 1. hat auch im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt und sich nicht weiter geäußert. Die Beigeladene zu 2., die ebenfalls keinen Antrag gestellt hat, hat auf entsprechende gerichtliche Anfrage bestätigt, dass sie für die stationäre Behandlung des Beigeladenen zu 1. vom 21. September 2009 bis zum 16. März 2010 unter dem 14. Januar 2013 einen Betrag von 95.293,52 EUR an die Klägerin gezahlt hatte. Am 9. Januar 2014 hat die Klägerin diesen Betrag an die Beigeladene zu 2. zurückgebucht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 SGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die im Wege der Anschlussberufung auf Zahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Beigeladenen zu 1. gerichtete statthafte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) ist begründet.

Zwar kann die Klägerin von der Beklagten keine Zahlung auf Grundlage der zwischen dem DGUV e.V. und dem Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. geschlossenen Rahmenvereinbarung verlangen. Denn dieser ist die Klägerin – wie sämtliche anderen zwölf BG-Kliniken/Unfallkrankenhäuser – nicht beigetreten. Im Übrigen ist diese Rahmenvereinbarung erst ab dem 1. Januar 2013 anwendbar und hat für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser als Mitglieder des Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. eine Fallpauschalenvergütung zur Folge, die die Klägerin ihren Rechnungen gar nicht zugrunde gelegt hat (siehe § 8 Abs. 1 sowie Satz 3 der Präambel der Rahmenvereinbarung; näher hierzu z.B. Dahm, Die Leistungen 2016, 57).

Auch der zwischen dem DGUV e.V. und dem BG-Klinikverbund getroffene Vergütungstarif eigene Einrichtungen reicht als Anspruchsgrundlage allein nicht aus. Denn in ihm ist nur die Höhe der abrechenbaren Behandlungskosten geregelt.

Der Vergütungsanspruch der Klägerin folgt aber aus dem zwischen der Beklagten und ihr als deren eigene Einrichtung im Sinne von § 33 Abs. 3 sowie Abs. 1 Sätze 1 und 3 SGB VII konkludent geschlossenen Vergütungsvertrag in Verbindung mit dem Vergütungstarif eigene Einrichtungen.

Nach § 33 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 Sätze 1 und 3 SGB VII wird unfallmedizinische stationäre Behandlung in besonderen Einrichtungen erbracht, wenn sie wegen der Art oder Schwere der Gesundheitsschäden zur Versorgung des Versicherten erforderlich ist. Zu "besonderen Einrichtungen" in diesem Sinne zählen neben den zum Verletzungsartenverfahren zugelassenen Krankenhäusern vor allem die auf die besonderen Bedürfnisse Unfallverletzter zugeschnittenen eigenen BG-(Unfall-)Kliniken der Unfallversicherungsträger (z.B. Traumazentren). Diese unterscheiden sich von den herkömmlichen Krankenhäusern insbesondere dadurch, dass sie nicht dem Krankenhausfinanzierungsgesetz unterliegen (Köhler in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Januar 2016, § 33 Rn. 11 f.). Dass es sich bei der Klägerin – anders als in dem dem Urteil des BSG vom 12. Januar 2010 zugrunde liegenden Sachverhalt – als einer Tochter der BG Kliniken-Klinikverbund gGmbH um ihre eigene Einrichtung und damit einen Anwendungsfall des § 33 Abs. 3 SGB VII handelt, stellt die Beklagte selbst nicht in Abrede. Denn sie ist – neben acht weiteren gewerblichen Berufsgenossenschaften und neun Unfallkassen – im Rahmen der BG-Kliniken Klinikverbund gGmbH Gesellschafterin der Klägerin.

