L 3 R 16/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 17 R 450/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 16/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch deren notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung ihres 1946 geborenen und 2014 verstorbenen Ehemannes K R(Versicherter).

Ihren Ehemann lernte die 1954 geborene Klägerin im Jahre 1970 kennen. Das Paar heiratete im Jahre 1973, die erste gemeinsame Tochter (Zeugin D R) kam 1975 zur Welt. Die Ehepartner machten sich im Jahre 1980 gemeinsam selbständig, was jedoch zur Belastung des Privat- und Ehelebens und letztlich zur Scheidung im Jahr 1983 führte. Nach ihrer Versöhnung kam im Jahre 1985 die zweite gemeinsame Tochter (Zeugin W R) zur Welt.

Der Versicherte bezog ab dem 01. Mai 2009 eine Altersrente für langjährig Versicherte in Höhe von 685,81 EUR netto (Juni 2013) bzw. in Höhe von 708,36 EUR netto (ab Juli 2013) sowie eine Verletztenrente von der Berufsgenossenschaft nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 von Hundert in Höhe von monatlich 292,71 EUR netto (Juni 2013) bzw. in Höhe von 302,34 EUR netto (ab Juli 2013). Hinzu kam aus der selbständigen Tätigkeit des Versicherten als Schankanlagenmonteur ein Einkommen als Einzelunternehmer, welches im Jahr 2011 laut Steuerbescheid 1.867,- EUR betrug.

In der Zeit vom 26. Juni bis zum 18. Juli 2013 musste sich der Versicherte erstmals wegen einer während der Arbeitszeit aufgetretenen Synkope - bei vorangegangenem Gewichtsverlust seit 3 Monaten von ca. 10 kg, Unwohlsein mit Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit seit ca. 4 Wochen - über die Rettungsstelle in die stationäre Behandlung der Klinik für Gastroenterologie und Infektiologie des Klinikums E, P, begeben. Bei den Untersuchungen wurde unter anderem ein hepatisch metastasiertes Prostatakarzinom mit lokalen Lymphknotenmetastasen und Verdacht auf eine ossäre Metastasierung der 7. Rippe rechts dorsal festgestellt (Entlassungsbericht vom 18. Juli 2013). Am 15. Juli 2013 wurde eine Port-lmplantation rechts durchgeführt in Vorbereitung der anstehenden palliativen Chemotherapie.

Beide Ehegatten wurden in einem persönlichen Gespräch im Krankenhaus vollständig über die Diagnose aufgeklärt. Nachdem das Paar die Eheschließung vor dem Standesamt der Stadt J am 16. Juli 2013 offiziell angemeldet und damit das Aufgebot bestellt hatte, fand die Eheschließung am Freitag, den 26. Juli 2013, statt. Bei der standesamtlichen Trauung waren außer dem Ehepaar keine Gäste anwesend. Gefeiert wurde tags darauf im engen Familienkreis im Garten.

Am 31. Juli 2013 wurde im Klinikum die palliative Chemotherapie mit Cisplatien-Etoposid eingeleitet (1. Zyklus, stationär bis 06. August 2013, Entlassungsbericht vom 06. August 2013) und ab dem 21. August 2013 (2. Zyklus, Entlassungsbericht vom 26. August 2013), bzw. ab dem 13. September 2013 (3. Zyklus, Entlassungsbericht vom 17. September 2013) jeweils stationär fortgesetzt. Bei der Remissionskontrolle am 04. Oktober 2013 zeigte sich eine Größenregredienz der bisher erhobenen Befunde (Entlassungsbericht vom 07. Oktober 2013), so dass die Chemotherapie fortgesetzt wurde (4. Zyklus ab dem 07. Oktober 2013, 5. Zyklus ab dem 25. Oktober 2013, 6. Zyklus ab dem 15. November 2013 (Entlassungsberichte vom 07. Oktober, 28. Oktober und 18. November 2013). Die Remissionskontrolle am 13. Dezember 2013 zeigte keine Veränderung zur 1. Kontrolle (Entlassungsbericht vom 06. Januar 2014).

Bei der erneuten stationären Aufnahme über die Rettungsstelle am 18. Februar 2014 wegen akuter schwere Hyponatriämie zeigte sich ein Progress des neuroendokrinen Prostatakarzinoms, jetzt mit gesicherten Leber-, Lungen- und weiteren Knochenmetastasen sowie Hirnmetastasen (Entlassungsberichte vom 15. März 2014). Es erfolgte bei Nachweis eines extrahepatischen Gallenaufstaus (bei Turmormanifestation im Bereich des Leberhilus) eine operative Intervention. Des Weiteren wurde eine palliative Hirnschädel-Bestrahlung bis Mitte März 2014 durchgeführt. Im April 2014 wurde eine weitere Tumorpogression im Bereich des Beckens (Prostata und Harnblase) mit Nachweis eines Harnaufstaus festgestellt. Deshalb erfolgte eine lokale Bestrahlung von Prostata und Harnblase mit schlechter Toleranz und weiterer Verschlechterung des Allgemeinzustandes (Arztbrief vom 30. April 2014).

Nach erneuter stationärer Aufnahme am 05. Mai 2014 verstarb der Versicherte am 07. Mai 2014 an Multiorganversagen als Folge der Krebserkrankung (Totenschein vom 07. Mai 2014, Sterbeurkunde vom 12. Mai 2014).

