L 8 SO 31/19

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 7 SO 168/17
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 31/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 32/20 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe als Persönliches Budget für das Schuljahr 2016/2017 (vom 10. August 2017 bis zum 27. Juni 2018) und die Zahlung von Schmerzensgeld umstritten.

Die am ... 2003 geborene Klägerin ist von einer spinalen Muskelatrophie Typ II/III betroffen. Für sie war seit dem 19. Januar 2007 der Grad der Behinderung (GdB) von 80 mit den Merkzeichen "G", "aG", "H" und "B" anerkannt. Ab dem 30. Januar 2012 wurde der GdB mit 100 festgestellt. Sie erhält seit dem Besuch der Grundschule ab Sommer 2010 sowie seit dem Besuch des A. Gymnasiums in H. ab dem Schuljahr 2014/2015 Leistungen der Eingliederungshilfe als Hilfe zur angemessenen Schulbildung. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass für den Schulbesuch der Klägerin die Begleitung durch einen Integrationshelfer erforderlich gewesen ist.

Für die Schuljahre 2010/2011 und 2011/2012 erhielt die Klägerin vom B. im Namen des Beklagten auf der Grundlage jeweils abgeschlossener Zielvereinbarungen Leistungen der Eingliederungshilfe als Hilfe zur angemessenen Schulbildung gemäß §§ 53, 54 Abs. 1 Nr. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) in Form eines Persönlichen Budgets. Ab dem 1. Dezember 2012 hob der Beklagte (erstmals) die Bewilligung des Persönlichen Budgets mit der Begründung auf, die zugrunde liegende Zielvereinbarung sei gekündigt worden, da diese unter Punkt 2.5 die Verpflichtung enthalten habe, dass die Deckung des Bedarfs der Klägerin durch selbstorganisierte Fachkräfte erfolge und die entsprechenden Rechnungen dem Sozialamt vorzulegen seien. Da zwischenzeitlich - aufgrund der Erkrankung und des Versterbens der arbeitsvertraglich verpflichteten Integrationshelferin - die Aufgaben durch den Vater der Klägerin wahrgenommen worden seien, sei nicht von einer ordnungsgemäßen Verwendung des Persönlichen Budgets für den Einsatz einer selbst organisierten Fachkraft auszugehen (Bescheid vom 26. November 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2013). Die hiergegen beim Sozialgericht Halle erhobene Klage (S ...) wurde abgewiesen und die dagegen gerichtete Berufung vom Landessozialgerichts (LSG) Sachsen-Anhalt zurückgewiesen (Urteil vom 19. Juli 2017 - L ...).

Ab März 2013 wurde der Klägerin vom B. im Namen des Beklagten zunächst Eingliederungshilfe u.a. in Form der Betreuung und Begleitung während des Schulbesuchs durch einen Integrationshelfer und sodann ab dem Schuljahr 2014/2015, d.h. vom 1. September 2014 bis zum 31. Juli 2015, für das Schuljahr 2015/2016, d.h. vom 1. August 2015 bis zum 30. Juni 2016, und für das Schuljahr 2016/2017, d.h. vom 1. August 2016 bis zum 30. Juni 2017, erneut in Form eines Persönlichen Budgets auf der Grundlage jeweils abgeschlossener Zielvereinbarungen bewilligt (Bescheide vom 7. August 2014, 8. Mai 2015 und 8. August 2016). Die Höhe des bewilligten Persönlichen Budgets betrug für das Schuljahr 2016/2017 1.582,37 EUR.

In den Zielvereinbarungen ist - übereinstimmend - u.a. folgendes geregelt:

[ ...]
2.5. Zur Deckung des Bedarfes nimmt der Budgetnehmer selbst organisierte Hilfskräfte (keine Angehörigen) in Anspruch.
Unter Angehörigen sind in erster Linie Ehegatten, Verwandte, Verschwägerte und auch Verlobte zu verstehen (Hinweis auf Kommentierung von Mergler/Zink Rz. 17 zu § 2 SGB XII - Stand November 2012).

