S 13 U 74/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 13 U 74/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 195/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Verletztenrente.

Der 1978 geborene Kläger erlitt am 23.09.2000 bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit einen Arbeitsunfall. Bei der Verrichtung von Arbeiten mit dem Gabelstapler stürzte dieser plötzlich aus ungeklärter Ursache um. Der Chirurg und Durchgangsarzt Dr. Q., St.-G.-Hospital B., diagnostizierte in seinem Bericht vom 27.09.2000 "instabile LWK-2-Fraktur, Fußwur-zelluxationsfraktur li".

Auf Veranlassung der Beklagten hat der Orthopäde Dr. U. ein Gutachten vom 31.07.2001 erstattet. Der Gutachter hat für noch bestehende Unfallfolgen (1) stabil verheilter Bruch des 2. LWK mit geringer Absenkung der Deckplatte nach vorne, deutlicher zur rechten Seite, (2) Rechtsseitausbiegung der Lendenwirbelsäule, (3) Wackelsteife der Fußwurzel-Mittelfußgelenke 1 bis 4 (Lisfranc- reihe) mit röntgenologischen Zeichen der Degeneration I bis III eine MdE von 20 v. H. für die Zeit vom 05.02. bis 30.09.2001 vorgeschlagen.

Entsprechend hat die Beklagte dann mit Bescheid vom 07.08.2001 eine Gesamtvergütung nach einer MdE von 20 v. H. für die Zeit vom 05.02. bis 30.09.2001 bewilligt. Als Folgen des Arbeitsunfalles wurden anerkannt: "Minderbelastbarkeit der Lendenwirbelsäule mit Rechtsseitausbiegung. Wackelsteife der Fußwurzel-Mittelfußgelenke I bis IV links". Hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt mit der Begründung, dass er mit der zuerkannten MdE von 20 v. H. "nicht zufrieden" sei. Den Widerspruch hat die Beklagte mit Bescheid vom 21.03.2002 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 23.04.2002 vor dem erkennenden Gericht Klage erhoben. Er hat die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. über den 30.09.2001 hinaus begehrt.

Mit gerichtlicher Beweisanordnung vom 10.10.2002 ist Prof. Dr. F., F. Krankenhaus I., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden. Prof. Dr. F. hat die unfallbedingte MdE ab 01.10.2001 mit 10 v. H. bewertet. Wegen der Einzelheiten seines Gutachtens wird auf Blatt 74 ff. GA verwiesen.

Daraufhin hat die Beklagte mit Bescheid vom 21.03.2003 die Gewährung von Verletztenrente über den 30.09.2001 hinaus abgelehnt.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.03.2003 zu verurteilen, Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. über den 30.09.2001 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den den Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Der Kläger wird durch den Bescheid vom 21.03.2003, der gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist, nicht beschwert, weil dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung von Verletztenrente über den 30.09.2000 hinaus abgelehnt.

Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wird gemäß § 56 Abs. 1 SGB VII gewährt, wenn und so lange der Verletzte infolge des Arbeitsunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Diese Voraussetzung ist vorliegend ab dem 01.10.2001 nicht erfüllt.

Die Rentenbegutachtung in der gesetzlichen Unfallversicherung ist im Kern eine Funktionsbegutachtung, die unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgt. Der Grad der MdE hängt maßgebend von der Schwere des noch vorhandenen unfallbedingten Krankheitszustandes, den damit verbundenen Funktionseinbußen und dem Umfang der dem Verletzten dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ab (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 27). Für die Bemessung der MdE haben sich MdE-Erfahrungswerte herausgebildet, die zwar Verwaltung und Rechtsprechung nicht binden, bei der Rentenfeststellung aber regelmäßig zu berücksichtigen sind, da sie eine Grundlage für eine gerechte und gleiche Bewertung der MdE in zahlreichen Paralellfällen des täglichen Lebens bilden (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 23, 27, 28).

