S 1 KA 33/17

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 1 KA 33/17
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 9 KA 2/20
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Voraussetzungen an den Antrag auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes in einem MVZ. Austausch der Ärzte, für die bei den vertragsärztlichen Zulassungsgremien die Genehmigung einer Anstellung beantragt wird, im Zulassungsverfahren.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 8. und 9., jedoch mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 7., trägt die Klägerin. Der Streitwert wird auf 60.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Im Rahmen des vertragsärztlichen Zulassungsrechts streiten die Beteiligten über die Erteilung einer Genehmigung zur Anstellung von Fachärzten für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde im Planungsbereich Wittenberg/Sachsen-Anhalt.

Im Planungsbereich Wittenberg bestanden seit mehreren Jahren keine Zulassungsbeschränkungen für die Arztgruppe der Fachärzte für HNO-Heilkunde. In dieser Arztgruppe waren Zulassungsmöglichkeiten in einem Umfang von zwei vollen Vertragsarztsitzen eröffnet. Eine Ausschreibung hatte es deswegen zuletzt nicht gegeben.

Die Klägerin, ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in der Rechtsform einer GmbH mit Praxissitz bzw. Hauptbetriebsstätte in Bitterfeld-Wolfen, bewarb sich am 5.9.2016 beim Zulassungsausschuss um einen Vertragsarztsitz und die Genehmigung, hierzu ab 1.7.2017 zwei Fachärzte für HNO-Heilkunde zur Beschäftigung an ihrer insoweit neu einzurichtende Nebenbetriebsstätte in Gräfenhainichen anstellen zu dürfen.

Die Klägerin reichte die Antragsunterlagen für die Genehmigung der Anstellung von Frau Dr. med. A und Herr Dr. med. B ein. Dr. A ist 1976 geboren, hatte am X.X.2004 approbiert und ihre Facharztweiterbildung für HNO-Heilkunde am X.X.2008 abgeschlossen. Seit Januar 2010 leitete sie als angestellte Ärztin (30 Stunden/wöchentlich) die Sektion schlafbezogene Atemstörungen am MVZ ( ...). Dr. B ist 1973 geboren, hatte am X.X.2002 approbiert und am X.X.2006 die Facharztweiterbildung für HNO-Heilkunde abgeschlossen. Zudem hatte er am X.X.2009 die Schwerpunktausbildung für die Behandlung von Stimm- und Sprachstörungen und am X.X.2012 für Plastische und Ästhetische Operationen absolviert. Seit März 2016 war er in Vollzeit Chefarzt für Plastisch-Ästhetische Kopf- und Hals-Chirurgie im Fachbereich HNO des Gesundheitszentrums ( ...).

Für Dr. A beantragte die Klägerin die Genehmigung zur Anstellung in einem Umfang von über 20 bis 30 Stunden wöchentlich und legte den vorbehaltlich der beantragten Zulassung mit ihr geschlossenen Arbeitsvertrag vor, wonach die Ärztin - unter Beendigung ihrer bis dahin ausgeübten Tätigkeit - eine wöchentliche Arbeitszeit von 21 Stunden, verteilt auf drei Tage in der Woche, zu leisten habe. Für Dr. B beantragte die Klägerin die Genehmigung der Anstellung in einem Umfang von bis zu 10 Stunden in der Woche, wobei der Arzt beabsichtigte, seine Tätigkeit als Chefarzt, in der er keiner festgelegten Arbeitszeit unterlag, weiter auszuüben. Im entsprechend unter Vorbehalt der Genehmigung geschlossenen Arbeitsvertrag war eine wöchentliche Arbeitszeit von 8 Stunden vereinbart worden.

Neben der Klägerin bewarben sich am 15. August 2016 auch die Beigeladenen zu 8. und 9. jeweils um eine volle Zulassung und beantragten zugleich gemeinsam die Genehmigung der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in neugegründeter örtlicher Berufsausübungsgemeinschaft in der Lutherstadt Wittenberg ab 1.4.2017. Der 1964 geborene Beigeladene zu 8. ist seit X.X.1989 approbiert und schloss die Facharztweiterbildung für HNO-Heilkunde am X.X.1996 ab. Seit X.X.1995 war er zunächst als angestellter Arzt tätig, zuletzt seit 1999 als Leitender Oberarzt in der Klinik für HNO-Heilkunde des Städtischen Klinikums Dessau mit einem Umfang von 40 Stunden wöchentlich. Der 1976 geborene Beigeladene zu 9. ist seit X.X.2004 approbiert und schloss die Facharztweiterbildung für HNO-Heilkunde am X.X.2009 ab. Seit X.X.2009 war er als angestellter Arzt ebenfalls in der Klinik für HNO-Heilkunde des Städtischen Klinikums Dessau mit einem Umfang von 40 Stunden wöchentlich beschäftigt.

Im weiteren Verfahren vor dem Zulassungsausschuss hatte die HNO-Ärztin aus Gräfenhainichen, Dipl.-Med. C, Gelegenheit, sich zu der Angelegenheit zu äußern. Die Ärztin nahm in einem undatierten Schreiben Stellung und führte aus, sie habe Bedenken gegen die Zulassung einer weiteren HNO-Praxis in Gräfenhainichen, weil dies eine ernsthafte Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Existenz bedeuten würde. Ungeachtet dessen hätten die Patienten aus Gräfenhainichen überdies im Umkreis von 20 bis 25 Kilometern mit 14 niedergelassenen Kollegen genügend nahe Ausweichmöglichkeiten. In Dessau-Roßlau böten acht Kollegen, in Bitterfeld-Wolfen vier Ärzte und in der Lutherstadt Wittenberg bislang zwei HNO-Ärzte fachärztliche Betreuung an. Die Patienten aus Gräfenhainichen seien damit gut versorgt und müssten nur kurze Wartezeiten auf Termine hinnehmen. Anders sehe dies für Patienten in der Lutherstadt Wittenberg aus. Dort gebe es Wartezeiten von bis zu einem halben Jahr, so dass von dort Patienten ihre eigene Praxis aufsuchten. Ihrer Meinung nach benötige die Lutherstadt Wittenberg deshalb und aufgrund der höheren Einwohnerzahl eine Stärkung der HNO-fachärztlichen Versorgung, zumal von dort aus weitere HNO-Ärzte erst in entfernt liegenden Städten Brandenburgs, z. B. Jüterborg, Bad Belzig und Luckenwalde, zu erreichen seien.

In seiner Sitzung vom 12.10.2016 beschloss der Zulassungsausschuss, den Beigeladenen zu 8. und 9. jeweils die beantragte volle Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Facharzt für HNO-Heilkunde in der Lutherstadt Wittenberg zu erteilen. Die Anstellungsanträge der Klägerin sowie den Zulassungsantrag eines weiteren Bewerbers, der sich im anschließenden Verfahren vor dem Beklagten nicht mehr beteiligte, lehnte der Zulassungsausschuss ab.

Zur Begründung führte der Zulassungsausschuss aus, keiner der Bewerber habe sich auf der Warteliste befunden, so dass dieser Umstand nicht zu berücksichtigen gewesen sei. Alle Bewerber hätten ihre berufliche Eignung nachgewiesen und seien länger als fünf Jahre approbiert gewesen, so dass sich aus dem lediglich statusrechtlich relevanten Approbationsalter kein Vorteil für einen Bewerber ableiten lasse. Wegen seiner bis dahin zwanzigjährigen Erfahrung als Facharzt habe der Beigeladene zu 8. allerdings einen Vorsprung bei der Auswahl gehabt. Ausschlaggebend für die Zulassung der Beigeladenen zu 8. und 9. seien aber Versorgungsgesichtspunkte gewesen. Der Zulassungsausschuss sei zu der Auffassung gelangt, dass diese beiden Bewerber die umfassendste und kontinuierlichste Gewähr für die Patientenversorgung in Wittenberg böten. Beide hätten jeweils eine Vollzulassung beantragt und füllten damit im Wege einer Berufsausübungsgemeinschaft die im Planungsbereich Wittenberg vakanten Zulassungsmöglichkeiten für zwei Vollzulassungen in der Fachgruppe vollständig aus. In der Verhandlung vor dem Gremium hätten beide Ärzte ein umfassendes und tragbares Konzept ihrer zukünftigen vertragsärztlichen Tätigkeit vorgestellt. Sie beabsichtigten die Durchführung konservativer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ebenso wie operative Eingriffe. Insbesondere die Betreuung von Tumorpatienten solle einen künftigen Praxisschwerpunkt darstellen. Die Bildung einer Berufsausübungsgemeinschaft erleichtere die Kompensation urlaubs-, krankheits- oder fortbildungsbedingter Abwesenheiten der Vertragsärzte. Die geplante Praxis sei barrierefrei und verfüge über ausreichend Parkplätze. Die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes gewährleiste die bestmögliche Versorgung der Patienten. Die Lutherstadt Wittenberg liege zentral im Planungsbereich und sei von außerhalb mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) oder der Bahn gut zu erreichen.