Durch den Status ("Zulassung") der Klägerin als eigene Einrichtung der Beklagten und die dort wegen Arbeitsunfallfolgen erfolgte Behandlung des Beigeladenen zu 1. wurde das zwischen der Klägerin als Leistungserbringer, dem Beigeladenen zu 1. als Versicherten und der Beklagten als zuständigem Leistungsträger bestehende Vertragsdreieck aktiviert, mit dem im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten insbesondere ein Vergütungsanspruch korrespondiert (ähnlich Wagener, Anm. zu BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 – B 2 U 28/08 R – SGb 2011, 1066 [107]). Dieser ist unabhängig von einer Kostenzusage und wird unmittelbar mit der Inanspruchnahme der stationären Leistung durch den Versicherten in der eigenen Einrichtung des Unfallversicherungsträgers ausgelöst, wenn diese Versorgung medizinisch erforderlich ist (vgl. zur Parallelsituation im Bereich des SGB V die ständige Rechtsprechung des 1. Senats des BSG, statt aller nur Urteil vom 19. Juni 2018 – B 1 KR 32/17 RGesR 2018, 742, m.w.N.). Entsprechendes ist hier der Fall.

Bereits viele Jahre vor dem hier streitigen Zeitraum, während desselben und auch nach wie vor gestaltet sich die Geschäftsabwicklung zwischen der Beklagten und der Klägerin nach deren Vortrag wie folgt: Die Klägerin (bzw. ihr Rechtsvorgänger) übermittelt dem DGUV e.V. (bzw. dessen früherem Landesverband Nordwest) zeitabschnittsweise die jeweiligen Behandlungskostentarife. Von dort werden diese an die Unfallversicherungsträger zur Prüfung weitergeleitet und nach ihrer Freigabe seitens der Unfallversicherungsträger erfolgt eine entsprechende Abrechnung des Behandlungsfalls durch die Klägerin. Dass die Geschäftsbeziehung zwischen der Klägerin und ihr so praktiziert wurde und wird, hat auch die Beklagte bestätigt.

In dem Augenblick, in dem sie den vorgelegten Tarif durch Freigabe konsentiert, kommt durch Annahme des Angebots der Klägerin der Grundvertrag zur Behandlung von Versicherten zu den für die jeweiligen Zeiträume aufgeführten Kosten zustande. Die Aktivierung des Vertrages im konkreten Einzelfall findet dann durch Inanspruchnahme der stationären Behandlung durch den jeweiligen Versicherten statt (s.o.). Dieses Verständnis entspricht auch dem Vorbringen der Beklagten, wonach die Unfallversicherungsträger ihre Verpflichtung zur Übernahme von Behandlungskosten für Versicherte durch mit den Leistungserbringern – hier ihren eigenen Einrichtungen – geschlossene Verträge erfüllen (vgl. § 34 Abs. 8 Satz 1 SGB VII).

Dass die stationäre Versorgung des Beigeladenen zu 1. durch die Klägerin im Sinne von § 33 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VII medizinisch erforderlich war, ergibt sich aus den laufenden Berichten der Klägerin und ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstrittig. Zweifel hieran haben im Übrigen weder Dr. V. und Dr. M. noch Dr. D. geäußert, deren von Dr. J. und Dr. R. abweichende Auffassungen allein die Frage der als unfallbedingt zu wertenden Gesundheitsstörungen des Beigeladenen zu 1., nicht aber diejenige der Erforderlichkeit eines stationären Behandlungsbedarfs betreffen.

Die Behandlung des Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin ist auch aufgrund unfallbedingter Gesundheitsstörungen erfolgt. Wegen dieser war die Beklagte gegenüber dem Beigeladenen zu 1. nach den §§ 26 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2, 27 Abs. 1 Nr. 6 SGB VII leistungspflichtig. Zugrunde zu legen ist insoweit der bestandskräftige Bescheid der Beklagten vom 25. März 2009, dessen Bindungswirkung sich entgegen der vom SG M. im Urteil vom 22. Januar 2019 (S 8 U 129/16) vertretenen Ansicht vorliegend nicht lediglich auf eine Zuerkennung der "ab dem 3. Juni 2008 geklagten Beschwerden im Bereich des rechten Beines bzw. der Lendenwirbelsäule" als Unfallfolgen erstreckt. Vielmehr kann auch Teilen der Begründung von Bescheiden die Qualität von Verfügungssätzen zukommen, wenn die betreffenden Ausführungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach dem objektiven Empfängerhorizont (§ 133 BGB) entsprechend zu verstehen sind. So liegt es hier.

