S 11 P 4440/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 P 4440/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen der Pflegeversicherung mindestens nach dem Pflegegrad 2 ab Antragstellung am 10. August 2017.

Die XXX 1953 geborene Klägerin beantragte am 10. August 2017 erstmals bei der Beklagten die Gewährung von Sachleistungen der Pflegeversicherung. Die Beklagte ließ die Klägerin durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) begutachten. Die Pflegefachkraft XXX gelangte in dem Gutachten vom 02. November 2017 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin bei der Beurteilung ihrer Pflegebedürftigkeit 20 gewichtete Punkte erreiche und damit die Voraussetzungen für den Pflegegrad 1 erreicht seien (Mobilität: 0 Punkte; kognitive und kommunikative Fähigkeiten und Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: 0 Punkte; Selbstversorgung: 10 Punkte; Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: 10 Punkte; Gestaltung des Arbeitslebens und sozialer Kontakte: 0 Punkte).

Mit Bescheid vom 06. November 2017 bewilligte die Beklagte Leistungen nach dem Pflegegrad 1.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung trug sie vor, in nahezu allen Modulen bestehe ein zumindest erheblicher Hilfebedarf. Hierzu verwies sie auf den ausgefüllten Ausdruck eines Pflegegradrechners, in dem die von ihr geltend gemachten Beeinträchtigungen Berücksichtigung finden. Im Modul 2 sei nicht berücksichtigt, dass sie unter erheblichen Gedächtnisstörungen leide. Zudem seien im Modul 3 die stark ausgeprägten Schlafstörungen und gravierende Ängste zu berücksichtigen. Bei der Selbstversorgung (Modul 4) sei bei nahezu ein Verrichtungen im Bereich der Körperpflege zumindest ein geringfügiger Hilfebedarf anzuerkennen. Im Modul 5 seien wöchentliche Arztbesuche zu beachten. Hinsichtlich des Moduls 6 sei zu berücksichtigen, dass sie teilweise tagelang nur im Bett liegen könne.

Die Beklagte ersuchte den MDK erneut um Begutachtung. Die Pflegefachkraft XXX bestätigte im Gutachten vom 30. Mai 2018 das Ergebnis des Erstgutachtens (Pflegegrad 1). Abweichend zum Erstgutachten berücksichtigte sie für das Modul 1 2,5 gewichtete Punkte (insgesamt 22,5 gewichtete Punkte).

Durch Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2018 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen des Pflegegrades 2 seien nach den Feststellungen des MDK nicht erfüllt.

Aus diesem Grund hat die Klägerin am 18. Dezember 2018 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der sie ihr bisheriges Begehren weiter verfolgt. Zur Klagebegründung trägt sie im Wesentlichen vor, aufgrund erheblicher orthopädischer und internistische Einschränkungen sowie schwerer Schmerzzustände nicht mehr in der Lage zu sein, selbstständig zu leben. Sie benötige bei fast allen Verrichtungen des täglichen Lebens Hilfe. Im Modul 1 seien insgesamt fünf gewichtete Punkte anzurechnen; so sei das Halten einer stabilen Sitzposition zeitweise eingeschränkt und beim Aufstehen und Umsetzen bestünden erhebliche Einschränkungen. 3,75 gewichtete Punkte seien im Modul 2 gerechtfertigt, da sie an einer verminderten Erinnerungsfähigkeit mit entsprechenden Einschränkungen leide. Bei den psychischen Problemlagen seien unberücksichtigt ihre großen Ängste vor einer weiteren Verschlechterung und die nächtliche Unruhe. Zudem sei sie zermürbt aufgrund der vorliegenden Dauerschmerzen. Ebenso sei die fünffache Injektion von Insulin aufgrund der Diabetes-Erkrankung täglich zu berücksichtigen. Im Modul 6 sei übersehen worden, dass alle Freundschaften über die unmittelbare Nachbarschaft hinaus eingeschlafen seien.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Der Internist XXX hat über eine deutliche Verschlechterung der Beweglichkeit, zunehmende Schmerzen im Bewegungsapparat und einer depressiven Grundstimmung berichtet, weshalb er die Gewährung eines Pflegegrades 2 befürworte. Der Facharzt für Innere Medizin Dr. XXX hat ausgeführt, mit der Klägerin nur telefonischen Kontakt gehabt zu haben; eine Pflegebedürftigkeit der Klägerin sei ihm nicht bekannt. Der Chirurg Dr. XXX und der Pneumologe Dr. XXX haben keine Einschätzung der Pflegebedürftigkeit getroffen. Die Allgemeinärztin Dr. XXX hat der Einschätzung des MDK zugestimmt.