Demgegenüber fülle die Anstellung der beiden von der Klägerin benannten Ärzte zwar bedarfsplanerisch einen ganzen Versorgungsauftrag aus, aber aus den mitgereichten Arbeitsverträgen beider Ärzte errechne sich anhand der dort angegebenen Arbeitszeiten von 21 Wochenstunden für Dr. A und 8 Wochenstunden für Dr. B konkret nur ein Umfang von 29 Wochenstunden, was umgerechnet nur einer ¾ -Arztstelle entspreche. Das von der Klägerin geplante Versorgungsangebot bleibe daher hinter dem Versorgungsangebot der Beigeladenen zu 8. und 9. zurück. Angaben der Klägerin zur Barrierefreiheit der Praxis und zum Parkraum hätten überdies gefehlt.

In gleicher Sitzung genehmigte der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom 12.10.2016 den von den Beigeladenen zu 8. und 9. zugleich gestellten Antrag auf Bildung einer Berufsausübungsgemeinschaft.

Gegen den ihr am 20.1.2017 zugestellten Beschluss des Zulassungsausschusses legte die Klägerin am 16.2.2017 Widerspruch ein.

Auf die daraufhin von den Beigeladenen zu 8. und 9. gestellten Anträge erklärte der Zulassungsausschuss seinen Beschluss vom 12.10.2016 mit Beschlüssen vom 15.3.2017 für sofort vollziehbar. Mit Beschluss vom selben Tag genehmigte der Zulassungsausschuss die Verlegung des Praxissitzes der Beigeladenen zu 8. und 9. innerhalb der Lutherstadt Wittenberg.

Ihren Widerspruch begründete die Klägerin damit, der Beschluss sei rechtswidrig, weil statt des Beigeladenen zu 9. sie mit ihren beantragten Anstellungsgenehmigungen habe zum Zuge kommen müssen. Dr. B habe ein längeres Approbationsalter aufgewiesen; ihm habe der Vorzug gegeben werden müssen, zumal sie vorgetragen habe, die Anstellungen insgesamt vollzeitig einzurichten. Sie könne daher nicht nachvollziehen, aus welchen Gründen der Zulassungsausschuss angenommen habe, es sei eine bessere Versorgung durch die Beigeladenen zu 8. und 9. zu erwarten. Die Entscheidung führe dazu, dass statt zwei nun vier HNO-Ärzte in der Lutherstadt Wittenberg praktizieren würden. Dies bedeute ein deutliches Ungleichgewicht zu Lasten des übrigen Planungsbereichs.

Überdies teilte die Klägerin mit, dass sich wegen des unsicheren Endes des Zulassungsverfahrens Änderungen ergeben hätten. Dr. A und Dr. B stünden für die beantragten Anstellungen nicht mehr zur Verfügung. Sie ändere daher ihren Antrag auf Erteilung von Anstellungsgenehmigungen dahingehend, dass nunmehr die Fachärzte für HNO-Heilkunde Frau Dr. med. D und Herr Dr. med. E jeweils in einem Umfang von 10 bis 20 Stunden wöchentlich, arbeitsvertraglich abgesichert durch eine Arbeitszeitverpflichtung von 20 Stunden in der Woche, angestellt werden sollen. Beide Ärzte könnten so insgesamt die Versorgung in einem Umfang von 40 Stunden wöchentlich abdeckten. Frau Dr. D, geboren 1980, sei seit X.X.2006 approbiert und habe die Facharztweiterbildung für HNO-Heilkunde am X.X.2013 abgeschlossen. Seit Mai 2014 sei sie in niedergelassenen Praxen in Leipzig, Merseburg und Halle/Saale tätig. Sie habe eine neuraltherapeutische Zusatzausbildung erworben. In einer von der Klägerin beigefügten Erklärung vom 3.5.2017 hatte Dr. D sich bereiterklärt, ihre Vollzeittätigkeit im Gesundheitszentrum Bitterfeld-Wolfen als angestellte Ärztin auf 20 Stunden in der Woche zu reduzieren, wenn sie zugleich in der HNO-Praxis der Klägerin in Gräfenhainichen in einem Umfang von 20 Stunden wöchentlich angestellt werde. Dr. E, geboren 1958, sei seit X.X.1984 approbiert und habe die Facharztweiterbildung für HNO-Heilkunde am X.X.1989 abgeschlossen. Seit X.X.2013 sei er in der HNO-Praxis der Klägerin in der Nebenbetriebsstätte des MVZ in Köthen/Anhalt in einem Umfang von 11 Stunden wöchentlich tätig und habe diese mitaufgebaut. Seine Beschäftigung dort werde er zugunsten der beantragten Anstellung in Gräfenhainichen beenden (E-Mail vom 2.5.2017). Die dadurch vakant werdende Stelle werde die andere dort praktizierende Ärztin auffüllen, in dem sie dann Vollzeit arbeiten werde. Dies werde sie dem Zulassungsausschuss noch mitteilen und die ergänzenden Unterlagen für Dr. D und Dr. E einreichen. Die geplante Praxis werde behindertengerecht ausgebaut sein und im Bereich der ambulanten Operationen mit dem OP-Zentrum in Bitterfeld kooperieren, in dem auch Ärzte weiterer Fachrichtungen eingebunden seien. Die Praxis in Gräfenhainichen sei zentral gelegen und für Patienten des südlichen Planungsbereiches gut zu erreichen. In der Stadt gebe es nur eine weitere HNO-Praxis, deren Kapazitäten erschöpft seien. Überdies würde die Einrichtung einer weiteren HNO-Praxis die Vertretungssituation entspannen.

Ein Vergleich zwischen den Konkurrenten Dr. D und Dr. E einerseits und den Beigeladenen zu 8. und 9. andererseits zeige überdies, dass Dr. E die längste fachärztliche Tätigkeit nachweisen könne. Dr. D übe ihren Beruf zwar die kürzeste Zeit aus, weise aber anders als der Beigeladene zu 9. eine Zusatzqualifikation auf und habe bereits im niedergelassenen Bereich gearbeitet. In diesem Rahmen habe ihr die Beigeladene zu 1. bereits die Genehmigungen für Sonographie und für die psychosomatische Grundversorgung erteilt. Überdies könne sie durch Anstellung von Dr. E sowohl eine sektorenübergreifende ambulante Betreuung nach operativen Eingriffen, als auch eine allgemeine Versorgung von HNO-Beschwerden der Patienten gewährleisten.

Der Beklagte habe die Änderung der benannten Ärzte bei seiner Entscheidung auch zu berücksichtigen, weil er über den Widerspruch nach umfassender Würdigung der Sach- und Rechtslage selbständig zu entscheiden habe. Betrachte er ihren - der Klägerin - Antrag auf Anstellungsgenehmigung mit dem Wegfall der zuerst benannten Ärzte als erledigt, würden ihre Rechte unangemessen beschränkt.

