Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 24 KR 125/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 191/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02.11.2001 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund tarifvertraglich geschuldeten, aber nicht gezahlten Arbeitsentgelts.
Die Klägerin betreibt unter der Firma R ... S ... einen Versandhandel mit Sportbögen und Sportbogenzubehör in D ... Die Beigeladene zu 3) war als gewerbliche Arbeitnehmerin (Befiederin) vom 01.08.1999 bis 31.12.1999 sowie im Januar und März 2000 bei der Klägerin beschäftigt. Die Beigeladene zu 4) war als Packerin vom 28.06.1999 bis 31.01.2000 sowie im März 2000 beschäftigt. Schriftliche Arbeitsverträge bestanden nicht, mündlich war ein Stundenlohn von 10,-- DM vereinbart. Die Beschäftigung wurde regelmäßig weniger als 15 Stunden pro Woche ausgeübt. Beide Beigeladene wurden aufgrund der Entgelthöhe als geringfügig Beschäftigte angesehen und es wurden die Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung abgeführt.
In dem hier streitbefangenen Zeitraum waren im Bereich des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen folgende Tarifverträge allgemeinverbindlich: Manteltarifvertrag (MTV) vom 20.09.1996, gültig ab 01.11.1996; Tarifvertrag (TV) über Sonderzahlungen (Urlaubsgeld und Sonderzuwendung) vom 20.09.1996, gültig ab 01.01.1997, Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) beider TV durch Bekanntmachung vom 10.03.1997, BAnz Nr. 55 vom 04.04.1997, Seite 4 478; TV zur Änderung und Ergänzung des TV über Sonderzahlungen vom 28.11.1997, Gehalts- sowie Lohn-TV jeweils vom 28.11.1997, gültig vom 01.04.1997 bis 31.03.1998, AVE vom 30.03.1998 mit Wirkung vom 28.11.1997 bzw. 01.04.1997 (BAnz Nr. 79 vom 28.04.1998, Seite 06 182); Gehalts-TV und Lohn-TV vom 29.06.1998, jeweils gültig ab 01.04.1998, AVE vom 29.09.1998 mit Wirkung vom 01.04.1998 (BAnz Nr. 197 vom 21.10.1998, Seite 15 215); Gehalts-TV und Lohn-TV vom 07.08.1999, gültig ab 01.04.1999, AVE vom 18.11.1999 mit Wirkung vom 01.04.1999 (BAnz Nr. 2041 vom 18.11.1999, Seite 20 320). Der Geltungsbereich der Tarifverträge erstreckte sich auf alle Unternehmen des Einzelhandels im Land Nordrhein-Westfalen; sie galten für alle Arbeitnehmer in diesen Unternehmen, deren Beschäftigungsort in Nordrhein-Westfalen lag.
Aufgrund einer im ersten Halbjahr 2000 durchgeführten Betriebsprüfung für den Zeitraum Dezember 1995 bis Mai 2000 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 04.08.2000 Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagebeiträge in Höhe von 5.981,01 DM, abzüglich der gezahlten Pauschalbeiträge von 1.594,79 DM. Soweit der Bescheid einen weiteren Arbeitnehmer betrifft, ist er bestandskräftig geworden; der auf die Beschäftigung der Beigeladenen zu 3) und 4) entfallende Beitragsanteil beträgt 3.580,12 DM (1.830,48 Euro).
Auf der Grundlage der Stundennachweise und unter Zugrundelegung der sich aus den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen ergebenden Stundenlöhnen von 16,93 DM bzw. (einschließlich anteiligem Urlaubsgeld) 17,90 DM bejahte die Beklagte hinsichtlich der Beigeladenen zu 3) Versicherungspflicht für den Zeitraum vom 01.08. bis 31.12.1999 und setzte insoweit Gesamtsozialversicherungsbeiträge fest. Für die Monate Januar und März 2000 forderte sie Pauschalbeiträge nach der Differenz zwischen dem gezahlten und tariflichen Stundenlohn. Hinsichtlich der Beigeladenen zu 4) nahm sie bei gleicher Lohnhöhe Versicherungspflicht vom 28.06.1999 bis 31.01.2000 an und setzte Gesamtsozialversicherungsbeiträge fest; für den Monat März 2000 berechnete sie Pauschalbeiträge nach dem tariflichen Stundenlohn. Zur Begründung führte sie aus, aufgrund der AVE der einschlägigen TV seien für die Betroffenen Ansprüche auf den Tariflohn entstanden. Im Geltungsbereich eines allgemeinverbindlichen TV sei daher mindestens ein darin festgelegtes Arbeitsentgelt zugrundezulegen. Aufgrund des tarifvertraglich geschuldeten Entgeltes unterlägen die Beigeladenen zu 3) und 4) der Versicherungspflicht, da durch die höhere tarifliche Vergütung die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit nicht mehr erfüllt würden.
Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, die Nachforderung verstoße gegen § 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), wonach Beiträge nur aus dem erzielten Entgelt zu entrichten seien. Auf das geschuldete Entgelt könne i.S.d. Entstehungsprinzips nur abgestellt werden, wenn der Arbeitnehmer seine Ansprüche geltend mache. Abstrakt vorhandene, aber nie geltend gemachte Ansprüche seien bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung nicht existent. Ferner seien die tarifvertraglichen Ansprüche aufgrund der Ausschlussklausel des TV verfallen; dieser Wegfall des tarifvertraglichen Anspruchs müsse auch für den "Nebenanspruch" der Sozialversicherungsbeiträge gelten, da nicht einzusehen sei, dass auf nicht existente Lohnansprüche Beiträge zu leisten seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie hielt an ihrer Auffassung fest, dass auch die in allgemeinverbindlich erklärten TV festgelegten Entgelte der Beitragsberechnung zugrundezulegen seien.
Im Klageverfahren hat die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, in den vom Bundessozialgericht (BSG) entschiedenen Fällen hätten die betroffenen Arbeitnehmer im Gegensatz zum vorliegenden Fall den Lohnanspruch geltend gemacht. Anstelle des praktizierten Arbeitsvertrages gehe die Beklagte von einem beiden Vertragsparteien völlig unbekannten und nie geltend gemachten Anspruch aus. Damit werde die Beitragspflicht an einen den Beteiligten unbekannten und vom Arbeitnehmer nie geltend gemachten Tariflohn geknüpft, den es in der betrieblichen Wirklichkeit nie gegeben habe. Ihrem Steuerberater sei die Prüfpraxis der Rentenversicherungsträger unter Zugrundelegung des Entstehungsprinzips nicht bekannt gewesen.
