L 4 AS 151/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 35 AS 734/18
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 151/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird als unzulässig verworfen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten.

Der 1965 geborene erwerbsfähige Kläger beantragte am 26. Mai 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes beim Beklagten. Er gab an, Arbeitseinkommen aus Erwerbstätigkeit bei der A GmbH gehabt zu haben. Er sei geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft gewesen, die im Mai 2017 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe. Seinen Lebensunterhalt habe er bisher über das Geschäftsführerverrechnungskonto, durch Darlehen und durch den Verkauf einer Eigentumswohnung sicherstellen können. Er verfüge über ein Konto bei der Bank, über Bargeld in Höhe von 290,00 Euro sowie über einen Golf IV mit Erstzulassung 2003, jedoch über keine weiteren Vermögenswerte.

Der Kläger wurde mit Schreiben vom 3. Juli 2017 im Hinblick auf seine Beteiligung an der A GmbH aufgefordert, Nachweise über das Insolvenzverfahren sowie eine Kopie der Kontoauszüge aller Privat- und Geschäftskonten der letzten sechs Monate vorzulegen. Eine weitere Aufforderung folgte für geschäftliche Unterlagen mit Schreiben vom 4. Juli 2017.

Der Kläger reichte diverse Unterlagen ein, aus denen sich ergab, dass er tatsächlich Gesellschafter und Geschäftsführer der B mbH war, weshalb ihn der Beklagte mit Schreiben vom 18. Juli 2017 aufforderte, sich auch hierzu zu erklären und vollständige Kontoauszüge ab dem 1. Dezember 2016 aller seiner Privatkonten und der Geschäftskonten einzureichen. Der Kläger erläuterte sodann schriftlich die geschäftlichen Verflechtungen zwischen der A GmbH und der B GmbH und reichte Kontoauszüge seines Kontos bei der Bank für den Zeitraum 1. Dezember 2016 bis 31. Juli 2017, Umsatzanzeigen hinsichtlich seines Ka.Kontos und Kontoauszüge der B GmbH ein. Der Beklagte bekam sodann über das Handelsregister Kenntnis darüber, dass der Kläger mittlerweile eine Tätigkeit als Geschäftsführer bei der C GmbH aufgenommen hatte.

Mit Bescheid vom 22. September 2017 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers schließlich ab. Zur Begründung führte er aus, dass die bisher getätigten Angaben und eingereichten Unterlagen lückenhaft seien und nicht ausreichend, die Hilfebedürftigkeit des Klägers nachzuweisen. Die Angaben seien hinsichtlich des Vermögens und der aktuellen Einkommenssituation nach wie vor unvollständig und nicht transparent.

Anschließend wurde durch ein eingeleitetes Kontenabrufverfahren bekannt, dass der Kläger über bisher nicht mitgeteilte Konten bei der Y Bank, bei der X Bank und bei der Z Bank verfügte. Zwei weitere Konten bei der X Bank wurden zudem erst am 21. Februar 2017 und damit wenige Wochen vor der Antragstellung beim Beklagten geschlossen.

Der Kläger legte anwaltlich vertreten Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid ein und gab an, die Geschäftsführung eines neu gegründeten Unternehmens unentgeltlich übernommen zu haben. Er reichte sodann Unterlagen für die B GmbH ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2018 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid zurück. In der Begründung heißt es, dass der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass Hilfebedürftigkeit und damit ein Anspruch nach dem SGB II bestehe. Der Kläger habe seine Hilfebedürftigkeit plausibel und widerspruchsfrei darzulegen und durch Vorlage von Nachweisen zu belegen. Dies sei dem Kläger nicht gelungen.