Die Beigeladenen zu 8. und 9. äußerten sich zu dem Widerspruch und stellten ihre langjährige Erfahrung, die Lage der Berufsausübungsgemeinschaft in den Räumen einer Klinik mit den erwarteten Synergieeffekten sowie die für Patienten gut erreichbare, zentrale Lage im Planungsbereich in den Vordergrund. Demgegenüber beabsichtige die Klägerin, am Rande des Planungsbereichs in einer Kleinstadt mit 8.000 Einwohnern, in der bereits ein HNO-Arzt praktiziere, eine 75%-Stelle zu besetzen. Sie meinen, ihr Konzept trage der vertragsärztlichen Versorgung eher Rechnung. Der Austausch der Ärzte, für die die Klägerin die Anstellungsgenehmigung beantragt habe, sei überdies unzulässig, denn für beide nachbenannten Ärzte lägen keine fristgerechten Bewerbungen vor. Daher dürften sie bei der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigt werden. Der Ausnahmefall nach § 103 Abs. 4 Satz 10 SGB V, wonach die Benennung von Ärzten bei Vorliegen eines besonderen Versorgungskonzepts eines MVZ zurückgestellt werden könne, liege mangels ausdrücklicher Bezugnahme in dem Antrag der Klägerin nicht vor. Aber auch wenn die Zulässigkeit der Nachbenennung der beiden Ärzte unterstellt würde, seien beide im Auswahlverfahren nicht zu berücksichtigen, weil die Antragsunterlagen der Klägerin insoweit unvollständig seien. Weder für Dr. E noch für Frau Dr. D lägen Anstellungsverträge vor. Allein die geäußerte Absicht, diese vorzulegen, genüge nicht. Ohnehin sei zweifelhaft, ob Dr. E neben seiner Vollzeitanstellung als Chefarzt im Gesundheitszentrum ( ...) zulässigerweise noch eine weitere Anstellung über 20 Stunden am geplanten Standort in Gräfenhainichen ausfüllen dürfe. Dass er seine Vollzeitstelle entsprechend reduzieren wolle, sei nicht schriftlich belegt. Der Blick auf das Praxisgeschehen in Köthen zeige, dass dort lediglich 24 Stunden Sprechzeiten in der Woche angeboten würden, was nicht einmal einer Vollzeitstelle entspreche. Sie selbst dagegen böten durch zwei vollzeitig tätige Ärzte eine zeitlich bessere Versorgung an. Die Zusatzqualifikation von Dr. D sei unbeachtlich, weil es sich bei der Zusatzbezeichnung "DGfAN Master Neuraltherapie" nicht um eine zulässige Schwerpunkt- bzw. Zusatzbezeichnung nach der Weiterbildungsordnung (WBO) handele. Im Kreis der Bewerber verfügten hingegen nur sie - die Beigeladenen zu 8. und 9. - jeweils über zulässige Zusatzqualifikationen als Palliativmediziner. Die weitere, beantragte Zusatzqualifikation des Beigeladenen zu 9. im Bereich plastischer und ästhetischer Chirurgie werde von dem für die Ausstellung der Nachweise zuständigen Chefarzt verzögert. Vermutlich gebe es einen Zusammenhang mit dem Zulassungsverfahren. Neben der Zusatzbezeichnung "Palliativmedizin" nach der WBO seien sie beide noch Inhaber zahlreicher weiterer fachbezogener Zusatzqualifikationen.

Aus dem Vorbringen der Klägerin sei demgegenüber kein besonderes Versorgungsangebot zu erkennen. Vielmehr wolle die Klägerin ihren Einflussbereich erweitern und Patienten für die stationäre Behandlung im Gesundheitszentrum ( ...) gewinnen. Die Umsetzung von Dr. E, der bereits in der Nebenbetriebsstätte der Klägerin in Köthen tätig sei, belege, dass keine Ergänzung bzw. Erweiterung oder Verbesserung des Angebotes geplant sei. Ohnehin böten auch sie - die Beigeladenen zu 8. und 9. - neben den konservativen Leistungen ihres Fachgebietes ebenfalls ambulante Operationen an und hätten insoweit mit dem ( ...), das nur 1.000 m von ihrem Praxisort entfernt liege, einen entsprechenden Vertrag geschlossen. Zudem seien sie belegärztlich in der ( ...)Klinik Zerbst tätig. Der Hinweis der Klägerin, sie wolle eine Versorgungslücke in Gräfenhainichen schließen, sei unzutreffend. Dies ergebe sich bereits aus der Stellungnahme von Dipl.-Med. C. Vielmehr gebe es einen ungedeckten Bedarf in der Lutherstadt Wittenberg, was sich schon daran zeige, dass sie seit ihrer Neugründung in nur 16 Tagen bereits 610 Behandlungsfälle gehabt hätten. Sie betreuten zudem vertraglich bereits mehrere Pflegeheime. Demgegenüber würde die Schaffung einer Nebenbetriebsstätte der Klägerin mit einer vollen Arztstelle in Gräfenhainichen keine wesentliche Verbesserung der Versorgung bringen. Dies aber sei Voraussetzung für die Einrichtung einer Zweigpraxis. Vielmehr könne man dort fast von einer Überversorgung ausgehen.

Der Beklagte ermittelte im weiteren Verfahren die Behandlungsfallzahlen von Dipl.-Med. C, HNO-Ärztin in Gräfenhainichen (GHC), und den beiden weiteren HNO-Ärzten in der Lutherstadt Wittenberg (WB), Dipl.-Med. F und Dipl.-Med. G, in den Quartalen 3/2015 bis 4/2016 sowie die Einwohnerzahlen im Planungsbereich für HNO-Fachärzte, dem Landkreis Wittenberg mit den Gemeinden: Stadt Annaburg (6.932 Einwohner), Bad Schmiedeberg (8.475 Einwohner), Stadt Coswig/Anhalt (12.184 Einwohner), Stadt Gräfenhainichen (11.944 Einwohner), Stadt Jessen/Elster (14.215 Einwohner), Stadt Kemberg (9.954 Einwohner), Lutherstadt Wittenberg (46.475 Einwohner), Stadt Oranienbaum-Wörlitz (8.980 Einwohner) und Stadt Zahna-Elster (9.288 Einwohner). Folgende Behandlungsfallzahlen ergaben sich aus den Abrechnungsdaten:

BHF HNO-Arzt

Quartal 3/2015 4/2015 1/2016 2/2016 3/2016 4/2016

GHC C 1293 1298 1311 1148 1333 1316
WB G 1369 1304 1217 1526 1204 1232
WB F 1203 2099 2048 2104 2007 1909

Nach mündlicher Verhandlung wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Beschluss vom 3.5.2017 zurück und ordnete die sofortige Vollziehung der Entscheidung an. Am 28.7.2017 wurden der Klägerin die schriftliche Ausfertigung des Beschlusses zugestellt. Der Beklagte führte hierin aus, der Widerspruch sei unzulässig. Der Antrag der Klägerin auf Genehmigung der Anstellung von Dr. A und Dr. B habe sich erledigt, nachdem die Klägerin erklärt habe, beide Ärzte stünden für die Besetzung nicht mehr zur Verfügung. Zwar sei er - der Berufungsausschuss - umfassend für die Entscheidung über die Zulassung zuständig, jedoch schließe dies den Austausch der Ärzte im Auswahlverfahren aus, weil der Zulassungsausschuss zuvor keine Gelegenheit gehabt habe, die neu benannten Ärzte bei seiner Auswahlentscheidung zu berücksichtigen. Nach Rücknahme des Antrags bezüglich der zunächst benannten Ärzte sei die Benennung neuer Ärzte als neuer Antrag zu werten, über den zuerst der Zulassungsausschuss zu befinden habe. Der ursprünglich gestellte Antrag sei nicht abstrakt ohne Bezug auf die Ärzte zu betrachten. In tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht entscheide der Berufungsausschuss allein über die Zulassungssache, die Gegenstand der Entscheidung des Zulassungsausschusses gewesen sei. An diesem Auswahlverfahren hätten die neu benannten Ärzte nicht teilgenommen. Überdies sei der Widerspruch auch unbegründet. Unterstellt, der Antrag der Klägerin auf Genehmigung der Anstellung von Dr. E und Dr. D sei bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen gewesen, sei der Antrag zwar wegen der langen Vakanz der Arztsitze nicht an eine Ausschreibungsfrist gebunden gewesen, jedoch wäre gleichwohl die Auswahl der Beigeladenen zu 8. und 9. nicht zu beanstanden und die Ablehnung des Antrags der Klägerin rechtmäßig gewesen. Von den Kriterien bei der Auswahl eines Praxisnachfolgers nach § 103 Abs. 4 Satz 5 und Abs. 5 Satz 3 SGB V seien folgende Gesichtspunkte entsprechend heranzuziehen: die berufliche Eignung, das Approbationsalter, die Dauer der ärztlichen Tätigkeit, eine mindestens fünf Jahre dauernde vertragsärztliche Tätigkeit in einem Gebiet, in dem der Landesausschuss das Bestehen von Unterversorgung festgestellt hat sowie die Berücksichtigung des Bewerbers von Belangen von Menschen mit Behinderung beim Zugang zur Versorgung.