Am 03. Juni 2014 beantragte die Klägerin, die seit 2001 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht (651,97 EUR netto ab Juli 2012 bzw. 673,26 EUR netto ab Juli 2013) bei der Beklagten die Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des Verstorbenen.

Mit Bescheid vom 06. November 2014 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Witwenrente mit dem Verweis auf § 46 Abs. 2a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab, da die am 26. Juli 2013 mit dem Versicherten geschlossene Ehe nicht mindestens 1 Jahr gedauert habe. Die von Amts wegen durchgeführte Prüfung habe ergeben, dass keine Gründe gegen das Vorliegen einer Versorgungsehe sprechen würden.

Hiergegen erhob die Klägerin am 10. Dezember 2014 Widerspruch. Mit Schriftsätzen vom 02. Februar und 27. April 2015 führte sie - anwaltlich vertreten - zur Begründung aus, dass sie nicht aus Versorgungsgründen habe heiraten müssen, sondern schon selbst versorgt gewesen sei. Nach der Scheidung 1983 habe man wieder zueinander gefunden, die zweite Tochter sei 1985 geboren. Wie ein Ehepaar habe man gute und schlechte Zeiten durchlebt, die Liebe sei damit gewachsen. Daher sollte bereits 2003 nochmals geheiratet werden. Aufgrund ihrer schweren Erkrankung sei es aber nicht dazu gekommen. Das gemeinsame Geschäft habe man schließen, die Hochzeit zurückstellen müssen. In den Folgejahren habe der Versicherte wieder eine Firma gegründet, während es ihr gesundheitlich wieder etwas besser gegangen sei. Die Hochzeit sei erneut für 2013 geplant worden - aus Nostalgie 40 Jahre nach der ersten Hochzeit. Im Juni sei der Verdacht auf Prostatakrebs aufgekommen. Im Krankenhaus sei das Paar in einem persönlichen Gespräch vollständig über die Diagnose aufgeklärt worden. Die behandelnde Ärztin habe jedoch gesagt, das sei "kein Grund zum Sterben", man könne noch viele Jahre leben. Davon sei auch sie bei der Hochzeit am 26. Juli 2013 ausgegangen. Da die Hochzeit bereits vorbereitet gewesen sei, sollte sie dieses Mal nicht wieder verschoben werden. Sie und ihr Ehemann hätten sich bereits am 27. Mai 2013 einen Termin bei der Standesbeamtin der Stadt J, der Zeugin S, geben lassen. Bei diesem Termin sei auch der Hochzeitstag festgelegt und ihnen mitgeteilt worden, welche Unterlagen noch beizubringen seien. Da der Termin der Eheschließung dann jedoch wiederum durch die hernach notwendig gewordenen Therapietermine des Versicherten in Frage gestanden habe, habe die Zeugin S - auch im Telefonkontakt - erklärt, dass das Aufgebot auch noch relativ kurzfristig schriftlich bestätigt werden könne. Nach Rücksprache mit der behandelnden Ärztin der Klinik sei dann bekannt gewesen, dass der Versicherte bis zum Zeitpunkt der voraussichtlichen Eheschließung das Krankenhaus verlassen könne. Die behandelnde Ärztin habe auch bestätigt, dass es keinen Grund für Sorgen gäbe, da die Ehe der Eheleute noch sehr lange bestehen werde und der Versicherte mit dieser Prognose noch viele Jahre lang leben könne. Das Aufgebot selbst sei dann am 16. Juli 2013 bei der Standesbeamtin, der Zeugin S, bestellt und von dieser der Hochzeitstermin für den 26. Juli 2013 schriftlich bestätigt worden.

Die Klägerin fügte die Auskunft der Stadt J, Der Standesbeamte, vom 28. Mai 2015 bei, in der die Zeugin S mitteilte, dass von ihr nicht mehr nachvollzogen werden könne, wann genau sie den Termin der Eheschließung "26. Juli 2013" in ihren Kalender eingetragen habe. Grundsätzlich könne die Anmeldung der Eheschließung nur innerhalb eines halben Jahres vor dem eigentlichen Termin bei einem Standesamt vorgenommen werden. Weiterhin legte die Klägerin eine schriftliche Erklärung ihrer Tochter, der Zeugin D R, vom 13. Juli 2015 vor, in der diese bestätigt, die Hochzeit ihrer Eltern ausgestattet zu haben. Als Hochzeitsgeschenke hätten sie und ihr Lebensgefährte alle Kosten für Getränke und Essen übernommen. Es habe sich um eine reine Privatfeier gehandelt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2015 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass sie zur Prüfung des Vorliegens einer Versorgungsehe die Arztbriefe aus dem Klinikum E vom 18. Juli 2013, 06. und 26. August 2013, 17. September 2013, 07. und 28. Oktober 2013, 18. November 2013, 06. Januar 2014, 05. und 15. März 2014 beigezogen habe. Danach habe bereits seit Juni 2013 die zum Tod führende Krebserkrankung bestanden. Bei Nachweis eines mehrfach metastasierenden Karzinoms sei am 15. Juli 2013 nach entsprechender Aufklärung ein Port für die dann am 31. Juli 2013 eingeleitete palliative Chemotherapie implantiert worden. Eine kurative Behandlung des Versicherten sei demnach von Anfang an nicht mehr möglich gewesen.

