S 14 SF 21/20 E

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 SF 21/20 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Auf die Erinnerung wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 17.01.2020 (S 14 KR 723/18) geändert. Die der Erinne-rungsführerin von der Erinnerungsgegnerin zu erstattenden Verfahrenskosten werden auf 109,48 EUR festgesetzt zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2019. Die Erinnerungsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Erinnerungsfüh-rerin dem Grunde nach.

Gründe:

I.
Die Beteiligten streiten über die Erstattungsfähigkeit von Kopierkosten der Bevollmächtig-ten der Erinnerungsführerin für eine seitens des Bevollmächtigten der Erinnerungsgegne-rin zur Gerichtsakte gereichte Patientenakte.

Im Klageverfahren S 14 KR 723/18 stritten die Beteiligten über einen Vergütungsanspruch der Erinnerungsgegnerin für eine durch ihr Krankenhaus erbrachte stationäre Behandlung an einer bei der Erinnerungsgegnerin gesetzlich krankenversicherten Patientin. Im Rah-men des Verfahrens übersandte die Kammer antragsgemäß den Bevollmächtigten der Er-innerungsführerin die durch den Bevollmächtigten der Erinnerungsgegnerin mit der Klage-schrift zur Gerichtsakte gereichte Patientenakte (97 Seiten). Die Bevollmächtigten der Er-innerungsführerin fertigten Kopien der gesamten Patientenakte an, die sie dem medizini-schen Dienst der Krankenversicherung (MDK) für eine Stellungnahme vorlegten. Die Be-teiligten schlossen im weiteren Verlauf des Verfahrens letztlich einen Vergleich und erklär-ten das Klageverfahren übereinstimmend für erledigt.

Gemäß Beschluss der Kammer vom 08.11.2019 trägt die Erinnerungsführerin die Kosten des Klageverfahrens nach § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Grunde nach zu 30 %, die Erinnerungsgegnerin zu 70 %. Der Streitwert wurde auf 1993,63 EUR festgesetzt (Be-schluss vom 22.10.2019). Auf dieser Grundlage ergab sich hinsichtlich der Gerichtskosten ein Kostenerstattungsanspruch der Erinnerungsgegnerin gegen die Erinnerungsführerin i.H.v. 26,70 EUR.

Für den Bevollmächtigten der Erinnerungsgegnerin entstand ein gesetzlicher Anspruch auf Vergütung und Auslagen i.H.v. 648,55 EUR (vgl. Kostennote vom 06.11.2019). Der Vergü-tungsanspruch der Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin betrug für Verfahrens–, Eini-gungsgebühr und Post – und Telekommunikationspauschale zuzüglich Umsatzsteuer 434,35 EUR (vgl. insoweit Kostennote vom 01.10.2019; Beschluss des UdG vom 17.01.2020).

Am 01.10.2019 beantragten die Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin die zu erstat-tenden Kosten unter Verzinsung ab Antragstellung mit 5 Prozentpunkten über dem Basis-zinssatz festzusetzen. Sie begehrten die Berücksichtigung ihrer Vergütung mit 472,49 EUR. Darin enthalten war die weitere Position "Dokumentenpauschale für Kopien aus der Pati-entenakte Nr. 7000 Nr. 1 Anl. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) (s/w: 97 Sei-ten) i.H.v. 32,05 EUR zzgl. 19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG (= 38,14 EUR).

Der Bevollmächtigte der Erinnerungsgegnerin erklärte hierzu, die angesetzten Kopierkos-ten dürften nicht absetzbar sein.

Mit Beschluss vom 17.01.2020 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozial-gerichts Aachen die der Erinnerungsführerin zu erstattenden Verfahrenskosten auf 82,78 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2019 fest. Die Kostennote der Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin sei lediglich i.H.v. 434,35 EUR zu berücksichtigen, da die geltend gemachten Kopierkosten zuzüglich Umsatz-steuer nicht vom Vergütungsanspruch umfasst seien. Unter Zitat je einer Fundstelle aus Rechtsprechung und Literatur vertrat er die Auffassung, dies ergebe sich aus dem Wort-laut der Nr. 7000 Nr. 1a RVG. Hiernach falle die Dokumentenpauschale nur bei Kosten aus Behörden – und Gerichtsakten an. Eine Patientenakte falle darunter nicht.

Hiergegen hat die Erinnerungsführerin durch ihre Bevollmächtigten am 12.02.2020 Erinne-rung eingelegt.