Weder die berufliche Eignung noch das Approbationsalter, das bei allen Ärzten höher als fünf Jahre sei, verschaffe den Bewerbern einen wesentlichen Vorteil. Hinsichtlich der Dauer der fachärztlichen Tätigkeit habe die Klägerin einen gewissen Nachteil, da Dr. D die geringste fachärztliche Erfahrung aufgewiesen habe. Einen gewissen Vorteil habe der Beigeladene zu 8., weil er die Zusatzbezeichnung "Palliativmedizin" nachgewiesen habe. Die Herstellung der Barrierefreiheit beider konkurrierenden Praxen werde von den Beteiligten versichert und könne somit als gegeben unterstellt werden. Die übrigen in der Vorschrift genannten Kriterien seien unbeachtlich, da die Voraussetzungen, z. B. eine Ausschreibung oder eine Praxisnachfolge, nicht vorgelegen hätten und keiner der Bewerber in der Warteliste eingetragen gewesen sei.

Für die Auswahl, neben dem Beigeladenen zu 8. den Beigeladenen zu 9. den Ärzten der Klägerin vorzuziehen, seien daher Versorgungsgesichtspunkte ausschlaggebend gewesen. Im maßgeblichen Planungsbereich Wittenberg seien bislang drei Fachärzte für HNO-Heilkunde vertragsärztlich tätig. Eine Ärztin habe ihre Praxis in Gräfenhainichen, wo die Klägerin ihre Nebenbetriebsstätte errichten wolle, zwei Ärzte seien in Praxen in der Lutherstadt Wittenberg tätig. Die Verteilung der Bevölkerung im Planungsbereich und die dortige Verkehrsstruktur, insbesondere die Querung der Elbe, machten es zur Herstellung eines Gleichgewichtes in der Patientenversorgung erforderlich, beide Neuzulassungen in der Lutherstadt Wittenberg anzusiedeln. Für die Einwohner der nördlich und östlich der Lutherstadt Wittenberg gelegenen Städte Coswig, Zahna-Elster und Jessen (Elster) sei eine Praxis innerhalb des Planungsbereiches in Gräfenhainichen nur über die Lutherstadt Wittenberg zu erreichen, denn nur dort könne die Elbe als nächste Möglichkeit überquert werden. Gleiches gelte für die südlich im Planungsbereich gelegene Stadt Annaburg. Die genannten Städte wiesen insgesamt eine Einwohnerzahl von 89.094 auf. Die Stadt Kemberg mit 9.954 Einwohnern liege zwischen der Lutherstadt Wittenberg und Gräfenhainichen, so dass Patienten die gleichen Anfahrtswege hätten. Das Verhältnis der Patientenzahlen (Einwohner) zu den Arztzahlen - bei Berücksichtigung der Einwohner von Kemberg zu einer Hälfte für Gräfenhainichen und zur anderen Hälfte für Lutherstadt Wittenberg - zeige, dass ein Arzt in Gräfenhainichen rechnerisch 23.576, in der Lutherstadt Wittenberg indes 94.071 Patienten versorge. Ausweislich der 18. Versorgungsstandmitteilung für die vertragsärztliche Versorgung im Land Sachsen-Anhalt betrage die angepasste Verhältniszahl in der Fachgruppe der HNO-Ärzte im Planungsbereich Wittenberg 31.132 Patienten. Diese Anzahl belege, dass die HNO-ärztliche Versorgung in Gräfenhainichen als ausreichend zu betrachten sei. Bestätigt werde dies durch die bereits tätige HNO-Ärztin, die über kurze Wartezeiten berichtet habe, andererseits aber geschildert habe, dass Patienten aus der Lutherstadt Wittenberg sie wegen der dort vorherrschenden langen Wartezeiten in Anspruch nähmen oder nach Dessau-Roßlau auswichen. Im Ergebnis habe der deutlich höhere Bedarf in der Lutherstadt Wittenberg sowie deren vorteilhaftere zentrale Lage im Planungsbereich den Ausschlag für die Zulassung der Beigeladenen zu 8. und 9. gegeben. Demgegenüber habe das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgestellte Konzept den Beklagten nicht überzeugt. Anders als die Beigeladenen zu 8. und 9. wolle die Klägerin ambulante Operationen im Gesundheitszentrum Bitterfeld-Wolfen, also außerhalb des maßgeblichen Planungsbereiches im gleichnamigen benachbarten Planungsbereich durchführen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entscheidung habe im Patienteninteresse gelegen, da dadurch das Versorgungsdefizit zeitnah habe geschlossen werden können.

Mit der am 25.8.2017 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Entscheidung des Beklagten. Ihrer Ansicht nach sei der Widerspruch zulässig gewesen. Die Kompetenz des Beklagten beschränke sich nicht auf die Überprüfung der Entscheidung des Zulassungsausschusses, sondern er könne auf der Grundlage des aktuellen Sachverhaltes zum Zeitpunkt seiner Entscheidung über die Zulassung selbst beschließen. Streitbefangen sei der Antrag auf Zulassung in Form der Erteilung der Anstellungsgenehmigung, der sich inhaltlich nicht infolge des Wechsels der Ärzte ändere. Selbst wenn die Benennung der neuen Ärzte als neuer Antrag aufgefasst würde, sei er zu berücksichtigen gewesen, weil die Beantragung der Zulassung nicht fristgebunden gewesen sei. Wegen der funktionellen Zuständigkeit des Berufungsausschusses nach Erhebung des Widerspruchs sei der Zulassungsausschusses nicht mehr für die Nachbewerbung zuständig gewesen. Überdies sei der Beschluss des Beklagten verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil er es versäumt habe, den vierten Bewerber am Auswahlverfahren zu beteiligen. Die Klage sei auch begründet, denn sie habe gemäß § 26 Abs. 4 Nr. 3 Bedarfsplanungsrichtlinie einen Anspruch auf Erteilung der Anstellungsgenehmigungen für Dr. E und Dr. D. Eine entsprechende Anwendung der vom Beklagten genannten Vorschriften komme nicht in Betracht, weil weder deren Voraussetzungen, noch eine planwidrige Regelungslücke als Anknüpfungspunkt für eine entsprechende Heranziehung vorgelegen habe. Bei der Angelegenheit handele es sich weder um eine Nachbesetzung noch um eine Konzeptbewerbung der Klägerin. Gemessen an den Kriterien der Bedarfsplanungsrichtlinie sei die Zulassung des Beigeladenen zu 9. fehlerhaft gewesen. Dieser habe nicht den zuletzt benannten Ärzten vorgezogen werden dürfen. Dr. D sei vielmehr im Vergleich zum Beigeladenen zu 8. beruflich gleich geeignet gewesen, denn ihre Zusatzqualifikation als Master Neuraltherapie habe die gleiche Bedeutung wie seine Zusatzqualifikation Palliativmedizin. Der Beklagte habe daher zu dem Ergebnis kommen müssen, eine Vollzulassung dem Beigeladenen zu 8. in der Lutherstadt Wittenberg und die zweite ihr - der Klägerin - in Form der begehrten Anstellungsgenehmigungen für den Standort Gräfenhainichen zu erteilen. Sie könne die Vollzulassung auch ausfüllen, weil sowohl Dr. E, als auch Dr. D jeweils im Umfang einer halben Zulassung tätig sein würden. Weder der Gesichtspunkt der Bildung einer Berufsausübungsgemeinschaft zwischen den Beigeladenen zu 8. und 9., noch der Umstand, ob die Tätigkeit freiberuflich oder als angestellter Arzt ausgeübt werde, habe für die Auswahl eine Rolle spielen dürfen. Die Entscheidung sei aus Versorgungsgesichtspunkten deshalb fehlerhaft, weil sie einseitig auf die Versorgungslage im nördlichen Planungsbereich abstelle und den südlichen Teil benachteilige. Sie - die Klägerin - beabsichtige eine Kooperation ihres Standortes in Gräfenhainichen mit ihrem Standort in Bitterfeld-Wolfen, wodurch die Versorgungslage im Süden des Planungsbereiches gestärkt werde. Die angefochtenen Zulassungen in der Lutherstadt Wittenberg führten zu einem Ungleichgewicht zu Lasten des Südens. Aus tatsächlichen Gründen könnten die Beigeladenen zu 8. und 9. auch nicht vollständig dem Versorgungsauftrag nachkommen, denn dem Internetauftritt der HELIOS-Klinik Zerbst/Anhalt sei zu entnehmen, dass beide im Umfang von 10 Stunden wöchentlich dort tätig seien. Diese Klinik sei 43 Kilometer von deren Praxis entfernt. Zusammen mit der Fahrzeit bestreite sie, dass die beiden Ärzte mehr als 30 Stunden in der Woche für die Praxis zur Verfügung stünden. Überdies könne eine operative Tätigkeit in Zerbst die Versorgung des maßgeblichen Planungsbereichs nicht stärken, weil die Stadt nicht im Planungsbereich Wittenberg liege. Fehlerhaft habe der Beklagte auch die Stadt Coswig in seine Erwägungen einbezogen, denn diese gehöre zum Planungsbereich Dessau-Roßlau. Gleiches gelte für die Städte Annaburg, Jessen und Oranienbaum-Wörlitz. Demnach habe der Beklagte andere Städte aus benachbarten Planungsbereichen zu Lasten der Klägerin außer Acht gelassen. Anders als der Beklagte annehme, könne Gräfenhainichen sowohl von Bad Schmiedeberg als auch von Kemberg mit dem PKW in etwa einer halben Stunde erreicht werden, so dass kein Grund bestehe, anzunehmen, die Patienten würden eine Praxis in der Lutherstadt Wittenberg bevorzugen. Der Beklagte habe daher den Versorgungsbedarf dort überbewertet und maßgebliche Gesichtspunkte zu ihren - der Klägerin - Lasten nicht berücksichtigt.