Hiergegen hat die Klägerin am 06. Oktober 2015 Klage vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben. Unter Wiederholung ihres Vorbringens aus dem Vorverfahren hat die Klägerin zur weiteren Begründung vorgetragen: Nach der Prognose der behandelnden Ärztin seien sie und ihr langjähriger Lebensgefährte davon ausgegangen, dass er noch viele Jahre trotz seiner Diagnose hätte leben können. Dass der Versicherte sodann am 07. Mai 2014 verstorben sei, sei unvermittelt, d. h. plötzlich und unerwartet zu diesem Zeitpunkt erfolgt. Vorliegend sei die Eheschließung nicht aufgrund eines Absicherungsgedankens erfolgt, sondern aufgrund des gemeinsam geführten 43 jährigen Zusammenlebens. Dass ihr Ehemann an einer schweren Erkrankung gelitten habe, habe mit den Beweggründen der Heirat nichts zu tun gehabt. Nach dem Verlauf der Erkrankung und den Therapien hätten sie und ihr Ehemann nicht davon ausgehen müssen, dass dieser in derart kurzer Zeit versterben würde. Auch sei insbesondere aufgrund der Tatsache, dass ihrem Ehemann sehr gute Überlebenschancen eingeräumt worden seien, nicht von einer Offenkundigkeit auszugehen gewesen. Sie habe keinen Versorgungsgedanken gehabt, da sie aufgrund eigenen Einkommens bereits umfassend versorgt gewesen sei.

Das SG hat die Behandlungsunterlagen des Verstorbenen bezüglich seiner stationären Behandlungen vom 18. Februar bis zum 07. Mai 2014 vom E Klinikum P sowie des den Versicherten ab dem 03. Juni 2013 behandelnden Facharztes für Innere Medizin Dr. N beigezogen und sodann Beweis erhoben durch die Einholung der fachinternistisch-onkologischen gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom Facharzt für Innere Medizin/Hämatologie und internistische Onkologie/Sozialmedizin PD Dr. M vom 17. März 2018. Der Sachverständige ist nach Auswertung der Behandlungsunterlagen zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin und der Versicherte zum Zeitpunkt ihrer Heirat Ende Juli 2013 bei der gebotenen ex-ante-Sicht aufgrund der ihnen vorliegenden Informationen von einer Lebenserwartung von etwa 16 Monaten (durch Therapiestudien etablierte Gesamtüberlebenszeit von betroffenen Patienten) hätten ausgehen können. Für den Versicherten und die Klägerin sei zu diesem Zeitpunkt keinesfalls erkennbar gewesen, dass die restliche Lebenszeit sich auf nur noch 10 Monate begrenzen würde. Unter dem 19. Oktober 2018 hat Dr. M ergänzend zu der von der Beklagten eingereichten Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes (Facharzt für Innere Medizin/Sozialmedizin Dr. F) vom 13. April 2018 Stellung genommen. Mit Urteil vom 24. Oktober 2018 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 06. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2015 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin auf deren Antrag vom 03. Juni 2014 eine große Witwenrente zu gewähren sowie der Beklagten die Kosten aufgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen würden, überwiegen. Zwar habe der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung seit Juni 2013 an der letztendlich zu seinem Tod führenden Krebserkrankung gelitten. Jedoch spreche gegen eine Versorgungsehe der Umstand, dass sich die Klägerin und ihr Ehemann bereits am 27. Mai 2013 beim zuständigen Standesamt der Stadt J den Hochzeitstermin für den 26. Juli 2013 hätten geben lassen. Danach hätten die Heiratspläne der Eheleute vor dem Bekanntwerden der schweren Erkrankung des Versicherten nachweislich vorgelegen. Für die Kammer sei dieser Umstand nicht zuletzt auch deshalb plausibel, weil die Klägerin ihren Ehemann bereits im Jahre 1970 kennengelernt und das Paar 1973 geheiratet habe. Nach einer Scheidung im Jahre 1983 habe das Paar wieder zusammengefunden und im Jahre 1985 sei die zweite gemeinsame Tochter geboren worden. Für die Kammer sei aus diesen Gründen der Vortrag der Klägerin, dass man im Jahre 2013, 40 Jahre nach ihrer ersten Heirat ein zweites Mal aus nostalgischen Gründen habe heiraten wollen, überzeugend. Soweit die Klägerin behaupte, die behandelnde Ärztin habe in der schweren Erkrankung ihres Ehemannes "keinen Grund zum Sterben" gesehen und man könne mit dieser Erkrankung noch viele Jahre leben, sei dies für die Kammer vor dem Hintergrund der fachinternistisch-onkologischen gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage von Dr. M