L 5 R 390/12

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 1 R 210/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 390/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Fulda vom 13. September 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gestützten (teilweisen) Aufhebung der Entscheidung über die Gewährung von Witwenrente für die Zeit vom 1. März 1996 bis zum 31. Dezember 2008 wegen anzurechnenden eigenen Einkommens sowie über die Erstattung eines im Wege der Ermessensausübung von 23.736,12 EUR um 50% auf 11.868,06 EUR ermäßigten Überzahlungsbetrages.

Die 1936 geborene Klägerin ist die Witwe des 1913 geborenen und 1993 verstorbenen Versicherten B.A ... Der Versicherte war nach Scheidung seiner ersten Ehe mit ihr von 1967 an verheiratet.

Nach dem Tode des Ehemannes beantragte die Klägerin am 16. Dezember 1993 bei der Beklagten die Gewährung von Witwenrente. Im Antragsformular gab sie hinsichtlich ihrer eigenen Einkünfte seinerzeit wahrheitsgemäß an, dass sie ohne eigene Einkünfte sei. Durch in der Sache bindend gewordenen Bescheid vom 9. Februar 1994 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin für die Zeit ab 1. Januar 1994 eine (zunächst ungeteilte) große Witwenrente aus der Versicherung des Ehemannes.

Wegen des Hinzutritts einer Hinterbliebenenrente zugunsten der geschiedenen ersten Ehefrau des Versicherten (C.A., geboren 2014) wurde die Witwenrente der Klägerin seitens der Beklagten nach entsprechender Anhörung durch Bescheid vom 17. Januar 1995 für die Zeit ab 1. April 1994 neu berechnet. Dabei ergab sich hinsichtlich der Zeit vom 1. April 1994 bis zum 28. Februar 1995 eine Überzahlung in Höhe von 4.416,41 DM, welche seitens der Klägerin erstattet wurde.

Im Bewilligungsbescheid vom 9. Februar 1994 heißt es – ebenso wie sinngemäß auch im nachfolgenden Neuberechnungsbescheid vom 17. Januar 1995 – im Abschnitt "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten " unter anderem:

"Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen können Einfluss auf die Rentenhöhe haben. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen, das sind

- Arbeitsentgelt,

- Arbeitseinkommen (Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit),

- vergleichbares Einkommen,

oder von Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen.

Erwerbsersatzeinkommen sind, auch als Kapitalleistung oder Abfindung, folgende Leistungen

- Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Mutterschaftsgeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld, Arbeitslosengeld, Konkursausfallgeld und vergleichbare Leistungen,

- Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung,

- Altersgeld und vorzeitiges Altersgeld der Altershilfe für Landwirte,

-

Die Meldung von Veränderungen erübrigt sich bei Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit oder bei Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung.

Wir werden den Bescheid - auch rückwirkend - ganz oder teilweise aufheben und zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückfordern, soweit bestehende Mitteilungspflichten nicht erfüllt werden. Überzahlungen können vermieden werden, wenn Sie uns umgehend benachrichtigen."

Durch Bescheid vom 3. April 1996 bewilligte die Beklagte der Klägerin ferner antragsgemäß für die Zeit ab 1. März 1996 eine Altersrente für Frauen aus eigener Versicherung als Vollrente. Das für die Gewährung der Witwenrente zuständige Dezernat wurde hiervon im Hause der Beklagten unter dem 3. April 1996 (vgl. Bl. 149 Rentenakten) lediglich mittels eines sog. Einlegers im Archiv unterrichtet, so dass der Vorgang dort nicht zur Bearbeitung und Auswertung vorgelegt wurde. Es unterblieb deshalb zunächst eine entsprechende Anrechnung der Altersrente auf die Witwenrente.

Anlässlich des Todes der geschiedenen Ehefrau im März 2008 und des Wegfalls von deren Rentenberechtigung bemerkte die Beklagte ihr Versehen. Sie nahm zunächst durch in der Sache bindend gewordenen Bescheid vom 17. November 2008 unter Anrechnung der Altersrente eine Neufeststellung der Witwenrente für die Zeit ab 1. Januar 2009 vor.

Durch den hier maßgeblichen weiteren Bescheid vom 6. Februar 2009 hob die Beklagte sodann unter Berufung auf § 48 SGB X nach Anhörung der Klägerin den Rentenbescheid vom 9. Februar 1994 sowie den Bescheid vom 17. Januar 1995 "hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 1. März 1993" (teilweise) auf und ermittelte hinsichtlich der Zeit vom 1. März 1993 bis zum 31. Dezember 2008 – unter Berücksichtigung der wegen des Fortfalls der Geschiedenen-Witwenrente für die Zeit ab 1. April 2008 entfallenen Aufteilung der Hinterbliebenenrente – einen Überzahlungsbetrag in Höhe von 23.736,12 EUR, wovon sie in Anbetracht ihres am Zustandekommen der Überzahlung zu berücksichtigenden Mitverschuldens im Wege der Ermessenausübung lediglich einen um 50% auf 11.868,06 EUR ermäßigten Betrag erstattet verlangte.

Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 10. August 2009 mit der Begründung zurück, dass das Vertrauen der Klägerin in den Bestand der Rentenbewilligung nicht geschützt sei, weil ein Fall des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und Nr. 4 SGB X vorliege. Die Fristen für eine Bescheidrücknahme seien nicht verstrichen, weil gemäß § 48 Abs. 4 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X auch nach Ablauf der Zehnjahresfrist ein Bescheid zurückgenommen werden könne, wenn mit dem Bescheid wiederkehrende Geldleistungen bewilligt wurden und diese im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung noch laufend gezahlt werden.

Die Klägerin erhob daraufhin am 11. September 2009 Klage bei dem Sozialgericht Fulda und machte geltend, dass ihr Altersrentenbezug der Beklagten bekannt gewesen sei. In den Witwenrentenbescheiden sei vermerkt gewesen, dass die Meldung von Veränderungen sich erübrigt bei Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Sie habe auf die Rechtmäßigkeit der Rentenzahlungen vertraut und sei in diesem Vertrauen schutzwürdig. Vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten könne ihr nicht vorgeworfen werden. Die Fristen für eine nachträgliche Bescheidkorrektur seien längst abgelaufen. Im Übrigen habe sie auch bereits überzahlte Witwenrente in Höhe von 4.416,61 EUR erstattet.

Die Beklagte verteidigte dagegen die angefochtenen Bescheide. Der Bescheidzusatz, dass eine Mitteilung unterbleiben kann, beziehe sich auf Veränderungen bezüglich eines bereits bekannten Rentenbezugs (z.B. Änderungen der Rentenhöhe), nicht jedoch auf die erstmalige Neubewilligung einer Rente. Die seitens der Klägerin getätigte Rückzahlung in Höhe von 4.416,61 EUR betreffe nicht die hier streitige Einkommensanrechnung ab März 1996, sondern sei im Zusammenhang mit der Aufteilung der Hinterbliebenenrente im Jahre 1995 zustande gekommen.

Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 13. September 2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X berechtigt gewesen sei, ihre Entscheidung über die Rentenbewilligung aufzuheben, weil die Klägerin hinsichtlich des von ihr erzielten Einkommens zumindest grob fahrlässig die ihr obliegenden Mitwirkungspflichten verletzt habe. Die aufgrund der Annahme eines sog. atypischen Falls seitens der Beklagten vorgenommene Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden. Schließlich habe die Beklagte auch die bei einer auf § 48 SGB X gestützten Bescheidaufhebung zu beachtenden Fristen ordnungsgemäß eingehalten.

Die Klägerin hat gegen den ihr am 18. September 2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 12. Oktober 2012 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen und macht geltend, es sei im Übrigen auch fehlerhaft, dass die Beklagte im Rahmen der Ermessenausübung ein 50%iges Verschulden der Rentenempfängerin angenommen habe.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Fulda vom 13. September 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie sieht sich in ihrer Auffassung durch die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Versicherten betreffenden Rentenakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Fulda vom 13. September 2012 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2009 ist zu Recht ergangen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der ursprüngliche Rentenbewilligungsbescheid vom 9. Februar 1994 in der Fassung des Neufeststellungsbescheides vom 17. Januar 1995 hinsichtlich der Rentenhöhe unveränderten Bestand hat und dass die ihr dem Grunde nach unstreitig zustehende Witwenrente ohne Berücksichtigung der von ihr in der Zeit vom 1. März 1996 bis zum 31. Dezember 2008 bezogenen Altersrente aus eigener Versicherung berechnet wird. Die Beklagte durfte den Rentenbewilligungsbescheid vom 9. Februar 1994 in der Fassung des Neufeststellungsbescheides vom 17. Januar 1995 (teilweise) hinsichtlich der Rentenhöhe rückwirkend aufheben, weil in den für die Rentenbewilligung maßgeblich gewesenen Verhältnissen (nachträglich) bezüglich des streitigen Zeitraums eine wesentliche Änderung eingetreten ist und weil einer Aufhebung dieser Bescheide kein schützenswertes Vertrauen der Klägerin entgegensteht.

Die Beklagte beruft sich in den angefochtenen Bescheiden zu Recht auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach Abs. 1 dieser Vorschrift ist ein (anfänglich rechtmäßiger oder rechtswidriger) Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, nachträglich eine wesentliche Änderung eintritt.

Sofern der ursprüngliche Verwaltungsakt – wie im vorliegenden Fall – rechtmäßig war, ist eine Änderung im Sinne dieser Vorschrift regelmäßig dann "wesentlich", wenn durch sie dem ursprünglich erlassenen Verwaltungsakt nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen wird. Entscheidend ist in diesem Fall, ob die Behörde den Verwaltungsakt auch unter den geänderten Verhältnissen noch mit unverändertem Inhalt erlassen dürfte oder nicht. Ist das nicht der Fall, so ist die Änderung der Verhältnisse "wesentlich" im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X. Dementsprechend heißt es bereits in der Begründung zum Entwurf eines Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - (Bundestags-Drucksache 8/2034 S. 35 zu § 46), ob eine Änderung wesentlich sei, bestimme sich nach dem materiellen Recht.

Ausgangspunkt für das Tätigwerden der Beklagten ist im vorliegenden Fall die vom Grundsatz her bereits seit dem 1. Januar 1986 bestehende gesetzliche Regelung (§ 1281 Reichsversicherungsordnung (RVO)/§ 58 Angestellten-Versicherungsgesetz (AVG) bzw. § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)), wonach das Einkommen (§§ 18a bis 18e Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)) von Berechtigten, das mit einer Witwenrente oder Witwerrente zusammentrifft, hierauf angerechnet wird.