Denn der Widerspruchsausschuss der Beklagten hat sich in seinem Bescheid vom 25. März 2009 nicht nur mit dieser unbestimmten Formulierung begnügt und allgemein den als schlüssig bezeichneten Darlegungen Dr. R.s angeschlossen. Er hat die unfallbedingte MdE darüber hinaus nicht nur mit ca. 80 vH eingeschätzt und schließlich ausgeführt, dass die über den 2. Juni 2008 hinaus geltend gemachten Gesundheitsschäden als Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. Mai 2008 gegeben und damit Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (insbesondere Heilbehandlung und Unfallrente) zu gewähren sind. Vielmehr stellt der Bescheid als unfallbedingte Gesundheitsschäden ausdrücklich eine fingerbetonte Schwäche der rechten Hand nach Spinalmarkkontusion C3/4, eine armbetonte Hyperreflexie beiderseits, eine koordinative Störung des Gangbildes, ein rechtsbetontes Schmerzsyndrom mit brennenden Schmerzen am Körper bei Schädigung der sensiblen Rückenmarksbahnen, eine Blasenstörung mit hohen Flüssigkeitsvolumina und Hyposensibilität, eine koordinative Störung der Beckenbodenmuskulatur sowie die MRT technisch nachweisbare Vernarbung bei C3/4 im Sinne einer inkompletten Tetraparese mit erheblichen koordinativen Störungen, einem Schmerzsyndrom sowie einer Blasenstörung fest. Diese jeweils aus dem Fließtext fett abgesetzten Ausführungen beinhalten separate Regelungen über die Anerkennung bestimmter Gesundheitsstörungen als Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. Mai 2008 und daraus resultierende Leistungsansprüche im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X, die der Beigeladene zu 1. als Bescheidadressat bei objektiver Betrachtung nur als vom entsprechenden Willen der Beklagten getragene Entscheidungen verstehen konnte.

An diesen Feststellungen hat sich auch durch den – vom SG M. im Urteil vom ... 2019 rechtskräftig gebilligten – Bescheid vom 24. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2017 nichts geändert. Denn hierin hat die Beklagte als Folgen eines am 26. Mai 2008 erlittenen Überstreckungstrauma der HWS zwar "nur" eine untergeordnete anteilige rechts- und beinbetonte Störung der Gefühlsempfindung, eine untergeordnete anteilige rechts- und beinbetonte Erhöhung der Muskelanspannung, eine resultierende untergeordnete anteilige Störung der Gangkoordination und untergeordnete anteilige subjektive Beschwerden bezeichnet. Dadurch konnte die Beklagte unter Umgehung der nach den §§ 45, 48 SGB X erforderlichen Voraussetzungen die Wirkungen des Bescheides vom 25. März 2009 aber ebenso wenig außer Kraft setzen wie mittels der Bescheide vom 12. August 2009 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 11. März 2010 und der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2010. Denn außerhalb der möglichen Aufhebungen früherer Bescheide konnte die zum Zeitpunkt der Rechnungslegung bestehende Wirksamkeit des Bescheides vom 25. März 2009 nicht beeinflusst werden.

Neben diesen Wirkungen gegenüber dem Beigeladenen zu 1. kommen dem Bescheid vom 25. März 2009 vorliegend auch Rechtsfolgen im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin zu. Zwar besteht eine Tatbestands- bzw. Drittbindungswirkung von Verwaltungsakten grundsätzlich nur gegenüber Behörden sowie Gerichten und besagt, dass diese die in einem bindenden Bescheid getroffene(n) Regelung(en) als verbindlich hinzunehmen und ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit ihren Entscheidungen zugrunde zu legen haben (siehe z.B. BSG, Urteil vom 20. März 2007 – B 2 U 21/06 RSozR 4-1300 § 48 Nr. 11). Hier hat die Beklagte der Klägerin den Bescheid vom 25. März 2009 – ebenso wie diejenigen vom 12. August 2009, 11. März 2010 oder 8. April 2010 – indessen selbst übermittelt. Damit konnte für die Klägerin erkennbar nur bezweckt sein, den Umfang der von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfallfolgen und damit denjenigen der darauf zu beziehenden Heilbehandlungsansprüche des Beigeladenen zu 1. gegenüber der Klägerin abzustecken. Zudem lässt sich den Feststellungen der Unfallfolgen mindestens teilweise unmittelbar der Umfang des Behandlungsanspruchs gegen die gesetzliche Unfallversicherung entnehmen, der gegenüber Behandeltem und Behandler nicht unterschiedlich festgelegt werden kann.