Mit Urteil vom 02.11.2001 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und den Bescheid vom 04.08.2000 im angefochtenen Umfang aufgehoben. Es hat zwar grundsätzlich die Erhebung von Beiträgen auf der Grundlage tarifvertraglich geschuldeter Entgelte gebilligt. Es hat jedoch gemeint: Den Arbeitgebern sei bis Anfang 2000 Vertrauensschutz einzuräumen, da die bis zum 31.12.1995 für Betriebsprüfungen zuständigen Einzugsstellen bei der Ermittlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages in der Regel lediglich die den Arbeitnehmern tatsächlich zugeflossenen Entgelte berücksichtigt hätten, obwohl ihnen bekannt gewesen sei, dass unter der Geltung des SGB IV Beiträge unter Einbeziehung sämtlicher den Arbeitnehmern zustehender Ansprüche zu ermitteln seien. Dass eine solche Prüfpraxis bestanden habe, werde durch die Entscheidung der Beklagten, aus Vertrauensschutzerwägungen bis Ende 1998 auf die Nacherhebung von Beiträgen zu verzichten und insoweit Widersprüchen abzuhelfen, belegt. Für die Arbeitgeber habe kein Anlass bestanden, die Rechtmäßigkeit dieser Verwaltungspraxis zu bezweifeln.
Im Berufungsverfahren rechtfertigt die Beklagte zum einen die Beitragsnacherhebung auf der Grundlage der geschuldeten Entgelte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG. Aufgrund der AVE der einschlägigen TV sei auch die Klägerin deren Bedigungen unterworfen gewesen und habe die tarifvertraglichen Bestimmungen zwingend zu beachten gehabt. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei kein Vertrauensschutz einzuräumen. Den berechtigten Belangen der betroffenen Arbeitgeber werde durch die kurze Verjährung von vier Jahren ausreichend Rechnung getragen. Eine Verwirkung der Beitragsansprüche komme nicht in Betracht, da kein Verwirkungsverhalten der Sozialversicherungsträger vorliege. Es sei zu keinem Zeitpunkt ein Verhalten der Sozialversicherungsträger erkennbar gewesen, mit dem die Arbeitgeber in ihrer Sichtweise hätten bestärkt werden können, dass Sozialversicherungsbeiträge nur von dem tatsächlich zugeflossenen Lohn zu entrichten seien. Es seien immer wieder Hinweise an Arbeitgeber ergangen, dass bei der Beurteilung von Versicherungspflicht mit hinreichender Sicherheit zu erwartende Lohn- und Sonderzahlungsansprüche zu berücksichtigen seien. Von daher habe die Klägerin die tarifvertraglichen Gegebenheiten berücksichtigen müssen. Unerheblich sei, dass die Krankenkassen bei ihren Betriebsprüfungen die Beitragsansprüche möglicherweise nicht durch gesetzt hätten, denn eine unterbliebene Beanstandung bewirke kein Vertrauensschutz. Entgegen der Annahme des Sozialgerichts habe die BfA schon seit 1998 auf Veranstaltungen der Rentenversicherungsträger mit Steuerberatern über die Rechtsauffassung der Rentenversicherungsträger zur Problematik informiert; insoweit verweist die Beklagte auf das Protokoll einer Besprechung der BfA mit der Bundessteuerberaterkammer vom 12.04.1999. Über die Prüfpraxis der Rentenversicherungsträger sei auch in Publikationen berichtet worden; es sei ferner darauf hingewiesen worden, dass im Sozialversicherungsrecht nicht das Zuflussprinzip gelte. Wenn die Klägerin nur darauf vertraut habe, dass vor Geltendmachung des Lohnanspruchs kein Beitragsanspruch bestehe, habe sie nicht darauf vertrauen können, dass überhaupt keine Beiträge zu zahlen seien. Da tarifvertragliche Ausschlussfristen nur die Tariftreuen schützen sollten, habe arbeitsrechtlich kein Grund für die Annahme bestanden, dass keine Lohnansprüche mehr zu erfüllen seien. Folglich habe die Klägerin auch nicht darauf vertrauen können, dass keine Sozialversicherungsbeiträge mehr zu zahlen seien.
Soweit in dem angefochtenen Bescheid der Berechnung des beitragspflichtigten Entgeltes im Jahre 2000 ein 17,81 DM übersteigender Stundenlohn zugrunde gelegt worden ist, hat die Beklagte den Bescheid am 28.01.2003 aufgehoben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02.11.2001 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, weder aus Wortlaut noch Entstehungsgeschichte des § 22 SGB IV ergebe sich, dass dieser Vorschrift das Entstehungsprinzip zugrunde liege. Ferner müsse bei der Auslegung dieser Vorschrift die "soziale Realität" beachtet werden. TV im Einzelhandel seien bis Ende der 90-er Jahre völlig unbekannt gewesen, bei der AVE des Lohn- und Gehalts-TV ab 01.04.1999 habe es sich um ein "singuläres Ereignis" gehandelt. Die TV seien von den im Einzelhandel dominierenden Klein- und Mittelbetrieben nicht zur Kenntnis genommen worden. Es sei daher eine Ausnahme vom Entstehungsprinzip zu machen, wenn das Arbeitsentgelt unabsichtlich nicht in der tarifvertraglichen Höhe gezahlt worden sei. Außerdem sei es unzulässig gewesen, den TV rückwirkend für allgemeinverbindlich zu erklären, weil vor und nach dem hier maßgeblichen Zeitraum kein allgemeinverbindlich erklärter TV gegolten habe.
Die Beigeladene zu 2) hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen, aber keinen Antrag gestellt; die übrigen Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert. Die Beigeladenen zu 3) und 4) haben auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass sie auf eine Wiederholung des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens verzichten.
