L 1 KR 438/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 772/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 438/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 34/20 B
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst zu tragen haben. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 113.917,32 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Im Streit ist ein Prüfbescheid der Beklagten, mit dem Sozialversicherungsbeiträge für die Beigeladenen zu 1) und 2) nachgefordert werden.

Die Klägerin, die früher unter D GmbH firmierte, wurde im April 2001 gegründet. Sie hatte bis 2015 fünf Gründungsgesellschafter, unter ihnen die Beigeladenen zu 1) und 2), die jeweils 20 % der Gesellschaftsanteile hielten. Nach § 6 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages vom 12. April 2001 sind die Geschäftsführer an das Gesetz, den Gesellschaftsvertrag sowie die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gebunden. Nach § 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages bedürften Beschlüsse der Gesellschafterversammlung, soweit in zwingenden gesetzlichen Bestimmungen oder in diesem Gesellschaftsvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, eine Mehrheit von ¾ der Stimmen. Nach § 7 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages kann sich jeder Gesellschafter bei der Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung durch einen anderen Gesellschafter bei Vorlage einer schriftlichen Vollmacht vertreten lassen.

Die Beigeladenen zu 1) und 2) waren seit dem 1. April 2001 die Geschäftsführer der Klägerin. Grundlage waren jeweils Arbeitsverträge vom 28. März 2001, auf die ergänzend verwiesen wird.

Betriebsprüfungen der Beklagten bei der Klägerin führten zunächst nicht zur Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Beigeladenen zu 1) und 2).

Ab dem 28. Oktober 2014 führte die Beklagte eine weitere Betriebsprüfung in den Räumen der Klägerin durch. In der Folgezeit teilte die Klägerin unter anderem mit, dass im Zusammenhang mit den früheren Betriebsprüfungen leider keine Bescheide vorlägen. Auf Veranlassung der Beklagten wurde ein Fragebogen für die Beigeladenen zu 1) und 2) eingereicht (Eingang: 22. Mai 2015). Nach vorangegangener Anhörung forderte die Beklagte mit Bescheid vom 4. August 2015 von der Klägerin für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 115.120,57 EUR nach, davon 113.917,32 EUR für die Beigeladenen zu 1) und 2). Zur Begründung führte sie aus, dass bei Geschäftsführern, die gleichzeitig Gesellschafter seien, ein Beschäftigungsverhältnis vorliege, wenn der Gesellschafter funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der GmbH teilhabe, er ein entsprechendes Arbeitsentgelt erhalte und keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft kraft seines Anteils am Stammkapital geltend machen könne. Die Beigeladenen zu 1) und 2) seien jeweils Minderheitsgesellschafter und verfügten auch nicht über eine Sperrminorität.

Die Klägerin erhob Widerspruch. Zu deren Begründung wandte sie sich (nur) gegen die Einstufung der Beigeladenen zu 1) und 2). Diese leiteten auch andere Unternehmen, seien also von der Klägerin wirtschaftlich unabhängig. Sie alleine, und nicht die Gesellschafter, bestimmten die Marktausrichtung und Strategie der Klägerin. Weisungen seien ihnen nicht erteilt worden. Es bestehe de facto eine Sperrminorität der Beigeladenen zu 1) und 2), da sie eine Lebensgemeinschaft bildeten und von den drei Mitgesellschaftern nicht überstimmt werden könnten. Beiträge für das Jahr 2010 seien verjährt.

Die Beklagte setzte die Vollziehung ihres Bescheides am 31. August 2015 aus, soweit sich der Widerspruch gegen die Nachberechnung der Beiträge für die Beigeladenen zu 1) und 2) in Höhe von 113.917,32 EUR richtet. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2016 wies sie den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 3. Mai 2016 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Alleine die Beigeladenen zu 1) und 2) seien vor Ort tätig gewesen und hätten Leitungsmacht ausgeübt. Sie hätten weder Weisungen der Gesellschaft unterlegen. Noch seien sie in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen. Sie hätten für ein Darlehen der Klägerin gebürgt und trügen deren wirtschaftliches Risiko.

Die Beklagte hat vorgebracht, in den vorangegangenen Betriebsprüfungsbescheiden seien die Rechtsverhältnisse der Beigeladenen nicht thematisiert worden. Ein Vertrauenstatbestand habe sich bereits deshalb nicht ergeben können.