I. Bei der Beurteilung von Wirbelsäulenverletzungen sind maßgebende Kriterien für die Einschätzung der MdE, ob es sich um eine stabile oder instabile Ausheilung handelt, ob eine wirksame Achsenabweichung vorliegt und ob eine Wiederertüchtigung der Wirbelsäulenhaltemuskulatur gegeben ist (vergl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, Seite 499 ff.). Ein isolierter Wirbelkörperbruch ohne Bandscheibenbeteiligung bedingt danach keine meßbare MdE, was auch für einen stabilen Wirbelkörperbruch mit Bandscheibenbeteiligung gilt. Ist bei letzterem ein statisch wirksamer Achsenknick vorhanden, liegt die MdE bei 10 bis 20 v. H., bei Instabilität bei 20 v. H. und bei Instabilität und wirksamen Achsenknick zwischen 20 und 30 v. H. (vergl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, a.a.O., Seite 500). Nach Rompe-Erlenkämper (Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 3. Auflage 1998, Seite 428) bedingt ein Wirbelbruch oder eine Bandscheibenruptur stabil verheilt mit statisch unbedeutender Deformität im ersten Jahr eine MdE von 20 v. H., im zweiten Jahr eine solche von 0 bis 10 v. H ... Liegt ein instabiles Bewegungssegment vor, ist die MdE mit 10 bis 20 v. H. einzuschätzen, was in gleicher Weise dann gilt, wenn eine stabile Ausheilung mit erheblicher Störung des Wirbelsäulenaufbaus vorliegt.

Bei der Verletzung des Klägers handelt es sich um einen isolierten Wirbelkörperbruch des 2. Lendenwirbelkörpers mit vornehmlicher Impression im Bereich der rechtsseitigen Kante des Lendenwirbelkörpers. Eine Bandscheibenbeteiligung konnte kernspintomographisch ausgeschlossen werden. Der aktuelle Röntgenbefund belegt jetzt lediglich eine geringe Achsenknickbildung nach vorne um 7° und eine Rechtsseitneigung in Höhe des 2. Lendenwirbel¬körpers von ca. 5°. Somit ist von einer geringgradigen Achsenknickbildung ohne statische Bedeutung auszugehen. Weiterhin lassen sich weder klinisch noch radiologisch Bewegungseinschränkungen des betroffenen oder der an¬grenzenden Wirbelsegmente nachweisen. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass die in leichter Fehlstellung verheilte Wirbelkörperfraktur funktionell vollständig kompensiert ist. Wäre dem nicht so, wären degenerative Veränderungen in den angrenzenden Segmenten, die aber ausgeschlossen werden können, zu erwarten gewesen. Bei danach günstigem Ausheilungsergebniss ohne Bandscheibenbeteiligung und neurologische Defizite, bei gleichzeitiger Wiederertüchtigung der Wirbelsäulenhaitemuskulatur und einer statisch unbedeutenden Achsenknickbildung unter 10° beträgt die MdE in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Prof. Dr. F. unter 10 v. H ...

II. Nach den allgemeinen MdE-Erfahrungswerten wird eine Versteifung des oberen Sprunggelenkes bei einem Winkel von 90 bis 110° mit einer MdE von 20 v. H. bewertet (vergl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, a.a.O., Seite 695 f.). Ein vergleichbarer Befund besteht bei dem Kläger nicht. Hier konnte der Sachverständige Prof. Dr. F. im Rahmen seiner klinischen Untersuchung eine Bewegungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk von 30° sowie eine solche im unteren Sprunggelenk von 2/5 gegenüber der Gegenseite feststellen. Für eine nur geringgradige funktionelle Beeinträchtigung spricht zudem die Tatsache, dass sich an der betroffenen Extremität keinerlei Umfangsverminderungen feststellen ließen, die auf eine Schonung des betroffenen Beines hätten hindeuten können. Die von dem Sachverständigen Prof. Dr. F. vorgeschlagene MdE von 10 v. H. ist danach nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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