L 4 KA 55/17

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 2 KA 469/14
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 55/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 4/20 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts K vom 29. August 2017, die Bescheide vom 28. Juni 2013 betreffend die Ärztinnen und Ärzte Privatdozent Dr. G , Prof. Dr. H , Privatdozent Dr. Ka , Dr. O , Prof. Dr. R und Dr. Ma in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2014 und die Bescheide vom 14. Januar 2014 und 5. September 2016 in der Fassung des Widerspruchs- bescheides vom 20. Juli 2017 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet die Klägerin hinsichtlich des Honorars für das Quartal III/2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 243.307,40 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Honoraranspruchs der Klägerin für das Quartal III/2013.

Die Klägerin betreibt als gemeinnütziges Unternehmen ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit vier Standorten (Ambulanzzentrum K , Ambulanzzentrum L , Ambulanzzentrum M und Ambulanzzentrum F ), das zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist. Sie beschäftigt – soweit hier entscheidungserheblich – Fachärzte für Transfusionsmedizin und für Pathologie mit anteiligen Vertragsarztsitzen.

Der bis zum Quartal III/2013 geltende Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten verteilte die Vergütung der Vertragsärzte auf der Grundlage von Regelleistungsvolumina (RLV) und qualifikationsgebundener Zusatzvolumina (QZV). Hierzu bezog sich Teil B Ziffer 1.1 (1) Satz 1 HVM auf den als Anlage 1 dem HVM beigefügten Beschluss des Bewertungsausschusses (BewA) vom 26. März 2010. Teil B Ziffer 1.1 (2) enthielt für die Quartale II und III/2013 folgende Honorarverteilungsregelung:

Abweichend von (1) wird Ärzten mit anteiligen Arztstellen ein Gesamtvolumen (Regelleistungsvolumen, QZV und Praxisbesonderheiten) maximal bis zum anteiligen Durchschnitt der Arztgruppe zugewiesen.

Teil C 1. (1) bestimmte, dass für Arztgruppen, für die kein RLV oder keine zeitbezogene Kapazitätsgrenze vorgesehen ist, die sachlich/rechnerisch anerkannte Leistungsmenge zu den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet wird, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Gleiches gilt für Leistungen aus Vorwegabzügen nach Teil A Ziffer 3 (2) und 3 (3) des HVM. Teil C Ziffer 1 (2) regelte die Vergütung innerhalb der RLV und QZV. Mit Beschluss vom 22. März 2013 (in Kraft bis 30. September 2013) wurden in Teil C 1 die Abs. 3 bis 6 eingefügt:

(3) Abweichend von (1) und (2) unterliegen Ärzte und Psychotherapeuten mit einer anteiligen Arztstelle aus Gründen der Verhinderung der übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit einer arztgruppenspezifischen Vergütungsobergrenze. Die Vergütungsobergrenze bemisst sich nach dem entsprechenden anteiligen arztstellengewichteten durchschnittlichen Umsatz seiner Arztgruppe im Vorjahresquartal. Diese Regelung bezieht sich für - Ärzte, die der RLV-Systematik (Regelleistungsvolumina, QZV und Praxisbesonderheiten) unterliegen, auf ihre Honorare innerhalb der RLV-Systematik - Ärzte, deren Leistungen zeitbezogenen Kapazitätsgrenzen unterliegen, auf ihre Honorare innerhalb der Kapazitätsgrenzen - für die übrigen Ärzte auf ihre Honorare innerhalb der MGV. Honoraranteile außerhalb der MGV sowie Kostenerstattungen nach Kapitel 40 EBM bleiben unberücksichtigt.

(4) Vergütungsanteile oberhalb der Vergütungsobergrenze werden abgestaffelt vergütet. Der Abstaffelungsfaktor beträgt 0,1. Der von der KVSH einbehaltene Honoraranteil ((Vergütung – Vergütungsobergrenze) x 0,9) wird den Honorarausgleichsfonds zugeführt.

(5) Von den Regelungen in (3) und (4) können Ärzte ausgenommen werden, die einen vorherigen Arztsitz anteilig übernommen haben.

(6) Ein Ausgleich zwischen den Ärzten in einer Berufsausübungsgemeinschaft kann nur in besonderen Fällen auf Antrag vorgenommen werden. Dies gilt auch für Ärzte in Medizinischen Versorgungszentren.

Die Klägerin beschäftigte am Standort K im Quartal III/2013 unter anderem die Fachärzte für Transfusionsmedizin Privatdozent Dr. G (0,25) und Prof. Dr. H (0,25) sowie die Fachärzte für Pathologie Privatdozent Dr. Ka (0,25), Dr. O (0,25), Dr. Ma (0,5) und Prof. Dr. R (0,25) mit anteiligen Vertragsarztsitzen. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Bescheid vom 28. Juni 2013 Vergütungsobergrenzen für Privatdozent Dr. G und Prof. Dr. H in Höhe von jeweils 25.637,27 EUR (0,25 von 102.549,07 EUR) mit, Privatdozent Dr. Ka , Dr. O und Prof. Dr. R Vergütungsobergrenzen in Höhe von jeweils 14.552,64 EUR (0,25 von 58.210,55 EUR) und Dr. Ma eine Vergütungsobergrenze in Höhe von 29.210,55 EUR (0,5 vom 58.210,55 EUR).

Gegen die Mitteilungen legte die Klägerin am 10. Juli 2013 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2014 zurückwies.

Dagegen hat die Klägerin am 1. September 2014 beim Sozialgericht K Klage erhoben.