Das SG hat mit Urteil vom 23. August 2017 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, bereits die geschlossenen Arbeitsverträge enthielten ganz wesentliche Argumente einer abhängigen Beschäftigung. Anderes ergebe sich auch nicht, weil die Beigeladenen zu 1) und 2) gleichzeitig Gesellschafter der Klägerin gewesen seien. Jeder einzelne habe für sich alleine weder eine Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung gehabt, noch eine Sperrminorität. Die anderen Gesellschafter hätten im Konfliktfalle jederzeit ihre Rechtsmacht einsetzen können. Dass es zu einem solchen Konfliktfall nicht gekommen sei, sei unerheblich. Aus demselben Grund sei auch unerheblich, dass die Beigeladenen durch eine Lebenspartnerschaft verbunden seien. Dass die Beiträge durch die Beklagte in unzutreffender Höhe ermittelt worden seien, habe die Klägerin nicht vorgebracht. Auch sei die Beitragsforderung für das Kalenderjahr 2010 noch nicht verjährt. Gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) verjährten Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Dabei werde die Verjährung für die Dauer der Prüfung bei dem Arbeitgeber gehemmt, § 25 Abs. 2 S. 2, I. Halbsatz SGB IV. Sie beginne mit der Prüfung beim Arbeitgeber und ende mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheides, spätestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Abschluss der Prüfung, § 25 Abs. 2 S. 4 SGB IV. Die Hemmung trete nur dann nicht ein, wenn die Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von sechs Monaten aus Gründen unterbrochen werde, welche die prüfende Stelle zu vertreten habe, § 25 Abs. 2 S. 3 SGB IV. Hier habe die Beklagte die Betriebsprüfung im Oktober 2014 begonnen. Zum damaligen Zeitpunkt seien die Beiträge, die in dem Kalenderjahr 2010 fällig geworden seien, noch nicht verjährt gewesen. Dies wäre erst mit Ablauf dieses Kalenderjahres der Fall gewesen. Durch die dann nachfolgende Betriebsprüfung sei die Verjährung bis zum Erlass des Betriebsprüfungsbescheides am 4. August 2015 gehemmt gewesen. Eine Unterbrechung habe nicht stattgefunden. Die Hemmung habe mit dem Erscheinen des Prüfers im Betrieb des Arbeitgebers begonnen und mit dem Erlass des Beitragsbescheides geendet, der dann allerdings einen neuen Hemmungstatbestand bis zu seiner Bestandskraft begründet habe, § 52 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass ihr der Beitragsbescheid erst später als sechs Monate nach der Beendigung der Prüftätigkeit in ihrem Räumen bekanntgegeben worden sei. Die Hemmung habe nicht bereits nach § 25 Abs. 2 S. 4 SGB IV geendet, weil die Prüfung erst mit dem Schlussgespräch abgeschlossen sei, welche eine Anhörung im Sinne des § 24 Abs. 1 SGB X enthalte. Hier seien jedoch bis zur abschließenden Beurteilung noch weitere Ermittlungen erforderlich gewesen, weshalb die Beklagte im Januar und Februar 2015 Unterlagen angefordert habe, die sie erst Ende Mai 2015 erhalten habe. Die Betriebsprüfung habe deshalb ununterbrochen bis zur schriftlichen Anhörung angedauert.

Gegen diese am 22. September 2017 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin vom 20. Oktober 2017.

Zu deren Begründung wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen. Es dürfe nicht sein, dass bei zwar vereinbarter selbständiger Beschäftigung, aber tatsächlich nicht so gelebter Durchführung des Dienstverhältnisses eine abhängige Beschäftigung angenommen werde, im umgekehrten Fall – wie hier – die tatsächliche Nichtdurchführung des Vertrages jedoch nicht von Relevanz sei. Eine dienende Einordnung in den Arbeitsprozess bei der Klägerin habe jedenfalls bei den Beigeladenen zu 1) und 2) nicht vorgelegen. Die alleinige Reduktion auf eine gesellschaftsrechtliche Weisungsgebundenheit widerspräche dem Gesamtbild der Tätigkeit.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. August 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 4. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung ist durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Der Senat hält sie einstimmig für unbegründet. Er hält auch eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, zuletzt mit Verfügung vom 17. Januar 2020 hingewiesen worden.

Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 4. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung bei den Arbeitgebern Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Gegenstand der Prüfung bei den Arbeitgebern ist nach § 28p SGB IV, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, insbesondere die zur richtigen Beitragszahlung, ordnungsgemäß erfüllen. Nach § 28d SGB IV umfasst der Gesamtsozialversicherungsbeitrag den Beitrag nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie die Beiträge für die Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Er ist nach § 28e Abs. 1 SGB IV vom Arbeitgeber zu zahlen. Zahlungsempfänger sind nach § 28h SGB IV die Krankenkassen als Einzugsstellen. Diese Vorschriften gelten nach § 10 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) entsprechend für die nach § 7 AAG zu erhebenden Umlagenbeträge und nach § 359 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) auch für die nach § 358 SGB III zu erhebende Umlage für das Insolvenzgeld ("UI"). Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch sowie § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken -, Renten- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die danach für den Eintritt von Versicherungspflicht jeweils erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, das heißt den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 KR 3/17 R - Rdnr. 12 mit weit. Nachweisen). Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der unter Umständen als Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, gegebenenfalls den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, a. a. O. Rdnr. 13 mit weiteren Nachweisen). Diese Maßstäbe gelten auch für Geschäftsführer einer GmbH (vgl. aus jüngerer Zeit BSG, Urteil vom 14. März 2018 –B 12 KR 13/17 R- Rdnr. 18). Bei einem Fremdgeschäftsführer scheidet eine selbstständige Tätigkeit generell aus. Die frühere sogenannte "Kopf und Seele"-Rechtsprechung, wonach ein Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft und ausnahmsweise auch ein Angestellter unterhalb der Geschäftsführerebene, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, ausnahmsweise als selbstständig angesehen worden ist, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn die Gesellschafter daran hinderten, hat der 12. Senat des BSG ausdrücklich aufgegeben. Die Maßgeblichkeit des rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhaltens der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten, während im Fall eines Zerwürfnisses die rechtlich bestehende Weisungsgebundenheit zum Tragen käme, ist nicht möglich (BSG, Urteil vom 14. März 2018 Rdnr. 20 mit weiteren Nachweisen). Erst recht gilt dies in Fällen -wie hier überwiegend-, in denen die Gesellschafter nicht durch familiäre Bindung in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt sind. Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 von Hundert der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 von Hundert der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber ist eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln (BSG, Urteil vom 14. März 2018 Rdnr. 21 m. w. N.). Die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht, die den Gesellschafter-Geschäftsführer in die Lage versetzt, die Geschicke der Gesellschaft bestimmen oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können, muss gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) bestehende wirtschaftliche Verflechtungen, Stimmbindungsabreden oder Veto-Rechte zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH sind nicht zu berücksichtigen. Sie vermögen die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben. Unabhängig von ihrer Kündbarkeit genügen die das Stimmverhalten regelnden Vereinbarungen nicht dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände. Im Interesse sowohl der Versicherten als auch der Versicherungsträger ist die Frage der (fehlenden) Versicherungspflicht wegen Selbstständigkeit oder abhängiger Beschäftigung schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil es darauf nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten der Sozialversicherungsträger und die Leistungsansprüche des Betroffenen ankommt (BSG, Urteil vom 14. März 2018 Rdnr. 22)

Diese Grundsätze der Subsumtion unter die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 7 Abs. 1 SGB IV sind nach Auffassung des hiesigen Senats nicht verfassungswidrig Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 2. Juni 2018 (1 BvL 7/14 1 BvR 1375/14) berufen. Eine richterliche Rechtsfortbildung darf zwar nicht dazu führen, dass die Gerichte ihre eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen. Die Gerichte dürfen sich vielmehr nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen, sondern müssen die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren (BVerfG a. a. O. juris – Rdnr. 73). Allerdings greift nur eine Interpretation, die sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (BVerfG, a. a. O. mit weiteren Nachweisen). Dass die Rechtsprechung des BSG einem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers widerspräche, trägt die Klägerin selbst nicht vor. Das Gesetz verwendet gerade unbestimmte Rechtsbegriffe. Auch bei den zuletzt in § 7 Abs. 1 SGB IV eingeführten Kriterien für eine Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV (aufgrund des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 mit Wirkung ab 01. Januar 1999; "Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.") handelt es sich bewusst nur um Anhaltspunkte und nicht um abschließende Bewertungskriterien (vgl. BT-Drucksache 14/1855 S. 6).§ 7 SGB IV greift ferner nicht in die Berufungsfreiheit des Art. 12 GG ein. Die Norm regelt keine Berufspflichten, sondern allgemein die Merkmale der Beschäftigung als Grundlage der Versicherungs- und Beitragspflicht. Selbst wenn nach den Umständen des Einzelfalls manche Dienstleistungen praktisch nur in Form einer abhängigen Beschäftigung verrichtet werden können, wird Art 12 GG dadurch nicht verletzt (BSG, Urteil vom 04. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – Rdnr. 41 mit weiterem Nachweis). Die Normen zur Sozialversicherungspflicht haben nämlich keine Berufs-, sondern Beitragspflichten zum Gegenstand. Die gesetzliche Anordnung der Zwangsmitgliedschaft und damit verbundener Beitragspflichten ist zwar ein Eingriff in den Schutzbereich des Art 2 Abs. 1 GG. Dieser ist aber gerechtfertigt. Die Sozialversicherungspflicht dient einem legitimen Zweck und ist geeignet, angemessen und verhältnismäßig im engeren Sinne. Sie schützt neben den Betroffenen selbst auch die Allgemeinheit vor einer übermäßigen Inanspruchnahme der staatlichen Gemeinschaft (BSG, Urteil vom 04. Juni 2019 Rdnr. 43 mit Bezugnahme auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00). Der Gesetzgeber darf dabei einen generalisierenden Maßstab anlegen und davon ausgehen, dass diejenigen Personen, die ihre Arbeitskraft in den Dienst anderer stellen, im Allgemeinen auf diese Beschäftigung zur Erlangung ihres Lebensunterhalts angewiesen und daher sozial schutzbedürftig sind.