Nach § 18a Abs. 1 Nr. 1 SGB IV ist bei einer Rente wegen Todes unter anderem das Erwerbseinkommen zu berücksichtigen, welches in § 18a Abs. 2 Satz 1 SGB IV näher als Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und vergleichbares Einkommen definiert wird. Maßgebend für die Einkommensanrechnung ist gemäß § 18b Abs. 1 SGB IV grundsätzlich das monatliche Einkommen, bei Erwerbseinkommen allerdings das Einkommen des letzten Kalenderjahres, geteilt durch die Zahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde (§ 18b Abs. 2 Satz 1 SGB IV) und gekürzt um die Beträge nach § 18b Abs. 5 Nr. 1 SGB IV. Arbeitsentgelt wird aus einer abhängigen Beschäftigung erzielt (§ 14 SGB IV), wogegen das Arbeitseinkommen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV (früher nur Satz 1) in der seit Inkrafttreten des SGB IV unveränderten Definition "der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit" ist.

Wie sich aus § 18a Abs. 1 Nr. 2 SGB IV ergibt, sind auf Renten wegen Todes außerdem als Einkommen diejenigen Leistungen zu berücksichtigen, die erbracht werden, um Erwerbseinkommen zu ersetzen (Erwerbsersatzeinkommen). Zum Erwerbsersatzeinkommen zählen der Vorschrift des § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB IV zufolge neben anderen Leistungen auch die Renten der Rentenversicherung wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit, wobei Kinderzuschuss, Kinderzulage und vergleichbare kindbezogene Leistungen gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB IV außer Betracht bleiben.

Mehrere zu berücksichtigende Einkommen sind nach der Vorschrift des § 18b Abs. 1 Satz 2 SGB IV zusammenzurechnen.

Die gesetzlichen Bestimmungen über die Anrechnung von Erwerbs- und Erwerbsersatz-einkommen auf die Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 18. Februar 1998 - 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86 = BVerfGE 97, 271 = SozR 3-2940 § 58 Nr. 1) hat ausdrücklich hervorgehoben, dass die Hinterbliebenenversorgung nicht auf einer dem Versicherten zurechenbaren Eigenleistung (vgl. BVerfG vom 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 = BVerfGE 92, 365, 405) beruht und dass Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Hinterbliebenenversorgung demgemäß auch nicht dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterliegen. Die Hinterbliebenenrente stellt vielmehr eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung dar, zumal sie ohne eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt wird (vgl. BVerfG vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 = BVerfGE 76, 256, 300f.). Insgesamt dient sie damit der Sicherung der Familienangehörigen im Rahmen des dem Sozialversicherungssystem eigenen Gedankens des sozialen Ausgleichs. Da die Hinterbliebenenrente Unterhaltsersatzfunktion hat, ist die Berücksichtigung des eigenen Einkommens der Hinterbliebenen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) sachgerecht und unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Im Hinblick darauf, dass Hinterbliebenenrenten die Berücksichtigung einer typisierten Bedarfslage ohne die genauere Festlegung eines individuellen Bedarfs unter Berücksichtigung des jeweiligen Einkommens eigen ist, war der Gesetzgeber nicht gehindert, die Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick auf anrechenbares Einkommen abweichend von anderen Rentenleistungen zu regeln. Insoweit handelt es sich nicht einmal um eine Systemwidrigkeit, die einen Gleichheitsverstoß indizieren könnte. Auch das im System der Sozialversicherung angelegte Prinzip des sozialen Ausgleichs rechtfertigt die Anrechnungsregelung, die einen kleinen Teil aller Hinterbliebenenrenten voll zum Ruhen bringt, um den sozial Schwächeren eine relativ höhere Sicherung zukommen zu lassen. Die in § 18a SGB IV getroffene Unterscheidung zwischen anzurechnenden und nicht anzurechnenden Arten von Einkommen verletzt dabei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) insbesondere auch nicht den Gleichheitssatz, weil die Abgrenzung nach sachgerechten Kriterien erfolgt (vgl. BVerfG vom 12. März 1996 - 1 BvR 609/90 = BVerfGE 94, 241, 260).

Die Beklagte ist in Anbetracht dieser gesetzlichen Regelung zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin von Rechts wegen in der vorliegend streitigen Zeit vom 1. März 1996 bis zum 31. Dezember 2008 jedenfalls der Höhe nach keinen Anspruch auf eine ohne Berücksichtigung seit 1. März 1996 bezogenen Altersrente berechneten Witwenrente in der ihr tatsächlich gezahlten Höhe haben konnte und dass der ungeachtet des anzurechnenden Erwerbsersatzeinkommens ergangene Rentenbewilligungsbescheid vom 9. Februar 1994 sowie der Neufeststellungsbescheid vom 17. Januar 1995 deshalb hinsichtlich der Rentenhöhe (teilweise) rechtswidrig waren. Es handelt sich insoweit um eine "wesentliche Änderung" im Sinne des §§ 48 SGB X, denn durch den Bezug der anzurechnenden Altersrente ist dem ursprünglichen Rentenbewilligungsbescheid vom 9. Februar 1994 in der Fassung des Neufeststellungsbescheides vom 17. Januar 1995 nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen worden. Dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen in der Sache auch ebenso unstreitig wie der Gesamtbetrag der hier – unter Berücksichtigung der wegen des Fortfalls der Geschiedenen-Witwenrente für die Zeit ab 1. April 2008 entfallenen Aufteilung der Hinterbliebenenrente – insgesamt in Rede stehenden Überzahlung von insgesamt 23.746,12 EUR. Das Rechenwerk der Beklagten als solches ist in den Einzelheiten nicht umstritten ist, so dass es insoweit keiner weiteren Darlegungen bedarf.

Unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen ein nach Maßgabe von § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Sache bindend gewordener Verwaltungsakt aufgehoben werden kann ist in §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) geregelt.

Soweit – wie im vorliegenden Falle nachträglich – in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines anfänglichen rechtmäßigen Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt der Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zufolge grundsätzlich mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse (also rückwirkend) aufgehoben werden, soweit

1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,

2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,

3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder

4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Wie sich aus § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X ergibt, kann der Verwaltungsakt grundsätzlich nur bis zum Ablauf von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe aufgehoben werden. Gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X kann der Verwaltungsakt allerdings auch nach Ablauf der Frist von 10 Jahren noch zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. Die Behörde muss dies gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X grundsätzlich innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Aufhebung für die Vergangenheit rechtfertigen.

Soweit ein Verwaltungsakt nach Maßgabe der vorstehend genannten Bestimmungen aufgehoben worden ist, sind gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X die bereits erbrachten Leistungen zu erstatten. Die zu erstattende Leistung ist der Vorschrift des § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X zufolge durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 SGB X soll die Festsetzung, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsaktes erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

Ausgehend von diesen gesetzlichen Bestimmungen kann die Klägerin sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie trotz des Bezugs einer Altersrente aus eigener Versicherung auf den Bestand der ohne Anrechnung eigener Einkünfte gezahlten Witwenrente vertraut habe und in diesem Vertrauen geschützt sei.

Gemäß § 48 Abs.1 Satz 2 Nr. 3 SGB X soll ein rechtswidrig gewordener begünstigender der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Hiervon werden jene Leistungen berührt, deren Anspruchsvoraussetzungen durch gesetzlich festgelegte Einkommensgrenzen beschränkt werden (z.B. § 34 Abs. 2 SGB VI) oder deren Höhe von anzurechnendem Einkommen oder Vermögen abhängig ist (z.B. § 97 SGB VI). Soweit Einkommen oder Vermögen zum Wegfall oder zur Minderung der Leistung führt, kommt es auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nicht an. Denn bei dieser Art von Sozialleistungsansprüchen kennt jeder Berechtigte von Anfang an die Auswirkungen eines nachträglich oder künftig erzielten Einkommens, weil er den Sozialleistungsanspruch als Ersatz für weggefallenes oder fehlendes Einkommen erworben hat (vgl. BSGE 89,13).

Wie das Bundessozialgericht bereits mehrfach (vgl. BSG vom 23. März 1995 - 13 RJ 39/94 = SozR 3-2200 § 1248 Nr. 11 mit weiteren Nachweisen) hervorgehoben hat, ist die sehr weitgehende Möglichkeit der Aufhebung des Verwaltungsakts für die Vergangenheit nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X allerdings nur dadurch zu rechtfertigen, dass der Leistungsempfänger (auch wirtschaftlich) eine doppelte Zahlung erhalten hat, er also sowohl die ursprüngliche Sozialleistung (Hinterbliebenenrente als Unterhaltsersatzleistung) bezogen hat als auch die andere Leistung (Altersrente als Erwerbsersatzleistung), die zum Wegfall des erstgenannten Anspruchs geführt hat. Eine solche Doppelleistung liegt freilich nur vor, soweit sich die Leistung, die zum Wegfall des Anspruchs geführt hat, mit dem weggefallenen Anspruch deckt. Denn nur in diesem Umfang kann für den Leistungsempfänger ein doppelter wirtschaftlicher Vorteil entstehen. Dementsprechend beschränkt sich das Aufhebungsrecht für die Vergangenheit im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X auf die Höhe der nachträglich bewilligten Leistung, wenn die wegfallende Leistung höher ist als diejenige, die den Wegfall bewirkt (vgl. BSG vom 13. August 1986 - 7 RAr 33/85 = BSGE 60, 180 = SozR 1300 § 48 Nr. 26). Ein anderes Ergebnis wäre unbillig und mit dem vom Vertrauensschutz geprägten Grundgedanken des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X nicht zu vereinbaren. Im Wortlaut des Gesetzes kommt dies in dem Satzteil zum Ausdruck, wo es heißt, dass der Verwaltungsakt nur aufgehoben werden solle, "soweit " Einkommen oder Vermögen erzielt wurde. Die im Rahmen dieser Regelung erleichterte Aufhebung von Verwaltungsakten mit Wirkung für die Vergangenheit ist deshalb nur in dem Umfang als sachgerecht anzusehen, als sie die "Abschöpfung" eines unzulässigen Doppelbezuges ermöglicht. Führt das Überschreiten einer Verdienstgrenze zum Wegfall einer Sozialleistung, so kann die rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheides gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X mithin nur in Höhe des Mehrverdienstes erfolgen (vgl. BSG vom 23. März 1995, a.a.O.).