Mit Bescheid vom 14. Januar 2014 teilte die Beklagte der Klägerin das Honorar für das Quartal III/2013 für den Standort K in Höhe von 742.867,97 EUR mit. Dabei vergütete sie die von Privatdozent Dr. G in Höhe von 113.322,09 EUR erbrachten Leistungen mit 34.405,75 EUR, die von Prof. Dr. H in Höhe von 51.822,16 EUR erbrachten Leistungen mit 28.255,76 EUR, die von Privatdozent Dr. Ka in Höhe von 53.491,93 EUR erbrachten Leistungen mit 18.446,57 EUR, die von Dr. O in Höhe von 47.170,43 EUR erbrachten Leistungen mit 17.814,42 EUR, die von Prof. Dr. R in Höhe von 45.905,47 EUR erbrachten Leistungen mit 17.687,92 EUR und die von Dr. Ma in Höhe von 40.193,53 EUR erbrachten Leistungen mit 30.214,11 EUR. Die Honoraranforderungen innerhalb der Vergütungsobergrenzen der Ärzte berücksichtigte sie dabei in voller Höhe, die darüber hinausgehenden Honoraranforderungen mit dem Faktor 0,1. Dagegen legte die Klägerin am 31. Januar 2014 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 5. September 2016 teilte das HVM-Team der Beklagten der Klägerin mit, dass nach neuen Berechnungen das Durchschnittshonorar der Gruppe der Fachärzte für Transfusionsmedizin auf 125.738,32 EUR angehoben werden müsse. Daraus ergäben sich Honorarnachberechnungen für Privatdozent Dr. G und Prof. Dr. H in Höhe von jeweils 10.435,16 EUR (jeweils 5.217,58 EUR für die Stand-orte K und L ). Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. September 2016 Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2017 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück.

Mit dem am 18. August 2017 beim Sozialgericht K eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin ihre Klage um den Honorarbescheid und den Bescheid des HVM-Teams in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2017 erweitert.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin sich gegen die Bemessung der anteiligen Vergütungsobergrenzen gewandt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, für die Neuregelung in Teil B Ziffer 1.1 (2) und Teil C Ziffer 1. (3) bis (6) HVM zum 1. April 2013 fehle es an einer Ermächtigungsgrundlage. § 87 b Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bestimme, dass bei der Honorarverteilung eine übermäßige Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit vermieden werden müsse. Durch diesen Regelungsauftrag an den HVM-Geber sei der Gestaltungsspielraum der Beklagten begrenzt. Die Neuregelung im HVM verhindere nicht die Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit, sondern setze lediglich am Erreichen des Arztgruppendurchschnitts an. Ein Überschreiten des Durchschnitts führe jedoch noch nicht zu einer Ausweitung der vertragsärztlichen Tätigkeit. Die Abstaffelung auf einen Faktor von 0,1 führe dazu, dass die Leistungen oberhalb der Vergütungsobergrenze faktisch unvergütet blieben. Gerade bei kleinen Arztgruppen wie denen der Pathologen und Transfusionsmediziner sei jedoch der Arztgruppendurchschnitt nicht repräsentativ und aussagekräftig. Da in dem Durchschnitt sowohl kleine als auch große Praxen zusammengefasst seien, könne eine übermäßige Ausdehnung erst dann angenommen werden, wenn der Leistungsumfang umsatzstarker Praxen überschritten werde. In den Arztgruppendurchschnitt würden auch persönliche Gegebenheiten der Vertragsärzte einfließen, wie zum Beispiel Krankheiten. Mit der Einführung der Vergütungsobergrenze hätten faktisch nur Ärzte mit einer vollen Vertragsarztstelle eine Wachstumsmöglichkeit, Ärzte mit anteiligen Arztstellen seien für ein Wachstum darauf angewiesen, dass der Gruppendurchschnitt wachse. Bei den Ärzten für Transfusionsmedizin sei eine übermäßige Ausdehnung ihrer Tätigkeit ohnehin nicht zu befürchten, da sie fast ausschließlich auf Überweisung tätig seien. Mit der Neuregelung im HVM missachte die Beklagte ihren Sicherstellungsauftrag. Die massive Begrenzung der Vergütung führe dazu, dass eine wirtschaftlich sinnvolle Tätigkeit nicht mehr möglich sei, sodass die Ärzte ihre Leistungen auf Dauer eventuell nicht mehr anbieten könnten oder Aufträge ablehnten, soweit der Arztgruppendurchschnitt für das Honorar erreicht sei. Zwar seien in der Vergangenheit durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung Abstaffelungsregelungen als rechtmäßig erachtet worden, jedoch nicht in der Weise, dass selbst ein geringfügiges Überschreiten des Fachgruppendurchschnitts zu einer Abstaffelung auf den Faktor von 0,1 führe. Hierbei handele es sich um einen wesentlichen Eingriff in den Honoraranspruch, der nach dem Prinzip des Gesetzesvorbehalts vom Gesetzgeber zu regeln sei. Die Beklagte habe mit der Regelung maßgebliche Honorierungsgrundsätze verletzt. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verlange, dass in allen vertragsärztlichen Bereichen ein ausreichender Anreiz für die Tätigkeit bestehen müsse; homogene Gruppen müssten gleichbehandelt werden. Die Ärzte mit einer vollen Vertragsarztstelle unterlägen anders als die mit einer anteiligen Stelle keinen Mengenbegrenzungen. Der Grundsatz der leistungsproportionalen Honorarverteilung sei verletzt. Danach müssten Honorare innerhalb der Arztgruppen gleichmäßig verteilt werden und Abweichungen bedürften einer sachlichen Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung enthalte die Neuregelung nicht, da sie nicht geeignet sei, eine übermäßige Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit zu vermeiden und offen bleibe, ob der Sicherstellungsauftrag mit den anteiligen Vergütungen erfüllt werden könne. Indem die Regelungen zu Honorarkürzungen um 22 %, 62 % oder 55 % führten, werde der subjektive Anspruch der Ärzte auf das Honorar verletzt. Schließlich führten die Regelungen zu Diskriminierungen, die gegen europarechtliche Normen verstießen. Die Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (RL 97/81/EWG) enthalte ein allgemeines Diskriminierungsverbot von Teilzeitbeschäftigten, denen ein Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren sei, der dem Anteil ihrer Arbeitszeit entspreche. Die anteiligen Arztsitze würden von Ärzten besetzt, die in Teilzeit eingestellt seien und deren Vergütungen an die Erlöse gekoppelt seien. Das geringere Honorar schlage sich daher im geringeren Entgelt nieder. Insbesondere würden dadurch Frauen diskriminiert; dies verstoße gegen Art. 157 Abs. 2 AEUV und gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie RL 2006/54/EG. Im Teilzeitbereich seien überdurchschnittlich häufig Frauen tätig. Die Diskriminierung der teilzeitbeschäftigten Ärztinnen und Ärzte sei sachlich durch keinen hinreichenden Grund gerechtfertigt. Dies verletze zugleich den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 3 und Abs. 1 Grundgesetz und verstoße gegen § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) und §§ 1 und 3 Abs. 2 und 7 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Zu Unrecht habe die Beklagte einen Härtefall verneint. Ihr Fachbereich Transfusionsmedizin habe ein besonderes, vom Fachgruppendurchschnitt deutlich abweichendes Leistungsspektrum. Denn sie erfülle den besonderen Versorgungsauftrag nach der Richtlinie zur medizinischen Beurteilung von Organspenden und zur Konservierung von Spenderorganen gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4a) und b) Transplantationsgesetz (TPG). Niedergelassene Transfusionsmediziner könnten diese Leistungen nicht erbringen. Das im Rahmen der Untersuchungen durchzuführende Antikörperscreening sei überdies überwiegend mithilfe von selbst hergestellten Testzell-Panels durchzuführen, die von Blutspendern gewonnen würden. Diese immungenetischen HLA-Leistungen würden aufgrund der Spezialisierung bundesweit nur von wenigen Transfusionsmedizinern durchgeführt. Die Ambulanzzentren K und L erbrächten Leistungen für Patienten mit Wohnsitzen außerhalb S , die im Jahr 2012 einen Anteil von über 40 % der Fälle ausgemacht hätten. Im Wege des Fremdkassenausgleichs könne die Beklagte hierfür volle Vergütungen einfordern. Auch die Pathologen erhielten Einsendungen aus dem gesamten Bundesgebiet, für die die Beklagte den Fremdkassenausgleich erhalte.