vom 17. März 2018 glaubhaft. So sei durch die palliative Chemotherapie von Juli bis November 2013 beim Verstorbenen zunächst eine partielle Tumorremission erreicht worden, bevor dann ein sehr rascher und letztendlich auch palliativ nicht beherrschbarer Krankheitsverlauf des aggressiven Tumorleidens eingetreten sei. Gleichwohl hätte das Paar zum Zeitpunkt der Heirat bei der gebotenen ex-ante-Sicht und aufgrund der ihnen vorliegenden Informationen durchaus von einer Lebenserwartung von mehr als 1 Jahr ausgehen können. Es sei für beide zu diesem Zeitpunkt keinesfalls erkennbar gewesen, dass sich die restliche Lebenszeit auf nur noch 10 Monate begrenzen würde. Grundsätzlich sei, so der Sachverständige, im Hinblick auf die Verlaufsdaten dieser schweren Erkrankung davon auszugeben, dass eine in der Zwischenzeit durch Therapiestudien etablierte Gesamtüberlebenszeit von 16 Monaten im Einzelfall erreicht werden könne, aber naturgemäß, wie dann retroperspektiv beim Versicherten zu beobachten, nicht erreicht werde. Darüber hinaus habe bei der Klägerin auch deshalb keine Versorgungslage zum Zeitpunkt ihrer Heirat vorgelegen, weil sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von zuletzt 842,36 Euro brutto monatlich seit dem 01. Juli 2015 beziehe und auch Wohngeld in Höhe von monatlich 29,00 Euro ab dem 01. Juni 2015 erhalte, womit ihr Lebensstandard hinreichend abgesichert sei.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 17. Dezember 2018 zugestellte Urteil am 07. Januar 2019 Berufung eingelegt. Soweit das SG in seinen Entscheidungsgründen ausgeführt habe, dass der Heiratstermin bereits am 27. Mai 2013, also vor Feststellung der lebensbedrohlichen Krankheit, beim Standesamt der Stadt J konkret vereinbart worden sei, habe es den Eindruck vermittelt, dass dieser Umstand zweifelsfrei nachgewiesen worden sei, womit auch die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe widerlegt wäre. Wäre dem so, würde sich die Beklagte dieser Auffassung anschließen und hätte auch die Berufung nicht eingelegt. Allerdings gäben die Feststellungen des SG dies nicht her, da die Vereinbarung des konkreten Heiratstermins vor dem Standesamt der Stadt J lediglich von der Klägerin behauptet worden sei. Aus dem Schreiben der Standesbeamtin an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin vom 28. Mai 2015 gehe lediglich hervor, dass von ihr nicht mehr nachvollzogen werden könne, wann der Heiratstermin konkret vereinbart worden sei. Damit sei die konkrete Vereinbarung des Heiratstermins vor Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Krankheit gerade nicht nachgewiesen, was im Hinblick auf die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI zulasten der Klägerin gehe. Zudem sei bei der Anmeldung der Eheschließung eine Niederschrift anzufertigen, wie § 28 Abs. 2 der Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes vorsehe. Sollten die Unterlagen des Standesamtes J den Vortrag der Klägerin bestätigen, würde die Beklagte die Berufung zurücknehmen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgericht Potsdam vom 24. Oktober 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die erstinstanzliche Entscheidung, die sie für zutreffend hält und wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen. Zweck der Heirat sei nicht der Versorgungsgedanke gewesen, sondern das gemeinsam, über 43 Jahre geführte Leben. Auf Nachfrage des Senates hat die Klägerin unter dem 20. August 2019 mitgeteilt, dass der Versicherte weder ein Testament noch Geldanlagen, Lebensversicherungen oder sonstige Vermögenswerte zu ihren Gunsten hinterlassen habe.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 05. März 2020 die Zeuginnen A S sowie D und W R vernommen; hinsichtlich des Ergebnisses der Vernehmung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die beigezogenen Behandlungsunterlagen des Versicherten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat mit dem angefochtenen Urteil im Ergebnis zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 06. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2015 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin auf deren Antrag vom 03. Juni 2014 eine große Witwenrente zu gewähren. Die Klägerin hat Anspruch auf große Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes, des Versicherten.