2.6. Verwendungsnachweis
Monatliche Vorlage der Lohnzettel bis zum 15. für den Vormonat. Weiterhin einen Nachweis über den von Ihnen abgeführten Arbeitgeberanteile. Bitte weisen Sie beide Zahlungen (Lohn und den AG-Anteil) mittels Kontoauszug nach. Der Bescheid der Unfallkasse ist nach Erhalt einzureichen.

3. Mittelverwendung
3.1. Das Persönliche Budget ist zweckgebunden und darf nur für die Erreichung der vereinbarten Ziele verwendet werden. [ ...]
[ ...]

7. Vorzeitige Beendigung/Kündigung
7.1. [ ...]
7.2. Bei wiederholter nicht ordnungsgemäßer Verwendung des Persönlichen Budgets kann das Sozialamt die Vereinbarung mit sofortiger Wirkung kündigen.

Am 19. Dezember 2016 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Eingliederungshilfe zur Finanzierung eines Integrationshelfers in Form des Persönlichen Budgets für das Schuljahr 2017/2018. An ihrem Gesundheitszustand habe sich nichts verbessert. Zur weiteren Begründung verwies sie auf das Gutachten des Förderer-/GU-Lehrers Sc. vom 30. November 2016.

Im Rahmen einer Hospitation durch den Mobilen Sonderpädagogischen Diagnostischen Dienst am 6. März 2017 ergab sich, dass die Klägerin seit dem 15. Februar 2017 durch den Vater im Schulalltag begleitet wurde, mit der Begründung, die Integrationshelferin befinde sich im Krankenstand. Unter dem 7. März 2017 teilte der B. der Klägerin mit, dass beabsichtigt sei, die Zielvereinbarung vom 8. August 2016 zu kündigen, sofern die Schuldbegleitung durch den Vater ausgeübt und nicht entsprechend der geschlossenen Zielvereinbarung vom 8. August 2016 (Punkt 2.5) gehandelt werde. Die Schule habe eine kurzzeitige Vertretung der Integrationshelferin im Krankheitsfall zugesichert. Die Klägerin teilte hierzu am 22. März 2017 mit, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall leisten zu müssen. Es sei nicht zutreffend, dass das Gymnasium die Vertretung der Integrationshelferin habe sicherstellen können.

Unter dem 24. März 2017 kündigte der B. im Namen des Beklagten die mit der Klägerin am 8. August 2017 geschlossene Zielvereinbarung mit Wirkung zum 1. April 2017. Darin sei unter Punkt 2.5. festgelegt, dass zur Deckung des Bedarfs eine selbstorganisierte Hilfskraft, die kein Angehöriger sei, in Anspruch genommen werde. Die selbst organisierte Integrationshelferin sei seit dem 15. Februar 2017 erkrankt. Darüber sei das Sozialamt trotz des Hinweises auf die Mitwirkungspflichten im Bewilligungsbescheid vom 8. August 2016 nicht informiert worden. Selbst der verspätet eingereichte Nachweis zur Verwendung des Persönlichen Budgets (hier Lohnzettel) lasse die Erkrankung der Arbeitnehmerin nicht erkennen. Im Monat März 2017 sei sogar rechtswidrig die Lohnfortzahlung an die erkrankte Arbeitnehmerin über den 42. Krankheitstag hinaus erfolgt. Damit werde zumindest grob fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich, gegen die o.g. Zielvereinbarung verstoßen, was zur Kündigung der Zielvereinbarung aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung berechtige (Hinweis auf § 4 Abs. 2 S. 1 Budgetverordnung (BudgetVO)).

Mit Bescheid vom 27. März 2017 hob der B. im Namen des Beklagten den Bescheid vom 8. August 2016 über die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe als Persönliches Budget mit Wirkung vom 1. April 2017 auf. Über die Weiterbewilligung der Eingliederungshilfe in Form der Sachleistung werde ein gesonderter Bescheid ergehen. Die zuviel geleistete Sozialhilfe i.H.v. 1.582,37 EUR sei zu erstatten. Rechtsgrundlage sei § 48 Abs. 1 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X). Mit der Kündigung der Zielvereinbarung zum 1. April 2017 sei eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen, die dem Erlass des Bescheides vom 8. August 2016 zugrunde gelegen hätten, eingetreten. Gemäß § 50 Abs. 1 SGB X seien die bereits - im Voraus für April 2017 - erbrachten Leistungen zu erstatten.