Die Klägerin hat beantragt,

die Mitteilungen der Vergütungsobergrenzen für das Quartal III/2013 vom 28 Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2014 sowie die Honorarabrechnung für das Quartal III/2013 vom 14. Januar 2014 und den Bescheid des HVM-Teams vom 5. Sep-tember 2016, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2017, und sämtliche Bescheide für das ehemalige MVZ K (BSNR 013205500) aufzuheben und die Honorarforderungen der in dem ehemaligen MVZ K beschäftigten Ärzte mit anteiligen Arztsitzen ohne Beachtung der jeweiligen Vergütungsobergrenze zu vergüten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz vom 1. Dezember 2011 sei mit Wirkung vom 1. Januar 2012 die Honorarverteilung wieder den Kassenärztlichen Vereinigungen übertragen worden. Bisherige Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina, sollten bis zu einer Entscheidung über einen HVM fortgelten. Die Regelungen sollten verhindern, dass die Tätigkeit der Ärzte, Psychotherapeuten, MVZ sowie der ermächtigten Einrichtungen über den zugestandenen Versorgungsauftrag oder den Ermächtigungsauftrag hinaus übermäßig ausgedehnt werde. Nach § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V bewirke die Zulassung, dass ein Vertragsarzt im Umfang seines aus der Zulassung folgenden zeitlichen vollen oder hälftigen Versorgungsauftrags berechtigt und verpflichtet sei. In der BT-Drucksache 16/2074, Seite 20 zum Vertragsarztrechtsänderungsgesetz habe der Gesetzgeber zum damaligen § 85 Abs. 4 SGB V ausdrücklich ausgeführt, dass die Vorschrift eine Folgeregelung zur Änderung des § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V sei und anteilige Vertragsarztsitze ermögliche. Sie müsse sicherstellen, dass Vertragsärzte mit anteiligem Arztsitz nur im Rahmen ihres anteiligen Versorgungsauftrags tätig würden. Der Begriff der übermäßigen Ausdehnung vertragsärztlicher Tätigkeit habe durch die Rechtsprechung des BSG vom 11.12.2013 (B 6 KA 6/13 R) einen Bedeutungswandel erfahren. Es komme nicht mehr darauf an, ein Praxisvolumen zu verhindern, das ein Vertragsarzt nicht mehr in einer der Leistungsbeschreibung entsprechenden Weise bewältigen könne, sondern der Begriff umfasse alle Konstellationen, in denen aus irgendwelchen Gründen honorarbegrenzende Maßnahmen erforderlich würden. Der arztstellengewichtete durchschnittliche Umsatz der jeweiligen Arztgruppe sei ein geeigneter Maßstab für die Begrenzung der ärztlichen Tätigkeit anteilig zugelassener Ärzte. Da der Umsatz auf das jeweilige Vorjahresquartal der Gruppe abstelle, finde eine Anpassung an die Entwicklung der Fachgruppe statt. Zu Unrecht sehe die Klägerin den Sicherstellungsauftrag gefährdet, da sie selbst die jeweiligen anteiligen Arztstellen beantragt habe. Der Grundsatz der Honorarverteilung und der Gleichbehandlungsgrundsatz seien nicht verletzt, die Regelung sei nicht diskriminierend. Vertragsärzte mit einem anteiligen Versorgungsauftrag begäben sich bewusst und freiwillig in die Situation eines verringerten Tätigkeitsumfangs.

Mit Urteil vom 9. August 2017 hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe die zum 1. April 2013 eingeführte Regelung im HVM zutreffend angewandt. Sie habe ihren Beurteilungsspielraum zur Ausgestaltung von Honorarverteilungsregelungen nicht überschritten. Die Beschränkung der Tätigkeit der Ärzte mit einem anteiligen Vertragsarztsitz seien geeignet, eine übermäßige Ausdehnung vertragsärztlicher Tätigkeit zu verhindern. Zwar habe die Kammer in einer Entscheidung vom 14. Juni 2016 (S 2 KA 663/14) gegenteilig entschieden. In jenem Verfahren habe die Leistungsbeschränkung jedoch im RLV-relevanten Leistungsbereich gelegen. Damit hätten sie den gleichen Beschränkungen wie die Ärzte mit einer vollen Stelle unterlegen. Außerhalb der RLV könnten jedoch Ärzte mit anteiligen Arztstellen mit entsprechend anteiliger Tätigkeit Leistungen in Höhe des ihnen zugewiesenen durchschnittlichen Anteils erbringen, ohne gleichzeitig in das System der budgetbedingten Mehrleistungen unterworfen zu sein. Es sei sachgerecht, auf den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe im Vorjahresquartal abzustellen. Dieser sei eine geeignete pauschalierende Auswertung des Leistungsumfangs der in Vollzeit tätigen Vertragsärzte der Fachgruppe. Dabei werde unterstellt, dass diese ihrem Versorgungsauftrag in angemessener Weise nachkämen. Wegen der Pauschalierung sei es unerheblich, ob überhaupt alle Ärzte mit voller Zulassung auch in vollem Umfang tätig seien. Die Abstaffelung mit dem Faktor 0,1 sei ebenfalls nicht zu beanstanden, sondern verhältnismäßig. Sie ermögliche es den Ärzten, ihren Leistungsumfang auszudehnen und verhindere lediglich eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit. Eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten oder von Frauen gehe davon nicht aus.

