L 4 AS 89/18

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 26 AS 4305/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 89/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wehrt sich gegen seine Einstufung als erwerbsunfähig und wendet sich in diesem Zusammenhang gegen den Bescheid vom 27. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2014, mit welchem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) mit Wirkung zum 1. Oktober 2014 aufgehoben hat.

Der Kläger bezog von dem Beklagten seit dem Jahr 2005 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Auf die Mitteilung vom 1. August 2014 der Deutschen Rentenversicherung Nord, dass der Kläger seit dem 12. Juni 2007 dauerhaft voll erwerbsgemindert sei, hob der Beklagte mit Bescheid vom 27. August 2014 die Bescheide vom 22. Mai 2014 und 24. Juli 2014 mit Wirkung zum 1. Oktober 2014 auf. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass keine Erwerbsfähigkeit mehr vorliege.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 30. August 2014 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der Kläger nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II sei, da er die in § 7 Abs. 1 SGB II genannte Voraussetzung der Erwerbsfähigkeit nicht erfülle, was sich aus der Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung Nord vom 1. August 2014 ergebe, an die der Beklagte nach § 44a Abs. 1 Satz 6 SGB II gebunden sei.

Mit der am 8. Dezember 2014 eingegangenen Klage hat der Kläger sich gegen diesen Widerspruchsbescheid gewendet. Eine Begründung enthält die Klage nicht.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 5. Juli 2017 den Sozialhilfeträger beigeladen. Dieser hat mitgeteilt, dass der Kläger seit dem 1. Oktober 2014 Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) erhält.

Mit Gerichtsbescheid vom 27. März 2018 – nach entsprechender Anhörung – hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Aufhebungsentscheidung sei nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gerechtfertigt. Hiernach sei der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintrete. Diese Voraussetzung sei erfüllt, weil nach Erlass der Bewilligungsbescheide die Feststellung der Erwerbsunfähigkeit erfolgt sei, die nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II zum Wegfall der Leistungsberechtigung führe.

Dagegen hat der Kläger am 16. April 2018 Berufung eingelegt. Er wendet sich gegen die Richtigkeit der medizinischen Einschätzung als erwerbsunfähig. Die Begutachtung seien wenig fundiert und nachvollziehbar.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 27. März 2018 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 27. August 2014 und 28. November 2014 zu verpflichten, den Kläger Leistungen nach dem SGB II ab Oktober 2014 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Mit Beschluss vom 15. Januar 2019 hat der Senat das Verfahren auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Akten der Deutschen Rentenversicherung und der Landesversicherungsanstalt Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

I. Das Gericht konnte aufgrund des Übertragungsbeschlusses des Senats durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

II. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet; zu Recht hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Auch der Senat sieht die Voraussetzung der Aufhebungsentscheidung als erfüllt an, nachdem der Rentenversicherungsträger die Erwerbsunfähigkeit des Klägers festgestellt hat. Der Senat nimmt insoweit entsprechend § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 27. März 2018.

Mit Blick auf das Berufungsvorbringen ist insbesondere zu erläutern, dass der Senat die Begutachtung des Klägers durch den Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsagentur Hamburg, Dr. S., vom 21. November 2013 für nachvollziehbar und tragfähig hält. Dort ist nach umfänglicher Untersuchung dem Kläger eine Persönlichkeitsfehlentwicklung mit Schwierigkeiten im emotionalen und sozialen Bereich, mit deutlichen Verhaltensauffälligkeiten und Zeichen der Desintegration, attestiert und eine chronische Behinderung bescheinigt worden. Es bestehe daher eine Leistungsfähigkeit von weniger als drei Stunden täglich, voraussichtlich länger als sechs Monate, aber nicht auf Dauer. Mit dieser Einschätzung ist eine Erwerbsunfähigkeit im Sinne von § 8 SGB II gegeben. Der Gutachter führt weiter aus, dass ohne Störungseinsicht und Annahme von Hilfen eine Integration auch auf lange Sicht nicht wahrscheinlich sei; gerade daran fehlt es aber dem Kläger auch nach dem Eindruck aus der mündlichen Verhandlung des Senats.

Die Einschätzung entspricht im Ergebnis auch der Begutachtung durch den Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit, Dr. H., vom 12. Juni 2007, der aufgrund einer ausgeprägten Persönlichkeitsstörung/DD latente Psychose, zur Einschätzung der Erwerbsunfähigkeit kam. Aus den Akten ergibt sich weiter, dass bereits seit 1991 vielfach die ärztliche Feststellung der Erwerbsunfähigkeit vorliegt (vgl. etwa die zusammenfassende Stellungnahme des ärztlichen Prüfdienstes, Dr. R., vom 8.7.1997, Bl. 112 ff. der DRV-Akte); der Kläger wehrt sich seitdem dagegen und hatte 1997 insoweit Erfolg, als dass die Zahlung einer Erwerbsunfähigkeitsrente eingestellt wurde aufgrund seiner Einwände, gesund zu sein und die psychische Erkrankung nur vorgespielt zu haben. Letzteren Einwand erhebt der Kläger aber gegen die neuerlichen Begutachtungen nicht, wie er überhaupt keine substantiierten, etwa durch ärztliche Bescheinigungen unterlegten Einwände erhebt, sondern einfach die Richtigkeit der ärztlichen Feststellungen bestreitet. Das genügt angesichts der Aktenlage indes nicht.

Der Senat hat dem Kläger verschiedene Wege vorgestellt, eine gegebenenfalls bestehende Unrichtigkeit der Feststellung der Erwerbsunfähigkeit aufzeigen und eine Neubegutachtung erreichen zu können. Dass der Kläger aber seine schlicht ablehnende Haltung überwinden könnte und durch ärztliche Untersuchung/Behandlung bzw. Aufnahme einer bezahlten oder ehrenamtlichen Tätigkeit seine Leistungsfähigkeit dokumentieren wollte, hat sich nicht als eine realistische Perspektive für ihn gezeigt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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