L 5 KR 2908/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 997/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2908/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Kostenerstattungsanspruch des § 38 Abs. 4 Satz 1 SGB V setzt voraus, dass zunächst ein Sachleistungsanspruch auf die Gewährung von Haushaltshilfe bei der Krankenkasse beantragt wird. Die Erstattung eines Verdienstausfalls nach § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB V von Verwandten, die Leistungen der Haushaltshilfe für Versicherte erbringen, setzt voraus, dass diesen tatsächlich ein Verdienstausfall entstanden ist. Die Erstattung eines fiktiven Verdienstausfalls ist ausgeschlossen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.08.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen der Haushaltshilfe in Form der (weitergehenden) Erstattung eines Verdienstausfalles ihres Ehegatten.

Die im Jahr 1982 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet an multipler Sklerose (MS). Aufgrund einer bestehenden Schwangerschaft genehmigte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 05.08.2016 Leistungen der Haushaltshilfe vom 04.07. - 12.09.2016. Vom 13. - 15.09.2016 befand sich die Klägerin wegen der Entbindung ihres Sohnes am 13.09.2016 in stationärer Behandlung.

Im November 2016 erlitt die Klägerin einen akuten MS-Schub. Auf ihre Anfrage hin übersandte ihr die Beklagte daraufhin unter dem 11.11.2016 die (förmlichen) Antragsunterlagen für die Gewährung von Leistungen der Haushaltshilfe, den sie unter dem 22.12.2016 an die Beklagte zurückreichte, wo er am 28.12.2016 eingescannt wurde. Sie gab hierbei an, dass ihr Ehemann den Haushalt bereits seit dem 04.07.2016 führe und dies auch weiterhin so durchgeführt werden solle. Sie legte hierzu Lohnabrechnungen ihres Ehemanns betr. die Zeit ab dem Monat Juni 2016 bis November 2016 sowie eine von der Steuerberatungsgesellschaft des Arbeitgebers des Ehegatten der Klägerin ausgestellte Bestätigung vor, nach der sich der Verdienstausfall des Ehegatten der Klägerin in der Zeit vom 04.07.2016 - 28.02.2017 auf insg. 34.668,33 EUR belaufen habe, vor. Nach den dem Antrag beigefügten Angaben der Frauenärztin B. vom 28.11.2016 werde die Haushaltshilfe vom 19.09.2016 bis Mitte Januar 2017 für jeweils 8 Stunden pro Tag benötigt. Ferner legte die Klägerin ein ärztliches Attest von Dr. B., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 06.12.2016 vor, wonach sie, die Klägerin, an einer schubförmig verlaufenden MS-Erkrankung leide. Sie habe während der Schwangerschaft im April 2016 einen Schub mit einer Ataxie und Parese beider Beine erlitten, dessen Behandlung wegen der bestehenden Schwangerschaft nach einer einmaligen Cortisonbehandlung nicht habe fortgeführt werden können. Seit Anfang Oktober habe sich eine massive Gangunsicherheit mit Hemiataxie links gezeigt, die zweimalig mit Cortison behandelt worden sei. Aufgrund der Schwere der Erkrankung sei die Klägerin nach der Geburt zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen, das Neugeborene sowie den dreijährigen Sohn zu versorgen.

Mit Bescheid vom 09.01.2017 entschied die Beklagte, Leistungen der Haushaltshilfe nicht zu genehmigen. Der Klägerin sei unter dem 05.08.2016 Haushaltshilfe bis einen Tag vor der stationären Aufnahme zur Entbindung bewilligt worden, die sodann am 13.09.2016 erfolgt sei. Hiernach seien Leistungen der Haushaltshilfe bis einschließlich zum 12.09.2016 genehmigt gewesen. Die Antragsunterlagen für die nunmehr begehrten weiteren Leistungen seien jedoch erst am 28.12.2016 bei ihr, der Beklagten, eingegangen. Da Leistungen der Haushaltshilfe vor deren Inanspruchnahme beantragt werden müssten, könne eine Genehmigung für den beantragten Zeitraum vom 13.09. - 27.12.2016 nicht erfolgen. Außerdem liege bei der Klägerin eine chronische Erkrankung vor, weswegen die Regelung über die Gewährung von Leistungen von Haushaltshilfe, die nur für akute Erkrankungen gedacht sei, nicht eingreife.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 30.01.2017 Widerspruch ein, mit dem sie vorbrachte, die Begründung der Beklagten sei nicht nachvollziehbar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.03.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Für die Zeit vom 13.09. - 21.12.2016 sei der Antrag erst nach der Inanspruchnahme der Leistungen der Haushaltshilfe gestellt worden. Auch für die Zeit ab dem 22.12.2016 sei eine Leistungsgewährung nicht möglich, da der behandelnde Neurologe Dr. B. von einer chronischen Erkrankung berichtet habe. Ein auftretender Krankheitsschub könne die Gewährung von Leistungen der Haushaltshilfe nicht begründen.