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss des Beklagten vom 03.05.2017 aufzuheben, soweit er die Zulassung des Herrn Dr. H umfasst und den Beklagten zu verurteilen, ihm die Genehmigung zur Anstellung von Herrn Dr. E sowie Frau Dr. D, beide jeweils in einem Umfang von 10 bis 20 Stunden wöchentlich, zu erteilen, hilfsweise über die Zulassung bzw. Genehmigung der Anstellung von Herrn Dr. E sowie Frau Dr. D erneut unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Den ursprünglich angekündigten Antrag auf Anfechtung der Zulassung des Beigeladenen zu 8. hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2019 zurückgenommen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich schriftlich nicht weiter geäußert.

Die mit Beschluss vom 5.11.2018 zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung stellt keinen Antrag, hat sich aber im Verfahren geäußert. Sie trägt vor, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Anstellungsgenehmigungen. Die von der Klägerin benannten Ärzte verfügten über keine gegenüber den Beigeladenen zu 8. und 9. hinausgehende Qualifikationen, welche aus versorgungsrelevanten Gesichtspunkten zu berücksichtigen wären. Überdies könne die neuraltherapeutische Qualifikation von Dr. D nicht mit der Zusatzbezeichnung "Palliativmedizin" verglichen werden. Die Neuraltherapie sei ein alternatives Heilverfahren, das weder in dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen, noch vom Gemeinsamen Bundesausschuss empfohlen worden sei. Daher fehle ihm die vertragsärztliche Relevanz. Fehl gehe die Klägerin auch darin, die Städte Coswig, Annaburg, Jessen und Oranienbaum-Wörlitz nicht im maßgeblichen Planungsbereich zu verorten, denn dieser werde hinsichtlich der HNO-fachärztlichen Versorgung durch den Landkreis Wittenberg beschrieben, zu dem die genannten Städte gehörten. Zurecht habe der Beklagte daher die geplanten Niederlassungsorte anhand dieser Städte gemessen und vor allem die Besonderheit berücksichtigt, dass die Elbe, die den Planungsbereich durchschneide, nur in der Lutherstadt Wittenberg und in Vockerode gequert werden könne. Dieser Umstand beeinflusse die Anfahrtswege der Patienten erheblich. Letztlich würden auch die ermittelten Behandlungsfälle der bisherigen drei HNO-Ärzte im Planungsbereich die Entscheidung des Beklagten tragen. In der Lutherstadt Wittenberg seien deutlich höhere Fallzahlen angefallen, als in Gräfenhainichen, wo gemessen an den Durchschnittsfallzahlen der HNO-Ärzte in Sachsen-Anhalt von 1.447 Fällen lediglich unterdurchschnittliche Behandlungsfallzahlen zu verzeichnen gewesen seien. Von einem Versorgungsengpass in Gräfenhainichen könne daher anders als in der Lutherstadt Wittenberg keine Rede sein. Letztlich belege dies auch die Stellungnahme der HNO-Ärztin aus Gräfenhainichen.

Die mit Beschluss vom 5.11.2018 zu 2. bis 7. notwendig beigeladenen Krankenkassenverbände und die mit Beschluss vom 14.11.2019 zu 8. und 9. notwendig beigeladenen Ärzte stellen keine Anträge.

In der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2019 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin vorgetragen, ihres Wissens nach seien die Unterlagen für Frau Dr. D und Herrn Dr. E bei dem Beklagten eingegangen. Die Vorsitzende des Beklagten hat darauf erwidert, anhand der bei ihr geführten Akten sei zwar erkennbar, dass im Vorfeld der Sitzung der Arbeitsvertrag von Dr. E angefordert worden sei, im Übrigen aber keine Unterlagen eingegangen seien.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wendet sich mit der zunächst unbeschränkt gegen den Beschluss des Beklagten vom 3.5.2017 erhobenen Klage nunmehr nur noch gegen die darin bestätigte Zulassung des Beigeladenen zu 9., nachdem sie in der mündlichen Verhandlung die Klage zurückgenommen hat, soweit der angegriffene Beschluss die Zulassung des Beigeladenen zu 8. regelt.

Die insoweit zulässige Klage (wegen der isolierten Anfechtung einer teilbaren Zulassungsentscheidung vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 15.7.2015 – B 6 KA 32/14 R, Rn 20 ff., zitiert nach juris) ist unbegründet.

Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht nicht mehr am Auswahlverfahren über die Zulassung zu einem der beiden Vertragsarztsitze in der Fachgruppe der HNO-Ärzte im Planungsbereich Wittenberg berücksichtigt.

Da der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in dem maßgeblichen Planungsbereich Wittenberg seit mehreren Monaten keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet hatte (vgl. Beschlüsse vom 14.6.2016, Abschnitt C. Nr. 5), beruht die Auswahlentscheidung über die Bewerber um einen Vertragsarztsitz, soweit ein Arzt oder ein MVZ hierfür die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung beantragt, auf § 95 Abs. 2 Sätze 1 bis 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V, i. d. F. vom 16.7.2015) und, soweit ein zugelassenes MVZ hierfür die Erteilung einer Genehmigung zur Anstellung von Ärzten beantragt, mit denen der Versorgungsauftrag ausgefüllt werden soll, auf § 95 Abs. 2 Sätze 7 und 8 SGB V. Daneben sind die Vorschriften der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) sowie § 26 Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses heranzuziehen.

Danach kann sich jeder Arzt um die Zulassung als Vertragsarzt bewerben, der seine Eintragung in ein Arztregister nachweist. Die Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen MVZ bedarf der Eintragung in einem Arztregister sowie der Genehmigung des Zulassungsausschusses. Der Antrag auf Zulassung ist gemäß § 18 Ärzte-ZV schriftlich zu stellen. In ihm ist anzugeben, für welchen Vertragsarztsitz und unter welcher Arztbezeichnung die Zulassung beantragt wird. Dem Antrag sind beizufügen:

a) ein Auszug aus dem Arztregister, aus dem der Tag der Approbation, der Tag der Eintragung in das Arztregister und gegebenenfalls der Tag der Anerkennung des Rechts zum Führen einer bestimmten Facharzt-, Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnung hervorgehen müssen,

b) Bescheinigungen über die seit der Approbation ausgeübten ärztlichen Tätigkeiten,

c) gegebenenfalls eine schriftliche Erklärung über die beabsichtigte Beschränkung des Umfangs des Versorgungsauftrages,

d) ein Lebenslauf,

e) ein polizeiliches Führungszeugnis,

f) Bescheinigungen der Kassenärztlichen Vereinigungen, in deren Bereich der Arzt bisher niedergelassen oder zur Kassenpraxis zugelassen war, aus denen sich Ort und Dauer der bisherigen Niederlassung oder Zulassung und der Grund einer etwaigen Beendigung ergeben,

g) eine Erklärung über im Zeitpunkt der Antragstellung bestehende Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisse unter Angabe des frühestmöglichen Endes des Beschäftigungsverhältnisses sowie

h) eine Erklärung des Arztes, ob er drogen- oder alkoholabhängig ist oder innerhalb der letzten fünf Jahre gewesen ist, ob er sich innerhalb der letzten fünf Jahre einer Entziehungskur wegen Drogen- oder Alkoholabhängigkeit unterzogen hat und dass gesetzliche Hinderungsgründe der Ausübung des ärztlichen Berufs nicht entgegenstehen.