Hiergegen lässt sich auch keine Unbeachtlichkeit einer Tatbestandswirkung im Erstattungsverfahren nach den §§ 102 ff. SGB X bzw. einwenden, dass sich diese allenfalls auf den Verfügungssatz beschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2016 – B 1 KR 29/15 R – juris; kritisch auch Urteil vom 20. März 2018 – B 2 U 16/16 R – juris). Denn abgesehen davon, dass es hier um keinen Erstattungsstreit im Sinne der genannten Normen geht, hat die Beklagte im Bescheid vom 25. März 2009 nicht lediglich negativ Ansprüche über einen bestimmten Zeitpunkt hinaus abgelehnt, sondern in den o.g. Verfügungssätzen zugunsten des Beigeladenen zu 1. – und zugleich mit Wirkung gegenüber der Klägerin – weitere konkrete Unfallfolgen nebst korrespondierender Behandlungsansprüche positiv festgestellt. Daran ist sie jedenfalls vorliegend gebunden, zumal sie die Klägerin im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB X am Verfahren beteiligt hat. Ob in einem Erstattungsverfahren anderes zu gelten hätte, kann dahinstehen.

Dass die Höhe der Kosten der von der Klägerin abgerechneten Behandlungen des Beigeladenen zu 1. dem einschlägigen Vergütungstarif eigene Einrichtungen entspricht, hat die Beklagte schließlich selbst bestätigt.

Letztlich ist der Vergütungsanspruch der Klägerin auch nicht i.H.v. 220.929,00 EUR verjährt, wie diese zutreffend eingewandt hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten gilt insoweit nicht die dreijährige Frist des § 195 BGB, sondern die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist von vier Jahren. Denn nach einhelliger Rechtsprechung des BSG kommt in der in § 45 SGB I bestimmten Frist von vier Jahren ein allgemeines Prinzip zum Ausdruck, das der Harmonisierung der Vorschriften über die Verjährung öffentlich-rechtlicher Vergütungsansprüche dient (siehe nur BSG, Urteil vom 19. April 2016 – B 1 KR 33/15 R – juris; Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R – juris; Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 11/15 R – juris; Urteil vom 28. November 2013 – B 3 KR 27/12 R – juris, jeweils m.w.N.). Dem schließt sich der Senat an. Selbst wenn also die Vierjahresfrist mit Stellung der Rechnung vom 16. Dezember 2009 begonnen hat, wurde der Eintritt von Verjährung durch die am 20. Dezember 2013 erhobene Klage verhindert.

Besteht der Vergütungsanspruch der Klägerin damit bereits aus Vertrag, bedarf es keiner Beantwortung der Frage mehr, ob sich diese Rechtsfolge (auch) aus § 683 Satz 1 BGB ergibt bzw. kommt es nicht mehr darauf an, dass die von der Beklagten unter dem 5. Juni, 27. Juli bzw. 5. August 2009 verweigerte Kostenübernahmeerklärung gemäß § 679 BGB unbeachtlich wäre. Entsprechendes gilt hinsichtlich eines Anspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB bzw. nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation (vgl. zu letzteren nur BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 – VII ZR 271/14NJW 2016, 1089, m.w.N.).

Danach konnte nur die Anschlussberufung erfolgreich sein, wobei der Zinsanspruch der Klägerin aus den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, 247 BGB folgt (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 – B 2 U 28/08 R – a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 Abs. 1 bis 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er die Frage der rechtlichen Anbindung des Vergütungsanspruchs von BG-Kliniken/Unfallkrankenhäusern gegenüber den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung als ihren eigenen Gesellschaftern für klärungsbedürftig hält.

Die Entscheidung zum Gegenstandswert ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGG in Verbindung mit den §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 40 und 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz und entspricht der Höhe der auch im Berufungsverfahren streitbefangenen Forderung der Klägerin.
Rechtskraft
Aus
Saved