Gegen die ihren Prozessbevollmächtigten am 6. September 2017 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, die am 4. Oktober 2017 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Die Klägerin vertieft den erstinstanzlichen Vortrag und ergänzt, es sei nicht zwischen Ärzten zu differenzieren, die ihre Leistungen innerhalb oder außerhalb der RLV abrechneten. Maßgeblich sei vielmehr, dass die Ärzte in beiden Fällen mit anteiligem Vertragsarztsitz gehindert seien, ihren Leistungsumfang maßgeblich auszudehnen. Die Neuregelung der Quartale II und III/2013 führe nicht dazu, dass eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit verhindert werde. Der Versorgungsauftrag einer Arztgruppe oder der einzelnen Ärzte sei nicht mit dem Arztgruppendurchschnitt gleich zu setzen. Der Durchschnitt bleibe zwingend immer hinter dem Versorgungsauftrag zurück, da mit ihm neben großen auch kleine Praxen erfasst würden und auch die großen Praxen den Versorgungsauftrag sicherstellten. Es gebe keine zeitlichen Vorgaben für den Umfang vertragsärztlicher Tätigkeit. § 19 a Abs. 1 Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV) bestimme, dass ein Vertragsarzt grundsätzlich verpflichtet sei, seine Tätigkeit vollzeitig auszuüben. Der Mindestumfang hierfür sei in der Regel erfüllt, wenn der Arzt entsprechend dem Bedürfnis nach einer ausreichenden zweckmäßigen Versorgung und den Gegebenheiten seines Praxisbereichs regelmäßig zu den üblichen Sprechzeiten für die Versorgung der Versicherten und für Notfallbehandlungen und andere wichtige Fälle außerhalb der Sprechzeiten zur Verfügung stehe. Für einen anteiligen Versorgungsauftrag sei nach Satz 2 der Regelung eine wöchentliche Sprechstundenzeit von 10 Stunden zu kalkulieren. Mit dem üblichen Aufschlag von 30 bis 50 % für notwendige Begleitleistungen lasse sich ein zeitlicher Mindestumfang des vollen Versorgungsauftrags von wenigstens 26 bis 30 Stunden pro Woche ableiten. Eine geringere Zeitspanne sei auch im Hinblick auf die Bedarfsplanung nicht akzeptabel. Die Budgetierung der Leistungen mit dem Faktor 0,9 sei unverhältnismäßig. Die Klägerin rügt weiterhin Verstöße gegen höherrangiges Gesetzesrecht, den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Diskriminierungsverbote und regt gegebenenfalls eine Vorlage beim Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 157 AEUV an.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts K vom 29. August 2017 sowie die Bescheide vom 28. Juni 2013 in der Fassung des Widerspruchs- bescheides vom 30. Juli 2014 und die Bescheide vom 14. Januar 2014 und 5. September 2016 in der Fassung des Widerspruchs- bescheides vom 20. Juli 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie hinsichtlich des Honorars für das Quartal III/2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu be- scheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Aus den Gründen der angefochtenen Bescheide und ihres erstinstanzlichen Vortrags hält sie das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Insbesondere sei sie berechtigt, bei der Honorarverteilung pauschalierende und typisierende Regelungen zu treffen. Ein Versorgungsauftrag sei nicht zwingend umfangreicher als der Arztgruppendurchschnitt, weil dieser auch Praxen erfasse, die ihren Versorgungsauftrag nicht in vollem Umfang ausfüllten. Der Versorgungsauftrag sei in § 19 a Ärzte-ZV für eine vollzeitig besetzte Arztstelle definiert. Hierbei handele es sich nicht um einen statischen Wert, sondern um eine Größenordnung, die sich an den tatsächlichen Verhältnissen ausrichte und die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Vertragsärzte berücksichtige. Die Beschränkung der Tätigkeit auf anteilige Arztstellen sei in der obergerichtlichen Rechtsprechung mehrfach anerkannt. Die Regelung sei auch nicht diskriminierend oder gleichheitswidrig. Mit dem Stichtag 15. Juli 2013 seien bezeichnender Weise die anteiligen Arztstellen zu 52,2 % von Frauen und zu 47,8 % von Männern besetzt. Die Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit erfasse nur Beschäftigungsverhältnisse und sei nicht anwendbar, da zugelassene Ärzte mit anteiligen Arztstellen in keinem Beschäftigungsverhältnis ständen. Durch die anteilige Arztstelle sei nicht das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betroffen. Ein einzelner angestellter Arzt werde durch die HVM-Regelung nicht unmittelbar berührt.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Verfahrensakte sowie die weitere Verfahrensakte L 4 KA 56/17 betreffend das Quartal III/2013 des Ambulanzzentrums L vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird darauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft (§ 143 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und form- und fristgerecht eingegangen (§ 151 Abs. 1 SGG).

Die vor dem Sozialgericht erfolgte Klageerweiterung unter Einbeziehung des Honorarbescheides und des Bescheides des HVM-Teams der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2017 ist zulässig. Es handelt sich um eine Klageänderung im Sinne des § 99 SGG. Diese ist sachdienlich. Die Beklagte hat in die Änderung eingewilligt (Abs. 1) und sich auf die mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht eingelassen, ohne der Änderung zu widersprechen (Abs. 2).

Die Berufung ist auch begründet. Die Mengenbegrenzung, der die Beklagte den Honoraranspruch der Klägerin für die mit anteiliger Zulassung tätigen Ärzte unterzogen hat, war zu beanstanden. Da das Urteil des Sozialgerichts die Entscheidung der Beklagten bestätigt hat, war es aufzuheben und die Beklagte zur Neubescheidung des Honoraranspruchs zu verpflichten.

