S 5 AS 82/05

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 5 AS 82/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 8/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 18/12 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
L 6 AS 288/17 v. 10.07.2019; B 14 AS 98/19 BH v. 15.01.2020; B 4 AS 16/20 BH v. 15.01.2020
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der 1970 geborene Kläger erhält vom Beklagten aufgrund Antragstellung vom 15.09.2004 seit dem 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Bereits mit Schreiben vom 15.09.2004 äußerte der Kläger, er halte sich nicht für erwerbsfähig.

Mit weiterem Schreiben vom 20.01.2005, bei dem Beklagten am 21.01.2005 eingegangen, beantragte der Kläger die Gewährung "einer 36monatigen Ausbildung im BfW Heidelberg zum Dipl. Betriebswirt (FH), beginnend zum WS `05/`06", die Gewährung eines persönlichen Budgets zur Deckung des Lebensunterhaltes, der Ausbildungskosten, Unterkunft, Reisekosten etc. und "die Anmeldung in der genannten Bildungseinrichtung zur Abklärung der persönlichen Eignung und der Erforderlichkeit eines eventuell notwendigen 6monatigen Praktikums vor Beginn der Ausbildung". Weiter forderte er Auskunft darüber, ob der Landkreis ab dem 01.01.2005 Rechtsnachfolger des Magistrats der Stadt Marburg sei. Mit Schreiben vom 31.01.2005 erinnerte der Kläger an seinen Antrag vom 20.01.2005 und forderte den Beklagten auf, ihn unverzüglich im BfW Heidelberg anzumelden.

Mit Schreiben vom 01.02.2005 bat der Beklagte die Agentur für Arbeit Marburg um Auskunft, ob die dem Kläger bereits Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt habe. Über dieses Auskunftsersuchen informierte der Beklagte den Kläger mit Schreiben gleichen Datums. Mit Schreiben vom 08.02.2005 erwiderte die Agentur für Arbeit Marburg, der Kläger habe dort am 09.07.2001 einen Antrag auf Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben gestellt, der mit Bescheid vom 09.01.2004 wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt worden sei. Der Widerspruch des Klägers hiergegen sei mit Bescheid vom 19.07.2004 zurückgewiesen worden. In der gleichen Sache beim SG Marburg gestellte Eilanträge seien mittlerweile im Rahmen des Beschwerdeverfahrens beim Hessischen LSG anhängig.

Mit weiterem Schreiben vom 02.03.2005 mahnte der Kläger erneut eine Entscheidung über seinen Antrag vom 20.01.2005 an und verwies auf § 14 SGB IX. Mit Schreiben vom 03.03.2005 teilte der Beklagte ihm daraufhin mit, die Agentur für Arbeit sei aufgrund der früheren Betreuung weiterhin für ihn zuständig und bat den Kläger, sich an diese zu wenden. Zudem werde man den Antrag des Klägers an die Agentur für Arbeit weiterleiten. Eine solche Weiterleitung erfolgte dann auch mit Schreiben vom 16.03.2005.

Mit Schreiben vom 14.03.2005 erklärte der Kläger sinngemäß, eine Eingliederung in das Erwerbsleben sei nicht möglich, wenn er weder eine Ausbildung habe abschließen können noch aufgrund bestehender Behinderungen sonstige Tätigkeiten ausüben könne. Mit Schreiben gleichen Datums beschwerte er sich, die Weiterleitung seines Antrages an die Agentur für Arbeit sei nicht unverzüglich im Sinne von § 16 Abs. 2 S. 1 SGB I erfolgt. Auch fehle es an einer hinreichenden Begründung dafür, dass die Agentur für Arbeit tatsächlich jemals für ihn zuständig gewesen sei. Er erhob zugleich Widerspruch gegen die "Entscheidung vom 03.03.2005", die einer Ablehnung gleichzustellen sei und forderte den Beklagten auf, die beantragten Leistungen unverzüglich als vorläufige Leistungen zu erbringen. Auch habe er bereits 1996 bei der Stadt Marburg als örtlichem Sozialhilfeträger einen Antrag auf Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt, den die Stadt bis heute nicht an die Agentur für Arbeit weitergeleitet habe.