Die seitens des Kostenbeamten zitierten Fundstellen, trügen dessen Auffassung nicht. Der Urkundsbeamte verkenne, dass es sich bei der Patientenakte im vorliegenden Verfahren bereits um Teile der Gerichtsakte gehandelt habe. Die Anfertigung der Kopien sei zur sachgerechten Bearbeitung der Rechtssache erforderlich gewesen. Die Unterlagen hätten einem medizinischen Berater vorgelegt werden müssen. Neben der Berücksichtigungsfä-higkeit auf Grundlage der Nr. 7000 VV RVG ergebe sich ein Anspruch auf Ersatz der Auf-wendungen aus §§ 675, 670 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Die Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin beantragen, bei der Kostenfestsetzung die Kosten für die angefertigten Kopien der Patientenakte für erstattungsfähig zu erklären.

Der Bevollmächtigte der Erinnerungsgegnerin stellt keinen ausdrücklichen Antrag.

Es bleibe dabei, dass die angefallenen Kopierkosten nicht zu erstatten seien. Die Bevollmächtigten Erinnerungsführerin hätten selbst in anderen Verfahren eine Patientenakte nicht als Gerichtsakte angesehen. Es könne keinen Unterschied machen, ob er, der Be-vollmächtigte der Erinnerungsgegnerin, eine Patientenakte kopiere und zur Gerichtsakte reiche oder die Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin die zur Gerichtsakte gereichten Patientenakten kopierten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach– und Streitverhältnisses wird auf die Verfah-rensakte sowie die Gerichtsakte zum Verfahren S 14 KR 723/18 Bezug genommen

Gründe::

II.
A. Die Kammer legt den Antrag der Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin i. S. d. Ent-scheidungstenors aus. Die Kostenfestsetzung setzt zu erstattende Beträge zahlenmäßig fest (Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 197, Rn. 9; Stotz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 197 SGG (Stand: 08.10.2019), Rn. 51 m.w.N.). Dem wird die Antragsformulierung der Erinnerungsführerin zwar nicht ge-recht, indes die begehrte (zusätzliche) Berücksichtigung der Kopierkosten der Patienten-akte (zzgl. der Umsatzsteuer), führt unter Berücksichtigung der Kostengrundquote unmit-telbar zur Festsetzung eines Erstattungsanspruches i.H.v. 109,48 EUR zugunsten der Erinne-rungsführerin. Der Antrag auf Verzinsung des Kostenerstattungsanspruches ab Beantra-gung der Festsetzung bleibt durch die Formulierung des Erinnerungsantrages unberührt.

B. Die so auszulegende Erinnerung ist gem. §§ 197 Abs. 2, 178 SGG statthaft. Der Ur-kundsbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen (vgl. Stotz in: Schlegel/Voelzke, ju-risPK-SGG, 1. Aufl., § 197 SGG (Stand: 08.10.2019), Rn. 62), sodass diese der Kammer zur Entscheidung vorzulegen war. Die Erinnerung ist auch binnen der Frist von einem Mo-nat nach Bekanntgabe der Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 197 Abs. 2 i.V.m. § 64 SGG) eingelegt worden. Der Beschluss des Urkundsbeamten vom 17.01.2020 ist den Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin am 28.01.2020 zugegangen. Die Erinnerung ist am 12.02.2020 eingelegt worden.

Die Erinnerung - in deren Rahmen das Gericht die Entscheidung des Urkundsbeamten in vollem Umfang überprüft und nach eigenem Ermessen durch Beschluss entscheidet (Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 197, Rn. 10) – ist auch begründet.

I. Zur Festsetzung der Kosten bzw. eines Erstattungsanspruches ist zu prüfen, ob die gel-tend gemachten Kosten solche des gerichtlichen Verfahrens sind, tatsächlich entstanden sind und ob es Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidi-gung i.S.d. § 193 Abs. 2 SGG bzw. – hier einschlägig - § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind. Zu diesen Kosten zählen neben den - im Verfahren nach § 197a SGG anfallenden – Gerichtskosten die Kosten, die durch die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im gerichtlichen Verfahren entstanden sind (Lüdt-ke/Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, SGG § 197 Rn. 4, beck-online; zur Berechnung näher: von Kageneck, BeckOK KostR/ 27. Ed. 01.09.2019, SGG § 197 Rn. 19ff.). Die gesetzli-chen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwaltes für dessen Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren sind Kosten im Sinne des § 197 Abs. 1 SGG (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO) (vgl. von Kageneck, in: BeckOK KostR, 27. Ed. 01.09.2019, SGG, § 197, Rn. 23).