Der Senat hat von der Bundessteuerberaterkammer Auskünfte eingeholt; insoweit wird auf deren Schreiben vom 01.07.2002 und 16.08.2002 Bezug genommen. Ferner sind die in Parallelverfahren eingeholten Auskünfte des AOK Bundesverbandes vom 07.05.2002, der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe vom 29.08.2002, der Steuerberaterkammer Köln vom 30.08.2002 und der Steuerberaterkammer Düsseldorf vom 02.09.2002 sowie die Auskünfte der AOK Rheinland vom 22.08.2002, der AOK Westfalen-Lippe vom 23.08.2002, der IKK Nordrhein vom 26.08.2002, der IKK Westfalen-Lippe vom 23.08.2002, der Barmer Ersatzkasse (BEK) vom 06.08.2002, der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) vom 15.08.2002 und der Techniker Krankenkasse (TKK) vom 08.10.2002 als Einzugsstellen beigezogen und den Beteiligten zur Kenntnis gegeben worden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Bescheid vom 04.08.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2000 aufgehoben, soweit Sozialversicherungsbeiträge für die Beigeladenen zu 3) und 4) gefordert werden.
A)
I. Gegenstand der Entscheidung des Senats ist der Bescheid nicht mehr in sei ner ursprünglichen Fassung, sondern in der Fassung vom 28.01.2003. Die Beklagte hat dabei ihren Bescheid nur insoweit aufgehoben, als im Jahr 2000 der Entgeltberechnung ein geringfügig höherer Stundenlohn zugrundegelegt worden ist (s. zur Berechnung im einzelnen unten B IV 3.) Dadurch ergibt sich aber kein anderer Streitgegenstand, vielmehr hat die Beklagte die Klägerin in einem geringen Umfang klaglos gestellt. Im Verhandlungstermin hat die Klägerin deutlich gemacht, dass sie sich insofern nicht mehr gegen den Bescheid in der ursprünglichen Fassung wehrt und damit die Hauptsache für diesen Teil konkludent für erledigt erklärt. Im Übrigen muss der Senat weiterhin über den ursprünglichen Bescheid befinden.
II. Der Sachentscheidung steht nicht entgegen, dass die Beigeladenen zu 3) und 4), deren Rechtsposition von der Entscheidung über die Versicherungs- und Beitragspflicht betroffen ist, entgegen § 12 Abs. 2 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht von der Einleitung des Verwaltungsverfahrens benachrichtigt worden waren, denn die Beigeladenen haben auf die Nachholung des Verwaltungs-/Widerspruchsverfahrens verzichtet (vgl. BSGE 55, 160, 163; 68, 171, 174; 81, 276, 288).
B)
I. Die Beigeladenen zu 3) und 4) waren in den von der Beklagten angenommenen Zeiträumen versicherungspflichtig beschäftigt. Eine für die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)), in der Rentenversicherung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)), in der Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)) vorausgesetzte Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt lag - was von der Klägerin nicht in Abrede gestellt wird und keiner näheren Begründung bedarf - vor. Entgegen der Beurteilung der Klägerin waren die Beigeladenen zu 3) und 4) jedoch nicht wegen Verrichtung einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 SGB IV (in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung) versicherungsfrei (§§ 7 Satz 1 SGB V, 5 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI, 25 Abs. 2 SGB III). Zwar war vertraglich ein Stundenlohn von 10,- DM vereinbart, so dass das nach den geleisteten Arbeitsstunden tatsächlich gezahlte Entgelt unter der Entgeltgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV lag. Jedoch wurde aufgrund des tarifvertraglich geschuldeten Entgeltes die Grenze einer geringfügigen Beschäftigung überschritten.
Im Zeitraum vom 01.04.1999 bis 31.03.2000 galt der für gewerbliche Arbeitnehmer maßgebliche Lohn-TV vom 07.08.1999. Bis zum 30.06.1999 sah dieser Lohn-TV in der niedrigsten Lohngruppe ein monatliches Gehalt von 2680,00 DM vor; ab 01.07.1999 betrug dieses Gehalt 2.760.- DM. Der (Mindest)Stundenlohn gewerblicher Arbeitnehmer, zu dessen Ermittlung gemäß § 2 Abs. 2 Lohn-TV das Monatsentgelt durch 163 zu teilen war, betrug somit - wie von der Beklagten zugrundegelegt - vom 01.07.1999 bis 31.03.2000 16,93 DM.
Die genannten TV waren für allgemeinverbindlich erklärt worden (AVE vom 29.08.1998 bzw. 18.11.1999). Aufgrund dieser AVE gemäß § 5 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) erfassten sie in ihrem Geltungsbereich auch die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 4 TVG). Die Ausdehnung der Tarifgebundenheit durch die AVE auf nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer hängt nicht von deren Kenntnis ab (vgl. Bundesarbeitsgericht (BAG) DB 1984, 55). Die Rechtsnormen des TV gelten unmittelbar und zwingend zwischen den Tarifgebundenen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG), abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit der TV eine Öffnungsklausel enthält oder eine Abweichung zu Gunsten des Arbeitnehmers erfolgt (§ 4 Abs. 3 TVG). Die zwingende Ordnung eines TV verbietet somit jede nachteilige Regelung zu Lasten des Arbeitnehmers, sie schafft - etwa zur Höhe des Entgelts - eine nicht entziehbare tarifliche Rechtsposition (vgl. Löwisch/ Rieble, TVG, § 4 Rdn. 58; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Aufl., § 204 Rdnr. 5).
Den Beigeladenen zu 3) und 4) stand somit ungeachtet der abweichenden - unwirksamen - individualvertraglichen Vereinbarung im fraglichen Zeitraum tariflich ein höheres als das tatsächlich gezahlte Entgelt zu. Selbst unter Zugrundelegung eines Stundenlohnes von 16,44 DM bzw. 16,93 DM (siehe zur Berechnung des Entgelts nach den Tarifverträgen im Einzelnen unten B IV. 3.) wurde die Entgeltgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV deutlich überschritten. Bei der für die Bestimmung der Versicherungs- und Beitragspflicht maßgebenden vorausschauenden Betrachtungsweise (vgl. etwa BSG SozR 2100 § 8 Nr. 4) musste somit im streitigen Zeitraum davon ausgegangen werden, dass ein aufgrund der anzuwendenden Tarifverträge zwingend geschuldeter Arbeitsentgeltanspruch in einer Höhe bestand, der die Versicherungsfreiheit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV ausschloss.
