L 6 KR 115/18

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 17 KR 558/15
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 KR 115/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 33/19 B
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist im Berufungsverfahren noch ein Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 26. März bis 17. Mai. 2015.

Der 1975 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger erhielt von dieser anlässlich seiner ab dem 5. Februar 2015 (während Arbeitslosigkeit) bestehenden Arbeitsunfähigkeit vom 19. März 2015 an Krankengeld. Zum 18. März 2015 endete der Arbeitslosengeldbezug. Unter dem 13. März 2015 hatte die Allgemeinmedizinerin Dipl.-Med. G. wiederum aufgrund der ICD-10 K40.90 GR (Hernia inguinalis rechts, mit Gangrän) weitere Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich zum 25. März 2015 bescheinigt. Auf einem an die Beklagte am 25. März 2015 per Telefax übersandten Fragebogen bestätigte die Ärztin wiederum wegen derselben Diagnose Arbeitsunfähigkeit und gab u.a. an, ein Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei erst nach der anstehenden Operation absehbar. Am 2. April 2015 attestierte Dipl.-Med. G. den Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich zum 24. April 2015.

Mit Bescheid vom 14. April 2015 lehnte die Beklagte die weitere Zahlung von Krankengeld über den 25. März 2015 hinaus ab, da die Arbeitsunfähigkeit nach diesem Termin nicht lückenlos nachgewiesen sei.

Hiergegen erhob der Kläger noch im selben Monat Widerspruch.

Weiter erhielt die Beklagte u.a. die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen Dipl.-Med. G.s vom 17. April 2015 (voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis zum 30. April 2015) sowie des Chirurgen Dr. M. vom 30. April 2015 (voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis zum 17. Mai 2015) und 18. Mai 2015 (voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis zum 24. Mai 2015), der ergänzend angab, die ursprünglich für den 25. März 2015 vorgesehene Leistenbruchoperation habe auf den 1. April 2015 verschoben werden müssen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2015 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Am 13. November 2015 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und ergänzend darauf hingewiesen, dass er bis zum 15. Juli 2015 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und ab dem Folgetag Arbeitslosengeld I bezogen habe.

Mit Urteil vom 25. September 2018 hat das SG die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger vom 26. März bis zum 17. Mai 2018 Krankengeld zu gewähren, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach § 46 Satz 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in der hier maßgeblichen und bis zum 22. Juli 2015 gültigen Fassung (a.F.) entstehe der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge. Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs sei es deshalb erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts ärztlich festgestellt werde. Dies sei hier bis zum 17. Mai 2015 der Fall gewesen. Denn das Schreiben Dipl.-Med. G.s vom 25. März 2015 stelle eine ausreichende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dar, die unmittelbar an die zuvor erstellte Bescheinigung vom 13. März 2015 anschließe. Angesichts dessen habe die Beklagte davon ausgehen müssen, dass die Arbeitsunfähigkeit ohne die Operation erst recht auf unbestimmte Zeit fortbestehe. Hieran hätten die weiteren Bescheinigungen lückenlos angeknüpft. Diese lückenlose Kette sei hingegen seit dem 18. Mai 2015 unterbrochen, weshalb am 17. Mai 2015 auch die Mitgliedschaft des Klägers mit einem Anspruch auf Krankengeld geendet habe. Die Voraussetzungen eines nachgehenden Versicherungsschutzes gemäß § 19 Abs. 2 SGB V lägen ebenfalls nicht vor. Denn der Kläger sei bis zum erneuten Bezug von Arbeitslosengeld ab dem 16. Juli 2015 nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ohne Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Da auch nicht absehbar gewesen sei, dass er spätestens innerhalb eines Monats nach dem Ende der Mitgliedschaft ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis aufnehmen würde, liege auch kein Ausnahmetatbestand einer Verdrängung der Auffangversicherung vor (Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 19/11 R – juris).

Gegen das ihr am 2. November 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte noch im selben Monat Berufung eingelegt und zur Begründung angeführt, die Mitteilung Dipl.-Med. G.s vom 25. März 2015 basiere nicht auf einer persönlichen Untersuchung des Klägers. Eine solche sei nach der Rechtsprechung des BSG indessen unabdingbar (Hinweis auf Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 30/04 R – juris; Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris).