§ 87b Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sah in der zwischen 1. Januar 2009 und 31. Dezember 2011 geltenden Fassung abweichend von § 85 SGB V die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen nach fallwertorientierten RLV, ab 1. Juli 2010 ergänzt durch Berücksichtigung von die Fallwerte differenzierenden QZV, zwingend vor. Die Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben ist auf Bundesebene wesentlich durch die Beschlüsse des (erweiterten) Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008, 20. April 2009 und 26. März 2010 erfolgt. Vereinfacht ausgedrückt war dabei ein arztbezogenes RLV als das Produkt aus der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal und dem arztgruppenspezifischen Fallwert definiert. Mit dem QZV wurden arztgruppentypische Leistungen berücksichtigt, für deren Abrechnung eine bestimmte Qualifikation erforderlich war.

Zur Vergütung vertragsärztlicher Leistungen nach RLV war dabei gemäß Teil F I 1.2.2 des Beschlusses des BewA eine arztbezogene Ermittlung des RLV vorgesehen. Die Zuweisung der RLV und die Abrechnung erfolgten dann gemäß Teil F I 1.3.1 des Beschlusses praxisbezogen. Dadurch ergab sich die Höhe des RLV einschließlich der QZV eines MVZ aus der Addition der RLV aller Ärzte, die in der Arztpraxis tätig waren, ergab.

Mit Wirkung ab 1. Januar 2012 sieht § 87b Abs.1 SGB V wieder die Verteilung der Gesamtvergütung für die vertragsärztliche Vergütung nach einem im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen zu erlassenden Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung vor. § 87b Abs. 1 Satz 3 SGB V erlaubt es dabei, dass bisherige Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen RLV, vorläufig bis zur Entscheidung über einen Verteilungsmaßstab weitergelten.

Die Beklagte hat in dem mit Wirkung vom 1. Januar 2013 geltenden HVM vom 22. März 2013 (in Kraft bis zum 30. September 2013) den die Vergütung ärztlicher Leistungen im Rahmen von RLV regelnden Beschluss des Bewertungsausschusses vom 26. März 2010 und die nachfolgenden Änderungen dieses Beschlusses durch den Bewertungsausschuss zur Grundlage der Honorarverteilung in Schleswig-Hol-stein gemacht und diese Beschlüsse als Anlagen in den HVM inkorporiert (Teil B Nr. 2.1 HVM). Ferner hat sie mit dem Beschluss vom 22. März 2013 die Ergänzungen in Teil B Ziffer 1.1 (2) und Teil C 1. (1) HVM zum 1. April 2013 eingefügt, mit denen sie die Vergütung der Leistungen der mit anteiligem Arztsitz zugelassenen Ärzte zum vollen nominellen Betrag auf den entsprechenden anteiligen arztstellengewichteten durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe im Vorjahresquartal begrenzte und die den Durchschnitt übersteigenden Leistungen nur zu 10 % (Faktor 0,1) vergütete. Die Klägerin ist von dieser Regelung gemäß Teil C 1. (3) Satz 3, 3. Spiegelstrich HVM betroffen, denn die Leistungen der Pathologen und Transfusionsmediziner fallen zwar in die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV), werden jedoch außerhalb eines RLV vergütet, da diese Arztgruppen nicht der Anlage 2 zum HVM unterliegen.

Diese Begrenzung des Wachstums der anteilig tätigen Ärzte hält der Senat für rechtswidrig. Sie verstößt gegen den aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz abgeleiteten Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (dazu BSG, Urteil vom 24. Januar 2018 – B 6 KA 2/17 R – SozR 4-2500 § 87b Nr. 13). Dieser ist verletzt, wenn vom Prinzip der gleichmäßigen Vergütung abgewichen wird, obwohl zwischen den betroffenen Ärzten beziehungsweise Arztgruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen oder erfordern könnten. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz folgt ebenso wie ein Verbot von sachwidrigen Ungleichbehandlungen in diesem Sinne auch ein Differenzierungsgebot, wenn wesentliche Unterschiede bestehen, die es verbieten, dass zwei Gruppen von Normadressaten gleichbehandelt werden (BSG, Urteil vom 27. Juni 2012 – B 6 KA 37/11 R – SozR 4-2500 § 85 Nr. 71; Urteil vom 21. Oktober 1998 – B 6 KA 71/97 RSozR 3-2500 § 85 Nr. 28). Zwar haben die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) bei der Ausformung des HVM als normativer Regelung im Rahmen der Selbstverwaltung eine Gestaltungsfreiheit (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 – B 6 KA 44/03 RSozR 4-2500 § 72 Nr. 2), die erst dann rechtswidrig ausgeübt wird, wenn die getroffene Regelung unter Beachtung des Zwecks der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist (BSG, Urteil vom 29. August 2007 – B 6 KA 2/07 RSozR 4-2500 § 85 Nr. 34). Jedoch ist der Gestaltungsrahmen der KV bei der Ausgestaltung des HVM durch das Gebot einer leistungsproportionalen Verteilung des Honorars (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23. März 2011 – B 6 KA 6/10 R – SozR 4-2500 § 85 Nr. 63; Beschluss vom 19. Januar 2017 B 6 KA 37/16 B - juris) und den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit begrenzt.