Dies folgt aus § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI in der ab dem 01. Januar 2008 geltenden Fassung. Danach haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, u. a. dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie erwerbsgemindert sind. Diese Vor-aussetzungen erfüllt die Klägerin, denn sie ist die Witwe des am 07. Mai 2014 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt hatte. Auch bezog sie im Zeitpunkt seines Todes Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Ihr Anspruch auf große Witwenrente ist nicht nach § 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen, wonach Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente haben, wenn die Ehe nicht mindestens 1 Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Angesichts der nur knapp 10-monatigen Dauer der Ehe der Klägerin und des Versicherten ist mithin nach den gesetzlichen Vorgaben von einer Versorgungsehe auszugehen. Die sich daraus ergebende Rechtsfolge – der Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente – tritt ausnahmsweise nur dann nicht ein, wenn aufgrund besonderer Umstände die Annahme, die Erlangung einer Versorgung sei der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen, nicht gerechtfertigt erscheint.

Der Begriff der "besonderen Umstände" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher von den Rentenversicherungsträgern und den Sozialgerichten mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muss und dessen Beurteilungsspielraum der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt, ohne dass sich aus der Vorschrift selbst ergibt, was unter den besonderen Umständen des Falles zu verstehen ist. Da § 46 Abs. 2a SGB VI vom Gesetzgeber bewusst den entsprechenden Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 65 Abs. 6 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII)) und der Kriegsopferversorgung (§ 36 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG)) nachgebildet ist (vgl. Bundestagsdrucksache 14/5495 Seite 44; siehe auch die inhaltsgleiche Norm des § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG)), kann an die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Begriff der besonderen Umstände angeknüpft werden. Danach sind "besondere Umstände" alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls, welche auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen, wobei es auf die gegebenenfalls auch voneinander abweichenden Beweggründe beider Ehegatte ankommt, es sei denn, dass der hinterbliebene Ehegatte den Versicherten beispielsweise durch Ausnutzung einer Notlage oder Willensschwäche zur Eheschließung veranlasste. Die Annahme des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens 1 Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder, weil der Wortlaut auf den alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat abhebt, zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat. Eine abschließende Typisierung und Pauschalierung der von der Versorgungsabsicht verschiedenen ("besonderen") Gründe im Rahmen der Vorschrift ist angesichts der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten nicht möglich. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalles. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind zudem nicht nur für sich – isoliert – zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist. Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei – wie nicht zuletzt bereits aus der Gesetzesbegründung deutlich wird - stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Denn als besonderer Umstand, der die gesetzliche Vermutung zu widerlegen geeignet ist, wird in dieser ausdrücklich der Unfalltod benannt (Bundestagsdrucksache 14/4595 S. 44). Umgekehrt ist im Falle der Eheschließung eines zu diesem Zeitpunkt nach objektiven Maßstäben bereits offenkundig an einer lebensbedrohlichen Krankheit mit einer ungünstigen Verlaufsprognose leidenden Versicherten und entsprechender Kenntnis der Ehegatten eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung zwar nicht gänzlich ausgeschlossen. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels am Vorliegen der vom hinterbliebenen Ehegatten zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung angeführten und zu beweisenden besonderen Umstände, welche von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme ("Vermutung") einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden. Bei alldem ist der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI nur erfüllt, wenn insoweit nach § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 292 der Zivilprozessordnung (ZPO) der volle Beweis erbracht wird. Dieser erfordert zumindest einen der Gewissheit nahe kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit; die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Hiernach ist eine Tatsache bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Wegen des im sozialgerichtlichen Verfahrens gemäß § 103 SGG geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes, muss der Betroffene zur Anspruchsbegründung den Sachverhalt nicht darlegen und beweisen. Er muss allerdings dann mit der Versagung des geltend gemachten Anspruchs auf Witwen- oder Witwerrente rechnen, wenn nach Ausschöpfung des Amtsermittlungsgrundsatzes "besondere Umstände" im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht festgestellt werden können. Denn die Darlegungs- und Beweislast für ihr Vorliegen als ein den Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, welcher den Witwen-/ Witwerrentenanspruch geltend macht (BSG, Urteil vom 05. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R-, juris Rn. 18 ff.; Beschluss vom 01. August 2019 – B 13 R 283/18 B –, juris Rn. 10).

Hiervon ausgehend ist der Senat im Rahmen einer Gesamtbetrachtung vom Vorliegen "besonderer Umstände" im Sinne von § 46 Abs. 2a SGB VI überzeugt. Die vom Senat ermittelten und einer Abwägung unterzogenen Beweggründe beider Ehegatten sowie aller äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls ergibt hier, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe des Paares insgesamt gesehen zumindest gleichwertig sind.

Vorliegend litt der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig an einer lebensbedrohenden Erkrankung, die innerhalb kurzer Zeit zum Tode führen konnte. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Entlassungsberichte des Klinikums E vom 18. Juli, 06. und 26. August, 17. September, 07. und 28. Oktober, 18. November 2013 und 06. Januar 2014 fest. Demgemäß litt der Versicherte jedenfalls seit Juni 2013 unter einem hepatisch metastasierten Prostatakarzinom mit lokalen Lymphknotenmetastasen. Jedoch kann von einer Sicherung der Diagnose eines neuroendokrinen Prostatakarzinoms, d.h. einer sehr seltenen bösartigen neuroendokrinen Tumorart, wie von PD Dr. M im Gutachten vom 17. März 2018 (Seite 3 ff.) dargelegt, erst nach Vorliegen der Ergebnisse der histologischen und molekularbiologischen Untersuchungen ausgegangen werden. Erst nach Vorliegen aller Untersuchungsergebnisse, die eine genaue Bestimmung des Tumors nach Art und Stadium ermöglichen, können die Behandler feststellen, welche Therapieoptionen (kurative oder nur noch palliative Therapien) beim Erkrankten bestehen. Daher kann vorliegend schon nicht davon ausgegangen werden, dass bei der Krankenhausaufnahme des Versicherten am 26. Juni 2013 für die Klägerin und den Versicherten die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung erkennbar war. Wie dem Entlassungsbericht des Klinikums E vom 18. Juli 2013 zu entnehmen ist, lagen die histologischen Befunde der erfolgten Biopsien der Leber am 05. Juli 2013 und der Prostata am 12. Juli 2013 vor, die jeweils ein klein- bis mittelzelliges neuroendokrines Karzinom ergaben. Erst danach konnte die mögliche Behandlungsform bestimmt und durch die Port-Implantation am 15. Juli 2013 und Beginn der palliativen Chemotherapie mit 6 Zyklen am 31. Juli 2013 eingeleitet werden. Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin und der Versicherte zum Zeitpunkt ihrer Heirat am 26. Juli 2013 bei der gebotenen ex-ante-Sicht aufgrund der ihnen vorliegenden Diagnose-Informationen durch Arztgespräche zwar nicht von einer Heilung, zumindest aber noch von einer Lebenserwartung von etwa 16 Monaten ausgehen konnten. Hierbei stützt sich der Senat auf die ihm als schlüssig erscheinenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. M im Gutachten vom 17. März 2018, der sich bei dieser Angabe auf die vermehrt vorliegenden epidemiologischen Daten in der Literatur aus Therapiestudien zur etablierten Gesamtüberlebenszeit von betroffenen Patienten beruft. Zum Zeitpunkt der Heirat, so der Sachverständige, sei sowohl für den Versicherten als auch die Klägerin keinesfalls erkennbar gewesen, dass sich die restliche Lebenszeit des Versicherten auf nur noch 10 Monate begrenzen würde. Er verweist zudem darauf, dass es sich bei dem kleinzelligen, PSA-negativen neuroendokrinen Karzinom der Prostata im Regelfall um einen raschen und letztendlich aggressiven Krankheitsverlauf handelt. Daher sei von den Ärzten sofort die für diese Tumoridentität und das gesicherte Tumorstadium einzig verbleibende Therapieoption einer naturgemäß immer palliativ konzipierten Polychemotherapie eingeleitet worden und damit für den Versicherten zumindest eine kurz andauernde partielle Remission bei zumindest initial ordentlicher Lebensqualität erreicht worden. Daraus ist zu schließen, dass der tödliche Ausgang der Krebserkrankung bei dieser Form des Tumors aufgehalten, aber nicht mehr ausgeschlossen werden kann.