Mit weiterem Bescheid vom 28. März 2017 bewilligte der B. im Namen des Beklagten der Klägerin Eingliederungshilfe in Form der Betreuung und Begleitung während des Schulbesuchs durch einen Integrationshelfer im Schuljahr 2016/2017 für den Zeitraum vom 1. April bis zum 23. Juni 2017 als Sachleistung. Die gewährte Eingliederungshilfe werde durch den Sa. e.V. erbracht.

Die Klägerin legte sowohl gegen die Kündigung der am 8. August 2016 geschlossenen Zielvereinbarung als auch gegen die Bescheide vom 27. und 28. März 2017 Widerspruch ein. Aus der Zielvereinbarung gehe eine Mitwirkungspflicht, dem Sozialamt mitzuteilen, wenn die Integrationshelferin erkrankt sei, nicht hervor. Ihre Eltern hätten abzusichern, dass sie der Schulpflicht nachkomme. Wenn die Integrationshelferin krank sei, müsse also eine Vertretung die Integrationshilfe durchführen; nichts anderes habe ihr Vater getan. Die vom Beklagten bewilligte Sachleistung lehne sie ab. Sie wolle selbst entscheiden, wer ihr Integrationshelfer sei.

Der Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin gegen die Kündigung der Zielvereinbarung vom 24. März 2017 mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2017 zurück. Der Widerspruch sei unzulässig, da er sich nicht gegen einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 SGB X richte. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2017 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 27. März 2017 als unbegründet zurück. Der Bewilligungsbescheid vom 8. August 2016 sei zu Recht aufgehoben worden. Denn gegenüber den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheides sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Die Klägerin sei nicht mehr von der von ihr beschäftigten Integrationshelferin begleitet worden, sondern durch den Vater als Angehörigen. In der zugrundeliegenden Zielvereinbarung vom 8. August 2016 sei der Einsatz einer selbstorganisierten Kraft vereinbart und Angehörige seien ausdrücklich ausgeschlossen worden. Daraufhin sei die Zielvereinbarung mit Wirkung zum 1. April 2017 gekündigt worden. Erbrachte Leistungen seien zu erstatten. Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 28. März 2017 über die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe als Sachleistung wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2017 als unbegründet zurück. Zum einen sei der Bescheid des B. vom 28. März 2017 rechtmäßig ergangen. Zum anderen könne ein Rechtsschutzinteresse für den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. März 2017 nicht mehr festgestellt werden. Denn die Wirksamkeit der Leistungsgewährung als Sachleistung habe sich letztlich durch Zeitablauf erledigt. Die Rechtsstellung der Klägerin könne sich infolge der nicht in Anspruch genommenen Sachleistung und des eingetretenen Zeitablaufs (Bewilligung der Sachleistung vom 1. April bis zum 23. Juni 2017) nicht mehr verbessern.

Mit Bescheid vom 15. Juni 2017 bewilligte der B. im Namen des Beklagten der Klägerin Eingliederungshilfe in Form der Betreuung und Begleitung während des Schulbesuchs durch einen Integrationshelfer im Schuljahr 2017/2018 für den Zeitraum vom 10. August 2017 bis zum 27. Juni 2018 als Sachleistung. Die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Betreuung und Begleitung als persönliches Budget werde abgelehnt. Die gewährte Eingliederungshilfe werde durch den Sa. e.V. erbracht. Die anfallenden Kosten i.H.v. 14,19 EUR pro Stunde würden als Kostenübernahme im Einzelfall vom überörtlichen Sozialhilfeträger nach monatlicher Rechnungslegung und vorliegender Anwesenheitsmeldung direkt an den Leistungserbringer erstattet. Die Bewilligung des Persönlichen Budgets sei abzulehnen gewesen, da der Abschluss einer erneuten Zielvereinbarung nicht in Betracht gekommen sei. Denn zuletzt sei die geschlossene Zielvereinbarung vom 8. August 2016 wegen des mehrfachen Verstoßes gegen die Zielvereinbarung mit Wirkung zum 1. April 2017 gekündigt worden.