Hiergegen hat die Klägerin am 04.04.2017 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie vorgetragen, die Grundbeeinträchtigung aufgrund ihrer Erkrankung sei als chronisch einzustufen; die jeweiligen Schübe seien jedoch als akute Erkrankung anzusehen, weswegen jeder Krankheitsschub einen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen der Haushaltshilfe zu begründen vermöge. Ein derartiger Schub sei bei ihr ab dem 13.09. bzw. dem 11.11. bzw. dem 22.12.2016 eingetreten. Ungeachtet hiervon habe der Antrag, der zur Leistungsgewährung vom 04.07. - 12.09.2016 geführt habe, fortbestanden. Hilfsweise sei eine Antragstellung ab dem 11.11.2016, da sie zu diesem Zeitpunkt mit der Beklagten Kontakt aufgenommen habe, bzw. ab dem 22.12.2016, der Zeitpunkt, zu dem die Antragsunterlagen eingereicht worden seien, anzunehmen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat hierzu ausgeführt, dass bei der Klägerin infolge des chronischen Charakters ihrer Erkrankung ein dauerhafter Unterstützungsbedarf bestehe, Leistungen der Haushaltshilfe jedoch nur für ein akutes Ereignis gedacht seien. Auch habe kein wirksamer Antrag vorgelegen. Der Leistungsbewilligung vom 04.07. - 12.09.2016 habe die Schwangerschaft der Klägerin zu Grunde gelegen. Die insofern einschlägige Rechtsgrundlage des § 24 h Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) setze anders als § 38 SGB V kein akutes Ereignis voraus, weswegen eine Antragstellung (auch) betr. Leistungen nach § 38 SGB V nicht anzunehmen sei. Auch in der bloßen Übersendung der Antragsformulare könne eine Antragstellung nicht erblickt werden, da zu diesem Zeitpunkt weder der Hintergrund noch andere Einzelheiten der begehrten Leistungsgewährung bekannt gewesen seien. Ein Antrag sei vielmehr erst mit dem Eingang der Antragsformulare anzunehmen.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Die Frauenärztin B. hat unter dem 20.10.2018 ausgeführt, die Klägerin seit Januar 2016 zu behandeln. Im Februar 2016 sei eine Schwangerschaft festgestellt worden, in deren Verlauf leichte MS Schübe aufgetreten seien. Ab der 29. Schwangerschaftswoche seien vorzeitig Wehen aufgetreten. Die Geburt in der 39. Schwangerschaftswoche sei spontan erfolgt. Einen Termin am 07.11.2016 habe die Klägerin wegen eines akuten MS-Schubes abgesagt. Dr. B. hat in seiner Stellungnahme vom 29.11.2018 ausgeführt, dass im Oktober 2016 bei der Klägerin eine Schwäche der Hüftbeugung bestanden habe. Im November 2016 sei dann ein akuter MS-Schub mit einer globalen Schwäche rechts (Hand, Arm, Fußhebung) aufgetreten. Der Klägerin sei das Gehen kaum möglich gewesen. Die Therapie sei im Wege zweier Cortisonbehandlungen erfolgt. An eine Haushaltsführung oder Versorgung von zwei kleinen Kindern sei während dieser Zeit nicht zu denken gewesen. Die Klägerin habe sich Ende Dezember 2016 in der Universitätsklinik B. vorgestellt. Im weiteren Verlauf habe sich unter Ergotherapie die Schwäche des rechten Armes und das Gehvermögen deutlich gebessert. Seitens des Katholischen Klinikums B. sind die dort vorliegenden Befundunterlagen vorgelegt worden.

