L 1 KR 95/18

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 9 KR 872/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 95/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts vom 25. Juli 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtstreits. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Erstattung und Rückforderung von Bruttoarbeitsentgelt und Arbeitgeberbeitragsanteilen (Umlage "U2") für eine Arbeitnehmerin der Klägerin.

Die Arbeitnehmerin sollte am 19.5.2014 entbinden. Für sie bestand ab 27.1.2014 ein Beschäftigungsverbot wegen Gefährdung der Gesundheit von Mutter oder Kind bis voraussichtlich 6.4.2014.

Die Klägerin zahlte der Arbeitnehmerin Arbeitsentgelt und Arbeitgeberbeiträge in der Folgezeit. Sie beantragte die Erstattung der Mutterschaftsleistung für den Zeitraum vom 27.1.2014 (oder 1.2.2014?) bis 28.2.2014.

Mit Bescheid vom 3.3.2014 gab die Beklagte diesem Antrag in Höhe von 3.280,- EUR für die Zeit vom 1.2.2014 bis 5.2.2014 und wieder ab 16.2.2014 bis 28.2.2014 zunächst statt und lehnte den Antrag im Übrigen ab.

Sie wies darauf hin, dass eine Erstattung für die Zeit vom 6.2.2014 bis 15.2.2014 nicht in Betracht komme, weil bei der Arbeitnehmerin Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe. Auch wenn diese gegebenenfalls mit der Schwangerschaft in Verbindung stehe, bestehe für solche Zeiten kein Anspruch auf Mutterschutzlohn, sondern auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz. Aufgrund dessen sei das Arbeitsentgelt auf 2.733,33 EUR gekürzt worden und der Gesamterstattungsbeitrag einschließlich der Arbeitgeberbeiträge von 3.280,- EUR auf das Konto der Klägerin überwiesen worden.

Hiergegen legten die Klägerin Widerspruch ein. Auch für den Zeitraum des Krankenhausaufenthalts ihrer Mitarbeiterin vom 6. bis 15.2.2014 habe das Beschäftigungsverbot bestanden. Es sei deswegen Mutterschaftsgeld zu zahlen gewesen.

Mit Schreiben vom 13.10.2014 nahm die Beklagte gegenüber der Klägerin ausführlich Stellung zu dem Widerspruchsverfahren. Sie führte aus, dass auch nach Beginn von Beschäftigungsverboten krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bei der Mutter eintreten könne. Für solche Zeiträume bestehe kein Anspruch auf Mutterschutzlohn nach § 11 Mutterschutzgesetz. Arbeitsunfähigkeit liege grundsätzlich auch bei einem Krankenhausaufenthalt vor. Hierzu verwies die Beklagte auf Rechtsprechung. Der MDK habe für den streitigen Zeitraum Arbeitsunfähigkeit angenommen. Dies sei dann Anlass für eine Neuberechnung der gesamten Erstattungsforderung gewesen. Dabei habe man festgestellt, dass der mit Bescheid vom 3.3.2014 bewilligte Erstattungsbetrag in Höhe von 3.280,- EUR nicht korrekt sei. Es sei eine Neuberechnung vorgenommen worden. Eine Überzahlung in Höhe von 328,- EUR, deren Berechnung im Einzelnen von der Beklagten dargelegt worden ist, werde zurückgefordert. Im Übrigen bleibe es bei der Ablehnung aus dem Bescheid vom 3.3.2014. Dem Widerspruch dagegen könne nicht abgeholfen werden. Die Beklagte hörte die Klägerin zu der beabsichtigten Rückforderung an.

Hierzu äußerte sich die Klägerin dahingehend, dass die von der Beklagten vorgenommene Berechnung der einzelnen Monate mit 30 Tagen (Monat zu 30 Tagen) so nicht zulässig sei. Dies ergebe sich aus der Niederschrift des GKV- Spitzenverbands vom 24. 10. 2012. Wenn man die korrekte monatliche Berechnung zugrunde lege, ergebe sich lediglich eine Überzahlung von 117,15 EUR. Auch diese habe man nicht zu vertreten.

Mit Bescheid vom 11.3.2015 regelte die Beklagte die Angelegenheit neu wie folgt: Sie hob den Bescheid vom 3.3.2014 auf und bewilligte auf Antrag vom 20.2.2014 nun eine Erstattung von 2.952,- EUR für den Zeitraum vom 1.2.2014 bis 5.2.2014 und 16.2.2014 bis 28.2.2014. Im Übrigen lehnte sie den Erstattungsantrag ab und forderte zusätzlich den bereits angekündigten Betrag in Höhe von 328,- EUR von der Klägerin zurück. Der ausgezahlte Bruttoarbeitslohn sei auf 2.460,- EUR gekürzt worden. Es ergebe sich daraus ein Gesamt-Erstattungsbetrag von 2.952,- EUR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.5.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Darin wies sie darauf hin, dass Mutterschaftsgeld nach § 11 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz nur dann zu zahlen sei, wenn die werdende Mutter "wegen", nämlich in Befolgung eines Beschäftigungsverbots mit der Arbeit aussetze und dadurch eine Verdienstbuße erlitten habe. Für den Fall, dass andere Gründe für sich allein oder neben dem Beschäftigungsverbot für das Aussetzen mit der Arbeit maßgeblich seien, etwa eine Arbeitsunfähigkeit bedingende Krankheit, auch wenn sie mit der Schwangerschaft zusammenhänge, fehle es an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang mit der Folge, dass ein Anspruch auf Mutterschutzlohn nicht bestehe. Im vorliegenden Fall sei in dem Zeitraum vom 6. bis 15.2.2014 bei der Versicherten Arbeitsunfähigkeit eingetreten zusätzlich zum Beschäftigungsverbot. Es sei eine Neuberechnung, wie im erläuternden Schreiben aus dem Oktober 2014 angekündigt, vorgenommen worden. Hieraus habe sich eine Rückforderung in Höhe von 328,- EUR ergeben.