II. Die Beklagte hat zu Recht der Beurteilung der Versicherungspflicht und der Beitragserhebung nicht das tatsächlich erzielte ("zugeflossene"), sondern das nach den TV geschuldete Arbeitsentgelt zugrundegelegt. Die Entstehung von Beitragsansprüchen hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber das Entgelt tatsächlich gezahlt hat, vielmehr ist ausreichend, dass zum Fälligkeitszeitpunkt der Beiträge ein Entgeltanspruch bestand (sog. Entstehungsprinzip, eingehend BSG, Urteil vom 30.08.1994, BSGE 75, 61, 65 ff.). Das geschuldete Entgelt kann abweichend vom Individualvertrag auch die in einem anzuwendenden TV festgelegte Mindestvergütung sein. Der Auffassung der Klägerin, auch im Beitragsrecht müsse wie im Steuerrecht dass Zuflussprinzip gelten, so dass nur Beiträge von dem tatsächlich gezahlten Entgelt zu erheben seien, kann sich der Senat nicht anschließen.
Das Zuflussprinzip hatte zwar aufgrund des Gemeinsamen Erlasses des Reichsarbeitsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers betreffend weiterer Vereinfachung des Lohnabzugs vom 10.04.1944 ([Gemeinsamer Erlass] RABl. II, 228), der nach der Rechtssprechung des BSG für die Zeit nach dem 08.05.1945 weitergalt, bis 1977 Eingang in das Beitragsrecht gefunden. Hier auf beruht insbesondere das Urteil des BSG vom 21.11.1964 (BSGE 22, 106), das in einem Fall untertariflicher Bezahlung annahm, maßgebend für den Beitragsanspruch sei nur das tatsächlich gezahlte Entgelt. Nach Inkrafttreten des SGB IV am 01.07.1977, durch dessen Artikel II § 21 Abs. 1 Nr. 4 der Gemeinsame Erlass aufgehoben worden ist, war die Rechtssprechung des BSG zunächst hinsichtlich der weiteren Geltung des Zuflussprinzips nicht eindeutig (siehe einerseits etwa Urteil vom 18.11.1980, SozR 2100 § 14 Nr. 7; Urteil vom 28.10.1981, SozR 2100 § 14 Nr. 9; anderereits Urteil vom 25.09.1981, BSGE 52, 152; Urteil vom 26.10.1982, BSGE 54, 136 und Urteil vom 26.11.1985, BSGE 59, 183). Spätestens durch die 1994 ergangenen Entscheidungen vom 22.06.1994 (SozR 3 - 4100 § 160 Nr. 1) und 30.08.1994 (a.a.O) hat sich das BSG vom Zuflussprinzip gelöst und das Entstehungsprinzip vertreten; an dieser Auffassung hat es im Urteil vom 21.05.1996 (BSGE 78, 224) und zuletzt im Urteil vom 07.02.2002 (B 12 KR 13/01 R) festgehalten. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) folgt im Rahmen des § 266 a Strafgesetzbuch (StGB) dem Enstehungsprinzip und sieht ein Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen schon dann als gegeben an, wenn die unabhängig von der tatsächlichen Zahlung des Entgelts fällig gewordenen Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt worden sind (BGHZ 144, 311; zuletzt BGH NJW 2002, 2480).
Unzutreffend ist die Interpretation dieser Rechtssprechung, das Entstehungsprinzip gelte nur dann, wenn der Arbeitgeber vertragswidrig das Arbeitsentgelt nicht oder verspätet zahle (so Berndt, DStR 2000, 1520, 1522) bzw. wenn der Arbeitnehmer das geschuldete Entgelt noch fordere. Aus der genannten Rechtssprechung ergibt sich eindeutig, dass das zum Fälligkeitszeitpunkt individual- oder kollektivrechtlich geschuldete Entgelt den öffentlich-rechtlichen Beitragsanspruch auslöst, der nach seinem Entstehen in seinem rechtlichen Schicksal unabhängig von dem privatrechtlichen Entgeltanspruch ist. Ob und wann dieser erfüllt wird, untergeht oder verjährt, ist für den Beitragsanspruch ohne Belang. Das BSG führt im Urteil vom 30.08.1994 ausdrücklich aus, dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass das Entstehen von Beitragsansprüchen davon abhänge, ob sie selbst oder der zugrundeliegende Entgeltanspruch erkannt und geltend gemacht würden (a.a.O. Seite 65). Im Urteil vom 21.05.1996 spricht das BSG von der "Abkehr" vom Zuflussprinzip, was es vorallem damit begründet, dass die Versicherungs- und Beitragspflicht schon am Tag der Aufnahme der Beschäftigung gegen Entgelt und nicht erst mit dessen Zahlung beginne (a.a.O., Seite 226). Dann kann aber die Entstehung von Versicherungspflicht nicht davon abhängig sein, ob der Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt noch fordert. Auch im Rahmen des § 266 a StGB würde diese Ansicht zu unlösbaren Problemen führen. Der BGH bejaht ein Vorenthalten von Beiträgen des Arbeitnehmers auch dann, wenn tatsächlich zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge der Lohn nicht ausgezahlt worden ist. Er weist insoweit darauf hin, für eine einengende Auslegung, die eine Strafbarkeit nach § 266 a StGB von der tatsächlichen Lohnzahlung abhängig mache, sei kein Raum, da die Schuld des Arbeitgebers hinsichtlich der Arbeitnehmerbeiträge unabhängig vom gezahlten Lohn bestehe (BGH NJW 2002, 2480, 2481). Würde jedoch der Beitragsanspruch nur dann bestehen, wenn der Beschäftigte den Lohn noch fordert, hinge die Strafbarkeit des Arbeitgebers von dem entsprechenden Verhalten des Arbeitnehmers ab. Ebensowenig könnte im Rahmen des § 8 SGB IV die Prüfung der Versicherungspflicht im Wege einer vorausschauenden Betrachtung erfolgen. Insoweit sind geschuldete sowie mit hinreichender Sicherheit zu erwartende Zahlungen zu berücksichtigen (BSG SozR 2100 § 804). Maßgeblich ist insoweit im Falle der Geltung eines allgemeinverbindlich erklärten TV der tariflich geschuldete Lohn, da die tarifvertraglichen Regelungen eine abweichende in dividualvertragliche Abrede verdrängen (§ 4 Abs. 3 TVG). Die vorausschauende Beurteilung der Versicherungspflicht wäre nicht möglich, wenn es darauf ankäme, ob die Arbeitnehmer tatsächlich den tariflich geschuldeten Lohn fordern.