Sodann hat das Gericht die Klägerin durch die Ärztin XXX untersuchen und begutachten lassen. Die Gutachterin hat die Pflegebedürftigkeit der Klägerin mit 25 gewichteten Punkten (Modul 4: 10 Punkte; im Modul 5: 15 Punkte) bewertet und damit die Voraussetzungen für die Gewährung eines Pflegegrades 1 bejaht.

Die Klägerin beantragt -sachgerecht gefasst-,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 06. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2018 zu verurteilen, ihr auf ihren Antrag vom 10. August 2017 Leistungen mindestens nach dem Pflegegrad 2 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erachtet den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.

Die Klägerin hat weitere ärztliche Befundunterlagen vorgelegt (XXX).

Die Gutachterin XXX hat mit Schreiben vom 12. Dezember 2019 zu den vorgelegten Befundunterlagen ergänzend Stellung genommen und an ihrer bisherigen Einschätzung festgehalten.

Die Beteiligten sind zur Absicht des Gerichts, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, angehört worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten und die Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung von Pflegeleistungen nach Pflegegrad 2.

Das Gericht hat vorliegend ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden können, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Die Feststellung des Vorliegens von Pflegebedürftigkeit oder einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz nach § 45a in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung erfolgt gem. § 140 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) jeweils auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Rechts. Der Erwerb einer Anspruchsberechtigung auf Leistungen der Pflegeversicherung richtet sich ebenfalls nach dem zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Recht (§ 140 Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Da die Klägerin vorliegend den Antrag nach dem 31. Dezember 2016 gestellt hat, ist der ab dem 01.01.2017 geltende Pflegebedürftigkeitsbegriff maßgeblich.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Leistung ist § 37 SGB XI. Nach § 36 SGB XI haben Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 bei häuslicher Pflege Anspruch auf körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie auf Hilfen bei der Haushaltsführung als Sachleistung (häusliche Pflegehilfe). Nach § 37 SGB XI können Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen.

Nach § 14 Abs. 1 SGB XI sind Personen dann pflegebedürftig, wenn sie gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind nach § 14 Abs. 2 SGB XI die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien: 1. Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen; 2. kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch; 3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen; 4. Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen; 5. Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: a) in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel, b) in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung, c) in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie d) in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften; 6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den oben genannten Bereichen berücksichtigt (§ 14 abs. 3 SGB XI).

Nach § 15 Abs. 1 SGB XI erhalten Pflegebedürftige nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt, wobei dieses in sechs Module, entsprechend den oben genannten Bereichen, gegliedert ist. Die Kriterien der einzelnen Module sind in Kategorien unterteilt, denen Einzelpunkte entsprechend der Anlage 1 zu § 15 SGB XI zugeordnet werden. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar (§ 15 Abs. 2 Satz 3 SGB XI). Die Einzelpunkte in den jeweiligen Modulen werden sodann addiert und entsprechend der Anlage 2 zu § 15 SGB XI einem jeweiligen Punktbereich zugeordnet, aus dem sich die gewichteten Punkte ergeben. Insgesamt wird für die Beurteilung des Pflegegrades die Mobilität mit 10 Prozent, die kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent, die Selbstversorgung mit 40 Prozent, die Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent und die Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent gewichtet (§ 15 Abs. 2 Satz 8 SGB XI).

Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen: 1. ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 2. ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 3. ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 4. ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, 5. ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung (§ 15 Abs. 3 Satz 4 SGB XI).

Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Vorgaben ist das Gericht nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen zu der Überzeugung gelangt, dass bei der Klägerin keine gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten bestehen, die zu einem Gesamtpunktwert von mindestens 27 Punkten führen, und damit die Voraussetzungen für die mit der Klage begehrte Einstufung in den Pflegegrad 2 nicht vorliegen.

Für diese Überzeugung stützt sich die Kammer auf die Feststellungen der Sachverständigen XXX in ihrem Gutachten. Die gerichtliche Sachverständige hat die bei der Klägerin vorliegenden Limitationen erfasst und entsprechend der Vorgabe der Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 15. April 2016 eingeordnet.