Vorliegend ist allerdings ganz offenkundig ein solcher Fall der echten Doppelleistung gegeben. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Altersrente der Klägerin aus eigener Versicherung jeweils höher ist als der nach Maßgabe von § 97 Abs. 2 SGB VI als eigenes Einkommen auf die Witwenrente anzurechnende Teil dieser Altersrente. Dementsprechend war die im streitigen Zeitraum von der Klägerin bezogene Altersrente um ein Vielfaches höher als die hier ihr gegenüber geltend gemachte Erstattungsforderung der Beklagten von 11.868,06 EUR. Bei solchen Verhältnissen ergeben sich für den Senat keinerlei Bedenken, von einer "doppelten" Zahlung im Sinne des § 48 Abs.1 Satz 2 Nr. 3 SGB X auszugehen.

Bei dieser Sachlage mag es dahingestellt bleiben, ob die Klägerin im Sinne des § 48 Abs.1 Satz 2 Nr. 4 SGB X positive Kenntnis davon gehabt hat, dass ihre Witwenrente während des streitigen Zeitraums in dem nachträglich seitens der Beklagten ermittelten Ausmaß geruht hat, oder ob sie jedenfalls unschwer in der Lage gewesen wäre zu erkennen, dass der Bezug der Altersrente rentenschädliche Auswirkungen in Bezug auf die ihr bewilligte Hinterbliebenenrente haben konnte. Die in den Bescheiden der Beklagten vom 9. Februar 1994 sowie vom 17. Januar 1995 enthaltenen Hinweise, dass die Witwenrente beim Zusammentreffen mit Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen in bestimmten Umfang geruht, sind ausführlich, klar und einfach zu verstehen. Wenn die Klägerin – wie es bei Beachtung der einem in jedem Sozialleistungsempfänger obliegenden Sorgfalt geboten ist – die entsprechenden Hinweise sorgfältig zur Kenntnis genommen hat, dann musste ihr klar sein, dass beim Bezug einer Rente aus eigener Versicherung hinsichtlich ihrer Berechtigung zum Bezug der Witwenrente ein sog. Anrechnungsfall gegeben sein konnte. Etwaigen Zweifeln hinsichtlich der Rechtslage hätte die Klägerin in einfacher Weise dadurch begegnen können, dass sie den ihr seitens der Beklagten in den Bescheiden vom 9. Februar 1994 sowie vom 17. Januar 1995 gegebenen Hinweisen gefolgt wäre und ihrer Verpflichtung, der Beklagten das Hinzutreten von Erwerbsersatzeinkommen in Gestalt einer Versichertenrente (Altersrente für Frauen) unverzüglich mitzuteilen, entsprochen hätte. Es ist schlechterdings nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Erwägungen die Klägerin zu der Annahme gelangt sein könnte, dass ihr eine ungekürzte Witwenrente zusteht, obwohl aufgrund des Bezuges einer Altersrente aus eigener Versicherung der in den Bescheiden der Beklagten mit einfachen Worten klar und verständlich beschriebene Anrechnungsfall vorliegt. Zur Überzeugung des Senats spricht bei dieser Sachlage in der Tat viel für die Annahme, dass die Klägerin im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X die Rechtswidrigkeit der ohne Berücksichtigung ihrer eigenen Einkünfte anrechnungsfrei erfolgten Gewährung der Witwenrente gekannt oder zumindest nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat.

Abgesehen davon muss die Klägerin sich im Übrigen aber auch vorhalten lassen, dass sie im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X der ihr obliegenden Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für sie nachteiliger Veränderungen der Verhältnisse nicht nachgekommen ist. Für die sich aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ergebende Pflicht zur Mitteilung von Änderungen in den für die Leistungsgewährung wesentlichen Verhältnissen, auf welche die Klägerin in den Bescheiden vom 3. April 1989 und vom 13. Juni 1989 rechtzeitig, umfassend und unmissverständlich hingewiesen worden ist, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 12. Februar 1980 - 7 RAr 13/79) nicht darauf an, ob der Rentenversicherungsträger bereits auf anderem Wege – hier durch die unter der eigenen Versicherungsnummer der Klägerin erfolgte Bewilligung der Altersrente – Kenntnis von der Änderung der Verhältnisse hatte. Dies wird damit begründet, dass es gerade Zweck der Mitteilungspflicht des Leistungsempfängers sei, auch eine – von der Kenntnis des Amtes unabhängige – Überprüfung des Leistungsfalls veranlassen.

Die Klägerin beruft sich zu Unrecht darauf, dass es in den Bescheiden vom 9. Februar 1994 sowie vom 17. Januar 1995 im Abschnitt "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" heißt:

"Die Meldung von Veränderungen erübrigt sich bei Einkommen aus einer in der Bundesrepublik Deutschland rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit oder bei Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung."

Denn diese Formulierung bezieht sich erkennbar nur auf "Veränderungen" in Bezug auf bereits bekannte Anrechnungskonstellationen. Das ergibt sich zweifelsfrei daraus, dass es im Abschnitt "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" zuvor heißt, dass das "Hinzutreten" von Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen sei. Um genau einen solchen Fall des "Hinzutretens" jedoch handelt es sich vorliegend.