Mit Urteil vom 16.08.2019 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2017 verurteilt, der Klägerin Leistungen der Haushaltshilfe in Form des Verdienstausfalls ihres Ehegatten für die Zeit vom 27.12.2016 - 15.01.2017 i.H.v. 1.600,- EUR zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, die Klägerin habe für die Zeit vom 27.12.2016 - 15.01.2017 einen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen der Haushaltshilfe nach § 38 Abs. 1 Satz 3 SGB V, da sie auf Grund einer schweren Erkrankung bzw. einer akuten Verschlimmerung einer Krankheit nicht in der Lage gewesen sei, ihren Haushalt weiterzuführen. Dies ergebe sich aus der Zeugenaussage von Dr. B., wonach die Klägerin im November 2016 einen akuten Schub ihrer MS-Erkrankung gehabt habe, während dem die Klägerin kaum habe Gehen können und eine Lähmung ihres rechten Armes bestanden habe. Soweit die Beklagte insofern die Einschätzung vertrete, dass die Regelung des § 38 Abs. 1 Satz 3 SGB V im Falle von chronischen Erkrankungen keine Anwendung finde, überzeuge dies, so das SG, nicht. Nach dem Wortlaut der Bestimmung sei lediglich das Vorliegen einer schweren Erkrankung oder einer akuten Verschlimmerung einer Krankheit, worunter auch ein MS-Schub rechne, erforderlich. Zwar sei, insofern sei der Beklagten zuzustimmen, die Regelung über die Haushaltshilfe nach ihrem Sinn und Zweck nur für akute Notsituationen bzw. besondere Belastungssituationen bestimmt, sie sollten insb. keine regelmäßige Leistung darstellen, jedoch schließe dies die Leistungsgewährung bei chronischen Erkrankungen nicht zwingend aus. Die Unfähigkeit, den Haushalt weiterzuführen habe, so das SG weiter, der Einschätzung der Frauenärztin B. folgend, bis zum 15.01.2017 bestanden, eine länger andauernde Unfähigkeit sei nicht belegt. Eine Leistungsgewährung vor dem 27.12.2016 komme, so das SG weiter, nicht in Betracht, da die Gewährung von Leistungen der Haushaltshilfe eine vorherige Antragstellung voraussetzten. Diese sei vorliegend erst am 27.12.2016 erfolgt. Die schriftsätzlich vertretene Auffassung, eine Antragstellung sei bereits am 13.09.2016 erfolgt, sei in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten worden. Auch liege in der Anforderung der Übersendung von Antragsformularen am 11.11.2016 noch keine wirksame Antragstellung, da es insoweit an einer ausdrücklichen Erklärung bezüglich der begehrten Leistung fehle. Allein die Anforderung des Formulars habe der Beklagten keine Kenntnisse vermittelt, die die Überprüfung des Anspruchs ermöglicht hätte. Maßgebend sei vielmehr der Eingang des ausgefüllten Antragsformulars am 27.12.2016. Die Höhe der Erstattung des Verdienstausfalles des Ehegatten sei, so das SG ferner, auf insg. 1.600,- EUR zu begrenzen. Zwar habe die Klägerin Gehaltsmitteilungen ihres Ehemannes vorgelegt, wonach dieser ein monatliches Gehalt von 5.500,23 EUR brutto (4.363,31 EUR netto) erhalten habe, die Erstattung des Verdienstausfalls sei jedoch nach § 38 Abs. 4 SGB V auf eine angemessene Höhe begrenzt. Da der Verdienst des Ehemannes der Klägerin außer Verhältnis zu den sonst für eine Ersatzkraft entstehenden Kosten stehe, sei ein Erstattungsanspruch bei einer Anspruchsdauer von 20 Tagen und einem anzunehmenden Stundensatz von 10,- EUR von insg. 1.600,- EUR angemessen.