Hiergegen legte die Klägerin am 12. Juli 2017 Widerspruch ein. Der Bescheid sei rechtswidrig, willkürlich und unbegründet. Alle Behauptungen und Vorwürfe, die als Grund für die Kündigung der Zielvereinbarung vom 8. August 2016 herangezogen worden seien, seien haltlos. Vielmehr sei diese Zielvereinbarung aus rein persönlichen Gründen gekündigt worden. Auch sei der Bescheid vom 15. Juni 2017 erlassen worden, ohne das Recht auf Anhörung zu gewähren. Am 13. Juli 2017 teilte die Klägerin mit, es sei für sie akzeptabel, dass eine von ihr bestimmte Integrationshilfe über einen von ihr bestimmten Träger angestellt und zum Einsatz kommen könne; hierzu stünde sie bereits im Kontakt mit der Lebenshilfe N. e. V. Unter dem 14. Juli 2017 wies der B. die Klägerin darauf hin, dass die Mitteilung über die Leistungserbringung durch die L. N. e.V. sowie die Entbindung von der Schweigepflicht in schriftlicher Form bis spätestens zum 21. Juli 2017 benötigt werde, um pünktlich zum Schulbeginn die notwendige Eingliederungshilfe realisieren zu können. Hierzu gab die Klägerin am 21. Juli 2017 bekannt, die Gespräche mit der L. N. e.V. liefen noch. Die einfachste und unkomplizierteste Lösung wäre die Gewährung des Persönlichen Budgets; dies werde allerdings verweigert.

Bereits am 13. Juli 2017 hatte die Klägerin beim Sozialgericht Halle Klage gegen die Kündigung der Zielvereinbarung vom 8. August 2016 unter dem 24. März 2017 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2017, gegen den Aufhebungsbescheid hinsichtlich der Eingliederungshilfe als Persönliches Budget vom 27. März 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2017 sowie gegen den Bescheid vom 28. März 2017 über die Gewährung der Eingliederungshilfe ausschließlich in Form der Sachleistung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2007 erhoben. Zudem hatte sie die Verurteilung des Beklagten zum Ausgleich des ihr für die Monate April, Mai und Juni 2017 entstandenen Schadens i.H.v. 4.747,11 EUR (3 × 1.582,37 EUR) verfolgt. Schließlich sei der Beklagte zu verurteilen, Schmerzensgeld i.H.v. 10.000,00 EUR aufgrund der rechtswidrigen, durch Willkür getriebenen Handlungen und der daraus resultierenden unermesslichen psychologischen Belastung für sich und ihre Familie zu leisten. Unter dem 24. Juli 2017 stellte die Klägerin klar, dass mit dem Schmerzensgeld ein Schadensersatzanspruch gemeint sei. Dieses Verfahren wurde beim Sozialgericht Halle unter dem Aktenzeichen S ... geführt.

Am 27. Dezember 2017 hat die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 15. Juni 2017 beim Sozialgericht Halle erhoben und zur Begründung - wie auch in dem Verfahren S ... - vorgetragen, die Kündigung der Zielvereinbarung vom 8. August 2016 sei unbegründet und rechtswidrig, da sie letztlich aus persönlichen Gründen erfolgt sei. Seit 2010 seien die Bestrebungen des Beklagten unverkennbar, das Persönliche Budget zu verhindern bzw. dessen Handhabung so zu erschweren, dass die Nutzung dieser Form der Eingliederungshilfe möglichst unmöglich sei. Ihr Vater habe die Integrationshilfe vertretungsweise ab dem 15. Februar 2017 übernommen, weil die Integrationshelferin erkrankt gewesen sei. Auch ihrem Vater sei durch den Schulleiter untersagt worden, die Integrationshilfe weiterhin durchzuführen und ihm sei bereits zweimal ein Hausverbot wegen angeblicher Störungen des Schulbetriebs erteilt worden. Zeitweise sei ihr vom Schulleiter der Schulbesuch verboten worden. Sie habe Anspruch auf ein Persönliches Budget. Aufgrund der Pflichtverletzung ergebe sich ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch i.H.v. 20.000,00 EUR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2018 hat der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. Juni 2017 als unbegründet zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Insbesondere sei keine Zielvereinbarung abgeschlossen worden. Der Abschluss sei von Seiten des Sozialhilfeträgers abgelehnt worden, da erhebliche Zweifel daran bestünden, dass die Vereinbarungen aus der Zielvereinbarung eingehalten würden und durch eine Leistungserbringung in Form des Persönlichen Budgets die Ziele der Eingliederungshilfe erreicht werden könnten. Diese Zweifel ergäben sich daraus, dass in der Vergangenheit bereits wiederholt Verstöße gegen Zielvereinbarungen zu verzeichnen gewesen seien, sodass diese vom Sozialhilfeträger wiederholt hätten gekündigt werden müssen.