Dass die Klägerin zur Anzeige der von ihr bezogenen Altersrente verpflichtet war und dieser für sie höchstpersönlichen Mitteilungspflicht objektiv nicht nachgekommen ist, berechtigt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X allerdings nur dann zu einer rückwirkenden Aufhebung der Bewilligungsentscheidung, wenn sie ihre Anzeigepflicht auch subjektiv zumindest grob fahrlässig verletzt hat.

Grob fahrlässig handelt nach der Legaldefinition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X, wer erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Dies ist dann der Fall, wenn der Betroffene bereits einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSG SozR 3-1300 § 45 SGB X Nr. 45; BSGE 62, 32, 35; 42, 184, 187). Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit ist nicht von einem objektiven, sondern von einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab auszugehen (BSG vom 9. Februar 2006 - B 7a AL 58/05 R; vgl. auch BSG vom 25. April 1990 - 7 RAr 20/89 - und vom 24. April 1997 - 11 RAr 89/96). Das Maß der Fahrlässigkeit ist insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit sowie dem Einsichtsvermögen des Beteiligten zu beurteilen (BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273). Ob ein dementsprechender Verschuldensvorwurf gerechtfertigt ist, richtet sich nach seiner persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, seinem Einsichtsvermögen und Verhalten sowie nach den besonderen Umständen des Einzelfalls. Grobe Fahrlässigkeit liegt nur im Falle einer Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes vor, d.h. es muss sich um eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung handeln.

In diesem Zusammenhang kann freilich nicht übersehen werden, dass die in den Bescheiden vom 9. Februar 1994 und vom 17. Januar 1995 enthaltenen Hinweise, dass die Hinterbliebenenrente beim Zusammentreffen mit Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen ruht und dass das Hinzutreten einer Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung unverzüglich mitzuteilen ist, so klar und eindeutig formuliert sind, dass jeder Leistungsempfänger dies unschwer nachvollziehen kann. Um der seitens der Klägerin geschuldeten Mitteilungspflicht nachzukommen, bedurfte es keiner schwierigen rechtlichen Erwägungen, sondern der schlichten Offenlegung von unzweifelhaft vorliegenden Tatsachen. Dass die Klägerin den Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 1994 nach Erhalt sorgfältig geprüft und den Eingang der bewilligten Rentenzahlungen kontrolliert hat, ergibt sich aus ihrem Schreiben vom 7. März 1994 (vgl. Bl. 112 Rentenakten), mit welchem sie bei der Beklagten wegen der für Januar bis März 1994 (im sog. Sterbevierteljahr) unterbliebenen Nachzahlung um Überprüfung gebeten hat. Bei dieser Sachlage erscheint es zur Überzeugung des Senats nicht unangemessen, von der Klägerin eine Unterrichtung der Beklagten hinsichtlich des Bezuges der Altersrente einzufordern. Wenn solch einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und wenn das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, dann liegt ein Fall der groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X vor, weil die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist (vgl. BSG vom 31. August 1976 - 7 RAr 112/74 = BSGE 42, 184, 187 und BSG vom 28. November 1978 - 4 RJ 130/77 = SozR 2200 § 1301 RVO Nr. 8 m.w.N).

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die angefochtene Aufhebungsentscheidung der Beklagten auch nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bedeutet das "soll" in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, dass der Rentenversicherungsträger den Verwaltungsakt im Regelfall ("typischer" Fall) rückwirkend aufzuheben hat. Liegt jedoch ein Ausnahmefall ("atypischer" Fall) vor, so ist eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob und in welchem Umfang von der gegebenen Aufhebungsmöglichkeit abgesehen werden kann. Anders als bei § 45 SGB X enthält also § 48 SGB X nicht für alle, sondern nur für "atypische" Fälle eine Verpflichtung zur Ermessensausübung. Die Prüfung, ob ein solcher "atypischer Fall" vorliegt, ist nicht Teil der Ermessensentscheidung, sondern gerichtlich in vollem Umfang nachprüfbar. Das Gericht darf den angefochtenen Bescheid wegen fehlender Ermessensausübung aufheben, wenn die Prüfung ergibt, dass ein "atypischer Fall" gegeben ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 19 = BSGE 59, 111, 116; BSG vom 11. Februar 1988 - 7 RAr 55/86 = SozR 1300 § 48 Nr. 44 m.w.N.; BSG SozR 3-4100 § 63 Nr. 2).