Die Anwendung des Entstehungsprinzips und die Erhebung von Beiträgen aus tarifvertraglich geschuldetem Entgelt widerspricht nicht den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11.01.1995 (BVerfGE 92, 53) und 24.05.2000 (BVerfGE 102, 127) zur beitragsrechtlichen Behandlung einmalig gezahlten Arbeitsentgeltes (so aber Arends, BB 2001, 94, 95). Die Behauptung, wenn schon das verfassungswidrige Gesetz keine Grundlage für die Heranziehung von Einmalzahlungen biete, seien "fiktive Hinzurechnungen" auf der Grundlage dieses Gesetzes erst recht unzulässig, ist falsch. Das BVerfG hat in beiden Entscheidungen die Weitergeltung der mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärten Normen angeordnet, so dass weiterhin Beiträge aus einmalig gezahltem Entgelt erhoben werden durften (vgl. BVerfGE 92, 53, 74; 102, 127, 145 f). Ebenso wenig trifft die Annahme zu, die genannten Beschlüsse des BVerfG beruhten auf dem Gedanken des Äquivalenzprinzips (Versicherungsprinzips), nach dem die Versicherten der Beitragsabführung entsprechende Leistungen erhalten müssten. Das BVerfG hat vielmehr in beiden Entscheidungen seine ständige Rechtsprechung bekräftigt, dass es von Verfassungs wegen nicht geboten sei, dass bei der Bemessung kurzfristiger Lohnersatzleistungen eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Höhe der Leistung erzielt werde (BVerfGE 92, 53, 71; 102, 127, 142). Die früheren Bestimmungen über die beitragsrechtliche Behandlung von Einmalzahlungen hat das BVerfG lediglich deshalb für verfassungswidrig gehalten, weil die Einmalzahlung bei der Leistungsbemessung nicht berücksichtigt wurde und damit Versicherte mit gleichhoher Beitragsleistung leistungsrechtlich unterschiedlich behandelt wurden und ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung nicht erkennbar war (vgl. BVerfGE 92, 53, 71 f; 102, 127, 143 ff). Gleichfalls nicht stichhaltig ist der Einwand, es bestehe kein Anlass, das tarifvertraglich geschuldete Entgelt zur Grundlage der Beitragsbemessung zu machen, da die Versicherten Leistungsansprüche nur nach dem erzielten Entgelt erwerben würden. Diese Aussage trifft schon für den Erwerb von Rentenanwartschaften, aus denen in Zukunft Rentenansprüche entstehen, nicht zu und hat zum anderen für die beitragsunabhängigen Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung ohnehin keine Relevanz. Sie gilt allenfalls für die kurzfristigen Lohnersatzleistungen zu, für deren Bemessung nur das im Bemessungszeitraum erzielte (d.h. tatsächlich zugeflossene) Entgelt maßgeblich ist (s. § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 129 SGB III).
Der Senat hat schon in seinen Entscheidungen vom 31.10.2000 (L 5 KR 27/00) und 22.08.2002 (L 5 B 41/02 KR ER) uneingeschränkt das Entstehungsprinzip vertreten. Er hält an seiner Auffassung fest und sieht sich darin durch die jetzt durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I, 4621) vorgenommene Einfügung eines Halbsatzes in § 22 Abs. 1 SGB IV bestätigt. § 22 Abs. 1 SGB IV in der ab 01.01.2003 geltenden Fassung (Artikel 17 Abs. 1 des Gesetzes vom 23.12.2002) lautet nun mehr: "Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen, bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt, sobald dieses ausgezahlt worden ist". Auf die tatsächliche Auszahlung wird somit lediglich für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt abgestellt, was im Gegenschluss bedeutet, dass für das laufende Entgelt etwas anderes gilt (so auch Bauer/Krets, NJW 2003, 537, 545). In der Gesetzesbegründung wird dementsprechend auch ausgeführt, einmalige Einnahmen sollten dann beitragspflichtig werden, wenn sie dem Beschäftigten ausgezahlt worden seien (BT-Drucksache 15/26, Seite 24). Die jetzt vorgenommene Einfügung hat der Gesetzgeber somit nicht nur als Klarstellung angesehen und damit die von der höchstrichterlichen Rechtssprechung vertretene Auffassung zur Geltung des Entstehungsprinzips im Beitragsrecht der Sozialversicherung bestätigt.
III. Die Beklagte ist an der Geltendmachung des Beitragsanspruchs nicht gehindert, weil der Klägerin Vertrauensschutz einzuräumen wäre.
1. Die Frage, ob entsprechend dem für Normen geltenden Rückwirkungsverbot (vgl. dazu Jarass, in Jarass/Pieroth, GG, 5. Aufl., Artikel 20 Rdnr. 67 ff ) auch eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtssprechung zu Vertrauensschutz für die betroffenen Arbeitgeber führen kann (bejahend BSG, Urteil vom 18.11.1980, BSGE 51, 31, 37 f.) stellt sich hier nicht. Im Streit stehen Beitragsforderungen für die Jahre 1999 und 2000. Schon vor diesem Zeitraum hatte sich die Rechtssprechnung des BSG geändert. Die für die Beitragserhebung entscheidende Rechtsfrage der Anwendung des Entstehungsprinzips war zwar - wie oben ausgeführt - in der höchstrichterlichen Rechtssprechung zunächst nicht eindeutig beantwortet worden (s. auch Wünnemann, DAngV 1981, 371; Franoschek, Die Beiträge 1994, 449), die Rechtslage war aber durch die Urteile vom 22.06.1994 (a.a.O.) und 30.08.1994 (a.a.O.), die in dem Urteil vom 21.05.1996 (a.a.O.) bestätigt wurden, geklärt. Die zur untertariflichen Bezahlung ergangene Entscheidung vom 25.11.1964 (a.a.O.), die auf dem Zuflussprinzip beruhte, war durch die geänderte Rechtslage seit Inkrafttreten des SGB IV überholt, das BSG hatte im Urteil vom 21.05.1996 auch ausdrücklich auf die Abkehr von dem Zuflussprinzip durch das SGB IV hingewiesen (a.a.O. S. 226). Es stand somit aufgrund dieser Entscheidungen lange vor dem Jahr 1999 fest, dass für den Beitragsanspruch allein maßgeblich der zum Fälligkeitszeitpunkt geschuldete Entgeltanspruch war. Gleichzeitig hatte das BSG im Urteil vom 30.08.1994 schon den Einzugsstellen die Befugnis zugesprochen, bei entsprechendem Anlass auch die Höhe des in der Vergangenheit nicht gezahlten, aber geschuldeten Arbeitsentgelts zu ermitteln und je nach dem Ergebnis über etwaige versicherungs- und beitragsrechtliche Auswirkungen zu entscheiden (a.a.O. Seite 68).