Die Klägerin zahlte daraufhin 328,- EUR bezüglich des streitigen Rechtsverhältnisses an die Beklagte.

Sie hat jedoch am 22.6.2015 auch Klage gegen den Widerspruchsbescheid Klage erhoben. Sie akzeptierten nun die Unterbrechung der Zahlung für die Zeit vom 6. bis 15.2.2014. Sie forderten jedoch Erstattung in der ursprünglich von der Beklagten angesetzten Höhe. Sie machten geltend, dass in sämtlichen Monaten dieselbe Formel zur Berechnung der Löhne der Arbeitnehmerin angewandt worden sei. Dies ergebe sich aus den Unterlagen der DATEV. Im Monat Februar 2014 sei das fortgezahlte Entgelt entsprechend der tatsächlichen Verhältnisse durch 28 Tage und nicht, wie von der Beklagten zu Grunde gelegt, durch 30 Tage geteilt worden. Die Berechnung der Beklagten führe dazu, dass nun das Entgelt nicht mehr in voller Höhe erstattet worden sei.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass nur noch die Höhe der Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen bei Beschäftigungsverbot bzw. Krankheit offenbar streitig sei. Es sei nicht richtig, wenn die Klägerin anführe, dass in sämtlichen Monaten dieselbe Formel zur Berechnung angewendet worden sei. Die Klägerin hätte vielmehr unterschiedliche Formen angewendet. Bei der Berechnung der Erstattung für Januar seien nicht die tatsächlichen Kalendertage berechnet worden, sondern das durchschnittliche Entgelt von 4100 EUR durch 30 Tage geteilt worden. Für Februar hingegen seien die tatsächlichen Kalendertage, nämlich 28 Tage als Berechnungsgrundlage gewählt worden. Im März sei keine Berechnung erforderlich gewesen. Der Monat sei vollständig erstattet worden. Der April sei durch 30 geteilt worden, was den tatsächlichen Kalendertagen entspreche. Bei der Ermittlung des erstattungsfähigen Bruttoarbeitsentgelts für Teilmonate könne auf verschiedene Berechnungsmethoden zwar zurückgegriffen werden. Es sei sowohl eine Berechnung nach durchschnittlichen Kalendertagen (30 Tage) möglich wie eine solche nach tatsächlichen Kalendertagen oder durchschnittlichen oder tatsächlichen Monatsarbeitstagen. Es richte sich jeweils nach der Bemessungsgrundlage des bisherigen Arbeitsentgelts. Eine einmal gewählte Methode könne jedoch nicht beliebig gewechselt werden, sondern müsse beibehalten werden. Nicht möglich sei es, die Berechnungsmethode zwischenzeitlich zu wechseln. Dies könne dazu führen, dass in kurzen Monaten ein geringerer Betrag errechnet werde, während in Monaten mit 31 Kalendertagen eine Mehrerstattung erfolgen würde. So sei dies auch gewesen bei dem Antrag für den Zeitraum vom 27.1.2014 bis 31.1.2014. Der Erstattungsbetrag sei nicht etwa durch 31 Tage geteilt worden, sondern durch 30 Tage, was eine höhere Erstattung mit sich bringe (als tatsächlich dem Monat entspricht).

Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 25. Juli 2018 stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 210,85 Euro zu zahlen. Es ist dabei der Ansicht der Klägerin gefolgt. Die Berufung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, dass das Sozialgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Klägerin bei der Berechnung der Erstattung in den einzelnen Monaten die Berechnungsmethode beibehalten habe. Aus der Berechnung gehe eindeutig hervor, dass für den Januar die 1/30, für den Februar hingegen die kalendertägliche Berechnung zugrunde gelegt worden sei. Dies sei unzulässig. Es stehe der Klägerin frei, sich für eine Berechnungsmethode zu entscheiden, diese müsse jedoch dann für alle Monate beibehalten werden, da sonst die Möglichkeit bestünde, sich für die jeweiligen Monat die günstigste Berechnungsmethode auszusuchen und so ungerechtfertigt hohe Erstattungen zu erhalten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält das Urteil des Sozialgerichtes für zutreffend. Ihr zentrales Argument ist, dass es sich für sie bei dem Februar um einen Monat mit vollem Lohnausfall handele. Daher müsse auch die Erstattung in vollem Umfang erfolgen. Dass es sich für die Beklagte aus rechtlichen Gründen um einen Monat mit mehreren Teilabschnitten handele, die rechtlich unterschiedlich zu bewerten seien, sei unbeachtlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

Die Berufung hat in der Sache auch Erfolg.