Gegen das ihr am 28.08.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am gleichen Tag Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Sie bringt hierzu vor, das SG habe zwar zutreffend entschieden, dass dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen der Haushaltshilfe bestehe, das SG habe den Anspruch jedoch fälschlicherweise auf die Zeit vom 27.12.2016 - 15.01.2017 und auf einen Erstattungsbetrag von 1.600,- EUR begrenzt. Entgegen der Annahme des SG sei bereits am 11.11.2016 ein wirksamer Antrag gestellt worden. Mit Blick auf den Meistbegünstigungsgrundsatz sei davon auszugehen, dass sie einen Antrag auf die begehrte Leistung und nicht lediglich Informationen von der Beklagten habe erfragen wollen. Auch lägen, so die Klägerin weiter, die medizinischen Voraussetzungen der begehrten Leistungen auch für die Zeit vom 16.01. - 28.02.2017 vor. Dr. B. habe in seiner Aussage vom 29.11.2018 - sinngemäß - ausgeführt, dass sie während des Zeitraums von September 2016 bis Februar 2017 nicht in der Lage gewesen sei, den Haushalt zu führen. Schließlich sei der vom SG angenommene Stundensatz von 10,- EUR für eine Ersatzkraft mit Blick auf den regionalen Arbeitsmarkt zu gering bemessen. Er sei in Ansehung des erlittenen Verdienstausfalls des Ehegatten der Klägerin von 133,34 EUR (netto) täglich vielmehr mit 16,67 EUR pro Stunde anzusetzen.

Die Klägerin beantragt - sachgerecht gefasst -,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.08.2019 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2017 zu verurteilen, der Klägerin über die für die Zeit vom 27.12.2016 bis 15.01.2017 gewährten Leistungen der Haushaltshilfe i.H.v. 1.600,- EUR hinaus Leistungen der Haushaltshilfe in Form der Erstattung des Verdienstausfalls ihres Ehemanns für die Zeit ab dem 11.11.2016 bis zum 28.02.2017, hilfsweise für die Zeit ab dem 27.12.2016 bis zum 28.02.2017 in Höhe von kalendertäglich 133,34 EUR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrages betont sie, dass erst mit dem 27.12.2016 von einer Antragstellung auszugehen sei. In der Anfrage zur Übersendung des Vordruckes für den Antrag auf Haushaltshilfe am 11.11.2016 könne noch keine Antragstellung erblickt werden, da sie, die Beklagte, noch nicht in die Lage versetzt worden sei, den Anspruch in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu prüfen. So sei am 11.11.2016 für sie weder ersichtlich gewesen, für welchen Zeitraum aufgrund welcher Erkrankung eine Haushaltshilfe bzw. Kostenerstattung begehrt werde. Die Beklagte führt ferner aus, bei der Prüfung der Unterlagen für eine Erstattung sei im Hinblick auf die Gehaltsabrechnungen des Ehegatten aufgefallen, dass in den - beigefügten - Abrechnungen für die Monate Dezember 2016 - Februar 2017 jeweils ein Bruttoarbeitsentgelt von 5.550,32 EUR ausgewiesen sei und die Anzahl der Sozialversicherungstage mit jeweils 30 Tagen angegeben sei. Hieraus folge, dass für die vollen Kalendermonate Beiträge abgeführt worden seien. Zeiten ohne Entgeltzahlung (z. B. für die unbezahlte Freistellung für die Haushaltshilfe) hätten hingegen auch die Anzahl der ausgewiesenen Sozialversicherungstage gemindert. Auch stimme das in der Abrechnung für Dezember 2016 ausgewiesene jährliche Steuer-Brutto von 41.133,94 EUR mit dem im Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2016 enthaltenen Bruttoarbeitsentgelt von 41.133,- EUR überein. Hieraus folge, dass dem Ehemann der Klägerin von Dezember 2016 - Februar 2017, entgegen der Schilderung des Prozessbevollmächtigten, kein Verdienstausfall entstanden sei, weswegen der Verdienstausfall des Ehemannes nicht erstattet werden könne. Die Beklagte hat hierzu eine Mehrfertigung des Einkommensteuerbescheides für das Veranlagungsjahr 2016 vorgelegt.