Angesichts dessen kommt es zumindest nicht abschließend darauf an, ob die behandelnde Ärztin, die das Paar im Krankenhaus in einem persönlichen Gespräch vollständig über die Diagnose aufgeklärt hatte, zugleich auch gesagt habe, das sei "kein Grund zum Sterben", man könne noch viele Jahre leben. Gleichwohl stand mithin zum Zeitpunkt der Eheschließung am 26. Juli 2013 aber auch fest und war sicher dem Paar bekannt, dass die Krebserkrankung des Versicherten unheilbar war und lediglich noch palliative Maßnahmen ergriffen würden. Der Port für die palliative Chemotherapie war dem Kläger bereits am 15. Juli 2013 implantiert worden. Ausgehend davon bedurfte es besonders gewichtiger, gegen eine Versorgungsehe sprechender Umstände. Vom Vorliegen entsprechend gewichtiger Umstände ist der Senat angesichts einer Gesamtwürdigung der Ermittlungsergebnisse überzeugt.

Soweit sich die Klägerin darauf berufen hat, den Versicherten aus Liebe geheiratet zu haben, ist dies allein für den Senat noch nicht überzeugend. Zu beachten ist insofern, dass allein die Darlegung allgemeiner Gesichtspunkte, wie sie in mehr oder weniger starker Ausprägung nahezu bei jeder Eheschließung eine Rolle spielen können, für sich genommen noch nicht die Annahme "besonderer Umstände" im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI rechtfertigt (vgl. Hessisches Landessozialgericht (LSG), Urteile vom 17. November 2006 – L 5 R 19/06 – und vom 16. November 2011 – L 5 R 320/10 –, beide in juris). Daher stellt aus Sicht des Senats insbesondere die Tatsache, dass es sich bei der Beziehung der Paares um eine Liebesbeziehung handelte, keinen derartigen "besonderen Umstand" dar, da davon auszugehen ist, dass dies wesentliche Grundlage jeder Eheschließung ist (so auch: Bayerisches LSG, Urteil vom 19. November 2014 – L 19 R 1053/12 –, juris Rn. 43). Ebenso wenig reichen allein der Wunsch, nicht mehr allein zu sein, die Absicht, eine Lebensgemeinschaft auf Dauer zu begründen, das Bedürfnis, sich zum Ehepartner zu bekennen, die Anmietung einer entsprechenden Wohnung oder vergleichbare Gründe für die Annahme "besonderer Umstände" aus (vgl. Urteile des Hessischen LSG vom 16. November 2011 – L 5 R 320/10 –, des Bayerischen LSG vom 25. Januar 1972 - L 8 V 202/71 - zu § 38 Abs. 2 BVG, des LSG Berlin-Brandenburg vom 17. Mai 2006 - L 17 R 2024/05 -, vom 22. Mai 2008 – L 21 R 39/05 - und vom 17. Juli 2008 - L 8 R 583/08 -, alle in juris).

Allerdings werden als "besonderer Umstand" in der Rechtsprechung auch die Dauer und Ausgestaltung einer vor der Eheschließung bestandenen eheähnlichen Beziehung diskutiert (vgl. BSG, Beschluss vom 02. Februar 2002 - B 2 U 379/00 B –, Urteile des Bayerischen LSG vom 20. Februar 2013 – L 1 R 304/11 –, des Hessischen LSG vom 16. November 2011 – L 5 R 320/10 – und vom 24. September 2010 - L 5 R 396/09 - sowie des LSG Baden-Württemberg vom 16. Oktober 2012 – L 11 R 392/11 –, alle in juris). Vor diesem Hintergrund weist der gemeinsame Lebensweg des Paares - über 43 Jahre hinweg - Besonderheiten auf, die der Senat als Indiz gegen eine Versorgungsehe und für das Vorliegen "besonderer Umstände" betrachtet. Dabei stellt der Senat in seine Bewertung als besondere Umstände mit ein, dass das Paar bereits 1973 schon einmal geheiratet hatte und in dieser ersten Ehe 1975 die Tochter D geboren wurde. Diese Ehe wurde nach 10 Jahren – im Jahr 1983 – geschieden. Angesichts der relativ langen Dauer ihrer ersten Ehe lebte das Paar nur kurze Zeit – keine 2 Jahre - getrennt, bis es sich versöhnte, 1985 die zweite Tochter W zur Welt kam und das Paar bis zum Tod des Versicherten in einem gemeinsamen Haushalt lebte.

Dass die erneute Heirat des Paares, also eine Wiederheirat, nach dem Vortrag der Klägerin schon früher geplant war, ist angesichts dessen hier ein weiteres Indiz für das Vorliegen "besonderer Umstände". Diesbezüglich hat die Beweisaufnahme des Senates ergeben, dass eine Wiederheirat der seit vielen Jahren gemeinsam gehegte Wunsch beider Töchter war und von diesen gegenüber ihren Eltern auch mit gewissem Nachdruck seit Jahren artikuliert worden war. Dies haben sowohl die Zeuginnen W und D R als auch die Klägerin glaubhaft und zur Überzeugung des Senates bekundet.