Diese Voraussetzungen gelten entsprechend für den Antrag auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes (§ 1 Abs. 3 Nr. 2, 32b Abs. 2 Ärzte-ZV).

Der Beklagte hatte bei seiner Entscheidung sowohl den Antrag der Klägerin als auch die Anträge der Beigeladenen zu 8. und 9. zu prüfen. Dass er den Antrag des weiteren Mitbewerbers unberücksichtigt gelassen hat, ist unbeachtlich.

Die Beigeladenen zu 8. und 9. waren im Auswahlverfahren zu beteiligen, da sie jeweils mit Bezug auf die freien Vertragsarztsitze vollständige Anträge auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung gestellt hatten. Die Kammer sieht von näheren Ausführungen hierzu ab, weil dies seitens der Klägerin zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt worden ist.

Die Klägerin war zu beteiligen, weil sie beantragt hatte, als zugelassenes MVZ einen der Vertragsarztsitze dadurch auszufüllen, indem ihr die Anstellung von Dr. B und Dr. A genehmigt wird. Ihrem schriftlichen Vorbringen nach, bestätigt durch ihre Ausführungen in der mündlichen Verhandlung, beabsichtigte sie überdies im Anschluss an die Erteilung der Genehmigungen, die Genehmigung der Einrichtung einer Nebenbetriebsstätte des MVZ in Gräfenhainichen zu beantragen. Dieser Antrag, der gemäß § 24 Abs. 3 Satz 5 Ärzte-ZV an die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung zu richten und an den dort beschriebenen Voraussetzungen sowie an §§ 1 Abs. 7, 1a Nr. 22 und 15a Abs. 1, 2 Satz 1 und 3 Bundesmantelvertrag - Ärzte (i. d. F. seit 1.10.2013) zu messen gewesen wäre, ist nach Angaben des Vertreters der Beigeladenen zu 1. nicht gestellt worden.

Der weitere Bewerber war im Auswahlverfahren vor dem Beklagten nicht mehr zu beteiligen, weil er die ablehnende Entscheidung über seinen Antrag, die abtrennbarer Bestandteil des Beschlusses des Zulassungsausschusses war, nicht angefochten hatte, so dass die Ablehnung bestandskräftig geworden ist. Das Vorbringen der Klägerin, das Verfahren leide an einem formellen Mangel, weil der weitere Bewerber nicht beteiligt worden sei, ist daher unbeachtlich, zumal sie durch das behauptete Defizit nicht einmal beschwert wird.

Nach Ansicht der Kammer ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Antrag der Klägerin nach Prüfung im Auswahlverfahren unberücksichtigt gelassen hat.

Die Klägerin geht fehl in der Annahme, dass die Auswechslung beider im ursprünglichen Antrag genannten Ärzte (Dr. A, Dr. B) gegen die später benannten Ärzte (Dr. E, Dr. D ) keine rechtliche Relevanz für das Verfahren hatte. Immanenter Bestandteil der Auswahl zwischen konkurrierenden Zulassungsbewerbern in der vertragsärztlichen Versorgung ist die Beurteilung der benannten Ärzte anhand zahlreicher persönlicher Angaben. Der Antrag auf Genehmigung der Anstellung bestimmter Ärzte kann daher nicht isoliert oder abstrakt betrachtet werden (vgl. zur "Konzeptbewerbung" BSG, Urteil vom 15.5.2019 - B 6 KA 5/18 R, zitiert nach juris). Die vom Zulassungsausschuss zu treffende Auswahl hatte zwischen den Beigeladenen zu 8. und 9. sowie Dr. A und Dr. B und dem weiteren Mitbewerber zu geschehen. Indem die Klägerin die von ihr benannten Ärzte im Anschluss an das Auswahlverfahren zurückzog, hatte sich die sie beschwerende Entscheidung des Zulassungsausschusses im Sinne von § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erledigt. Danach bleibt ein Verwaltungsakt solange wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Hier hatte sich die Ablehnung der Genehmigung der Anstellung von Dr. A und Dr. B auf sonstige Weise erledigt, weil die Klägerin nicht mehr an der Anstellung der beiden Ärzte festgehalten hat und somit die Grundlage für die Auswahlentscheidung hinsichtlich der beiden Ärzte entfallen ist (zur Erledigung eines Konkurrentenstreits vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.10.2013 - 6 B 1033/13, Rn 5, zitiert nach juris).

Die Klägerin war im Anschluss an die Entscheidung des Zulassungsausschusses im weiteren Verlauf des Auswahlverfahrens nicht berechtigt, die zur Anstellung vorgesehenen Ärzte auszutauschen. Nach Ansicht der Kammer ist dies nicht zulässig. Ein solches Geschehen würde die Mitbewerber unverhältnismäßig benachteiligen. Die Rechtsposition des ausgewählten Bewerbers ist zwar wegen der möglichen Rechtsbehelfe nicht sicher, jedoch wäre das Verfahren vor dem Zulassungsausschuss völlig bedeutungslos, dürften die Konkurrenten im Verfahrensablauf - etwa orientiert an der erstinstanzlichen Auswahlentscheidung - angepasst werden (zur Unzulässigkeit eines Austausches von Bewerbern im Konkurrentenstreit vgl. OVG NRW, a. a. O. Rn 6).

Aus dem von der Klägerin eingewandten Umstand, der Beklagte habe nicht nur die Entscheidung des Zulassungsausschusses zu überprüfen, sondern eine eigenständige Auswahlentscheidung zu treffen, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Richtig ist, dass der Berufungsausschuss nach Einlegen des Widerspruchs die für das nachfolgende gerichtliche Verfahren maßgebende Verwaltungsentscheidung trifft, die ein umfassendes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz, welches kein Widerspruchsverfahren im Sinne des SGG darstellt, abschließt (vgl. BSG, Urteil vom 27.1.1993 - RKa 40/91, Rn 14, zitiert nach juris). Das bedeutet, dass sich der Berufungsausschuss nicht auf die rein rechtliche Überprüfung der Entscheidung des Zulassungsausschusses zu beschränken hat, sondern er über die Zulassungssache in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung vollinhaltlich und umfassend entscheidet (BSG, Urteil vom 27.1.1993, a. a. O., Rn 17, 20). Dies bedeutet aber nicht, dass beim Berufungsausschuss ein Zulassungsverfahren eingeleitet werden kann, denn die funktionelle Zuständigkeit für die Verfahrenseinleitung liegt ausschließlich beim Zulassungsausschuss. Unter Übergehung des Zulassungsausschusses sogleich und unmittelbar eine Entscheidung des Berufungsausschusses nachzusuchen, ist unzulässig (BSG, Urteil vom 27.1.1993, a. a. O., Rn 18). Diese Besonderheiten hinsichtlich der Zulassungsgremien im Vertragsarztrecht rechtfertigen es indes nicht, den Streitgegenstand des zugrundeliegenden Zulassungsverfahrens, der durch die beim Zulassungsausschuss gestellten Anträge inhaltlich abgesteckt wird, durch Austausch der Bewerber im Verfahren vor dem Berufungsausschuss zu verändern. Das Recht des Berufungsausschusses, weitere inhaltliche Ermittlungen zur Zulassungssache anzustellen, bleibt davon unberührt.

Aber selbst wenn die Kammer unterstellt, der Austausch der Ärzte vor der Entscheidung des Beklagten wäre zulässig gewesen, war der Beklagte nicht verpflichtet gewesen, den Antrag der Klägerin zu berücksichtigen. Denn die Einbeziehung des Antrags der Klägerin in das Auswahlverfahren setzte voraus, dass er zum Zeitpunkt der Entscheidung vollständig eingereicht war und die notwendigen Belege und Erklärungen beigefügt waren. Dies ergibt sich entsprechend aus § 26 Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 Bedarfsplanungsrichtlinie. Nach der zeitlich weit zurückliegenden Entsperrung des Planungsbereiches für die maßgebliche Facharztgruppe der HNO-Ärzte lief zwar keine Frist mehr, die von den Bewerbern für die Abgabe der Zulassungsanträge zu beachten gewesen wäre. Dies entbindet die Bewerber jedoch nicht von der Pflicht aus § 18 Ärzte-ZV und der o. g. Vorschrift der Bedarfsplanungsrichtlinie, ihre Anträge vollständig abzugeben, denn den Zulassungsgremien müssen hinreichend aussagefähige Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung stehen. Dies hatte die Klägerin jedenfalls für die später benannten Ärzte versäumt.