Zu diesen gesetzlichen Auslagen zählten auf Seiten des Bevollmächtigten der Erinne-rungsführerin vorliegend die angemeldeten Kosten für Kopien der Patientenakte.

Gem. Nr. 7000 1a) VV RVG fällt als Pauschale für Kopien aus Behörden– und Gerichtsak-ten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war, bei schwarz – weiß Kopien für die ersten 50 abzurechnenden Seiten ein Betrag von jeweils 0,50 EUR, für jede weitere Seite von 0,15 EUR an. Die Voraussetzungen dieser Ziffer sind auf Seiten der Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin vorliegend erfüllt.

1. Die Kopie der Patientenakte ist als Kopie aus der Gerichtsakte anzusehen.

a) Nr. 7000 Nr. 1a) VV RVG hat praktisch wortgleich § 27 Abs. 1 Nr. 1 der zum Jahr 2004 durch das RVG abgelösten Rechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) übernommen. Mit der Einführung des § 27 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO im Jahr 1975 (BGBl. I S. 2189) wurde die vorher in der Rechtsprechung umstrittene Frage geklärt, ob Kosten für Ablichtungen aus Gerichtsakten besonders vergütet werden oder durch die Geschäftsgebühr abgegolten sind (vgl. BT-Drs 7/2016, S. 101). Schon hierbei bezog sich der Auslagentatbestand auf die Vervielfältigung jener Akten oder Aktenteile, die der Rechtsanwalt im Rahmen seiner Prozessvertretung gemäß § 120 Abs. 1 SGG eingesehen hat (vgl. OVG Bremen Be-schluss vom 18. Januar 1988 – 2 B 142/87, BeckRS 1988, 31338813, beck-online). Zu den dort genannten Akten zählen alle das Verfahren betreffenden Unterlagen, also auch die Gesamtheit der Ordner oder Hefter, die zu dem betreffenden Verfahren vom Gericht angelegt worden sind bzw. die von den Verfahrensbeteiligten dem Gericht auf Aufforde-rung oder ohne solche vorgelegt worden sind (BSG, Urteil vom 20. November 2003 – B 13 RJ 41/03 R –, BSGE 91, 283-287, SozR 4-1500 § 120 Nr 1, Rn. 14; OVG Bremen, a.a.O. m.w.N.; Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 120 SGG, Stand: 12.01.2018, Rn. 8; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 120, Rn. 3).

Aber auch ungeachtet des Bezuges der Nr. 7000 Nr. 1a) VV RVG zu den von § 120 Abs. 1 SGG umfassten Dokumenten ist verständlich, dass der Anfall der Pauschale nicht von der Zufälligkeit abhängig sein kann, ob das Gericht bzw. seine Geschäftsstelle die vorge-legte Patientendokumentation – wie zum Teil praktiziert – direkt in die Hauptakte heftet oder sie als Beiakte führt. Die Beiakten sind Bestandteil der Gerichtsakte (Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, VV Nr. 7000, Rn. 51 m.w.N.).

b) Insofern führt der Verweis des Urkundsbeamten im Beschluss vom 17.01.2020 auf den Wortlaut der Nr. 7000 Nr. 1a) VV RVG ohne Vergegenwärtigung dessen, was zum Inhalt der Gerichtsakte zu zählen ist nicht weiter. Entsprechend tragen die von ihm angeführten Fundstellen seine Ansicht nicht. Soweit es in der von ihm in Bezug genommenen Kom-mentierung von Schneider/Volpert/Fölsch (Gesamtes Kostenrecht, Teil 1: Justiz, Anwalt-schaft, Notariat Vergütungsverzeichnis VV RVG Nr. 7000 Rn. 9, beck-online; so auch Ahlmann, in: Riedel/Sußbauer RVG, 10. Aufl. 2015, VV Nr. 7000, Rn. 7) heißt, Kopien und Ausdrucke anderer Akten (Versicherungsakten, Arzt- bzw. Patientenakten etc.) würden nicht erfasst, wird nicht erkennbar, ob damit auch solche Akten gemeint sind, die Bestand-teil der Gerichtsakte geworden sind oder lediglich solche, die außerhalb ihrer Integration in die Gerichtsakte kopiert worden sind. Ein solcher Fall liegt zweifellos etwa vor, sofern die Patientendokumentation/Patientenakte – wie im vorliegenden Fall durch den Bevollmäch-tigten der Erinnerungsgegnerin offenbar erfolgt – kopiert wird, bevor sie dem Gericht vor-gelegt wird. Diesen maßgeblichen Unterschied übersieht der Bevollmächtigte der Erinne-rungsgegnerin soweit er moniert, die Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin hätten eine Patientenakte mitunter nicht als Gerichtsakte angesehen und seinem Ungerechtigkeits-empfinden darüber Ausdruck verleiht, dass er für die Kopie der Patientenakte zur Klage-erhebung keinen Auslagenersatz geltend machen kann.

