S 4 R 16/07

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 4 R 16/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 37/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 54/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 12.07.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2006 wird aufgehoben.

Die Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob ein im Zeitraum vom 01.08.2003 bis 31.01.2004 von Frau C. in der Apotheke der Klägerin abgeleistetes Praktikum sozialversicherungspflichtig ist oder nicht.

Die Beklagte führte am 20.03.2006 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28 p SGB IV durch. Prüfzeitraum war vom 01.11.2002 bis 31.12.2005. Über das Ergebnis der Prüfung erließ die Beklagte am 12.07.2006 einen Bescheid (Bl. 44 – 45 Beiakte). Darin stellte sie fest, dass sich aus der Prüfung eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 1.203,58 Euro ergeben habe. Zur Begründung führte sie aus, in der Zeit vom 01.08.2003 bis 31.01.2004 habe eine Mitarbeiterin im Anschluss an ihre Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin ein Praktikum ausgeübt. Das vorgeschriebene 6-monatige Praktikum sei im Anschluss an die zwei Jahre dauernde schulische Ausbildung absolviert worden, also nach Beendigung der theoretischen Schulausbildung. Entgelt sei in Höhe der im Bundesrahmentarifvertrag festgelegten Ausbildungsvergütung gezahlt worden. Das Praktikum unterliege der Sozialversicherungspflicht.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 14.07.2006 (Bl. 46 – 47 Beiakte) Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, gemäß § 1 Ausbildungs- und Prüfungsordnung für pharmazeutisch-technische Assistentin (PTA-AprV) bestehe die Ausbildung aus einem zweijährigen Lehrgang, einem Praktikum von 160 Std. und der hier zu prüfenden praktischen Ausbildung von 6 Monaten in einer Apotheke. Die staatliche Prüfung bestehe gemäß § 2 Abs. 1 PTA-AprV aus zwei Prüfungsabschnitten, der erste Abschnitt finde nach dem zweijährigen Lehrgang, der zweite nach der praktischen Ausbildung statt. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 PTA-AprV werde nach bestehen des zweiten Prüfungsabschnittes ein schriftliches Zeugnis nach Muster der Prüfungsordnung erteilt. Nach Rechtsauffassung der Klägerin sei damit die von der Beklagten dargelegten Kriterien für ein nicht sozialversicherungspflichtiges Zwischenpraktikum erfüllt, wonach als "Zeitpunkt der Schulentlassung regelmäßig der Tag der Ausstellung des letzten Zeugnisses" anzusehen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 17.01.2007 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Marburg Klage erhoben (Bl. 1 d. A.). Zur Begründung ihrer Klage trägt sie vor, die Beklagte ordne das streitgegenständliche Praktikum fälschlich als sogenanntes "Nachpraktikum" ein, das der Versicherungspflicht unterliege. Richtigerweise sei dieses Praktikum aber als "Zwischenpraktikum anzusehen, welches nicht der Versicherungspflicht unterliege.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 12.07.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihre im Vorverfahren getroffenen Feststellungen und trägt ergänzend vor, es komme auf die schulische Ausbildung an. Diese sei mit der Prüfung am 10.07.2003 und den darüber ausgestellten Zeugnis (Bl. 16 d. A.). abgeschlossen gewesen. Das Praktikum habe am 01.08.2003, und damit nach der schulischen Ausbildung und der Prüfung, begonnen. Damit handele es sich um ein Nachpraktikum.

Das Gericht hat die bei der Beklagten geführte Verwaltungsakte zu dem Rechtsstreit beigezogen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht nach ordnungsgemäß durchgeführten Vorverfahren erhobene Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 12.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2006 hat sich nach Prüfung durch das Gericht als rechtswidrig erwiesen und war daher aufzuheben. Die Versicherungspflicht für ein Praktikum wie das streitgegenständliche ergibt sich für die Rentenversicherung aus § 5 Abs. 3 SGB VI, für die Krankenversicherung aus § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V und für die Pflegeversicherung aus § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 i. V. m. Satz 1 SGB XI. Als weitere Rechtsgrundlage heranzuziehen ist die Ausbildung- und Prüfungsordnung für pharmazeutisch-technische Assistentinnen und pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA-AprV) vom 23.09.1997 (BGBl I Seite 2352). Nach § 1 Abs. 1 umfasst die Ausbildung für pharmazeutisch-technische Assistentinnen und pharmazeutisch-technische Assistenten

1. einen zweijährigen Lehrgang an einer staatlich anerkannten Lehranstalt für pharmazeutisch-technische Assistenten (Lehranstalt),

2. ein Praktikum von 160 Std. in einer Apotheke,

3. eine Ausbildung in erster Hilfe von 8 Doppelstunden außerhalb der schulischen Ausbildung,

4. eine praktische Ausbildung von 6 Monaten in der Apotheke.

Die Ausbildung schließt mit der staatlichen Prüfung ab (§ 1 Abs. 1 Satz 2 PTA-AprV). Diesen Ausbildungsablauf hat Frau C. ordnungsgemäß durchschritten. Nach § 2 Abs. PTA-AprV besteht die staatliche Prüfung nach § 1 Abs. 1 Satz 2 aus zwei Abschnitten. Der erste Abschnitt der Prüfung findet am Ende des zweijährigen Lehrgangs statt. Er umfasst einen schriftlichen, mündlichen und praktischen Teil. Der zweite Abschnitt der Prüfung endet nach Abschluss der praktischen Ausbildung in der Apotheke statt; er besteht aus einer mündlichen Prüfung.

Vorliegend hat Frau C. diesen praktischen Teil in der Apotheke der Klägerin absolviert. Sie erhielt die seinerzeit gültige monatliche Bruttovergütung von 470,90 Euro. Die Nachforderung der Beklagten beläuft sich auf 1.203,58 Euro, pro Monat also 260,00 Euro. Nach den Vorgaben der Prüfungsordnung endet die Gesamtausbildung mit einer Abschlussprüfung. Auch diese hat Frau C. abgelegt (Bl. 17 d. A.). Hierüber ist am 03.02.2004 vom Thüringer Landesverwaltungsamt ein Zeugnis ausgestellt worden. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass es sich vorliegend um ein "Zwischenpraktikum" handelt, denn dieses Praktikum musste absolviert werden, um überhaupt zur Abschlussprüfung zugelassen zu werden. Ohne das Praktikum konnte die Abschlussprüfung über die gesamte Ausbildung nicht abgelegt werden. Von daher kommt es nicht auf das Ende der schulischen Ausbildung an, um die Frage des Zwischenpraktikums oder des Nachpraktikums zu entscheiden. Entscheidungsrelevant ist, dass das Praktikum Teil der gesamten Ausbildung war. Damit kann es sich nur um ein Zwischenpraktikum handeln und als solches ist es nicht versicherungspflichtig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Rechtsmittelbelehrung auf §§ 143, 144 SGG.
Rechtskraft
Aus
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