L 4 AS 120/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 58 AS 3959/18
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 120/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
L
1. Die Berufung wird als unzulässig verworfen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Übernahme einer Mieterhöhung durch den Beklagten zugunsten der Klägerin.

Mit Bescheid vom 30. Mai 2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum von Juli 2018 bis Juni 2019. Dabei berücksichtigte er Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 470 Euro. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 2. Juli 2018 Widerspruch.

Am 9. Juli 2018 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid und bewilligte unter Berücksichtigung einer von der Klägerin angezeigten Mieterhöhung ihres Vermieters um 68,76 Euro höhere Kosten für Unterkunft und Heizung, also insgesamt in Höhe von 538,76 Euro monatlich, für den Zeitraum September 2018 bis Juni 2019. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch mit Schreiben vom 16. Juli 2018.

Mit Änderungsbescheid vom 19. Juli 2018 bewilligte der Beklagte unter Berücksichtigung einer korrigierten Mieterhöhungsanzeige um 71,95 Euro höhere Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum Oktober 2018 bis Juni 2019, also insgesamt 541,95 Euro monatlich. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 30. Juli 2018 Widerspruch.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 30. Oktober 2018 verwarf der Beklagte die Widersprüche vom 16. Juli 2018 und vom 30. Juli 2018 als unzulässig. Zur Begründung führte er aus, dass die angegriffenen Änderungsbescheide vom 9. Juli 2018 und 19. Juli 2018 gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 30. Mai 2018 geworden seien.

Am 15. November 2018 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben. Sie wehrt sich dagegen, dass der Beklagte die Mieterhöhung ihres Vermieters übernehme. Sie ist der Auffassung, dass die Mieterhöhung ihres Vermieters nicht gerechtfertigt sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2018 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 2. Juli 2018 gegen den Ausgangsbescheid vom 30. Mai 2018 zurück. Der angefochtene Bewilligungsbescheid in der Fassung der Änderungsbescheide vom 9. Juli 2018 und vom 19. Juli 2018 sei rechtmäßig und verletze die Widerspruchsführerin nicht in ihren Rechten. Den Widerspruchsbescheid vom 16. November 2018 hat die Klägerin nicht mit einer Klage angefochten.

Mit Gerichtsbescheid vom 16. April 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Die Verwerfung der Widersprüche vom 16. Juli 2018 und 30. Juli 2018 als unzulässig sei zu Recht erfolgt. Gemäß § 86 SGG seien die angegriffenen Änderungsbescheide Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bewilligungsbescheid vom 30. Mai 2018 geworden. Ein (weiterer) Widerspruch gegen einen Gegenstandsbescheid sei unzulässig (Bundessozialgericht, Urteil von 5. Juli 2017, B 14 AS 36/16 R; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24. Juni 2014, L4 AS 55/12). Vorliegend habe die Klägerin bereits Widerspruch gegen den Ausgangsbescheid vom 30. Mai 2018 erhoben. Dieser sei mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2018 in der Sache beschieden worden. Hierbei seien auch die hier angegriffenen Änderungsbescheide vom 9. Juli 2018 und 19. Juli 2018 geprüft worden.

In seiner Rechtsmittelbelehrung hat das Sozialgericht mitgeteilt, dass der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden könne. Eine Zulassung der Berufung im Tenor oder in den Gründen ist nicht erfolgt.

Gegen den der Klägerin am 18. April 2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 25. April 2019 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dass ihr Name nicht richtig geschrieben worden sei. Sie habe einen spanischen Vornamen. Sie erkenne den Beschluss auch nicht an wegen Fehlens einer mündlichen Verhandlung. Der Beklagte fördere hier kriminelle Machenschaften. Es sei Mietrecht verletzt worden. Der Beklagte gebe zu viel Geld aus. Hierfür habe sie kein Verständnis.

Mit Beschluss vom 25. November 2019 ist nach Anhörung der Beteiligten die Berufung gem. § 153 Abs. 5 SGG dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen worden.

Am 17. Januar 2020 hat ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden, zu dem die Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 14. Dezember 2019 (Blatt 86 der Prozessakte) geladen wurde. Die Klägerin hat sich am Morgen der mündlichen Verhandlung telefonisch bei Gericht entschuldigt und ist zum Termin nicht erschienen.

Die Klägerin beantragt nach Lage der Akten, den Gerichtsbescheid vom 16. April 2018 aufzuheben sowie die Bescheide vom 9. Juli 2018 und vom 19. Juli 2018 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 30. Oktober 2018 aufzuheben, soweit sie höhere Kosten für Unterkunft und Heizung gewähren als der Bescheid vom 30. Mai 2018.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass die Widersprüche gegen die Änderungsbescheide nicht statthaft seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten L 4 AS 120/19, L 4 AS 99/19 NZB und L 4 AS 90/19 NZB sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Sie haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

I. Der Senat konnte in der Besetzung mit der Berichterstatterin als Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richterinnen entscheiden, weil die Berufung durch Beschluss vom 25. November 2019 gem. § 153 Abs. 5 SGG übertragen wurde. Der Senat konnte trotz Nichterscheinens der Klägerin aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, da die Klägerin ordnungsgemäß geladen worden ist. Sie wurde mit der Ladung vom 12. Dezember 2019 darauf hingewiesen, dass auch im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und nach Lage der Akten entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

II. Die Berufung ist unzulässig. Sie erreicht den Beschwerdewert von 750 Euro nicht. Die Berufung wurde auch nicht zugelassen.

Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,- Euro nicht übersteigt. Dies ist hier der Fall. Die Beteiligten streiten um Leistungen für Unterkunft und Heizung für September 2018 in Höhe von 68,76 Euro und für Oktober 2018 bis Juni 2019 in Höhe von 71,95 Euro. Insgesamt liegt der Wert des Beschwerdegegenstandes bei 716,31 Euro. Es geht auch nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung wurde vom Sozialgericht auch nicht zugelassen. Es hat hierüber nicht entschieden, und zwar weder im Tenor, noch in den Entscheidungsgründen.

Damit ist die Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts, welches darauf hinweist, dass der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden könne, unrichtig (Leitherer in Meyer-Ladewig /Keller /Leitherer/ Schmidt, SGG, Kommentar, 12. Aufl., 2017, § 144 Rn. 45a). Es tritt die Rechtsfolge des § 66 Abs. 2 SGG ein. Ist danach die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. Hier ist das Jahr ab Zustellung des Gerichtsbescheides am 18. April 2019 noch nicht abgelaufen. Eine Belehrung dahin, dass ein Rechtsmittel nicht gegeben sei, liegt nicht vor. Gemäß § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG können die Beteiligten – ist wie hier die Berufung nicht gegeben – mündliche Verhandlung beantragen.

Die Klägerin kann, da ihre Klage durch Gerichtsbescheid entschieden wurde, beim Sozialgericht mündliche Verhandlung beantragen oder gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG Nichtzulassungsbeschwerde beim Landessozialgericht einlegen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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