Die Beklagte beantragt ihrem Vorbringen nach,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 25. September 2018 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt seinem Vorbringen nach,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Berichterstatter hat darauf hingewiesen, dass für eine Arbeitsunfähigkeitsfeststellung ein unmittelbarer Arzt-Patienten-Kontakt nicht in zwingend erforderlich sei (BSG, Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 22/15 R – juris, Rn. 23). Es bedürfe insbesondere dann keiner zusätzlichen Information, wenn die Krankenkasse bereits anderweitig vom Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit sowie davon, dass der Versicherte weiterhin Krankengeld beanspruche, Kenntnis erlangt habe (BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 20/11 R – juris, Rn. 19 f.).

Die Beteiligten sind zur Absicht des Senats, über die Berufung durch Beschluss zu entscheiden und diese zurückzuweisen, gehört worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung hat keinen Erfolg, worüber der Senat im Beschlusswege befinden konnte.

Nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG kann der Senat außer in den – hier nicht gegebenen – Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. So liegt es hier. Eine mündliche Verhandlung war zur Sicherung der Entscheidungsgrundlagen nicht nötig, weil keine Tatsachen umstritten sind, sondern (nur) deren rechtliche Würdigung. Insoweit haben die Beteiligten ihre Ansichten schriftlich zum Ausdruck gebracht und gegen die Absicht des Senats, über den Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden, keine Einwände erhoben.

Der Bescheid der Beklagten vom 14. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2015 beschwert den Kläger im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil er auch für die noch streitbefangene Zeit vom 26. März bis 17. Mai 2015 Anspruch auf Krankengeld hat.

Unstrittig ist zwischen den Beteiligten, dass der Kläger gemäß § 44 Abs. 1 des SGB V die Anspruchsvoraussetzungen erfüllte, weil er arbeitsunfähig war und als Bezieher von Arbeitslosengeld I nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V mit Anspruch auf Krankengeld versichert war. Sein Anspruch ist nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. jedenfalls durch die erstmalige ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 5. Februar 2015 vor dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges zum 18. März 2015 entstanden. Im Anschluss daran ist die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig lückenlos durch Dipl.-Med. G. zunächst bis zum 25. März 2015 festgestellt worden, so dass der Anspruch auf Krankengeld bis zu diesem Datum bestand. Denn die Mitgliedschaft des Klägers als Versicherter mit Krankengeldanspruch blieb gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V auch nach dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges erhalten.

Die Voraussetzungen der §§ 44, 46 Satz 1 Nr. 2 a.F., 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V waren auch für die noch streitbefangene Zeit vom 26. März bis zum 17. Mai 2015 erfüllt, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat. Denn die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers erfolgte bereits durch das Ausfüllen des Fragebogens seitens Dipl.-Med. G.s am 25. März 2015 und dessen Übersendung an die Beklagte noch am selben Tag.

Gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. entsteht der Anspruch auf Krankengeld "von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt". Maßgeblich hierbei ist also nicht der "wirkliche" oder "ärztlich attestierte" Beginn der Arbeitsunfähigkeit, sondern der Folgetag nach der ärztlichen Feststellung (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 – B 1 KR 37/06 RSozR 4-2500 § 46 Nr. 2). Der Krankengeldanspruch ruht gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit gemeldet wird.

Ausgehend hiervon musste für die Weitergewährung von Krankengeld über den 25. März 2015 hinaus grundsätzlich spätestens an diesem Tag Arbeitsunfähigkeit für den 26. März 2015 ärztlich bescheinigt worden sein. Dies ist der Fall. Denn die von Dipl.-Med. G. am 25. März 2015 getroffene Feststellung, dass eine Prognose über den Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit des Klägers erst nach der geplanten Operation abgegeben werden könne, erfüllt alle notwendigen Anforderungen. Die Ärztin hat hierin unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass beim Kläger vorerst weiter Arbeitsunfähigkeit bestand. Angesichts seines operationsbedürftigen Leistenbruchs deckt diese Feststellung jedenfalls den Zeitraum bis zur Arbeitsunfähigkeitsfeststellung am 1. und 2. April 2015 ab. Denn mit ihrer Aussage, der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit sei erst nach der Operation absehbar, knüpft Dipl.-Med. G. an ihre vorherigen Bescheinigungen an, laut denen sie jeweils zwischen zehn Tagen und zwei Wochen Arbeitsunfähigkeit attestiert hatte. Sie macht hiermit gegenüber der Beklagten hinreichend deutlich klar, dass in einem solchen von ihr bislang als prognosefähig behandelnden Zeitraum Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten sei.