Ob die erforderlichen Unterlagen für Dr. B und Dr. A dem Zulassungsausschuss vorgelegen haben, ist nach Rücknahme des Antrags auf Erteilung der Anstellungsgenehmigungen für diese Ärzte ohne Belang. Im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahren hat die Klägerin aber weder für Frau Dr. D, noch für Dr. E vollständige Antragsunterlagen eingereicht.

Aus den vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgängen des Beklagten war nicht ersichtlich, dass die Klägerin etwa einen Antragsvordruck über Frau Dr. D mit ihren persönlichen Angaben und einen Lebenslauf, ein polizeiliches Führungszeugnis oder einen Auszug aus dem Arztregister eingereicht hat. Ebenso fehlen Bescheinigungen über die seit der Approbation ausgeübten (ambulanten und stationären) ärztlichen Tätigkeiten sowie Bescheinigungen der Kassenärztlichen Vereinigungen, in deren Bereich Frau Dr. D bis dahin niedergelassen oder zur Kassenpraxis zugelassen war, aus denen sich Ort und Dauer der bisherigen Niederlassung oder Zulassung und der Grund einer etwaigen Beendigung ergeben hätten. Es liegen weder eine Erklärung über im Zeitpunkt der Antragstellung bestehende Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisse unter Angabe des frühestmöglichen Endes des Beschäftigungsverhältnisses, noch eine Erklärung darüber, dass keine Drogen- oder Alkoholabhängigkeit besteht bzw. bestanden hat, vor und auch die Erklärung darüber, dass gesetzliche Hinderungsgründe der Ausübung des ärztlichen Berufs nicht entgegenstehen, fehlt.

Auch für Dr. E fehlen wesentliche Angaben. Es hat weder ein Antragsvordruck mit den persönlichen Daten vorgelegen, noch hat die Klägerin die oben genannten Pflichtbelege und -erklärungen eingereicht. Dass Dr. E bereits im Bereich der zuständigen, zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung als angestellter Arzt in der Nebenbetriebsstätte der Klägerin in Köthen in der vertragsärztlichen Versorgung tätig war, entbindet die Klägerin nicht von der Verpflichtung, vollständige Unterlagen für den Antrag auf Genehmigung der Anstellung in Gräfenhainichen vorzulegen. Vielmehr erforderte gerade dieser Umstand eine Erläuterung der Klägerin, anhand von Belegen darzulegen, auf welche Weise sie beabsichtigte, die entstehende Lücke in Köthen zu schließen. Die in der E-Mail vom 2.5.2017 von der Klägerin angekündigte Absicht, Dr. E durch die Vollzeittätigkeit der anderen Ärztin zu ersetzen, genügt nicht den Anforderungen an die Vollständigkeit der Zulassungsunterlagen. Zwar hatte die Klägerin den bestehenden Arbeitsvertrag mit Dr. E hinsichtlich der Beschäftigung in der Nebenbetriebsstätte in Köthen übersandt, dieser war aber für die Beurteilung der Genehmigungen für die beabsichtigte Nebenbetriebsstätte unerheblich. Es fehlte daher die Vorlage des angekündigten Arbeitsvertrages mit Dr. E über eine Beschäftigung in Gräfenhainichen über 20 Stunden wöchentlich, welcher mit Bezug auf die beantragte Genehmigung hätte bedingt gefasst werden können. Als Beleg für die konkrete Umsetzung ihres Vorhabens hätte die Klägerin ferner Erklärungen von Dr. E über die Beendigung seiner Tätigkeit in Köthen und vor allem über die Kompatibilität seines Einsatzes in Gräfenhainichen mit seiner Vollzeittätigkeit als Chefarzt im Gesundheitszentrum Bitterfeld-Wolfen einreichen müssen. Schließlich gehörte hierzu neben dem bereits erwähnten, fehlenden Antrag auf Einrichtung einer Nebenbetriebsstätte in Gräfenhainichen auch eine Erklärung der weiteren in Köthen tätigen Ärztin (bzw. ein Antrag der Klägerin) über die Veränderung der bisherigen Teilzeit in Vollzeit, denn die Absicherung der drohenden Vakanz in Köthen war bedarfsplanerisch relevant und hatten die Zulassungsgremien zu beachten.

Diese Bescheinigungen und Erklärungen sind nach Ansicht der Kammer auch dann nicht entbehrlich, sondern beizubringen bzw. glaubhaft zu machen, wenn die benannten Ärzte bereits in der vertragsärztlichen Versorgung der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung tätig sind. Dies muss insbesondere für Umstände einleuchten, die sich nicht aus der bisherigen vertragsärztlichen Tätigkeit ergeben oder aktualisierungsbedürftig sind (z. B. Suchterklärung, Führungszeugnis). Die Zulassungsgremien sollen ihre neue Statusentscheidung ohne Weiteres aus den von allen Bewerbern vollständig vorzulegenden Bewerbungsunterlagen treffen. Bewerber, die von der Vorlage von Unterlagen ganz oder teilweise befreit wären, hätten einen Wettbewerbsvorteil, der nicht durch eine entsprechende gesetzliche Vorschrift gerechtfertigt wird. Weder die Vorschriften des SGB V, noch der Ärzte-ZV, des BMV-Ä oder der Bedarfsplanungsrichtlinie sehen eine solche Erleichterung vor.

Die Klägerin hat die Kammer nicht davon überzeugen können, dass sie die Anträge auf Genehmigung der Anstellung von Dr. E und Dr. D vollständig und um die notwendigen Anlagen ergänzt eingereicht hat. Dieser Umstand war bereits im Verfahren vor dem Beklagten von den Beigeladenen zu 8. und 9. gerügt worden. Dem Beklagten hatte die Klägerin vor seiner Entscheidung auf dessen Anfrage hin nur den damals aktuellen Arbeitsvertrag von Dr. E zur Teilzeitbeschäftigung in Köthen übersandt. Aus den vom Gericht beigezogenen Akten des Beklagten waren die fehlenden Unterlagen nicht zu entnehmen. Ein Versand an den Zulassungsausschuss erscheint angesichts des Vorbringens der Klägerin, dieser sei ohnehin nicht die zuständige Stelle für ihren Antrag gewesen, widersprüchlich. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer konnte die Klägerin nicht sicher bestätigen, ob und welche Unterlagen sie wo eingereicht hat. Daraus folgt, dass der Beklagte die Klägerin schon aufgrund der unvollständigen Antragsunterlagen bei der Auswahl hätte unberücksichtigt lassen dürfen.

Die vom Beklagten beschlossene Auswahl der Beigeladenen zu 8. und 9. ist nach Auffassung der Kammer aber selbst dann nicht zu beanstanden, wenn unterstellt wird, dass der Austausch der Ärzte nach der Entscheidung des Zulassungsausschusses zulässig war und dass alle erforderlichen Unterlagen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorgelegen haben oder diese hätten nachgereicht werden dürfen.

In dem Fall hätte die Klage keinen Erfolg, weil die Entscheidung des Beklagten, bei der Auswahl nicht von der Auswahl des Zulassungsausschusses abzuweichen, materiell-rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Rechtlicher Maßstab für die Auswahl ist § 26 Abs. 4 Nr. 3 Bedarfsplanungsrichtlinie. Danach entscheidet der Zulassungsausschuss unter mehreren Bewerbern nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung folgender Kriterien:

- berufliche Eignung

- Dauer der bisherigen ärztlichen Tätigkeit

- Approbationsalter

- Dauer der Eintragung in die Warteliste

- bestmögliche Versorgung der Versicherten im Hinblick auf die Wahl des Vertragsarztsitzes

- Entscheidung nach Versorgungsgesichtspunkten

- Belange von Menschen mit Behinderung beim Zugang zur Versorgung.

Die vom Beklagten für seine Entscheidung entsprechend herangezogene Vorschrift des § 103 Abs. 4 SGB V über die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes findet keine unmittelbare Anwendung, weil dessen Grundvoraussetzung, die Sperrung des Planungsbereichs durch Zulassungsbeschränkungen in der betroffenen Facharztgruppe, hier nicht erfüllt ist. Die besonderen Vorschriften aus §§ 100 bis 104 SGB V sind nur zu berücksichtigen, wenn der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen im maßgeblichen Planungsbereich Zulassungsbeschränkungen angeordnet hat, welche die Zulassungsgremien zu beachten haben. Dies war hier nicht der Fall. Dass der Beklagte seine Entscheidung an diese Rechtsgrundlage angeknüpft hat, ist allerdings unschädlich, weil sich dieser Umstand letztlich bei keinem Bewerber, so auch nicht bei der Klägerin, nachteilig auf die Auswahl ausgewirkt hat, weil dieselben Gesichtspunkte zu beachten waren.