Mit Schreiben vom 18.03.2005 gab der Beklagte gegenüber seinem Fachbereich Gesundheit eine amtsärztliche Stellungnahme zur Frage der Erwerbsfähigkeit des Klägers in Auftrag.

Am 17.03.2005 stellte der Kläger einen Antrag auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Mit Schreiben vom 11.04.2005 erhob der Kläger zwei Widersprüche gegen Bescheide, mit denen von ihm geforderte Leistungen abgelehnt worden waren. Dieses Schreiben, hinsichtlich dessen Inhaltes auf Bl. 48 und 49 der Behördenakte verwiesen wird, enthält mehrere Formulierungen, durch die sich Mitarbeiter des Beklagten beleidigt fühlten.

Am 27.04.2005 wurde der Kläger amtsärztlich untersucht, um eine Erwerbsfähigkeit zu klären. Mit Schreiben vom 27.04.2005 berief sich der Kläger darauf, der Beklagte habe ihm nach § 14 Abs. 5 S. 3 SGB IX drei geeignete Gutachter zur Auswahl zu benennen. Seine Arbeits- und Erwerbsfähigkeit sei durch eine sog. Arbeitserprobung in einem Berufsförderungs- oder Berufsbildungswerk festzustellen. Er erklärte weiter, die Agentur für Arbeit lehne es ab, über den an sie von dem Beklagten weitergeleiteten Antrag gesondert zu entscheiden. Er forderte den Beklagten erneut auf, ihn für die Ausbildung zum Betriebswirt unverzüglich beim BfW Heidelberg anzumelden. Auch dieses Schreiben enthält Formulierungen, durch die sich Mitarbeiter des Beklagten beleidigt fühlten.

Mit Schreiben vom 02.05.2005 erläuterte der Beklagte dem Kläger sein Vorgehen und teilte mit, dass intern geprüft werde, ob wegen der Äußerungen in den klägerischen Schreiben vom 11.04.2005 und 27.04.2005 die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet würden.

Mit amtsärztlichen Gutachten vom 01.06.2005, hinsichtlich dessen genauen Inhalts auf Bl. 181 bis 182 der Akte des Gesundheitsamtes verwiesen wird, stufte die Amtsärztin D. (Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie) den Kläger als erwerbsfähig ein.

Mit Bescheid vom 07.06.2005 bewilligte der Beklagte dem Kläger weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum von Juni 2005 bis einschließlich November 2005 in Höhe von EUR 645 pro Monat. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Leistungen wird auf die Bedarfsberechnung, Bl. 85 der Behördenakte, verwiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 30.06.2005 am 01.07.2005 Widerspruch. Er kritisierte, dem Bescheid mangele es an einer hinreichenden Begründung hinsichtlich der Abkehr von der vorgehenden Unterstellung der Fähigkeit, am Erwerbsleben teilnehmen zu können, ohne eine Berufsausbildung absolviert zu haben. Weiter forderte er den Beklagten auf, Auskunft darüber zu geben, welche Maßnahmen geeignet seien, ihn in das Erwerbsleben einzugliedern. Mit Schreiben vom 20.07.2005 teilte der Beklagte mit, er könne dem Widerspruch nicht abhelfen. Hierauf erwiderte der Kläger mit Schreiben vom 20.07.2005, in dem er äußerte, der Beklagte habe seinen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht unverzüglich an die Agentur für Arbeit weitergeleitet. Er forderte den Beklagten auf, ihm unverzüglich Auskunft zu erteilen, warum die Agentur für Arbeit der für ihn zuständige Reha-Träger sein solle. Darüber hinaus verlangte er die Herstellung und Folgenbeseitigung der seit 1996 bestehenden Untätigkeit durch rechtswidrige Versagung von Sozialleistungen und unterlassene Weiterleitung von Anträgen an den zuständigen Leistungsträger. Auch in diesem Schreiben benutzte er Formulierungen, die die Mitarbeiter des Beklagten als beleidigend empfanden. Mit Schreiben vom 22.07.2005 nahm der Beklagte erneut Stellung und erklärte, seiner Auffassung nach seien optierende Träger von Leistungen nach dem SGB II keine Reha-Träger. Gegen diese Rechtsauffassung wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 18.08.2005, mit dem er auch die Erhebung einer Untätigkeits- und Verpflichtungsklage ankündigte.