Die mit einer anteiligen Arztstelle zugelassenen Ärzte werden gegenüber den Ärzten, die mit einer vollen Arztstelle zugelassen sind, ungleich behandelt. Das RLV der mit einer vollen Stelle zugelassenen Ärzte errechnet sich nach dem in Teil B 1.1 (1) HVM in Bezug genommenen Beschluss des BewA vom 26. März 2010, Teil F, 3.2.1 Satz 2 aus der Multiplikation des zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen KV-bezogenen arztgruppenspezifischen Fallwertes gemäß Anlage 7 und der RLV-Fallzahl des Arztes gemäß Teil F 2.6 des Beschlusses im Vorjahresquartal. Der für einen Arzt zutreffende arztgruppenspezifische Fallwert nach Satz 2 wird für jeden über 150 % der durchschnittlichen RLV-Fallzahl der Arztgruppe hinausgehenden RLV-Fall gemindert, und zwar um 25 % bei einer Überschreitung des Gruppendurchschnitts bis zu 70 %, um 50 % bei einer Überschreitung bis zu 100 % und darüber hinaus um 75 %. Es findet also eine Abstaffelung der Fallwerte statt, wenn der Arzt mit seiner maßgeblichen Fallzahl des Vorjahresquartals den Fachgruppendurchschnitt übersteigt, die in ihrer Höhe progressiv von der Höhe der Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts abhängig ist; jedoch werden Fälle auch dann mit wenigstens einem Viertel des RLV-Gruppenfallwertes berücksichtigt, wenn der Arzt mehr als die doppelte Fallzahl gegenüber der Fachgruppe abrechnet. Demgegenüber wird den mit anteiliger Arztstelle zugelassenen Ärzten eine Obergrenze zuerkannt, die wesentlich stärker durch den Fachgruppendurchschnitt limitiert ist. Nach Teil B 1.1 (2) und Teil C 1. (3) HVM bemisst sie sich (allein) nach dem dem Zulassungsstatus entsprechenden anteiligen Fachgruppendurchschnitt; die diese Grenze übersteigenden Fälle werden gemäß Teil C 1. (4) einheitlich mit dem Faktor 0,1 vergütet. Eine Abstaffelung ist hier nicht vorgesehen. Dies gilt auch dann, wenn die Überschreitung des anteiligen Fachgruppendurchschnitts nicht auf einer Praxisausweitung beruht, sondern wenn die Praxis den anteiligen Durchschnitt bereits vor der Einführung der Regelung zum Quartal II/2013 überschritten hatte und ihre historisch gewachsenen Strukturen berührt sind. Von dieser Regelung sind vor allem Ärzte mit einer "großen" anteiligen Praxis betroffen und die Reduktion des Fallwertes erfolgt auch dann, wenn der Praxisumfang schrumpft, gleichwohl aber immer noch oberhalb des anteiligen Fachgruppendurchschnitts liegt. Dabei geht der Senat davon aus, dass eine Vergütung der Leistungen von 10 % marginal ist und den Festlegungen des eBewA nach § 87 Abs. 2 SGB V nicht entspricht. Bei realistischer Betrachtung führt dies dazu, dass eine Tätigkeit oberhalb des anteiligen Fachgruppendurchschnitts wirtschaftlich unbedeutend ist und die Leistungen weitgehend entwertet werden. Demgegenüber haben die Ärzte, die eine volle Arztstelle besetzen, bis zu einer Überschreitung des Durchschnitts um 50 % einen "Puffer", oberhalb dessen eine wesentlich moderatere Abstaffelung der Vergütung einsetzt. Beide Regelungen gelten unabhängig von einem Wachstum der Praxis, sondern setzen bereits an der originären Praxisgröße an.

Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass den Ärzten mit einem anteiligen Vertragsarztsitz ein Wachstum der Praxis zumindest dann faktisch unmöglich gemacht wird, wenn sie mit ihrer Fallzahl den anteiligen Fachgruppendurchschnitt erreicht haben. Grundsätzlich ist im Rahmen der RLV eine Leistungsausweitung im Wege eines Wachstums möglich, indem die Fallzahl des Arztes gemäß Teil F I 3.2.1 des Beschlusses des BewA vom 26. März 2010 und Teil B 1.2 (2) HVM auf den Leistungsbedarf des Vorjahresquartals bezogen wird. Ein Wachstum wirkt sich damit mit einer einjährigen Verspätung aus. Die Arztgruppen, für die keine RLV einzurichten sind, wie dies bei den Pathologen und Transfusionsmedizinern der Fall ist, unterliegen abgesehen von den Regelungen zur Abstaffelung - gar keinen Wachstumsbegrenzungen. Dies ist hinnehmbar, da es sich zumeist um kleine heterogene Arztgruppen handelt, bei denen wegen der Art der Leistungen eine Ausweitung nicht oder nur begrenzt zu erwarten ist. Im Fall der Fachgruppen der Klägerin ist ein Wachstum daher mit Erreichen der anteiligen durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe nicht möglich, während die Ärzte mit einer vollen Stelle ihre Tätigkeit ausweiten können, wenn auch mit einjähriger Verzögerung. Dabei lässt der Senat außer Acht, dass auch den anteilig zugelassenen Ärzten ein Wachstum im Rahmen eines sich ausweitenden Fachgruppendurchschnitts möglich ist, denn der Fachgruppendurchschnitt ist erfahrungsgemäß eher statisch angelegt und diese Möglichkeit haben die Fachärzte mit einer vollen Arztstelle ebenso.