Gemessen an den genannten Voraussetzungen war die Entscheidung des Zulassungsausschusses, die sich der Beklagte letztlich durch Zurückweisung des Widerspruchs zu eigen gemacht hat, nicht zu beanstanden. Ausweislich des Beschlusses hat der Beklagte wie der Zulassungsausschuss die Auswahlentscheidung auch inhaltlich begründet. Die insoweit herangezogenen Erwägungen verletzen weder den eingeräumten Ermessensrahmen noch ist eine unzulässige Gewichtung oder sonstige Benachteiligung zu erkennen.

Ausschlaggebend waren allein Versorgungsgesichtspunkte, nachdem der Beklagte die fachliche Geeignetheit weder der Beigeladenen zu 8. und 9. noch der von der Klägerin benannten Ärzte in Frage gestellt hat, jedenfalls diesen Gesichtspunkt zugunsten der Versorgungsgesichtspunkte zurückgestellt hat. Dies beschwert die Klägerin nicht, denn mit der Benennung von Frau Dr. D war auf ihrer Seite eine Ärztin mit deutlich geringerer Berufserfahrung vorgeschlagen worden, als sie die Beigeladenen zu 8. und 9. aufweisen können. Zudem teilt die Kammer die Auffassung der Beigeladenen zu 1. zur fehlenden vertragsärztlichen bzw. bedarfsplanerischen Relevanz der neuraltherapeutischen Qualifikation von Frau Dr. D.

Auch die Kammer hat keine Zweifel an der qualitativen Vergleichbarkeit des Leistungsangebotes der von der Klägerin benannten Ärzte einerseits und den Beigeladenen zu 8. und 9. andererseits. Die Gründe, die beiden von den Beigeladenen zu 8. und 9. beantragten zusätzlichen Vertragsarztsitze in der Lutherstadt Wittenberg zuzulassen, kann die Kammer nachvollziehen. Der Beklagte hat mit einleuchtenden Argumenten dargestellt, dass im Norden und Osten des Planungsbereichs ein deutlich höherer Versorgungsbedarf besteht, als in Gräfenhainichen. Maßgeblicher Planungsbereich und Grundlage für diese Beurteilung ist - anders als die Klägerin meint - nicht der Mittelbereich, sondern der Landkreis Wittenberg, weil die HNO-Ärzte gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 Satz 1 Bedarfsplanungsrichtlinie zur allgemeinen fachärztlichen Versorgung gehören, deren Planung in den kreisfreien Städten, den Landkreisen oder den Kreisregionen geschieht. Zum Landkreis Wittenberg gehören neben der gleichnamigen Kreisstadt auch die Kommunen Zahna-Elster, Jessen, Coswig und Annaburg. Nach den statistischen Daten über die Einwohneranzahl können deutlich mehr Patienten des Planungsbereiches Wittenberg das Vertragsarztangebot in der Lutherstadt Wittenberg erreichen. Dies gelingt im Übrigen mit öffentlichem Personennahverkehr und den Straßenverbindungen deutlich schneller als im Vergleich zum Standort Gräfenhainichen, weil - wie der Beklagte zu Recht besonders gewichtet hat - von dort aus auch die geographischen Besonderheiten der möglichen Elbquerung zu beachten war.

Zudem durfte der Beklagte anhand der Daten und der Stellungnahmen der HNO-Ärztin C aus Gräfenhainichen davon ausgehen, dass das HNO-Angebot dort im Vergleich zu dem Bedarf im nördlichen und östlichen Teil des Planungsbereichs ausreichend war. Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Ärztin auch ein eigenes Interesse an der Verhinderung einer Konkurrenzpraxis in Gräfenhainichen hatte, dies hat sie aber in ihrer Stellungnahme offen angesprochen und im Übrigen belastbare Gesichtspunkte aufgeführt, die für die Standorte in der Lutherstadt Wittenberg sprachen. Demgegenüber sind keine Belege ersichtlich, mit denen die Klägerin ihre Behauptung, die Ärztin sei überlastet, untermauert hätte. Die Bewertung von Frau C wird indes durch die Abrechnungsdaten der Beigeladenen zu 1. gestützt.

Aus dem Argument der Operationstätigkeit der Beigeladenen zu 8. und 9. im benachbarten Planungsbereich Anhalt-Bitterfeld in Zerbst lässt sich kein Umstand entnehmen, der zugunsten der Klägerin gesprochen hätte, zumal sie selbst mit dem Angebot der Operationen im Gesundheitszentrum ( ...) geworben hatte, das ebenfalls im benachbarten Planungsbereich Anhalt-Bitterfeld liegt.

Der Beklagte hat seinen Beurteilungsspielraum auch nicht mit seinen arbeitszeitlichen Erwägungen überschritten. Es wäre nicht zu beanstanden, dass er sich angesichts des Konzepts der Klägerin, zwei Teilzeitärzte anzustellen, bei der Auswahl der Beigeladenen zu 8. und 9. auch davon hat leiten lassen, dass damit zwei Vollzeitärzte die Stellen ausfüllen würden, und dass er die Besetzung mit mehreren Teilzeitärzten, die zusätzlich durch ihre Verpflichtungen und Bindungen an den stationären Sektor im Umfang und in der zeitlichen Flexibilität eingeschränkt werden, geringer gewichtet hat.

Die Kosten des Rechtsstreits, jedoch mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 7., die sich mangels Antragstellung letztlich nicht am Verfahren beteiligt haben, trägt die Klägerin, da sie die Klage bezüglich der Zulassung des Beigeladenen zu 8. in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat und sie im Übrigen bezüglich der Anfechtung der Zulassung des Beigeladenen zu 9. im Urteil unterlegen ist (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 155 Abs. 2 sowie 162 Abs. 3 VwGO, vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig u. a., SGG, Kommentar, 12. Aufl., § 197a Rn 29). Entsprechend § 162 Abs. 3 VwGO trägt sie aus Billigkeitsgründen auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 8. und 9., denn nach Auffassung der Kammer war die Einbeziehung beider Ärzte als notwendig Beigeladene des Verfahrens erforderlich, da die Klägerin mit der Klage zunächst den gesamten Beschluss unbeschränkt angefochten hat. Auch nach Rücknahme der Klage betreffs des Beigeladenen zu 8. war dieser als Mitglied der Berufsausübungsgemeinschaft mittelbar von der Klage bezüglich des Beigeladenen zu 9. betroffen. Es entspricht daher der Billigkeit, der Klägerin die Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Ärzte aufzuerlegen (vgl. Schmidt, a. a. O., Rn 30). In dem Zusammenhang merkt die Kammer an, dass eine Beiladung von Dr. D und Dr. E nicht veranlasst war, denn nicht die anzustellenden Ärzte waren Adressaten der Entscheidung des Beklagten über die Anstellungsgenehmigungen, sondern die Klägerin (vgl. BSG, Urteil vom 15.5.2019 - B 6 KA 5/18 R, Rn 19, 21, und Urteil vom 11.10.2017 - B 6 KA 38/16 R, Rn 13, zitiert nach juris).

Der Streitwert wird auf 60.000,00 Euro festgesetzt und ergibt sich gemäß § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) nach Ermessen des Gerichts anhand der sich aus dem Antrag ergebenden Bedeutung der Sache. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts nicht genügend Anhaltspunkte, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen. Mangels konkreter wirtschaftlicher Anhaltspunkte, jedoch der Bedeutung der Sache entsprechend, wird der Wert in Anlehnung an Teil B Abschnitt VI. Nr. 16.1 des Streitwertkataloges der Sozialgerichtsbarkeit 2017 (www.sozialgerichtsbarkeit.de, m. w. N. zur Rspr.) in Höhe von 60.000,00 Euro angenommen. Dieser errechnet sich aus dem Regelstreitwert von 5.000,00 Euro pro Quartal für drei Jahre und berücksichtigt, dass die Klägerin mit den beiden Anstellungsgenehmigungen die Besetzung einer Vollzulassung erreichen wollte.
Rechtskraft
Aus
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