Im Folgenden leitete der Beklagte Schreiben, die Äußerungen des Klägers gegenüber seinen Mitarbeitern, die als beleidigend empfunden wurden, enthielten, an die Staatsanwaltschaft am LG Marburg weiter zwecks Prüfung, ob das Verhalten des Klägers Straftatbestände erfülle.

Der Kläger hat am 05.09.2005 Klage erhoben.

Am 28.10.2005 stellte der Kläger einen Fortzahlungsantrag, woraufhin der Beklagte ihm mit Bescheid vom 21.11.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum von Dezember 2005 bis einschließlich Januar 2006 in der bisherigen Höhe (EUR 645 pro Monat) bewilligte. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 09.12.2005 am 13.12.2005 ebenfalls Widerspruch und wies weiter auf sein Begehren, Teilhabeleistungen zu erhalten, hin.

Mit Bescheid vom 07.11.2005 wies der Beklagten den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 07.06.2005 zurück, da dieser rechtmäßig sei.

Mit Bescheid vom 18.01.2006 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 21.11.2005 zurück, da auch dieser Bescheid rechtmäßig sei.

Mit weiterem Bescheid, ebenfalls vom 18.01.2006, wies der Beklagte darüber hinaus den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 03.03.2005 zurück. Er führte aus, die Weiterleitung des Antrages des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben an die Agentur für Arbeit Marburg sei zu Recht erfolgt.

Der Kläger ist der Ansicht, die geltend gemachten Ansprüche stünden ihm zu.

Der Kläger beantragt,

1.) den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Ausbildung zum Dipl. Betriebswirt (FH) im BfW Heidelberg vollumfänglich zu gewähren,

2.) den Beklagten zu verpflichten, den Kläger unverzüglich im BfW Heidelberg für die Ausbildung zum Dipl. Betriebswirt (FH) anzumelden,

3.) den Beklagten zu verpflichten, den Zustand im Wege des Herstellungs- und Folgenbeseitigungsanspruchs herbeizuführen, der bei sach- und rechtmäßiger Beratung und Leistungserbringung seit 1996 eingetreten wäre,

4.) festzustellen, dass der Beklagte auch Träger für Leistungen zur Teilhabe im Sinne des § 6 Abs. 1 SGB IX ist und verpflichtet ist, umfassend Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen zu erbringen,

5.) den Bescheid für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 07.06.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2005, zugestellt am 10.11.2005, aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, antragsgemäß Leistungen zu erbringen,

6.) den Beklagten zu verpflichten, es künftig zu unterlassen, geschützte Sozialdaten widerrechtlich an Dritte weiterzuleiten,

7.) den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger denjenigen Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, zu ersetzen,

8.) festzustellen, dass der Beklagte widerrechtlich geschützte Daten an die Staatsanwaltschaft am LG Marburg und an das Gesundheitsamt des Landkreises Marburg-Biedenkopf weitergeleitet hat,

9.) festzustellen, dass die Einholung eines Gutachtens durch das Kreisgesundheitsamt des Beklagten rechtswidrig ist und jenes Gutachten in den wesentlichen Punkten nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu und die angegriffenen Bescheide seien rechtmäßig.