Die Rechtswidrigkeit der Regelung leitet sich allerdings nicht bereits daraus ab, dass sie den anteilig zugelassenen Ärzten keinerlei Wachstum – abgesehen von der Vergütung mit dem Faktor 0,1 - oberhalb der anteiligen Obergrenze ermöglicht. Grundsätzlich muss ein HVM zwar einem Arzt die Möglichkeit belassen, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern (BSG, Urteil vom 28. Januar 2009 B 6 KA 5/08 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 45). Dies gilt aber nur für unterdurchschnittlich abrechnende Praxen (BSG, Urteil vom 10. März 2004 – B 6 KA 3/03 R – SozR 4 2500 § 85 Nr. 9). Für Praxen, die ein überdurchschnittliches Honorarvolumen abrechnen, ist eine Honorarbegrenzung, die ein weiteres Wachstum nicht oder nicht über den Fachgruppendurchschnitt hinaus ermöglicht, dagegen grundsätzlich zulässig, um einen stabilen Punktwert als sichere Kalkulationsgrundlage für die Vertragsärzte zu bewirken (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 – B 6 KA 76/03 R - SozR 4 2500 § 85 Nr. 6; Urteil vom 21. Oktober 1998 – B 6 KA 71/97 R – SozR 3 2500 § 85 Nr. 28: jedenfalls für eine gewisse Zeit zulässig). Allein dann, wenn sich der Zuwachs ausschließlich an einer Steigerung der Fallzahlen bemisst, ist es rechtswidrig, das Honorar des Arztes in bestimmter Höhe einzufrieren (BSG, Urteil vom 13. März 2002 – B 6 KA 48/00 R). Diese Grundsätze verletzte es nicht, das Honorarvolumen der Klägerin durch die Obergrenze zu limitieren. Denn nach Teil B 1.1 (2) setzt sich die Obergrenze im Sinne des Teil C 1. (3) aus einem Gesamtvolumen, bestehend aus einem RLV, QZV und Praxisbesonderheiten, maximal bis zum anteiligen Durchschnitt der Arztgruppe zusammen. Das bedeutet, dass es auch den anteilig zugelassenen Ärzten möglich ist, mit ihrer Abrechnung den anteiligen Fachgruppendurchschnitt zu erreichen. Ferner begrenzt die Zuwachsregelung nicht allein den Fallzahlzuwachs, sondern das Honorar und damit auch der Zuwachs errechnen sich aus einem Produkt aus Fallzahl und arztgruppenspezifischem Fallwert. Die Entscheidung des BSG vom 10. Dezember 2003 (aaO) erging zwar zu einem HVM, bei dem das Honorar auf einem Praxisbudget beruhte, das sich an den eigenen historischen Abrechnungswerten des Arztes orientierte. Ein solches Budget liegt hier nicht vor, denn das RLV der Klägerin orientiert sich maßgeblich am Fachgruppendurchschnitt. Dies führt jedoch zu keiner anderen Beurteilung hinsichtlich der Zuwachsbegrenzung. Denn jene Regelung war nicht deshalb zulässig, weil der betreffende Arzt in der Vergangenheit den Zuschnitt seiner Praxis in einer selbstbestimmten Größe festgelegt hatte, sondern weil es oberhalb des Fachgruppendurchschnitts nicht unangemessen ist, angesichts einer budgetierten Gesamtvergütung und im Interesse fester Abrechnungswerte eine weitere Praxisausweitung zu unterbinden. Diese Gesichtspunkte gelten in gleicher Weise bei einer Zuwachsbegrenzung, die sich an Fallwerten der Fachgruppe orientiert.

Der Senat hält die Regelung jedoch für rechtswidrig, weil sie die mit anteiliger Arztstelle zugelassenen Ärzte im Vergleich zu den mit einer vollen Zulassung tätigen Ärzte benachteiligt und damit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt (so bereits zu der Regelung für Ärzte, deren Leistungen innerhalb der RLV /QZV abgerechnet werden Urteil des Senats vom 15. Januar 2019 – L 4 KA 57/16 – juris; anhängig beim BSG, B 6 KA 12/19 R). Sowohl die Regelung in Teil F I 3.2.1 des Beschlusses des BewA als auch die in Teil B 1.1 (2) des HVM sind geeignet, in die vorbestehende Substanz einer Praxis einzugreifen, wenn deren Abrechnungen den (anteiligen) Fachgruppendurchschnitt erreicht oder überschritten haben. Der Senat hat die Fallwertabstaffelung in Teil F I 3.2.1 des Beschlusses des BewA grundsätzlich für rechtmäßig erachtet (Urteil vom 26. März 2019 – L 4 KA 65/18 und Urteile vom 18. Juli 2017 – L 4 KA 50/15 u.a. – juris, bestätigt durch Beschlüsse des BSG vom 21. März 2018 – B 6 KA 74/17 B u.a. – juris). Wenn sie auch nicht am Wachstum, sondern am Bestand der Praxis ansetzt, ist sie dennoch geeignet, einer Praxisausweitung entgegen zu wirken und bewegt sich damit im Rahmen der Zielsetzung des § 87b Abs. 2 SGB V. Allerdings verfolgt sie dieses Ziel nur mittelbar, indem sie an dem großen Praxisbestand ansetzt; das Beispiel der zwar schrumpfenden, gleichwohl aber überdurchschnittlich großen Praxis macht dies deutlich. Diese mittelbare Zweckverfolgung erfordert, dass Ungleichbehandlungen eng gefasst werden und nicht eine Gruppe von Normadressaten stärker als eine andere Gruppe von Adressaten belastet wird. Dies ist hier jedoch der Fall, indem der über dem Durchschnitt liegende Praxisbestand der voll zugelassenen Ärzte moderat, der der anteilig zugelassenen Ärzte jedoch radikal beschnitten wird. Gleichzeitig wird den voll zugelassenen Ärzten ein mit einjähriger Verzögerung eintretendes Praxiswachstum unter den Vorzeichen der Abstaffelung ermöglicht, den anteilig zugelassenen Ärzten jedoch nicht, sofern ihre Abrechnung den Fachgruppendurchschnitt noch nicht erreicht hat. Den voll zugelassenen Ärzten wird damit ein großer Praxisbestand und eine Entwicklung der Praxis auch angesichts der RLV ermöglicht, während die Praxen der teilweise zugelassenen Ärzte faktisch auf dem anteiligen Fachgruppendurchschnitt eingefroren werden. Dies wiegt für die Klägerin umso schwerer, als Pathologen und Transfusionsmediziner keinem RLV unterliegen und zumeist oder ausschließlich auf Überweisung tätig sind und ihre Fallzahl weit weniger steuern können als andere Gruppen niedergelassener Ärzte. Das Wachstum der voll zugelassenen Ärzte ist daher überhaupt nicht durch ein RLV / QZV beschränkt und unterliegt daher nicht der Abstaffelung, während das Honorar der anteilig zugelassenen Ärzte gleichwohl durch die Regelung in Teil B 1.1 (2) limitiert ist. Das Ausmaß der Ungleichbehandlung ist damit bei den ärztlichen Fachgruppen, die nicht der RLV-Systematik unterliegen, größer als innerhalb des RLV-Systems.