Im April 2018 überwies der B. dem Sa. e.V. nach entsprechender Rechnungslegung für die Betreuung der Klägerin beim Schulbesuch im Zeitraum von August 2017 bis März 2018 insgesamt 8.288,66 EUR.

In dem für das Verfahren S ... und das anhängige Verfahren anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. April 2019 hat die Klägerin klargestellt, nur in dem Verfahren S ... seien Schmerzensgeld und Schadensersatz streitig. Das Sozialgericht Halle hat das Verfahren in Bezug auf den geltend gemachten Anspruch auf Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld i.H.v. 10.000,00 EUR aus Amtshaftung abgetrennt und mit rechtskräftigem Beschluss vom 24. Mai 2019 den Rechtsstreit insoweit an das Landgericht Halle verwiesen. Dies beiden Beschlüsse sind nach Ausschöpfung des Rechtswegs durch die Klägerin rechtskräftig geworden.

Im anhängigen Streitverfahren hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht am 24. April 2019 ihr Begehren insoweit weiterverfolgt, als sie beantragt hat, den Bescheid des B. vom 15. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr Leistungen der Eingliederungshilfe als Persönliches Budget zu bewilligen und die Geldleistung an ihre Eltern auszuzahlen.

Mit Urteil vom 24. April 2019 hat das Sozialgericht Halle die Klage in dem Verfahren S ... als unbegründet abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hat der 8. Senat des LSG Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 5. März 2020 zurückgewiesen.