U.a. über die Frage, ob dem Kläger gegenüber der Bundesagentur für Arbeit Ansprüche auf Teilhabe am Arbeitsleben zustehen, entschied das SG Marburg durch Urteil vom 14.08.2006. Das Verfahren ist derzeit beim Hessischen Landessozialgericht anhängig.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte des Verfahrens S 5 AS 19/06 und des Verfahrens S 5 AL 92/05 ZVW (L 9 AL 185/06) – nebst Behördenvorgängen - sowie der Behördenvorgänge (drei Ordner einschließlich der Akte des Gesundheitsamtes). Sämtliche dieser Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist abzuweisen, denn sie ist z.T. bereits unzulässig, im Übrigen jedenfalls unbegründet.

Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist die Kammer zur Begründung der Entscheidung zunächst auf den Inhalt des Beschlusses des SG Marburg vom 07.09.2006 sowie des Beschlusses des Hess. LSG vom 13.08.2006.

Da der Beklagte, wie bereits im Einzelnen dargelegt, für die Gewährung der vom Kläger gewünschten Ausbildung nicht zuständig ist, kam eine Beweiserhebung darüber, ob das BfW Heidelberg eine geeignete Einrichtung ist, die Eignung des Klägers für die Ausbildung um Dipl. Betriebswirt festzustellen, ob zunächst die Absolvierung eine sechsmonatigen Praktikums erforderlich ist, bevor diese Ausbildung begonnen werden kann und ob der Kläger sich zur Absolvierung einer akademischen Ausbildung eignet, nicht in Frage, da es auf diese Tatsachen, über die der Kläger eine Beweiserhebung wünscht, für die Entscheidung des Rechtsstreites nicht ankommt. Den entsprechenden schriftsätzlich und mündlich gestellten Beweisanträgen des Klägers konnte die Kammer daher nicht nachkommen. Gleiches gilt für den Beweisantrag des Klägers hinsichtlich seines Vortrages, er sei ohne abgeschlossene Berufsausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu vermitteln und es habe bereits 1996 ein – dem Beklagten bekannter - Rehabilitationsbedarf bei ihm vorgelegen. Auch diese vom Kläger unter Beweis gestellten Umstände sind für die Entscheidung des Rechtsstreites unerheblich.

Ob der Kläger gegenüber der Bundesagentur für Arbeit seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist, ist für die Entscheidung dieses Rechtsstreites ebenfalls ohne Bedeutung, weshalb auch dem Antrag, den Mitarbeiter der Agentur für Arbeit, Herrn E., als Zeugen zu vernehmen, nicht gefolgt werden konnte.

Ergänzend ist weiter auszuführen, dass die Leistungen, die dem Kläger mit Bescheid vom 07.06.2005 bewilligt wurden, auch nicht deswegen zu niedrig sind, weil bei ihrer Bemessung kein Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung im Sinne von § 21 Abs. 5 SGB II berücksichtigt wurde. Ein solcher Mehrbedarf steht dem Kläger nämlich nicht zu. Es ist schon nicht erkennbar, dass sich aus einem erhöhten Triglyceride-Wert überhaupt ein Mehrbedarf, die Ernährung betreffend, ergeben kann. Hiervon abgesehen ergibt sich aus den eingereichten Unterlagen auch nur, dass der Wert bei der Untersuchung am 12.06.2007 erhöht war. Gegenstand des Bescheides vom 07.06.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2005 sind aber die Leistungen für die Monate Juni 2005 bis November 2005, so dass ein völlig anderer Zeitraum betroffen ist. Durch eine ärztliche Untersuchung, die jetzt vorgenommen würde, ließen sich die Blutwerte des Klägers im damaligen Zeitraum sowieso nicht mehr feststellen, so dass eine solche Untersuchung auch aus diesem Grunde für die Entscheidung des Rechtsstreites unnötig wäre. Eine diesbezügliche Beweiserhebung, wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung beantragt, kommt daher nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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