Durch einen adäquaten Regelungszweck ist diese Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt, insbesondere lässt sie sich mit dem Status der lediglich anteilig zugelassenen Ärzte nicht rechtfertigen. § 87b Abs. 2 Satz 1 SGB V regelt, dass die Honorarverteilung eine übermäßige Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit verhindern soll. Die Regelung knüpft an den Versorgungsauftrag des MVZ gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V an. Dieser bestimmt zwar, dass der Vertragsarzt durch die Zulassung Mitglied der für seinen Vertragsarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung wird und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang seines aus der Zulassung folgenden zeitlich vollen oder hälftigen Versorgungsauftrages berechtigt und verpflichtet ist. Der Versorgungsauftrag ist bei der Honorarverteilung zu berücksichtigen. Da gemäß Satz 4 die Kassenärztliche Vereinigung verpflichtet ist, die Einhaltung des sich daraus ergebenden Versorgungsauftrags zu überprüfen, ergibt sich im Umkehrschluss, dass die Vertragsärzte die sich aus der Zulassung ergebenden Begrenzungen einhalten müssen. Angesichts dessen ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, den Umfang der Tätigkeit der mit anteiligem Versorgungsauftrag tätigen Ärzte zu begrenzen und auch einen Zuwachs nicht in gleichem Umfang wie bei den mit vollem Versorgungsauftrag zugelassenen Ärzten zuzulassen (BSG, Urteil vom 24. Oktober 2018 – B 6 KA 28/17 R – SozR 4-2500 § 87b Nr. 18). Jedenfalls die Beschränkung auf eine lediglich anteilig adäquate Teilnahme der anteilig zugelassenen Ärzte am Honorarzuwachs ist zulässig. Es kann dahingestellt bleiben, ob es weitergehend auch zulässig wäre, die Beschränkung auf die Teilnahme über den jeweiligen Anteil hinaus auszudehnen. Denn – im Rahmen des oben Ausgeführten – nimmt die Klägerin an einem Zuwachs auch mit einem einjährigen Moratorium gar nicht teil und ist weitergehenden Einschränkungen ihres Bestandes als die Ärzte mit vollem Versorgungsauftrag ausgesetzt. Die Einhaltung des Versorgungsauftrags dient der Bedarfsplanung und verhindert grundsätzlich die Überversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung. Hierfür ist es ein geeignetes Mittel, jede Ausweitung des Leistungsumfangs der zugelassenen Ärzte zu unterbinden. Allerdings wird im HVM der Beklagten dieses Mittel einseitig zu Lasten der anteilig zugelassenen Ärzte angewandt, und zwar im Rahmen der RLV mit der Ermöglichung der Leistungsausweitung im Folgejahr, außerhalb der RLV unbegrenzt. Eine Leistungsausweitung wird daher nach dem HVM nicht unterbunden, sondern weiterhin bei den mit vollem Versorgungsauftrag tätigen Ärzte, die in ihrer Gesamtheit in mengenmäßig weitaus größerem Umfang als die anteilig zugelassenen Ärzte Leistungen abrechnen, zwar eingeschränkt, jedoch weiterhin ermöglicht.

Es kommt hinzu, dass die anteilig tätigen Vertragsärzte durch die Fixierung der Honorarhöhe am Fachgruppendurchschnitt stärker betroffen sind als die übrigen Ärzte. Denn der Durchschnitt trifft zwar eine Aussage über die Arztgruppe, nicht aber über die einzelne Praxis. Die mit voller Zulassung tätigen Ärzte können eine "große" Praxis mit überdurchschnittlichem Zuschnitt oder eine "kleine", unterdurchschnittliche Praxis betreiben und sind dabei im RLV-System lediglich durch die Abstaffelungs-regelung des Teil F I 3.2.1 des Beschlusses des EBM begrenzt, der einen hinlänglichen Spielraum belässt, auch weiterhin eine große Praxis zu betreiben. Der Fachgruppendurchschnitt setzt sich ebenso wie aus kleinen auch aus solchen großen Praxen zusammen. Die Möglichkeit, im Rahmen der anteiligen Zulassung eine (anteilig) "große" Praxis zu betreiben, haben kleine Praxen dagegen – abgesehen von der geringfügigen Honorierung mit 10 % - nicht. Daraus folgt, dass die Regelung im HVM, B 1.1 (2) nicht allein das Wachstum begrenzt, sondern die anteilig zugelassenen Ärzte auch strukturell über ihren anteiligen Versorgungsauftrag hinaus benachteiligt. Nach Auffassung des Senats ist dies nicht im Hinblick darauf anders zu sehen, dass innerhalb des Abrechnungssystems der RLV dieses ein dem HVM immanentes Korrektiv darstellt, das jedenfalls auch bei den teilweise zugelassenen Ärzten die Praxisgröße beschränkt und ein weiteres Wachstum hemmt, das jedoch bei den Arztgruppen fehlt, für die - wie bei den Transfusionsmedizinern und Pathologen - kein RLV eingerichtet ist. Grundsätzlich ist damit zwar ein nahezu unbegrenztes Wachstum möglich; dies gilt jedoch für die mit vollem Versorgungsauftrag zugelassenen Ärzte ebenso und folgt daraus, dass – aus unterschiedlichen Gründen – auf RLV / QZV für diese Arztgruppen verzichtet wird. Aus dem Grunde ist diese Gefahr der unbegrenzten Leistungsausweitung hinzunehmen.

Die Beklagte wird daher eine neue Berechnung des Honorars der Klägerin nach einem anderen Verteilungsschlüssel vorzunehmen haben. Dieser Schlüssel muss den anteilig zugelassenen Ärzten nicht die unbegrenzten Praxisgrößen oder Honorarzuwächse ermöglichen wie den mit vollem Versorgungsauftrag zugelassenen Ärzten. Vielmehr sind stärkere Einschränkungen möglich, um den anteiligen Versorgungsauftrag hervorzuheben und als solchen zu stützen. Es muss den anteilig tätigen Ärzten jedoch ein ähnlicher "Puffer" wie den mit vollem Auftrag zugelassenen Ärzten eingeräumt werden, der in seinen Auswirkungen der Regelung in Teil F I 3.2.1 des Beschlusses des BewA adäquat ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und orientiert sich am wirtschaftlichen Interesse der Klägerin. Dabei war der Wert der unvergütet gebliebenen Leistungen um die Nachvergütungen zu mindern und als Streitwert für die gesondert verfolgte Mitteilung der Obergrenze um 25 % zu erhöhen.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Zwar ist die Honorarverteilung auf der Grundlage von RLV, auf die die Honorierung der Ärzte auch hier dem Grunde nach aufbaut, nicht mehr in Kraft, jedoch ist hier maßgeblich die Frage betroffen, in welchem Maße die Honorierung der mit anteiligem Versorgungsauftrag zugelassenen Ärzte im Vergleich zu Ärzten mit vollem Versorgungsauftrag eingeschränkt werden darf.
Rechtskraft
Aus
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