Die Differenzierung danach, ob die Patientenakte im Zeitpunkt ihrer Kopie bereits zur Ge-richtsakte gelangt war berücksichtigt gerade auch die seitens des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle weiter angeführte Entscheidung des Sozialgerichts Halle (Saale) vom 05.09.2014 – S 11 SF 406/14 E (juris). Dort wird dargelegt, dass die Erstattung von Ko-pierkosten nur für die Ablichtungen aus Gerichtsakten in Betracht komme. Soweit Patien-tenakten zum Zeitpunkt der Kopierentstellung noch nicht Bestandteil der Gerichtsakte sei-en, scheide ein Kostenerstattungsanspruch aus.

c) Insofern handelt es sich bei der als Beiakte zur Klageschrift geführten Patientendoku-mentation ab dem Zeitpunkt des Klageinganges vorliegend um einen Bestandteil der Ge-richtsakte (vgl. hiervon als selbstverständlich ausgehend auch: SG Fulda, Beschluss vom 10. Juni 2016 – S 4 SF 50/15 E –, Rn. 23, juris). Im Rahmen der Akteneinsicht nach § 120 Abs. 1 SGG hat die Kammer den Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin diesen Be-standteil der Gerichtsakte auf Antrag (mit Schriftsatz vom 17.05.2019) zur Einsichtnahme übersandt (Verfügung vom 05.06.2019). Die Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin haben die Patientendokumentation kopiert und sie mit Schriftsatz vom 25.06.2019 an das Gericht zurückgesandt.

2. Die angefertigten Kopien waren zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache – wie auch von Seiten der Erinnerungsgegnerin nicht in Abrede gestellt – auch geboten. Bei der Beurteilung, was zur Bearbeitung der Sache, insbesondere auch zur Vermeidung von un-nötigen Verzögerungen sachgemäß ist, ist auf die Sicht abzustellen, die ein verständiger und durchschnittlich erfahrener Rechtsanwalt haben kann, wenn er sich mit der betreffen-den Gerichtsakte beschäftigt und alle Eventualitäten bedenkt, die bei der dann noch erfor-derlichen eigenen Bearbeitung der Sache auftreten können. Ein kleinlicher Maßstab ist in-sofern nicht anzulegen. Insbesondere bei mehrseitigen Schriftstücken ist die Entscheidung des Verfahrensbevollmächtigten, Sie bei der weiteren Bearbeitung der Sache jederzeit mit ihrem vollständigen Inhalt vorliegen zu haben, als in der Regel sachgerecht hinzunehmen (BGH, Beschluss vom 26. April 2005 – X ZB 17/04 –, Rn. 10, juris m.w.N.; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 29. August 2000 – 8 C 99.2099 –, Rn. 4, juris; Schmidt/Volpert in: Burhoff/Volpert, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2017, Nr. 7000 VV, Rn. 66ff.; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, VV Nr. 7000, Rn. 57).

Die Kopie der 97 Seiten umfassenden Patientenakte in einem frühen Stadium des Verfah-rens war hiernach vorliegend geboten, da die Patientenakte dem MDK zu einer Stellung-nahme vorgelegt werden sollte. Dabei hatte das Gericht zur Rücksendung eine Frist von 3 Wochen gesetzt, um das Verfahren unabhängig von der Dauer einer Stellungnahme des MDK vorantreiben zu können. Zudem war die Prüfung der vollständigen Patientendoku-mentation auf Grundlage der Rechtsauffassung der Bevollmächtigten der Erinnerungsfüh-rerin notwendig. So hat sie den Standpunkt eingenommen, vorgelegte Behandlungsunter-lagen könnten allein insoweit Berücksichtigung finden, wie sie vorgerichtlich durch das Krankenhaus der Erinnerungsgegnerin dem MDK übermittelt worden waren.