Die Klägerin kann hier zunächst nicht auf die beanstandungsfreien vorangegangenen Betriebsprüfungen berufen, da diese nicht durch entsprechende Verwaltungsakte abgeschlossen wurden. Eine materielle Bindungswirkung könnte sich nur insoweit ergeben, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch Verwaltungsakt festgestellt worden sind. So kommt etwa einer pauschal gehaltenen sogenannten Prüfmitteilung, nach der die durchgeführte Betriebsprüfung "ohne Beanstandungen geblieben ist" nach dem objektiven Empfängerhorizont kein Regelungsgehalt zu; sie ist daher kein Verwaltungsakt (§ 31 S. 1 SGB X), der Anknüpfungspunkt für Bestands- und Vertrauensschutz sein könnte (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2019 – B 12 R 25/18 R - Rdnr. 32).

Ausgangspunkt der Statusprüfung sind demnach nach den oben skizzierten Maßstäben die für die Tätigkeit maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen. Wie bereits das SG dargelegt hat, enthalten bereits die Geschäftsführeranstellungsverträge typische Elemente eines Arbeitsvertrages, etwa die Bezeichnung als "Arbeitsvertrag" selbst. Die Geschäftsführer werden als "Angestellte" bzw. "Arbeitnehmer" bezeichnet (§ 1 bzw. bei der Angabe der Unterzeichnenden). Auch die Regelungen über die "Arbeitsvergütung" mit festem "Gehalt" und Reisekostenerstattung (§ 3), die Regelung der Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall (§ 4 Abs. 1) und über den Urlaubsanspruch (§ 5) deuten auf ein Arbeitsverhältnis hin.

Das SG hat es aber nicht damit bewenden lassen, sondern hat zu Recht geprüft, ob den Beigeladenen zu 1 ) und 2) ungeachtet der vertraglichen Vereinbarung eines Arbeitsvertrages aufgrund ihrer Stellung als Gesellschafter, also für die Arbeitgeberseite nach der Terminologie der Arbeitsverträge, ein Status zusteht, der Weisungsabhängigkeit ausschließt. Einen gleichheitswidrigen Umgang mit der Relevanz der vertraglichen Regelungen vermag der Senat bereits deshalb nicht festzustellen. Es hat allerdings richtig ausgeführt, dass im hier streitgegenständlichen Zeitraum jedem der Gesellschafter-Geschäftsführer als Minderheitsgesellschafter keine Rechtsmacht im oben skizzierten Umfang zugestandet hat. Auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil hierzu und ansonsten wird zur Vermeidung bloßer Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.

Zu ergänzen ist nur noch, dass auch die Übernahme einer Bürgschaft und die Gewährung eines Darlehens als Haftungs- oder Ausfallrisiko kein echtes Unternehmerrisiko begründen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2015 - B 12 R 2/14 R -, juris –Rdnr. 26) und damit nicht mit Gewicht für eine Selbständigkeit der Geschäftsführertätigkeit streitet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 63, 52 Abs. 1, Abs. 3 Gerichtskostengesetz. Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung kann der Beschluss nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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