Danach leidet die Klägerin an pflegerelevanten Gesundheitsbeeinträchtigungen in Form eines mobilitätseinschränkenden Schmerzsyndroms in Folge degenerativer Skelettveränderungen, welche durch Missempfindungen in den Extremitäten und Schwindel mit Sturzneigung verstärkt werden. Weiterhin ist die Belastungsfähigkeit der Klägerin durch einen Lungenfunktionsstörungen eingeschränkt; sie leidet an einem chronischen Husten, Schluckstörungen, einer Harn-und Stuhlinkontinenz und einer Depression mit Somatisierungsstörungen sowie einem Diabetes mellitus.

Deshalb bestehen bei der Klägerin gesundheitliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit, die sich auf die Aktivitäten und Fähigkeiten der folgenden Bereiche beziehen:

(1) Im Modul 1 (Mobilität) besteht eine Einschränkung der Selbstständigkeit, die mit 0 gewichteten Punkten zu berücksichtigen ist. Die Bewertung nach der maßgebenden Beurteilungsrichtlinie richtet sich hier danach, ob die Person in der Lage ist, ohne personelle Unterstützung eine Körperhaltung einzunehmen/zu wechseln und sich fortzubewegen.

Die Gutachterin XXX hat im Bereich der Mobilität pflegerelevante Beeinträchtigungen beim Treppensteigen festgestellt und dafür nachvollziehbar eine überwiegende Selbstständigkeit (1 Einzelpunkt) i.S.d. Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes berücksichtigt. Überwiegend selbstständig ist danach, wer eine Treppe alleine steigen, aber Begleitung wegen eines Sturzrisikos benötigt. Die Klägerin ist in der Lage, Treppen mit sturzsichernder Begleitung zu überwinden. So hat sie selbst im Rahmen der Begutachtung angegeben, zum Überwinden der Treppen sich am Geländer nach oben zu ziehen, wobei sie zur Sturzsicherung begleitet werde. Eine überwiegende Unselbstständigkeit liegt erst dann vor, wenn das Treppensteigen nur noch mit Stützen oder Festhalten der Person möglich ist, was nach den Feststellungen der Gutachterin und den Angaben der Klägerin nicht der Fall ist. Aus diesem Grund ergibt sich kein Anhalt für eine höhere Bewertung. Im Übrigen ist die Klägerin mit dem Rollator sowie ihrer Unterarmgehstützen in der Lage, sich selbstständig, wenn auch breitbasig unsicher tastend, in der Wohnung fortzubewegen, weshalb die Ärztin XXX ohne rechtliche Bedenken diesbezüglich eine Selbstständigkeit (Person kann sich ohne Hilfe durch andere Person fortbewegen) bejaht hat.

(2) Im Modul 2 Kognitive und kommunikative Fähigkeiten und Modul 3 Verhaltensweisen und psychische Problemlagen bestehen zur Überzeugung des Gerichts gestützt auf das Gutachten der Sachverständigen keine pflegerelevanten Beeinträchtigungen.

Nach diesen Feststellungen verfügt die Klägerin über die im Modul 2 aufgeführten kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin aufgrund ihrer chronischen Schmerzerkrankung und ihrem seelischen Befinden an depressiven Verstimmungen leidet, wie sie vorträgt. Die zu bewertenden kognitiven Funktionen und Aktivitäten waren bei der Klägerin jedoch nicht eingeschränkt.

(3) Im Modul 3 (Verhaltensweisen und psychische Problemlagen) sind zur Überzeugung des Gerichts ebenso keine pflegerelevanten Beeinträchtigungen nachgewiesen.

Danach bestehen bei der Klägerin keine psychischen Problemlagen oder Verhaltensstörungen, welche sich in pflegebegründender Art und Weise auswirken. Eine Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage im Sinne der Beurteilungsrichtlinien hat die Gutachterin nicht festgestellt. So zeigte die Klägerin Interesse an ihrer Umgebung sowie Eigeninitiative, weshalb die Gutachterin nachvollziehbar ausgeführt hat, die Klägerin benötige keine Motivation von außen, um eine Verrichtung vorzunehmen. Dies ist in sich schlüssig, da die Klägerin insbesondere auch nicht apathisch in der Begutachtungssituation wirkte. Soweit die Klägerin vorträgt, an Angstattacken zu leiden, weshalb ein personeller Hilfebedarf erforderlich sei, hat sich dies im Rahmen der Begutachtung bei der Ärztin XXX nicht bestätigen lassen. Nach 4.3.10 der Begutachtungsrichtlinie sind gerade nur solche Ängste berücksichtigungsfähig, die immer wieder auftreten und eine personelle Unterstützung erforderlich machen. Nicht darunter zu subsumieren ist die reaktive Traurigkeit über ihre körperlichen Einschränkungen.