3. Erstattungsfähig waren insoweit die seitens der Bevollmächtigten der Erinnerungsführe-rin angesetzten 32,05 EUR (25 EUR + 7,05 EUR). Die ersten 50 der 97 in schwarz-weiß kopierten Seiten waren mit jeweils 0,50 EUR zu berücksichtigen, mithin 25 EUR. Für die weiteren 47 Seiten sind jeweils 0,15 EUR erstattungsfähig, also 7,05 EUR. Auch die hierauf aufgeschlagene Um-satzsteuer i.H.v. 19 % (§ 12 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz – UstG) (6,09 EUR) findet nach Nr. 7008 VV RVG Berücksichtigung im Rahmen der gesetzlichen Gebühren für die Tätigkeit der Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin im Klageverfahren. Zu den Verfahrens- (Nr. 3100 VV RVG), Einigungsgebühren (Nr. 1003, 1000 VV RVG) und die Pauschale für Post- und Telekommunikation (Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG) zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von zusammen 434,35 EUR tritt daher ein Betrag i.H.v. 38,14 EUR.

II. Neben dem Vergütungs– und Auslagenanspruch des Bevollmächtigten der Erinne-rungsgegnerin i.H.v. 648,55 EUR gehört daher ein Vergütungs– und Auslagenanspruch der Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin in Höhe von insgesamt 472,49 EUR zu den Kosten des gerichtlichen Verfahrens. Von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von hiernach insgesamt 1121,04 EUR trägt die Erinnerungsführerin 30 %, also 336,31 EUR. Nach Subtraktion dieses Betrages von den eigenen Kosten i.H.v. 472,49 EUR ergibt sich der Erstattungsanspruch i.H.v. 136,18 EUR. Hiervon sind die der Erinnerungsgegnerin der Kos-tengrundquote entsprechend schließlich zu erstattenden 26,70 EUR abzusetzen. Es verbleibt ein Erstattungsanspruch der Erinnerungsführerin i.H.v. 109,48 EUR. Anders gewendet: Dem durch den Urkundsbeamten festgesetzten Erstattungsbetrag waren 70 % (entsprechend der Kostengrundquote) der geltend gemachten Dokumentenpauschale i.H.v. 32,05 EUR zu-züglich Umsatzsteuer (38,14 EUR) hinzuzufügen, mithin 26,70 EUR.

Der Anspruch auf die beantragte Berücksichtigung der Zinsen ergibt sich ohne weiteres aus § 197 Abs. 1 S. 2 SGG i.V.m. § 104 Abs. 1 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 247 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

C. Die Kostengrundentscheidung für das Erinnerungsverfahren folgt aus einer entspre-chenden Anwendung des § 193 SGG und trägt dem Ergebnis des Erinnerungsverfahrens Rechnung.

Einer Kostengrundentscheidung bedarf es, weil für das Erinnerungsverfahren als eigen-ständigem Gerichtsverfahren i. S. d. § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) (BSG, Ur-teil vom 10. Juli 2014 – B 10 ÜG 8/13 R –, SozR 4-1720 § 198 Nr 2) erneute Rechtsan-waltsgebühren (Nr. 3500 VV RVG) anfallen (SG Fulda, Beschluss vom 10. Februar 2010 – S 3 SF 22/09 E –, Rn. 75, juris; SG Berlin, Beschluss vom 13. Februar 2009 – S 164 SF 126/09 E –, Rn. 15, juris; SG Cottbus, Beschluss vom 28. Oktober 2009 – S 27 SF 87/09 E –, Rn. 38, juris; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 177, Rn. 10).

Der Rechtsanwalt kann gem. § 15 Abs. 2 S. 1 RVG die Gebühren in derselben Angele-genheit nur einmal fordern. Gem. § 15 Abs. 2 S. 2 RVG kann er in gerichtlichen Verfahren die Gebühren in jedem Rechtszug fordern. Insoweit bestimmt § 19 Abs. 1 S. 1 RVG, dass zu dem Rechtszug auch alle Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungstätigkeiten und sol-che Verfahren gehören, die mit dem Rechtszug oder zusammenhängen, wenn die Tätig-keit nicht nach § 18 RVG eine besondere Angelegenheit ist.