Unschädlich ist, dass die Ärztin die Arbeitsunfähigkeit auf keinem durch die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie dafür vorgesehenen Vordruck festgestellt hat. Denn deren Regelungen grenzen die leistungsrechtlichen Vorschriften nicht ein, was auch in Bezug auf die Art und Weise der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsfeststellung gilt (BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 20/11 R – s.o.; Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR 18/04 R – juris, Rn. 25, m.w.N.). Erforderlich für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist lediglich ein über eine innere ärztliche Überzeugungsbildung hinausgehender Akt mit Außenwirkung, der – vor allem gegenüber der als leistungspflichtig in Anspruch genommenen Krankenkasse – beweissicher zu dokumentieren ist (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R – juris, Rn. 18). Entsprechendes ist hier beim Fragebogen vom 25. März 2015 der Fall.

Entgegen der Ansicht der Beklagten war für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 25. März 2015 auch keine (nochmalige) persönliche Vorstellung des Klägers bei Dipl.-Med. G. nötig. Denn deren Einschätzung beruhte auf den regelmäßigen Vorstellungsterminen des Klägers; zuletzt am 13. März 2015 und damit nur zwölf Tage zuvor. Da es infolge des Leistenbruchs zu einem langwierigen Heilungsprozess mit Operationsbedürftigkeit gekommen war, unterliegt die Feststellung vom 25. März 2015 auch in der Sache keinen Zweifeln. Sie beinhaltet genau diejenige Einschätzung, die die Beklagte selbst nach der Ausgestaltung ihres Fragebogens für möglich hält und bei der Ärztin gezielt abfragte.

Abgesehen davon wird ein unmittelbarer Arzt-Patienten-Kontakt nur für den – hier nicht vorliegenden – Ausnahmefall einer für den Erhalt des Krankengeldanspruches nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V a.F. nicht rechtzeitigen bzw. fehlenden ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als zwingend erforderlich angesehen (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R – juris, Rn. 23).

Schließlich kann dem Kläger im Hinblick auf die rechtzeitige Arbeitsunfähigkeitsfeststellung seitens Dipl.-Med. G.s am 25. März 2015 nicht entgegengehalten werden, dass er diese nicht selbst veranlasst und der Beklagten übermittelt hat. Hat die Krankenkasse nämlich – wie hier – bereits Kenntnis von einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und davon, dass der betroffene Versicherte weiterhin Krankengeld beansprucht, sind die Obliegenheiten der §§ 46, 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V auch insoweit erfüllt (BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 20/11 R – juris, Rn. 20).

Da die Arbeitsunfähigkeitsfeststellung Dipl.-Med. G.s vom 13. März 2015 erst mit dem 25. März 2015 endete und durch sie selbst an diesem Tag weitere Arbeitsunfähigkeit des Klägers festgestellt wurde, trat ab dem 26. März 2015 keine Unterbrechung des Krankengeldanspruchs des Klägers mit der Folge der Beendigung der auf dem Arbeitslosengeldbezug beruhenden Pflichtmitgliedschaft (§§ 190 Abs. 2, 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) ein. Aufgrund der am 1., 2., 17. und 30. April 2015 lückenlos bescheinigten weiteren Arbeitsunfähigkeit bestand sein Anspruch auf Krankengeld im Ergebnis für die noch streitgegenständliche Zeit bis zum 17. Mai 2015 fort.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG liegen nicht vor, da die Entscheidung auf einer durch die angeführte Rechtsprechung geklärten Rechtlage beruht.
Rechtskraft
Aus
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