Die genannten Entscheidungen des BSG sind nicht nur in der amtlichen Sammlung, sondern auch in einschlägigen Fachzeitschriften publiziert (siehe die Veröffentlichungsnachweise in Juris) und auch in der Literatur diskutiert worden (siehe einerseits Peters-Lange, NZA 1995, 657, andererseits Klose, NZS 1996, 9, die - insoweit übereinstimmend - beide die endgültigen Aufgabe der Zuflusstheorie konstatieren). Vor diesem Hintergrund ist die Forderung, die Einzugsstellen oder die ab 01.01.1996 für die Betriebsprüfungen (mit) zuständigen Rentenversicherungsträger hätten die geänderte Rechtssprechung den Arbeitgebern bzw. ihren steuerlichen Beratern bekannt geben müssen, fernliegend. Es ist nicht vorstellbar, dass jedenfalls den Steuerberatern, die Arbeitgeber bei der Beitragsabführung betreuen, diese Rechtssprechung unbekannt gewesen sein soll. So hatte etwa die Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe schon Ende 1998 über die Rechtsprechung des BSG informiert und auf die "neue" Prüfpraxis hingewiesen. Falls tatsächlich entsprechend den Auskünften der Bundessteuerberaterkammer bzw. der Steuerberaterkammern Köln und Düsseldorf die Rechtssprechung des BSG erst Anfang 2000 in breiteren Kreisen der Steuerberater zur Kenntnis genommen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen erörtert worden sein sollten (was auch angesichts der Tatsache, dass die Bundessteuerberaterkammer bereits am 12.04.1999 mit der BfA die Problematik der Beitragserhebung aus geschuldetem Entgelt erörtert hatte, verwundert), läge allenfalls ein kollektives Versäumnis dieses Berufsstandes vor. Wenn Steuerberater für die Arbeitgeber auch die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge übernehmen, obliegt es ihnen, sich über die insoweit einschlägige Rechtsprechung zu informieren.
2. Vertrauensschutz ist auch nicht deshalb zu gewähren, weil in der Vergangenheit - angeblich - die Einzugsstellen und (zunächst) die Rentenversicherungsträger bei den Betriebsprüfungen faktisch das Zuflussprinzip praktiziert und die Beitragsabführungen nach den tatsächlich gezahlten Entgelten nicht beanstandet hätten (s. etwa Breidenbach, BB 2002, 1910, 1911).
a) Für die Einräumung von Vertrauensschutz fehlt es insoweit bereits an einem Vertrauenstatbestand.
aa) In dem Urteil vom 18.11.1980 (a.a.O.) hat das BSG es für ein Gebot von Treu und Glauben gehalten, dass die Beitragspflichtigen nicht für eine zurückliegende Zeit mit einer Beitragsnachforderung überrascht werden dürften, die im Widerspruch stehe zu dem vorangegangenen Verhalten der Verwaltung, auf dessen Rechtmäßigkeit sie vertraut hätten und hätten vertrauen dürfen (a.a.O., Seite 36). Das BSG geht dabei von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aus, nach der im Steuerrecht Vertrauensschutz dann bestehen kann, wenn die Verwaltung über einen längeren Zeitraum ein Verhalten gezeigt hat, durch das beim Steuerpflichtigen der Glauben erweckt worden ist, die Behandlung des Steuerfalles entspreche dem Recht (vgl. BFHE 77, 535; 81, 153; 84, 483; 99, 293). Eine Nachforderung verstößt nach dieser Rechtsprechung dann gegen Treu und Glauben, wenn sie in Widerspruch zu einem vorangegangenen nachhaltigen und einen Vertrauensschutz für den Steuerpflichtigen schaffenden Verhalten der Verwaltung steht. Vertrauensschutz hat der BFH dann bejaht, wenn die Verwaltung über einen längeren Zeitraum eine bestimmte Auffassung vertreten (BFHE 81, 353) oder in Kenntnis der tatsächlichen Umstände von der Geltendmachung einer Steuer- oder Abgabenforderung abgesehen hatte (BFHE 77, 535). Gleichzeitig hat der BFH in der letztgenannten Entscheidung aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Vertrauensschutz nicht allein dadurch begründet werden könne, dass der "Steueraufsichtsdienst" nicht sorgfältig geprüft habe. Auch nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung reicht eine bloße Untätigkeit der zuständigen Behörde als Verwirkungsverhalten grundsätzlich nicht aus (vgl. BSGE 47, 194, 197; BSG USK 80292; BSG SozR 2200 § 520 Nr. 3; BSG Breithaupt 1987, 948; LSG Celle KVRS A-3200/6). Das bloße "Nichtstun", also ein Unterlassen, kann schutzwürdiges Vertrauen des Schuldners nur begründen, wenn er das Nichtstun des Gläubigers nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachten darf (BSGE 45, 38, 48; 45, 195, 198; LSG Celle RV 1991, 95).