Das Erinnerungsverfahren nach § 197 Abs. 2 SGG stellt indes eine besondere Angele-genheit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG dar. Danach handelt es sich bei Verfahren über eine Erinnerung gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses richten, soweit sich aus § 16 Nr. 10 RVG nichts anderes ergibt, um eine besondere Angelegenheit i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 RVG. Vorliegend stehen nicht mehrere Verfahren i.S.v. § 16 Nr. 10 RVG in Rede und die Gebühren bemessen sich nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses. Un-schädlich ist zudem, dass nicht gegen die Entscheidung eines Rechtspflegers, sondern gegen die des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Erinnerung eingelegt worden ist. Zwar gibt es keine Rechtspfleger im Sinne des Rechtspflegergesetzes (RPflG) bei den Sozialge-richten. Der Begriff des Urkundsbeamten ist beamten – oder dienstrechtlich definiert; er ist ein prozessualer Funktionsbegriff (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 4, Rn. 3f.). Funktional betrachtet erfüllt der Urkundsbeamte der Ge-schäftsstelle mit der Kostenfestsetzung Aufgaben, die in der ordentlichen Gerichtsbarkeit dem Rechtspfleger zugewiesen sind. Bei der Kostenfestsetzung wird der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle als richterliches Organ tätig und ist deshalb insoweit an Weisungen nicht gebunden. Gründe für eine unterschiedliche Kostenerstattungsregelung bei Erinne-rungen gegen Kostenfestsetzungen des Rechtspflegers und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle sind nicht erkennbar. Deshalb ist § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG dahingehend auszulegen, dass auch Kostenfestsetzungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle adressiert sind. Die Gesetzesmaterialien bestätigen dieses Ergebnis. Nach der Begrün-dung des Gesetzesentwurfes (BT-Drs. 15/1971, S. 193) soll § 18 Nr. 3 (ehemals Nr. 5) RVG klarstellen, "dass Beschwerde – und Erinnerungsverfahren grundsätzlich eine be-sondere Angelegenheit bilden". Die vorgeschlagene Regelung entspreche damit dem gel-tenden Recht für die vormals im 3. Abschnitt der BRAGO geregelten Verfahren. In diesem Abschnitt wurden Gebühren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und ähnlichen Verfahren geregelt. Nach § 37 Nr. 7 und § 61 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO war die Tätigkeit des Prozessbe-vollmächtigten bei Erinnerungen gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss zusätzlich zu vergüten. Nach 116 Abs. 2 S. 1 BRAGO galten die Vorschriften des 3. Abschnittes in Ver-fahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sinngemäß, wenn – wie auch vorlie-gend – der Auftraggeber nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. Der Ge-setzesbegründung zu § 18 Nr. 3 (seinerzeit Nr. 5) RVG kann daher entnommen werden, dass das RVG die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten in Erinnerungsverfahren betreffend die Kostenfestsetzung in der Sozialgerichtsbarkeit nicht abschaffen wollte. Aus der Aufzählung der Gebührentatbestände in Teil 3 VV RVG, den § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG in Bezug nimmt, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die Gebührentatbestände erfassen auch Verfahren der "öffentlich – rechtlichen Gerichtsbarkeiten" (vergleiche die vorangestellte Überschrift des Gesetzgebers zu Teil 3 VV RVG) (so BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2007 – 4 KSt 1002/07, 4 KSt 1002/07 (4 VR 1005/04) –, Rn. 4f., juris für die vergleichbare Konstellation in verwaltungsgerichtlichen Verfahren). Hinzu tritt, dass der Gesetzgeber soweit er für Erinnerungsverfahren eine Kostenerstattung ausschließt, dies ausdrücklich geregelt hat (§ 66 Abs. 8 S. 2 GKG u. § 56 Abs. 2 S. 3 RVG). Zuletzt zeigt auch die Exis-tenz der Nr. 3500, 3501 VV RVG, dass der Gesetzgeber das Erinnerungsverfahren als besondere Angelegenheit - auch für das sozialgerichtliche Verfahren – gesehen hat.

Das Erinnerungsverfahren ist gerichtskostenfrei. Gerichtskosten sind hierfür gem. § 3 GKG i.V.m. Teil 7 der Anlage 1 des GKG nicht vorgesehen.
Rechtskraft
Aus
Saved