Die Erklärung dafür, warum die Heirat dann nicht schon früher vollzogen wurde, erscheint dem Senat angesichts der - auf Nachfrage des Senates - erfolgten Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung durchaus plausibel. So wurden erste Pläne für die (Wieder-) Heirat im Jahr 2003 (30 Jahre nach der ersten Heirat) verworfen, da die Klägerin schwer erkrankt war. Nach ihrem glaubhaften Bekunden litt sie seit dem Jahr 2000 an massiven Bandscheibenbeschwerden mit Nervenschmerzen und zeitweisen Lähmungserscheinungen. Dass diese Erkrankung der Klägerin zur Verschiebung der Hochzeit führte, scheint insbesondere angesichts der weiteren Umstände, dass aus diesem Grund auch das gemeinsame Geschäft geschlossen werden musste und die Klägerin wegen dieser Krankheitsfolgen nach mehreren Rehabilitationsmaßnahmen rückwirkend ab 2001 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt wurde, für den Senat nachvollziehbar und schlüssig.

Zwar ist für sich gesehen das klägerische Vorbringen, die Hochzeit sei dann erneut, aus Nostalgie nunmehr 40 Jahre nach der ersten Hochzeit für das Jahr 2013 geplant worden, vor dem Hintergrund der dem Paar bekannten Diagnose des Versicherten noch kein "besonderer Umstand" im Sinne von § 46 Abs. 2a SGB VI. Jedoch ist es angesichts der dargelegten Begleitumstände (hier: Wiederheirat, 43jähriges Zusammenleben, erste Pläne einer Wiederheirat 2003 aus Krankheitsgründen verschoben) für den Senat nachvollziehbar, dass ernsthafte Heiratsabsichten des Paares schon vor dem Bekanntwerden der Krebsdiagnose des Versicherten und daher unabhängig von der Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung bestanden. Allerdings sind etwaige Hochzeitsplanungen nur dann geeignet, die Vermutung der Versorgungsehe zu widerlegen, wenn sie hinreichend konkret waren und sich als konsequente Verwirklichung einer schon vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsabsicht darstellen (vgl. Urteile des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) vom 25. August 2015 – L 18 KN 104/14 –, juris Rn. 34 m.w.N., und vom 03. Dezember 2013 - L 18 KN 29/13 –, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Oktober 2012 - L 11 R 392/11 -, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Januar 2017 – L 33 R 1038/14 –, juris Rn. 42).

Der Senat ist hier davon überzeugt, dass das Paar bereits Ende Mai 2013, also noch vor dem Bekanntwerden der lebensbedrohenden Erkrankung des Versicherten, konkrete Hochzeitsplanungen hatte und diese auch zu realisieren begann. Zwar konnte die Behauptung der Klägerin, sie und der Versicherte hätten die Zeugin S am 27. Mai 2013 aufgesucht, um die Modalitäten der Aufgebotsbestellung zu erfragen, und an diesem Tag sei auch bereits der konkrete Hochzeitstermin auf den 26. Juli 2013 festgelegt worden, nicht bereits durch die Aussage der Zeugin S bewiesen werden. Die Zeugin hat diesbezüglich glaubhaft ausgeführt, sich nicht mehr daran erinnern zu können, wann sie den Hochzeitstermin in ihren Kalender eingetragen hat. Dies entsprach auch bereits ihrer schriftlichen Auskunft vom 28. Mai 2015 gegenüber der Prozessbevollmächtigten der Klägerin.

Allerdings geht der Senat aufgrund einer Gesamtbewertung aller hier vorliegenden Anhaltspunkte/Indizien mit der erforderlichen Sicherheit davon aus, dass wohl Ende Mai 2013, jedenfalls noch vor dem Bekanntwerden der lebensbedrohenden Erkrankung des Versicherten im Rahmen seines stationären Aufenthaltes im Klinikum E ab dem 26. Juni 2013 das Paar beim Standesamt der Stadt J den Hochzeitstermin für den 26. Juli 2013 festgelegt hatte. Hierzu hatte die Klägerin glaubhaft bekundet, dass bei der gemeinsamen Vorsprache im Standesamt Ende Mai 2013 ihnen mitgeteilt worden war, dass an ihrem Wunschtermin "22. September 2013" keine Trauungen stattfänden, da es ein Sonntag sei. Die Suche nach einem Ersatztermin habe sich schwierig gestaltet, da schon sehr viele Termine ausgebucht gewesen seien, so dass dann der nächste freie Freitagstermin – der 26. Juli 2013 – von ihnen reserviert worden sei. Dies korrespondiert mit den von der Zeugin S bei ihrer Vernehmung beschriebenen Verhältnissen, wonach insbesondere im Sommer Hochzeitstermine im Standesamt J sehr begehrt seien und sie deswegen schon frühzeitig die Reservierung von Hochzeitsterminen ermöglichten.