Klägerseits wurde daraufhin eingeräumt, dass der Ehegatte der Klägerin für die Monate Dezember 2016 - Februar 2017 das von der Beklagten genannte Gehalt tatsächlich bezogen habe. Die Klägerin sei davon ausgegangen, dass im streitigen Zeitraum, keine Gehaltszahlungen erfolgt seien, da der Ehegatte unbezahlten Urlaub erhalten habe. Insoweit habe sich die Klägerin auf die Angaben der u.a. mit der Lohnbuchhaltung betrauten Steuerberatergesellschaft verlassen. Da der Ehegatte der Klägerin unbezahlt von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt worden sei, dürften die Lohnzahlungen auf Grund eines Fehlers der Lohnbuchhaltung des Arbeitgebers erfolgt sein. Bei einer wertenden Betrachtung handele es sich bei den Zahlungen daher gerade nicht um Arbeitsentgelt, das einen Verdienstausfall ausschließe.

Mit Schriftsätzen vom 09.12.2019 haben die Beteiligten das Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten geführte Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, insb. statthaft, da die Klägerin mit ihrer Berufung weitergehende Leistungen im Umfang von mehr als 750,- EUR (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) geltend macht.

Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 09.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2017, mit dem die Gewährung von Leistungen der Haushaltshilfe abgelehnt worden ist. Da die Beklagte gegen ihre Verurteilung im Urteil des SG vom 16.08.2019 keine (Anschluss-)Berufung eingelegt hat, ist das Urteil insoweit, als die Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin Leistungen der Haushaltshilfe in Form des Verdienstausfalls ihres Ehegatten für die Zeit vom 27.12.2016 – 15.01.2017 i.H.v. 1.600,- EUR zu gewähren, bestandskräftig. Der Senat ist insoweit nicht zur Entscheidung berufen. Da der Senat überdies nach § 123 SGG an den Umfang des erhobenen Anspruchs gebunden ist, ist vorliegend nur darüber zu befinden, ob die Klägerin im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Haushaltshilfe Ersatz für den Verdienstausfall ihres Ehegatten auch für die Zeit vom 11.11.2016 - 26.12.2016 und vom 16.01.2017 - 28.02.2017 (i.H.v. 133,34 EUR kalendertäglich) beanspruchen kann und ob für die Zeit vom 27.12.2016 - 15.01.2017 ein finanziell weitergehender Anspruch auf Erstattung des Verdienstausfalls besteht.

Die Berufung führt jedoch für die Klägerin inhaltlich nicht zum Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr von der Beklagten weitergehende Leistungen der Haushaltshilfe zu gewähren sind.

Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte Haushaltshilfe, wenn ihnen wegen Krankenhausbehandlung oder wegen einer Leistung nach §§ 23 Abs. 2 oder 4, 24, 37, 40 oder § 41 SGB V die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist. Voraussetzung ist nach § 38 Abs. 1 Satz 2 SGB V ferner, dass im Haushalt ein Kind lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Darüber hinaus erhalten Versicherte nach § 38 Abs. 1 Satz 3 SGB V, soweit keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des Elften Buches vorliegt, auch dann Haushaltshilfe, wenn ihnen die Weiterführung des Haushalts wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insb. nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, nicht möglich ist, längstens jedoch für die Dauer von vier Wochen. Wenn im Haushalt ein Kind lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist, verlängert sich der Anspruch nach Satz 3 auf längstens 26 Wochen (§ 38 Abs. 1 Satz 4 SGB V). Kann die Krankenkasse keine Haushaltshilfe stellen oder besteht Grund, davon abzusehen, sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe in angemessener Höhe zu erstatten (§ 38 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Für Verwandte und Verschwägerte bis zum zweiten Grad werden keine Kosten erstattet; die Krankenkasse kann jedoch die erforderlichen Fahrkosten und den Verdienstausfall erstatten, wenn die Erstattung in einem angemessenen Verhältnis zu den sonst für eine Ersatzkraft entstehenden Kosten steht (§ 38 Abs. 4 Satz 2 SGB V).