Streitig ist einzig und allein die Frage, ob die Berechnungsmethode der Erstattung von der Klägerin oder von der Beklagten richtig gewählt wurde. Insbesondere besteht dabei Uneinigkeit darüber, ob für die Monate Januar und Februar 2014 von der Klägerin eine einheitliche Berechnungsweise vorgenommen wurde (so die Klägerin) oder eine Wechsel der Berechnungsweise erfolgte (so die Beklagte).

Die Klägerin hat das Sozialgericht letztlich von ihrer Sichtweise damit überzeugen können, dass auf die Abrechnung des Gehalts durch DATEV abgestellt wurde. Wie die Klägerin ihre Lohnbuchhaltung durchgeführt, ist jedoch für die hier sich stellende Rechtsfrage irrelevant.

Entscheidend ist, dass der Klägerin von der Beklagten ein Wahlrecht eingeräumt wird, wie sie die Berechnung vornimmt. Sie kann dabei auf eine kalendertägliche oder durchschnittliche Berechnung oder eine Berechnung mit 1/30 pro Tag vornehmen. Das einzige, was die Beklagte verlangt, ist, dass die einmal gewählt Methode für alle abzurechnenden Monate einheitlich angewandt wird. Vor dem Hintergrund der ansonsten bestehenden Manipulationsmöglichkeiten ist diese Forderung auch nachvollziehbar und rechtlich erforderlich.

Bei Betrachtung der mit der Klageschrift eingereichten Antragsunterlagen wird deutlich, dass die Klägerin – wie von der Beklagten immer wieder zutreffend dargestellt – für die Monate Januar und Februar 2014 unterschiedlich Berechnungsmethoden angewandt hat. Für den Zeitraum 27. bis 31. Januar 2014 hat sie den 31tägigen Januar mit 30 Tagen angesetzt und daher das Monatsgehalt von 4.100,- durch 30 geteilt und mit den 5 Fehltagen multipliziert. Das ergibt den geforderten Betrag von 683,33 Euro. Für den Februar ist die Klägerin dann jedoch nicht wieder von der pauschalen 1/30-Berechnung ausgegangen (dann wären auch hier die 4.100,- durch 30 zu teilen und für den Zeitraum 1. bis 5. Februar mit 5 zu multiplizieren gewesen, so dass sich ein Betrag von wiederum 683,33 Euro ergeben hätte). Vielmehr ist sie nun von den tatsächlichen Kalendertagen, also 28, ausgegangen und hat die 4.100,- durch 28 geteilt und dann mit 5 multipliziert. Damit ergibt sich ein um 48,81 Euro höherer Betrag, nämlich 732,14 Euro. Das gleiche gilt dann für den Zeitraum 16. bis 28. Februar: bei der für Januar angewandten 1/30-Methode hätte sich ergeben: 4.100,-: 30 x 13 = 1.776,66 Euro. Tatsächlich hat die Klägerin aber wieder die tatsächlichen 28 Kalendertage zugrunde gelegt: 4.100,-: 28 x 13 = 1.903,57 Euro. Die Differenz beträgt hier 126,91 Euro. Zusammen ergibt sich eine Differenz von 175,72 Euro, die wegen der Pauschale für die Sozialversicherungsbeiträge um 20% zu erhöhen ist. Damit ergibt sich genau der in Rede stehende Betrag von 210,85 Euro.

Diese Berechnung zeigt zum einen, dass die Klägerin unterschiedliche Berechnungsmethoden angewandt hat. Zum anderen zeigt sie, dass bei einer 1/30-Berechnung die Beklagte die geforderten 210,85 Euro zu viel gezahlt hat, ihre Erstattungsforderung insoweit also berechtigt war, von der Klägerin zu Recht gezahlt wurde und nun nicht zurückverlangt werden kann.

Der Klägerin hätte es freigestanden, insgesamt die Berechnung nach den tatsächlichen Kalendertagen vorzunehmen. Dann hätte sie die Berechnung für Februar so lassen können und für den Januar hätte sich nur ein um 22,04 Euro (plus 20%) geringerer Betrag ergeben (nämlich statt der 683,33 Euro nur 661,29 Euro (4.100,-: 31 x 5). Vor dem Hintergrund dieser Gestaltungsmöglichkeit ist für den Senat das Beharren der Klägerin auf ihrem argumentativen Standpunkt nicht nachvollziehbar.

Die Beklagte hat sich mehrmals im Widerspruchsverfahren an die Klägerin gewandt und die möglichen Berechnungsarten aufgezeigt. Sie hat keine Rückmeldung dazu von der Klägerin erhalten. Es ist daher nachvollziehbar, dass die Beklagte die 1/30-Methode angewandt hat, weil diese von der Klägerin für den ersten Erstattungsmonat, den Januar 2014, zugrunde gelegt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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