Nicht zielführend ist der Verweis der Beklagten auf § 28 Abs. 2 der Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes in der Fassung vom 22. November 2008 (PStV). Nach § 28 Abs. 1 dieser Norm haben die Eheschließenden die beabsichtigte Eheschließung persönlich beim Standesamt anzumelden, wobei über die mündliche Anmeldung eine Niederschrift aufzunehmen ist (Abs. 2). Dass das Paar am 16. Juli 2013 die "Anmeldung", d. h. die Bestellung des Aufgebotes nach § 28 PStV mit Vorlage aller für die Eheschließung notwendigen Unterlagen und Dokumente vorgenommen hat, ist wohl unstreitig und wird im Übrigen belegt durch die Aussage der Zeugin S. Da es sich bei dem Termin Ende Mai offensichtlich noch nicht um die Bestellung des Aufgebotes, sondern zunächst nur um einen Termin informellen Charakter gehandelt haben kann, ist es auch unerheblich, ob es zu dem Termin eine Niederschrift gab, da diese zumindest nach § 28 PStV nicht erforderlich war.

Angesichts des letztlich relativ kurzen zeitlichen Abstands zwischen der Bestellung des Aufgebotes am 16. Juli 2013 und dem Hochzeitstermin nur 10 Tage später, am 26. Juli 2013, wird bei lebensnaher Betrachtung deutlich, dass es vor dem 16. Juli 2013 einen früheren Termin gegeben haben muss, der dazu diente, die notwendigen Unterlagen und Dokumente beim Standesamt zu erfragen, um diese besorgen und dann bei der Anmeldung am 16. Juli 2013 vorlegen zu können. Auch die Bestimmung eines Hochzeitstermins benötigt insbesondere in den Sommermonaten einen gewissen Vorlauf, da die Termine an den Wochenenden bzw. an Freitagen begehrt sind, wie ja auch die Zeugin S bei ihrer Vernehmung bestätigt hat. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass das Paar seinen ersten informellen Termin im Standesamt gemeinsam wahrgenommen hat, was dann vor dem Beginn der stationären Behandlung des Versicherten am 26. Juni 2013 erfolgt sein muss, da der Versicherte erst am 18. Juli 2013 aus der stationären Behandlung entlassen wurde.

Für die Glaubhaftigkeit des Vortrages der Klägerin, zumindest für den Umstand, dass das Paar schon vor dem 26. Juni 2013 wegen eines Hochzeitstermins und den Modalitäten des Aufgebots Kontakt zum Standesamt hatte, spricht zudem, dass das Paar bzw. die Klägerin – wie von der Zeugin S bestätigt - bei Anmeldung der Hochzeit am 16. Juli 2013 alle notwendigen Unterlagen einschließlich einer schriftlichen Vollmacht des Versicherten (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 2 PStV) hierfür vorgelegt hatte, also gut informiert und vorbereitet war. Dies wird unterstrichen durch den Umstand, dass die Besorgung bzw. Anforderung der für die Anmeldung nach § 12 Abs. 2 Personenstandsgesetz (PStG) u.a. notwendigen beglaubigten Abschriften aus dem Geburtsregister der Eheleute, hier von den Standesämtern M (Geburtsregister der Klägerin) und L (Geburtsregister des Versicherten), erfahrungsgemäß einige Zeit benötigt.

Vor diesem Hintergrund ist die Aussage der Zeugin DR glaubhaft, die sich zumindest noch an ein Vorgespräch ihrer Eltern im Standesamt im Mai 2013 – gleichwohl nicht mehr an ein genaues Datum - zu erinnern vermochte.

Insbesondere spricht es nicht gegen das Vorliegen der besonderen Umstände, dass letztlich beide Töchter, obwohl die erneute Heirat der Eltern doch ihr langjähriger Wunsch gewesen war, nicht bei der standesamtlichen Trauung zugegen waren. Beide Zeuginnen R haben übereinstimmend und glaubhaft bekundet, dass es der erklärte Wille ihrer Eltern war, alleine zum Standesamt zu gehen und die Hochzeit am Folgetag – am Samstag - im Rahmen der Familie im Garten zu feiern. Die Zeuginnen haben diesen Willen ihrer Eltern respektiert, was nachvollziehbar ist.

Gegen das Vorliegen "besonderer Umstände" spricht auch nicht, dass keine weiteren umfangreichen Hochzeitvorbereitungen getroffen wurden, sondern es sich – im Vergleich zu einer Vielzahl sich davon abhebender Hochzeitsfeiern in der heutigen Zeit – um eine relativ schlichte Hochzeitsfeier in Form einer Gartenparty im Kreis der Familien handelte. Vor dem Hintergrund, dass es sich hier ja um eine Wiederheirat handelte, haben sowohl die beiden Zeuginnen R als auch die Klägerin für den Senat nachvollziehbar und glaubhaft bekundet, dass man dieses Ereignis als reine Familienangelegenheit betrachtet habe.

Im Hinblick auf die zur Überzeugung des Senats nachgewiesenen ernsthaften Heiratsabsichten des Paares bereits vor Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten kommt es vorliegend auch nicht auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin und des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung an. Zwar verfügte der Versicherte aus Rentenbezug und geringfügiger selbständiger Tätigkeit über ein höheres Einkommen als die Klägerin, diese war bzw. ist jedoch in der Lage, mit ihrer Erwerbsminderungsrente ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Für die, eine Versorgungsabsicht widerlegenden, besonderen Umstände spricht letztlich auch, dass die Klägerin auf Nachfrage des Senates angab, dass der Versicherte ihr weder ein Testament noch Geldanlagen, Lebensversicherungen oder sonstige Vermögenswerte hinterlassen habe. Dies erscheint angesichts der Einkommenssituation des Versicherten zu Lebzeiten glaubhaft. Gegenteilige Anhaltspunkte sind aus dem Akteninhalt für den Senat nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds nach § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
Saved