Daraufhin erhob der Kläger am 26. Februar 2018 Klage. Er erklärte u.a., dass die Zuflüsse auf seinem Privatkonto Privatdarlehen seien und er alle erforderlichen Angaben und Unterlagen eingereicht habe. Der Beklagte entgegnete, dass weiterhin u.a. Unterlagen zur B GmbH, zur Beschäftigung als Geschäftsführer bei der C GmbH und Kontoauszüge zu den durch das Kontenabrufverfahren offen gelegten weiteren Konten des Klägers fehlten. Das Sozialgericht forderte den Kläger auf, die geforderten Kontoauszüge einzureichen, und setzte zuletzt mit Schreiben vom 28. Januar 2019 unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 106a SGG eine Frist von sechs Wochen zur Einreichung vollständiger lückenloser Kontoauszüge aller Konten des Klägers und der B GmbH für den Zeitraum vom 1. Dezember 2016 bzw. ab Kontoeröffnung bis 28. Januar 2019, des Geschäftsführervertrags bei der C GmbH, von Gehaltsabrechnungen, von Nachweisen über den Verbleib des Erlöses aus dem Verkauf der Eigentumswohnung, des Jahresabschluss der B GmbH 2017, von Betriebs-, Heiz- und Wasserkostenabrechnungen aus 2017 und 2018 sowie von Nachweisen darüber, wovon der Kläger seit Juni 2017 gelebt habe. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Klage abzuweisen, sollte er die Unterlagen nicht innerhalb der gesetzten Frist einreichen. Die Beteiligten wurden zudem zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Das gerichtliche Schreiben wurde dem Kläger am 30. Januar 2019 zugestellt.

Mit Gerichtsbescheid vom 1. April 2019 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führt es aus, die in zulässiger Weise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gegen den Beklagten. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 SGB II erhielten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassten dabei den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Korrespondierend hierzu bestimme § 7 Abs. 1 Satz 1, dass erwerbsfähiger Leistungsberechtigter derjenige sei, der das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht habe (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) sowie hilfebedürftig sei (Nr. 3) und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland habe. § 9 Abs. 1 SGB II bestimme hierzu, dass hilfebedürftig derjenige sei, der seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern könne und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhalte. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt, dass er tatsächlich nicht über ausreichend Einkommen und Vermögen verfüge, um seinen Lebensunterhalt zu decken. Der Kläger habe bei Antragstellung im Juni 2017 angegeben, über ein Konto bei der Bank zu verfügen, und habe hierzu im Verwaltungsverfahren – neben Kontoauszügen eines Ka.Kontos und Kontoauszügen der B GmbH – auch Kontoauszüge für den Zeitraum 01. Dezember 2016 bis 31. Juli 2017 vorgelegt. Indes habe das Kontenabrufverfahren vom 6. Oktober 2017 ergeben, dass der Kläger über weitere Privatkonten verfüge und zwar bei der Y Bank mit der Kontonummer , bei der X Bank mit der Kontonummer sowie bei der Z Bank mit der IBAN. Darüber hinaus habe er bis zum 21.02.2017 über ein Konto bei der X Bank mit der Kontonummer und über ein Konto mit der IBAN verfügt. Er sei daher schon vom Beklagten mit Schreiben vom 03. Juli 2017 aufgefordert worden, Kontoauszüge der letzten sechs Monate aller Privat- und Geschäftskonten vorzulegen, was er nicht getan habe. Die Vorlage von Kontoauszügen sei erforderlich, um die Hilfebedürftigkeit des Klägers festzustellen, weil aus den Kontoauszügen die zurückliegenden Kontenbewegungen ersichtlich würden. Nur so könne überprüft werden, ob der Kläger Einkommen erhalten habe oder über Vermögen verfüge. Anhand des Inhaltes der Verwaltungsakte sei das Sozialgericht nicht in der Lage, sich ein umfassendes Bild über die Einkommens- und Vermögenssituation des Klägers zu machen. Insbesondere im Hinblick darauf, dass der Kläger diese Konten nicht bei Antragstellung angegeben und bis heute nicht offengelegt habe, ergäben sich Zweifel an der Hilfebedürftigkeit. Es fehle nach wie vor an einem Nachweis über den Verbleib des Verkaufserlöses der Eigentumswohnung, über die mit dem Erlös gewährten Darlehen an die A GmbH sowie Nachweise zu der Einkommenslage aus der Geschäftsführertätigkeit bei der C GmbH. Die Hilfebedürftigkeit habe somit nicht ermittelt werden können. Eine weitere Ermittlung sei nicht möglich, denn diese hätte der Mitwirkung des Klägers bedurft. Trotz Aufforderung zur Vorlage vollständiger Kontoauszüge für den streitigen Zeitraum mit gerichtlichem Schreiben vom 28. Januar 2019 und Fristsetzung unter Belehrung der Konsequenzen einer Präklusion nach § 106a SGG bei Fristversäumnis sei der Kläger untätig geblieben. Nach dem im Bereich des SGB II geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast habe indes der Kläger das Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale für die begehrten Leistungen nachzuweisen. Deshalb trage der Kläger die Beweislast, denn er begehre Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und mache geltend, er wäre hilfebedürftig gewesen. Es gehe daher zu seinen Lasten, wenn in seiner Verantwortungssphäre wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar seien und die Aufklärung des Sachverhalts durch unterlassene Angaben oder unzureichende Mitwirkung verhindert werde.

Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger per Postzustellungsurkunde am 4. April 2019 zugestellt. Mit Schreiben vom 2. Mai 2019, eingegangen bei Gericht am 14. Mai 2019, hat der Kläger Berufung eingelegt.

Am 17. Oktober 2019 hat das Landesozialgericht eine nichtöffentliche Sitzung zur Erörterung des Sachverhaltes durchgeführt. Mit gerichtlichem Hinweis vom 25. Oktober 2019 ist der Kläger nochmals darauf hingewiesen worden, dass er sämtliche Kontoauszüge für den Zeitraum, für den er Leistungen begehre, vorzulegen habe. Am 14. Februar 2020 hat das Landessozialgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

Der Kläger beantragt nach Lage der Akten, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 1. April 2019 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 22. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2018 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in gesetzlicher Höhe ab Mai 2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt nach Lage der Akten, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten und der Verwaltungsakten verwiesen. Sie haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

I. Der Senat konnte in der Besetzung mit der Berichterstatterin als Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern entscheiden, weil die Berufung durch Beschluss vom 27. Dezember 2019 gem. § 153 Abs. 5 SGG übertragen wurde. Der Senat konnte trotz Nichterscheinens des Klägers aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, da der Kläger ordnungsgemäß geladen worden ist. Er wurde mit der Ladung vom 24. Januar 2020 darauf hingewiesen, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und nach Lage der Akten entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Kläger hat sich am Morgen der mündlichen Verhandlung telefonisch krankgemeldet. Eine Verlegung des Termins hat er nicht beantragt.

II. Die Berufung ist unzulässig. Sie wurde nicht fristgemäß eingelegt.

Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 1. April 2019 wurde dem Kläger am 4. April 2019 durch die Post mit Postzustellungsurkunde bekannt gegeben. Gerichtsbescheide sind gem. § 105 Abs. 1 i.V.m. § 133 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zuzustellen. Die Zustellung erfolgt gem. § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO). Danach kann, wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO (Zustellung durch Übergabe an eine Person) nicht ausführbar ist, die Zustellung durch Einlegen in den zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung bewirkt werden (§ 180 Satz 1 ZPO). Dass die Voraussetzungen für eine solche Ersatzzustellung vorgelegen haben, ist durch die Zustellungsurkunde gem. § 182 Abs. 1 Satz 2, § 418 Abs. 1 ZPO bewiesen. Danach erfolgte hier die Zustellung in den zur Wohnung des Antragstellers unter der Adresse Hamburg, gehörenden Briefkasten. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO).

Die Berufungsfrist von einem Monat endete nach § 173 Satz 1, § 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGG – weil das Ende der Frist (hier der 4. Mai 2019) auf einen Sonnabend fiel – am Montag, den 6. Mai 2019. Der Eingang der Berufung am Dienstag, den 14. Mai 2019, erfolgte damit zu spät.

Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 67 SGG liegen nicht vor. Gründe dafür, dass der Kläger im Sinne des § 67 Abs. 1 SGG ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, sind nicht ersichtlich. Er hat auch keine vorgetragen.

Die Berufung ist zudem unbegründet.

Das Sozialgericht hat die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG statthafte und auch sonst zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Der Be¬schei¬d vom 22. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2018 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rech¬ten. Er kann für die Zeit ab Mai 2017 keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beanspruchen, denn seine Hilfebedürftigkeit ist nicht nachgewiesen.

Zur Begründung wird in vollem Umfang auf die Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 136 Abs. 3 SGG), denen der Senat folgt. Hilfebedürftigkeit als Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ist im Falle des Klägers nicht nachgewiesen. Die Kontoauszüge aller seiner Konten hat der Kläger auch im Berufungsverfahren bis heute nicht vorgelegt, obwohl er auf die Notwendigkeit erneut mit richterlichem Hinweis vom 25. Oktober 2019 hingewiesen worden ist und erneut eine Frist gewährt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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