Der gesetzlich normierte Kostenerstattungsanspruch des § 38 Abs. 4 Satz 1 SGB V setzt voraus, dass zunächst ein Sachleistungsanspruch des Versicherten auf Gewährung von Haushaltshilfe besteht und er diese Sachleistung bei der Krankenkasse beantragt hat. Bei der vorherigen Antragstellung handelt es sich im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 38 Abs. 4 Satz 1 SGB V um eine zwingende Voraussetzung (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 26.03.1980 - 3 RK 62/79 -, in juris; Nolte in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 38 SGB V, Rn. 34; Stand März 2017; Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 38 SGB V Rn. 22, Stand November 2018). Nach § 19 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) werden die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nur auf Antrag erbracht, soweit sich aus dem SGB V nichts Anderes ergibt. Da etwas Abweichendes in § 38 SGB V nicht geregelt ist und auch ein Fall der Eilbedürftigkeit (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24.09.2002 - B 3 KR 2/02 R -, in juris) nicht vorgelegen hat, waren die begehrten Leistungen der Haushaltshilfe vor deren Inanspruchnahme bei der Beklagten zu beantragen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.2011 - L 11 KR 1694/10 -, in juris).

Der hiernach erforderliche Antrag kann vorliegend erst mit dem Eingang des ausgefüllten Antragsformulars bei der Beklagten am 27.12.2016 angenommen werden. Ein Antrag ist jede an den Versicherungsträger gerichtete Willenserklärung, aus der sich ein Leistungsverlangen ergibt (BSG, Urteil vom 30.10.2014 - B 5 R 8/14 R -, in juris, dort Rn. 32). Ein Antrag i.d.S. kann formlos, daher insb. auch mündlich oder durch sonstiges (konkludentes) Handeln gestellt werden. Sofern das Sozialrecht keine speziellen Regelungen trifft, finden bei der Auslegung konkludenter Handlungen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insb. dessen § 133 Anwendung (BSG, Urteil vom 02.04.2014 - B 4 AS 29/13 R -, in juris). Nach § 133 BGB erfordert die Feststellung des (normativ) in Wahrheit Gewollten nach Maßgabe des Empfängerhorizonts auf der Grundlage aller im Einzelfall als einschlägig in Betracht kommenden Umstände den wirklichen Willen zu erforschen. Maßgebend für die Auslegung eines Antrags ist daher - unter Berücksichtigung aller Umstände - der für den Adressaten erkennbare wirkliche Wille des Antragstellers. Durch die in Frage stehende Anfrage muss die jeweilige Behörde daher jedenfalls in die Lage versetzt werden, erkennen zu können, dass eine konkrete Leistung begehrt wird. Die am 11.11.2016 erfolgte Bitte um Übersendung des Formulars ist vor diesem Hintergrund nicht als Antrag zu bewerten. Insb. vor dem Hintergrund, dass die vorherige Gewährung von Leistungen der Haushaltshilfe vom 04.07. – 12.09.2016 wegen der Schwangerschaft der Klägerin und damit auf Grundlage des § 24h SGB V erfolgt ist und mit der telefonischen Bitte um Übersendung der Antragsformulare keinerlei Hinweis darauf erteilt worden ist, dass es der Klägerin (nunmehr) wegen einer Erkrankung nicht möglich ist, ihren Haushalt fortzuführen, trat der Wille der Klägerin, Leistungen der Haushaltshilfe zu begehren, nach dem objektiven Empfängerhorizont gegenüber der Beklagten nicht hinreichend deutlich zu Tage. Eine Antragstellung kann daher nicht vor dem 27.12.2016 angenommen werden, weswegen eine zeitlich frühere Leistungsgewährung als ab dem 27.12.2016 ausscheidet.