Ebenfalls mit Urteil vom 24. April 2019 hat das Sozialgericht Halle die Klage in dem diesem Berufungsverfahren zugrundeliegenden Rechtsstreit abgewiesen. Die Klage sei bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018 als Untätigkeitsklage zulässig und begründet. Die Frist des § 88 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei ohne hinreichenden Grund überschritten worden. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides sei die Klage zulässig geworden, aber nicht begründet und daher abzuweisen gewesen. Der Bescheid vom 15. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe als Persönliches Budget. Der Beklagte sei sachlich und örtlich für die begehrte Leistung der Eingliederungshilfe zuständig (§ 97 SGB XII und § 3 Abs. 1 Nr. 1 Ausführungsgesetz zum SGB XII Sachsen-Anhalt, § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII). Bei der Eingliederungshilfe handele es sich um eine Rehabilitationsleistung nach § 5 Nr. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) in der bis Dezember 2017 geltenden Fassung. Leistungen der Eingliederungshilfe würden im Rahmen eines Persönlichen Budgets nach § 57 S. 1 SGB XII i.V.m. § 17 SGB IX in der bis Dezember 2017 geltenden Fassung und der Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX (BudgetVO in der bis Dezember 2017 geltenden Fassung) erbracht. Ab Januar 2018 finde sich die Regelung zum Persönlichen Budget in § 57 SGB XII und § 29 SGB IX in der ab diesem Zeitpunkt geltenden Fassung. Gemäß § 29 Abs. 4 S. 1 SGB IX sei zwischen den beteiligten Leistungsträgern und den Leistungsberechtigten zur Umsetzung des Persönlichen Budgets eine Zielvereinbarung abzuschließen. In § 29 Abs. 4 S. 2 SGB IX seien Mindestinhalte der Zielvereinbarung geregelt. Diese Zielvereinbarung werde für die Dauer des Bewilligungszeitraums abgeschlossen. Die Klägerin gehöre zum anspruchsberechtigten Personenkreis für Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Sie leide an einer wesentlichen Behinderung, die ihre Teilhabefähigkeit erheblich einschränke. Die Bewilligung einer Leistung der Eingliederungshilfe als Persönliches Budget setze u.a. den Abschluss einer Zielvereinbarung voraus. Bei einer Zielvereinbarung handele es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne von §§ 53 f. SGB X. Die Zielvereinbarung müsse Regelungen zu den individuellen Förder- und Leistungszielen, zur Erforderlichkeit eines Nachweises für die Deckung des individuellen Bedarfs und zur Qualitätssicherung enthalten. Hieran habe sich ab Januar 2018 nichts geändert. Es sei auch erforderlich, ein Instrument wie eine Zielvereinbarung zwischenzuschalten, bevor es zur Leistungsbewilligung komme, wenn andere Instrumente, wie z.B. Verträge nach §§ 75 ff. SGB XII, nicht zur Verfügung stünden. Der Rehabilitationsträger bleibe für die Leistungsbewilligung zuständig und finanziere diese auch. Die Ausführung der Leistung als Persönliches Budget bedeute, dass der Leistungsberechtigte Einfluss darauf nehmen könne, welcher Leistungserbringer die Leistung erbringe. Die Zielvereinbarung sei dabei das Instrument, um sicherzustellen, dass die Ziele mit der konkreten Leistung auch erreicht werden könnten. Die geplante Maßnahme bleibe auch bei der Ausführung der Leistungen als Persönliches Budget eine Sozialleistung, für deren Erfüllung der Leistungsträger die Verantwortung habe. Eine Zielvereinbarung sei hier nicht abgeschlossen worden, sodass die Klägerin keinen Anspruch auf Bewilligung einer Leistung als Persönliches Budget und auch keinen Antrag auf erneute ermessensfreie Entscheidung über ihren Antrag habe. Selbst wenn der Beklagte über den Antrag auf Bewilligung der Leistung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden hätte, ließe sich die fehlende Zielvereinbarung nicht ersetzen. Bei einer Zielvereinbarung handele sich um ein öffentlich-rechtlichen Vertrag, den nur die Beteiligten abschließen könnten.

Gegen das ihr am 5. Juni 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. Juni 2019 Berufung beim LSG Sachsen-Anhalt eingelegt und ihr Begehren weiterverfolgt. Das Gericht habe die Frage, weshalb es keine Zielvereinbarung gegeben habe, völlig unberücksichtigt gelassen. Hier habe es keine Zielvereinbarung gegeben, weil der Beklagte keine Zielvereinbarung abschließen wollte. Die Festlegung, welcher Träger zum Einsatz komme, sei eine Verletzung des Rechts auf Selbstbestimmung, von Persönlichkeitsrechten und Grundrechten und stelle ganz klar eine Diskriminierung, Bevormundung und Entmündigung dar. Das Recht auf Selbstbestimmung sei hier vollständig ausgehebelt worden. Das Sozialgericht sei offensichtlich der Auffassung, dass der Abschluss einer Zielvereinbarung nicht einklagbar sei. Das Gericht hätte erkennen müssen, dass der Beklagte - wenn auch nachträglich - zumindest eine entsprechende Zielvereinbarung hätte aufsetzen müssen, so wie in den Jahren zuvor und auch aktuell. Deshalb sei der Beklagte nicht nur zu verurteilen, die Summe in Höhe des Persönlichen Budgets für das Schuljahr 2017/2018 nachträglich auszubezahlen, sondern sämtliche Hindernisse zu beseitigen, die einem Abschluss einer Zielvereinbarung entgegenstehen sollten. Schließlich bestünden Verfahrensmängel. Gemäß § 134 SGG solle ein Urteil vor Ablauf eines Monats vom Tag der Verkündung an gerechnet vollständig abgefasst übermittelt werden. Diese Frist sei nicht eingehalten. Darüber hinaus sei das Urteil nicht unterzeichnet. Unter dem Teil der Rechtsmittelbelehrung finde sich die Nennung "Dr. Z.". Die anderen Richter seien nicht genannt worden. Daraus müsse geschlossen werden, dass die anderen Richter, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hätten, an der schriftlichen Ausfertigung des Urteils nicht beteiligt gewesen seien.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. April 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr Leistungen der Eingliederungshilfe als Persönliches Budget zu bewilligen und die Geldleistung an ihre Eltern auszuzahlen sowie ihr aufgrund der Verletzung des Datenschutzes und der massiven Verletzung ihrer Rechte ein angemessenes noch festzulegendes Schmerzensgeld zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 6. Februar 2020 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, über die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. April 2019 durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden. Die Klägerin hat mitgeteilt, einer Beschlussfassung ohne mündliche Verhandlung nicht zuzustimmen. Der Beklagte hat sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Streitakten in den Verfahren L ... und L ..., die sämtlich Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind Bezug genommen.