Nach diesen Maßstäben gibt es keine Grundlage für den geforderten Vertrauensschutz. Von der Klägerin wie auch von anderen Arbeitgebern wird insoweit geltend gemacht, aufgrund der an den tatsächlichen Einnahmen orientierten Prüfpraxis der Einzugsstellen, die auch von den Rentenversicherungsträgern jedenfalls zum Teil fortgeführt worden sei, seien sie von der Geltung des Zuflussprinzips ausgegangen. Unabhängig davon, ob die genannte Prüfpraxis den Schluss auf die Anwendung des Zuflussprinzips rechtfertigte (dazu sogleich unten bb)), stellt sich grundsätzlich die Frage, worauf sich das Vertrauen der Arbeitgeber erstreckt haben soll. Hatten sie keine Kenntnis von der AVE der einschlägigen TV, wussten sie auch nicht, dass sie rechtlich einen höheren Lohn als den gezahlten schuldeten. Die Frage der Beitragsentrichtung aus tarifvertraglich entstandenen, aber nicht erfüllten Entgeltansprüchen konnte sich für sie damit nicht stellen. Folglich konnten sie auch aus dem Umstand, dass bei den Betriebsprüfungen die Beitragsabführung unbeanstandet blieb, schon mangels Kenntnis des höheren Entgeltanspruchs nicht den Schluss ziehen, die Einzugsstelle billige die Beitragsentrichtung nach dem gezahlten statt nach dem geschuldeten Arbeitsentgelt. Kannten sie dagegen Inhalt und Geltung der tarifvertraglichen Normen und wussten sie somit, dass sie einen geringeren als den tarifvertraglich geschuldeten Lohn zahlten, würde sich vor dem Hintergrund der oben genannten - eindeutigen - Rechtsprechung des BSG ihr Vertrauen nur auf die Aufrechterhaltung einer fehlerhaften Verwaltungspraxis und das weitere Unterbleiben der Durchsetzung entstandener Beitragsansprüche beziehen (siehe dazu unten III.2 b).
bb) Den eingeholten Auskünften der Einzugsstellen kann der Senat nicht entnehmen, dass die Arbeitgeber von der Anwendung des Zuflussprinzips ausgehen durften. In Übereinstimmung mit der Auskunft des AOK-Bundesverbandes, dass sich die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung seit Inkrafttreten des SGB IV am Entstehungsprinzip orientiert hätten, haben alle befragten Krankenkassen mitgeteilt, sie hätten das Entstehungsprinzip vertreten. Eine davon zu unterscheidende Frage ist, inwiefern sie bei Betriebsprüfungen dieses Prinzip auch durchgesetzt haben.
Die Auskünfte sind insoweit vage. Während die IKK Westfalen-Lippe behauptet, es seien auch Beiträge aus tarifvertraglich geschuldetem Entgelt gefordert worden (wobei offenbleibt, ob diese Kasse auch von sich aus der Geltung von TV nachgegangen ist), haben die DAK und die AOK-Westfalen offen eingeräumt, sie hätten bei Betriebsprüfungen nicht die Frage des Bestehens (höherer) tarifvertraglicher Entgeltansprüche aufgegriffen. Die Aussage der BEK, die hier angesprochene Praxis (d.h. die Frage nach der Beitragserhebung aus tarifvertraglich geschuldetem Entgelt) sei "verstärkt" mit dem Übergang der Betriebsprüfungen auf die Rentenversicherungsträger aufgetreten, lässt den Schluss zu, dass sie wohl selbst entsprechende Nachforderungen nicht verfolgt hat. Die TKK hat Beitragsansprüche auf der Grundlage von tarifvertraglich geschuldetem Entgelt (nur) nachgefordert, wenn sie entsprechende Ansprüche festgestellt habe. Die AOK Rheinland hat im wesentlichen die Rechtslage geschildert, die IKK Nordrhein konnte nur sagen, regelmäßig und systematisch habe sich die Kasse bei den Betriebsprüfungen nicht mit dieser Problematik befasst.
Nach diesen Auskünften der befragten Krankenkassen, die bis Ende 1995 für die Betriebsprüfungen allein zuständig waren und noch bis 1998 - in zunehmend geringerem Umfang - Betriebsprüfungen durchgeführt haben, muss allerdings davon ausgegangen werden, dass zwar die Krankenkassen das Entstehungsprinzip vertreten, sich aber bei den Betriebsprüfungen darauf beschränkt haben, die Beitragsabführung auf der Grundlage der gezahlten Löhne zu überprüfen und sie nur dann Beiträge aus geschuldetem, aber nicht gezahltem Entgelt nachgefordert haben, wenn die Versicherten dies im Einzelfall verlangt haben bzw. entsprechende arbeitsrechtliche Ansprüche der Kasse bekannt geworden sind. Diese Praxis geht aber über ein bloßes "Nichtstun" nicht hinaus, das grundsätzlich als Verwirkungsverhalten nicht ausreicht und nur dann schutzwürdiges Vertrauen begründen kann, wenn der Gläubiger es nach den Umständen als bewusst und planmäßig ansehen durfte (BSGE 45, 38, 48; 45, 195, 198; LSG Celle RV 1991, 95). Von einem bewussten und planmäßigen Unterlassen hätten die Arbeitgeber aber nur ausgehen können, wenn sie selbst die - nicht erfüllten - tarifvertraglichen Ansprüche kannten und die Einzugsstellen in Kenntnis des vollständigen Sachverhalts, also auch der Geltung und Anwendbarkeit tarifvertraglicher Normen und den sich daraus ergebenden Lohnansprüchen, bei der Beitragsprüfung ausschließlich auf die gezahlten Entgelte abgestellt hätten.