Die Klägerin kann auch die geltend gemachte Erstattung eines (höheren) Verdienstausfalls ihres Ehegatten in der Zeit ab dem 27.12.2016 nicht beanspruchen. Wie bereits ausgeführt, sind dem Versicherten, wenn die Krankenkasse keine Haushaltshilfe (als Sachleistung) stellen kann oder Grund besteht, davon abzusehen, die Kosten für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe in angemessener Höhe zu erstatten (§ 38 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Für Verwandte und Verschwägerte bis zum zweiten Grad werden keine Kosten erstattet; die Krankenkasse kann jedoch die erforderlichen Fahrkosten und den Verdienstausfall erstatten, wenn die Erstattung in einem angemessenen Verhältnis zu den sonst für eine Ersatzkraft entstehenden Kosten steht (§ 38 Abs. 4 Satz 2 SGB V). § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB V schließt für Verwandte und Verschwägerte bis zum zweiten Grad die Erstattung einer Haushaltshilfe über Fahrtkosten und Verdienstausfall hinaus aus. Wer bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert ist, bestimmt sich nach den §§ 1589 f. BGB. Danach sind bis zum zweiten Grad verwandt Geschwister, Eltern, Kinder, Großeltern und Enkel des Versicherten. Bis zum zweiten Grad verschwägert sind Schwiegereltern, Schwiegerkinder und Schwager, d.h. die Geschwister des Ehegatten. Auf Ehegatten einschließlich der früheren Ehegatten ist die Vorschrift entsprechend anzuwenden (BSG, Urteil vom 16.11.1999 - B 1 KR 16/98 R -, in juris), wenn sie in einem ähnlichen Näheverhältnis zum Versicherten oder den zu betreuenden Kindern stehen. Das ist insb. dann der Fall, wenn es sich bei den zu betreuenden Kindern um eigene Kinder des Ehegatten handelt. Da die Fortführung des Haushalts der Klägerin vorliegend von dem nicht getrenntlebenden Ehegatten gewährleistet worden ist, scheidet eine Kostenerstattung dem Grunde nach aus, jedoch können - vorliegend nicht geltend gemachte - Fahrkosten und der - einzig streitige - Verdienstausfall erstattet werden.

Grundvoraussetzung jeder Kostenerstattung nach § 38 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist, dass dem Versicherten durch die Haushaltshilfe tatsächlich Kosten in der geltend gemachten Höhe entstanden sind. Eine Erstattung lediglich fiktiver Aufwendungen, so als habe der Versicherte eine familienfremde Fachkraft in Anspruch genommen, ist ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 16.11.1999, a.a.O., Rn. 13). Übertragen auf den vorliegend geltend gemachten Ersatz eines Verdienstausfalls bedeutet dies, dass ein solcher nur dann zu erstatten ist, wenn demjenigen, der wegen der Fortführung des Haushalts des Versicherten seine Erwerbstätigkeit nicht durchführen konnte, tatsächlich ein Verdienst entfallen ist. Da der Ehegatte der Klägerin jedoch, wie klägerseits zuletzt eingeräumt worden ist, von Dezember 2016 – Februar 2017 keine Verdienstausfälle hat hinnehmen müssen, er vielmehr vollumfänglich von seinem Arbeitgeber entlohnt worden ist, ist ihm durch die Führung des Haushalts kein erstattungsfähiger Verdienstausfall entstanden. Darauf ob das bezogene Entgelt nach einer wertenden Betrachtung, wie klägerseits vorgetragen, nicht auf Grund einer erbrachten Arbeitsleistung, sondern auf Grund eines Fehlers der Lohnbuchhaltung des Arbeitgebers erfolgt ist, kommt es nicht an, da der Ehegatte durch die fortgeführte Haushaltsführung keinen - ausgleichfähigen - finanziellen Verlust erlitten hat.

Da für die Zeit von Dezember 2016 - Februar 2017 beim Ehegatten der Klägerin kein Verdienstausfall eingetreten ist, kommt eine - weitergehende - Erstattung des Verdienstausfalls für die Zeit vom 01.12.2016 – 28.02.2017 nicht in Betracht.

Die Klägerin hat mithin keinen Anspruch darauf, weitergehende Leistungen der Haushaltshilfe in Form der Erstattung des Verdienstausfalls ihres Ehegatten bereits ab dem 11.11.2016, hilfsweise ab dem 27.12.2016 bis zum 28.02.2017 i.H.v. kalendertäglich 133,34 EUR zu erhalten.

Der Senat weist jedoch darauf hin, dass, da die Beklagte keine (Anschluss-)Berufung eingelegt hat, sie verpflichtet ist, ihre Verurteilung im Urteil des SG vom 16.08.2019 zu beachten und, obschon dem Ehegatten der Klägerin kein Verdienstausfall entstanden ist, einen Betrag von 1.600,- EUR zu erstatten.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.08.2019 ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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