Wann ein "atypischer Fall" vorliegt, in dem die Behörde eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen hat, ob der Verwaltungsakt mit Dauerwirkung rückwirkend aufgehoben wird, hängt von dem jeweiligen Zweck der Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X und den Umständen des Einzelfalls ab. Diese müssen vom (typischen) Regelfall signifikant zum Nachteil des Betroffenen abweichen (vgl. BSG a.a.O.; BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22 S. 56). Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Leistungsempfänger durch die mit der Rücknahme verbundenen Nachteile, insbesondere die aus § 50 Abs. 1 SGB X folgende Pflicht zur Erstattung der erbrachten Leistungen in besondere Bedrängnis gerät (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 19 = BSGE 59, 111, 116), wenn er sonst für den von der Rücknahme betroffenen Zeitraum Anspruch auf eine andere Sozialleistungen, etwa auf Sozialhilfe, gehabt hätte (vgl. BSG SozR 1300 § 50 Nr. 6), oder wenn er entreichert ist (vgl. BSG SozR 5870 § 2 Nr. 30 S. 103). Beispiele für vergleichbare Härten finden sich z.B. in § 76 SGB IV und in § 42 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Auch ein Verschulden des Rentenversicherungsträgers weist regelmäßig auf einen "atypischen" Fall hin. Ein "atypischer" Fall kann ferner gegeben sein, wenn ohne ein Verschulden des Rentenversicherungsträgers besondere Umstände vorliegen, die die Aufhebung für die Vergangenheit als unbilligen Eingriff in die persönlichen, sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen erscheinen lassen. Im Rahmen der Prüfung, ob ein "unbilliger Eingriff" gegeben ist, können insbesondere das Lebensalter des Betroffenen, dessen soziale Verhältnisse und Familienstand, der Gesundheitszustand (Gebrechlichkeit oder Pflegebedürftigkeit) des Betroffenen sowie der konkrete Verwendungszweck der zu Unrecht erhaltenen Leistung (z.B. Weiterleitung eines Kinderzuschusses an das Kind ohne eigenen finanziellen Nutzen oder Unterstützung anderer bedürftiger Personen) von Bedeutung sein. Nach Lage des Einzelfalles können sich weitere Umstände – insbesondere aus der Anhörung – ergeben, wobei auch ein Zusammenwirken mehrerer Umstände denkbar ist, die erst in der Gesamtschau einen "atypischen" Fall begründen.

Unter Anlegung dieser Maßstäbe muss es im vorliegenden Fall bereits fraglich erscheinen, ob überhaupt ein "atypischer" Fall in dem genannten Sinne gegeben ist.

Die Beklagte hat unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 26. November 1986 - 7 RAr 65/85; BSG vom 15. August 2002 - B 7 AL 24/01 R = SozR 3-4100 § 147 Nr. 1; BSG vom 5. Juni 2003 - B 11 AL 70/02 R; BSG vom 12. Februar 2004 - B 13 RJ 28/03 R = SozR 4-2400 § 24 Nr. 2 = BSGE 92, 150) zu Recht darauf hingewiesen, dass die mit jeder Rückforderung verbundene finanzielle Belastung für sich genommen noch nicht geeignet ist, einen "atypischen Fall" zu begründen. Das entspricht dem in §§ 275 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Ausdruck gebrachten Rechtsgrundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung ("Geld hat man zu haben"). Eine durch die Pflicht zur Erstattung im Sinne der Rechtsprechung drohende "besondere Bedrängnis" (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 19 = BSGE 59, 111, 116) oder ein Fall der "Entreicherung" (vgl. BSG SozR 5870 § 2 Nr. 30 S. 103) ist weder von der Klägerin aufgezeigt worden noch sonst erkennbar.

Man muss angesichts dessen schon suchen, hinsichtlich welcher besonderen Umstände der vorliegende Fall im Sinne der in der Rechtsprechung zum Vorliegen eines sog. atypischen Falles entwickelten Grundsätze im Vergleich mit dem (typischen) Regelfall "signifikant zum Nachteil des Betroffenen abweicht" (vgl. BSG a.a.O.; BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Als Anknüpfungspunkt verbleibt insoweit letztlich allein der Umstand, dass die Beklagte im Falle eines besseren Informationsaustausches zwischen den verschiedenen Dezernaten ihres Hauses schon zu einem früheren Zeitpunkt in der Lage gewesen wäre, in eine Prüfung der gemäß § 97 SGB VI auf die Hinterbliebenenrente anzurechnenden Einkünfte der Klägerin einzutreten und auf diese Weise das Entstehen einer mehrere Jahre umfassenden Überzahlung zu verhindern. Weitergehende Gesichtspunkte, die für die Annahme eines "atypischen Falles" sprechen könnten, vermochte auch die Klägerin nicht aufzuzeigen. Dass sie ohne den Bezug der ungeschmälerten Witwenrente einen Anspruch auf Sozialhilfe gehabt hätte, ist weder vorgetragen worden noch sonst erkennbar.