II.

Der Senat durfte den Rechtsstreit durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, da die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Die Beteiligten sind vorher gehört worden. Ein Einverständnis mit der Entscheidung durch Beschluss ist nicht erforderlich. Das Gericht kann auch dann durch Beschluss entscheiden, wenn die Beteiligten ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verlangen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, § 153 RdNr. 14).

Die Berufung ist unzulässig, soweit die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zu einem angemessenen noch festzulegenden Schmerzensgeld aufgrund der Verletzung des Datenschutzes und ihrer Rechte verfolgt hat. Dieser Streitgegenstand ist bereits beim Sozialgericht in dem Verfahren S ... als Schadensersatzanspruch konkretisiert geltend gemacht und dort mit Beschluss vom 14. April 2019 abgetrennt sowie mit dem rechtskräftig gewordenen Beschluss vom 14. Mai 2019 an das Landgericht Halle verwiesen worden.

Im Übrigen ist die Berufung zulässig, jedoch nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist es rechtzeitig und unter Einhaltung der Formvorschriften abgesetzt und zugestellt worden. Gemäß § 134 Abs. 1 SGG ist die Urschrift des Urteils vom Vorsitzenden zu unterschreiben. Diese Urschrift verbleibt als Original in der Gerichtsakte. Den Beteiligten ist eine beglaubigte Abschrift des Urteils zuzustellen (§ 135 SGG). Hier befindet sich das unterschriebene Urteil mit der vollständigen Unterschrift des Nachnamens der Vorsitzenden in der Gerichtsakte; insoweit wird auf Blatt 127 Rückseite der Gerichtsakte verwiesen. Die ehrenamtlichen Richter haben das Urteil nicht zu unterschreiben (Keller, a.a.O. § 134 RdNr. 2 m.w.N.). Die Frist für die schriftliche Abfassung des Urteils gemäß § 134 Abs. 2 S. 1 SGG ist eine Sollvorschrift, wobei ein Verstoß hiergegen unschädlich ist. Rechtlich bedeutsam wird eine verspätete Urteilsabfassung erst, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach der Verkündung schriftlich niedergelegt unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind (Keller, a.a.O. § 134 RdNr. 4 m.w.N.).

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit sich die Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018 wendet. Der Beklagte war berechtigt, die Bewilligung eines Persönlichen Budgets für das Schuljahr 2017/2018 abzulehnen und der Klägerin Eingliederungshilfe in Form der Betreuung und Begleitung während des Schulbesuches durch einen Integrationshelfer als Sachleistung zu gewähren. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, die er sich nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung. Denn die Klägerin wiederholt nur mit anderen Worten ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren.

Sofern sie die Auffassung vertritt, dass sämtliche abgeschlossenen Zielvereinbarungen von vornherein nichtig gewesen seien, wären auch die darauf beruhenden Bescheide des Beklagten, mit denen der Klägerin seit dem Schuljahr 2010/2011 Leistungen der Eingliederungshilfe als Hilfe zur angemessenen Schulbildung in Form eines Persönlichen Budgets bewilligt wurden, rechtswidrig und die Klägerin zur Rückzahlung der ihr geleisteten Zahlungen verpflichtet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherte Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
Saved