(4) Im Modul 4 Selbstversorgung sind für das Ausmaß der Beeinträchtigungen bei den einzelnen Aktivitäten 10 gewichtete Punkte (3 Einzelpunkte) zu berücksichtigen. In diesem Modul ist zu bewerten, ob die untersuchte Person die jeweilige Aktivität praktisch durchführen kann.

Nachvollziehbar kommt die Gutachterin zu dem Ergebnis, dass das Waschen des Intimbereichs, das Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare sowie das An-und Auskleiden des Unterkörpers der Klägerin überwiegend selbstständig möglich sind. Überwiegend selbstständig bedeutet, die Person kann den größten Teil der Aktivität selbstständig durchführen, weshalb nur ein geringer, mäßiger Aufwand für die Pflegeperson besteht. Die Klägerin kann hingegen ihren Oberkörper ohne personelle Hilfe waschen, weshalb dies mit selbstständig zu bewerten ist. Bei dem Waschen des Intimbereichs benötigt sie punktuelle Hilfen, kann dies im Übrigen aber selbstständig durchführen. Auch bei dem Duschen benötigt sie Unterstützung in Form einer sturzsichernden Begleitung sowie bei dem An- und Auskleiden des Unterkörpers durch Anreicherung der Kleidungsstücke, in die sie dann hineinschlüpft. Aus diesem Grund sind diese Aktivitäten mit überwiegend selbstständig zutreffend bewertet.

(5) Im Modul 5 (Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen) bestehen keine rechtlichen Bedenken hinsichtlich der Bewertung im Sachverständigengutachten mit 15 gewichteten Punkten.

In nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt die Gutachterin XXX die notwendigen Arztbesuche der Klägerin, die auch durchschnittlich mehr als einmal im Monat erfolgen, die Medikamenteneinnahme in Form der Cannabis-Tropfen und der notwendigen Unterstützung bei der Behandlung des Diabetes mellitus. Zudem miteinbegriffen ist die Hilfe bei dem An-und Auskleiden der Kompressionsstrümpfe, da die Klägerin selbst die Füße nicht erreicht. Im Übrigen bestehen keine Anhaltspunkte für eine zu niedrige Bewertung, vielmehr erachtet auch die Klägerin das Vorliegen von 15 gewichteten Punkten als zutreffend.

(6) Im Modul 6 (Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte) liegen keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Klägerin bei den jeweiligen Aktivitäten vor. Nach den erhobenen Befunden durch die Gutachterin kann die Klägerin vielmehr im Rahmen ihrer körperlichen Möglichkeiten selbstständig ihren Alltag gestalten, verfügt über einen geregelten Tag-Nacht-Rhythmus und benötigt keine nächtlichen Hilfen.

Soweit die Klägerin vorträgt, unberücksichtigt sei geblieben, dass Einschränkungen im Kontakt mit Menschen außerhalb des direkten Umfeldes bestünden, da auch alle Freundschaften über die unmittelbare Nachbarschaft hinaus eingeschlafen seien, begründet dies keine pflegerelevante Einschränkung. Nach 4.6.6 der Beurteilungsrichtlinien kommt es bei der Kontaktpflege zu Person außerhalb des direkten Umfelds nur darauf an, ob eine Kontaktgestaltung der Person noch möglich ist, z.B. ist auch relevant, ob mit technischen Kommunikationsmitteln wie einem Telefon umgegangen werden kann, Besuche verabredet oder Telefon-oder Brief-oder Mail-Kontakte aufrechterhalten werden können.

Daran orientiert liegen bei der Klägerin aber keine somatischen Beeinträchtigungen vor, die diese Aktivität oder Fähigkeit nicht mehr möglich machen würden. Wenn jedoch Beziehungen und Freundschaften aus anderen Gründen nicht mehr aufrechterhalten werden, bleibt dies außer Betracht.

Im Übrigen ergeben sich keine Anhaltspunkte für weitere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit der Klägerin, die bislang noch nicht berücksichtigt worden wären.

Danach liegen bei dem Kläger mit dem anerkannten Punktewert von 25 gewichteten Punkten die Voraussetzungen für die Anerkennung des Pflegegrades 1 vor.

Die Klage war daher abzuweisen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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