Geht man gleichwohl zu Gunsten der Klägerin davon aus, dass vorliegend ein "atypischer Fall" gegeben ist, dann bedarf es in der Tat der hier von der Klägerin eingeforderten Ermessensausübung. Es kann andererseits jedoch nicht übersehen werden, dass die Beklagte ihr Ermessen sehr wohl ausgeübt und dabei insbesondere auch die Frage eines eigenen Mitverschuldens in die Ermessensbetätigung mit einbezogen hat. Anhaltspunkte dahingehend, dass die insoweit erfolgte Ermessensbetätigung in den hinsichtlich einer gerichtlichen Überprüfbarkeit durch § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I in Verbindung mit § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG gezogenen Grenzen zu beanstanden sein könnte, sind in diesem Zusammenhang nicht erkennbar. Bei der Ermessensausübung geht es im Kern darum, eine Abwägung vorzunehmen zwischen dem Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsaktes einerseits und dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme rechtswidriger bzw. nachträglich rechtswidrig gewordener Verwaltungsakte andererseits. Es handelt sich insoweit um ein auf Ausnahmefälle beschränktes "Soll"-Ermessen (vgl. BSG vom 4. Februar 1988 - 11 RAr 26/87 = BSGE 63, 37 = SozR 1300 § 45 Nr. 34; BSG vom 17. Oktober 1990 – 11 Rar 3/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 5), wobei es der Behörde in den Grenzen ihres Ermessens in der Regel freigestellt ist, auf welche Umstände sie im Rahmen der Ermessensbetätigung abstellen will (vgl. BSG vom 21. März 1990 - 7 RAr 112/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 2). Die Ermessensausübung ist jedoch gerichtlich dahingehend zu überprüfen, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (vgl. BSG vom 10. August 1993 - 9 BV 4/93 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 18). Zu den in diesem Sinne bei der Ermessenausübung zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalles gehört anerkanntermaßen auch die Frage danach, auf wessen Verschulden das Zustandekommen der fehlerhaften Entscheidung beruht (vgl. BSG vom 21. März 1990 - 7 RAr 112/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 2; BSGE vom 8. Februar 1996 - 13 RJ 35/94 = BSGE 77, 295 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 27). Ein Mitverschulden oder gar ein alleiniges Verschulden des Rentenversicherungsträgers bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass der Umfang der Bescheidrücknahme und damit die Höhe der Überzahlung zu reduzieren ist. Vielmehr sind auch bei einem Mitverschulden des Rentenversicherungsträgers Fälle denkbar, in denen andere Ermessensgründe – insbesondere ein überwiegendes öffentliches Interesse der Versichertengemeinschaft an der Korrektur rechtswidriger Verwaltungsentscheidungen – so schwer wiegen, dass dennoch eine vollumfänglichen Bescheidrücknahme als geboten erscheinen kann.

Unabhängig von der Frage, wie die Ermessensentscheidung der Behörde im Ergebnis ausfällt, ist jedoch in jedem Falle zu fordern, dass die Behörde tatsächlich und nach außen erkennbar ihr Ermessen ausübt. Aus dem jeweiligen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid muss angesichts dessen ersichtlich sein, dass die Behörde sich ihres Ermessensspielraums erkennbar bewusst war, sich also nicht allein wegen der Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen des § 48 SGB X zur Bescheidaufhebung gezwungen gesehen hat, dass die Behörde keine besondere Härte beim Versicherten als gegeben ansieht und dass die Behörde im Übrigen entweder das Vorhandensein von weiteren Umständen, die nach ihrer Auffassung eine Ausübung des Ermessens zu Gunsten des Bürgers nach sich ziehen könnten, verneint oder ausführt, dass bestimmte benannte Umstände ein teilweises Absehen von der Aufhebung nicht rechtfertigen (vgl. KassKomm-Steinwedel § 45 SGB X Rdnr. 56 m.w.N.)

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die im vorliegenden Fall seitens der Beklagten vorgenommene Ermessensausübung zur Überzeugung des Senats im Ergebnis nicht beanstandet werden. Nach den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte zunächst zutreffend erkannt, dass im Falle der Klägerin überhaupt Ermessen ausgeübt werden muss, und sie hat im Rahmen der Ermessensbetätigung im Einzelnen nicht nur das Ausmaß des gegenüber der Klägerin zu erhebenden Verschuldensvorwurfs und die Frage ihres eigenen Mitverschuldens berücksichtigt, sondern auch die für die Klägerin mit der in Rede stehenden Erstattungsverpflichtung verbundene finanzielle Belastung gewürdigt und ihr insoweit ausdrücklich in Aussicht gestellt, dass nach Abschluss des Rechtbehelfsverfahrens über eine Niederschlagung bzw. eine Stundung der Erstattungsforderung entschieden werden könne. Die insoweit in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen Darlegungen sind zwar knapp, aber sie sind zur Überzeugung des Senats aber andererseits bereits hinreichend konkret, um den an eine bescheidmäßige Niederlegung der Ermessenserwägungen zu stellenden Anforderungen gerecht zu werden. Die Klägerin hat zwar gerügt, dass die Ermessensentscheidung der Beklagten fehlerhaft sei; sie vermochte jedoch nicht darzulegen, weshalb die im Wege der Ermessensausübung seitens der Beklagten vorgenommene Halbierung des Erstattungsbetrages sich als ermessensfehlerhaft erweist. Gründe, die dafür sprechen könnten, unter dem Gesichtspunkt einer Ermessensreduzierung auf Null bei der Beklagten den vollständigen Verzicht auf eine Erstattungsleistung der Klägerin einzufordern, sind weder dargetan worden noch sonst erkennbar.

Der geltend gemachte Erstattungsanspruch ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Anhaltspunkte dafür, dass die Erstattungsforderung der Höhe nach unzutreffend ermittelt worden sein könnte, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. In Anbetracht der Tatsache, dass das für die Zahlung der Witwerrente zuständige Dezernat der Beklagten, auf das entscheidend abzustellen ist, erstmals im März 2008 (aufgrund des Todes der geschiedenen Ehefrau und des Wegfalls der bis dahin gezahlten Geschiedenen-Hinterbliebenenrente) Kenntnis von der seitens der Klägerin in der Zeit ab 1. März 1996 bezogenen Altersrente erlangt und am 6. Februar 2009 den hier angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid erlassen hat, ergeben sich im Übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 45 Abs. 3 und 4 SGB X genannten Fristen bei Bescheiderteilung bereits abgelaufen gewesen sein könnten.

Die Berufung der Klägerin konnte angesichts dessen im Ergebnis keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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