Hierfür gibt es keinen Anhalt. Den Auskünften der Einzugsstellen ist vielmehr zu entnehmen, dass sie aktiv der Frage der Geltung von TV nicht nachgegangen sind und sich keine Kenntnis von dem Bestehen unter Umständen höherer Entgeltansprüche verschafft haben. Dem Senat sind auch aus Parallelverfahren keine Hinweise darauf bekannt geworden, dass die Einzugsstellen in Kenntnis des vollständigen Sachverhalts eine Beitragserhebung nach dem Zuflussprinzip gebilligt hätten; auch die Klägerin hat dazu nichts vorgetragen. Die Behauptung, bei den Betriebsprüfungen nach § 28p Abs. 1 SGB IV werde zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage der Beiträge die genaue Höhe des Arbeitsentgeltes festgestellt und mit den ggf. zu beachtenden Tariflöhnen verglichen, so dass es ausgeschlossen sei, dass die Nichteinhaltung von TV bei den Betriebsprüfungen unentdeckt bleibe (so Breidenbach, a.a.O, Seite 1913), ist unzutreffend und verkennt die Funktion und Bedeutung von Betriebsprüfungen. Die Betriebsprüfer sind zu einer Überprüfung der tatsächlichen Verhältnisse nicht verpflichtet (vgl. BSG USK 8750 zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen einer GmbH für die Prüfung der Versicherungspflicht des Geschäftsführers). Betriebsprüfungen brauchen nicht umfassend und erschöpfend zu sein und können sich auf bestimmte Einzelfälle und Stichproben beschränken. Sie sollen einer seits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu; sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen und ihm "Entlastung" zu erteilen (BSGE 47, 194, 198; BSG USK 8750). Die sozialgerichtliche Rechtsprechung hat es daher stets abgelehnt, das Vertrauen des Beitragsschuldners in die Nichtbeanstandung unterbliebener Beitragsentrichtung bei Betriebsprüfungen zu schützen (BSG Breithaupt 1976, 303, 305; BSGE 47, 194, 198; BSG USK 8750; LSG Celle KVRS A-3200/6; Senat, Urteil vom 03.09.2002 - L 5 KR 26/01). Das BSG hat sogar ein die Einzugsstelle bindendes Verwirkungshandeln verneint, wenn der Betriebsprüfer anlässlich der Betriebsprüfung eine bestimmte Rechtsauffassung geäußert hatte, ohne einen entsprechenden Verwaltungsakt zu erlassen (vgl. BSGE 47, 194, 198). Aufgrund der Nichtbeanstandung der Beitragsabführung bei den Betriebsprüfungen konnten somit die betroffenen Arbeitgeber nicht davon ausgehen, die Einzugsstellen legten der Beitragserhebung das Zuflussprinzip zugrunde.
Ebenso wenig bot die Praxis der für die Betriebsprüfungen ab 01.01.1996 zuständigen Rentenversicherungsträger (deren Zuständigkeit zunächst übergangsweise neben die der Krankenkassen getreten ist, vgl. zur Entwicklung KassKomm - Seewald, § 28f SGB IV Rdnr. 1) eine Grundlage für die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes. Die BfA hat im Parallverfahren L 5 KR 73/02 durchgehend glaubhaft vorgetragen, dass im Bereich ihrer Prüfdienste die Entstehungstheorie im Sinne der Rechtsprechung des BSG Beachtung gefunden habe. Schon in ihren Arbeitsanweisungen aus dem Jahr 1992 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei untertariflicher Bezahlung sich die Beiträge unabhängig von der tatsächlichen Gehaltszahlung nach der Höhe der bei Fälligkeit geschuldeten, aber nicht gezahlten Entgelte richteten. Auch die LVA Westfalen hat - wie dem Senat aus dem Parallelverfahren L 5 KR 197/01 bekannt und in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist - mit Übergang der Zuständigkeit für die Betriebsprüfungen das Entstehungsprinzip vertreten und praktiziert. Ob dabei tatsächlich in allen Fällen den Fragen nach der Anwendbarkeit von TV und dem Bestehen tarifvertraglicher Ansprüche und den sich daraus ergebenden versicherungs- und beitragsrechtlichen Folgen nachgegangen worden ist, ist vor dem Hintergrund der oben dargelegten Bedeutung und Funktion von Betriebsprüfungen irrelevant.
Ebenso unbeachtlich ist, ob die LVA Westfalen im Frühjahr 1999 gegenüber der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe geäußert hat, aus "Vertrauensschutzgründen" würden Beitragsnachforderungen in Fällen der vorliegenden Art für Prüfzeiträume bis 31.12.1998 nicht geltend gemacht und ob sie insoweit tatsächlich Widersprüchen abgeholfen hat. Breidenbach (a.a.O.) irrt, wenn er unter Hinweis auf dieses Handeln der LVA Westfalen meint, damit beruhe das Vertrauen der Arbeitgeber auf der Aufrechterhaltung der Prüfpraxis auch auf einem aktiven Tun - nämlich dem Abhelfen von Widersprüchen - der Rentenversicherungsträger. Er übersieht, dass zum einen Äußerungen und Handlungen im Jahre 1999 keine Grundlage für das Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit eines vor diesem Zeitraum liegenden Handelns bieten können und dass sich vor allem die Äußerung der LVA Westfalen nicht auf das Handeln der Arbeitgeber bezieht, für das diese Vertrauensschutz geltend machen. Diese wollen auf die Geltung des Zuflussprinzips vertraut haben. Genau diese Frage hat die LVA Westfalen aber verneint, sie hat vielmehr - wie auch in der Auskunft der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe eingeräumt wird - darauf hingewiesen, dass bei den Beitragsberechnungen beachtet werde, ob Arbeitsentgelte in einem allgemeinverbindlich erklärten TV festgelegt worden seien. Die Einräumung von Vertrauensschutz betrifft allein die Bewertung der Bedeutung des vorangegangenen Handelns der Einzugsstellen, die unabhängig von der Beurteilung der LVA Westfalen vorzunehmen ist. Gleiches gilt, sofern auch die Beklagte entsprechend der Angabe in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts Widersprüchen abgeholfen haben sollte.
Nur die Beklagte hat jedenfalls bis Ende 1998 offenbar auch nach außen hin eine andere Position vertreten. Die aus einem - nicht näher bezeichneten - Schreiben von der Steuerberaterkammer Düsseldorf zitierten Äußerungen gehen tatsächlich von der Anwendung des Zuflussprinzips aus. In den übersandten Arbeitsanweisungen von April und November 1998 wird dementsprechend sogar für den Fall einer untertariflichen Bezahlung die Entscheidung des BSG vom 25.11.1964 (a.a.O.) zitiert und behauptet, bei Vereinbarung einer untertariflichen Entlohnung richteten sich hiernach auch die Beiträge zur Sozialversicherung. Ob in Fällen, in denen Arbeitgeber eine entsprechende Auskunft der Beklagten (die freilich außerhalb von Betriebsprüfungen hierfür nicht zuständig war, da nach § 28h Abs. 1 Satz 2 SGB IV die Einzugsstelle die Zahlung der Beiträge überwacht und nach Absatz 2 Satz 1 ggf. über die Beitragshöhe entscheidet) erhalten haben, Vertrauensschutz zu gewähren wäre, kann dahinstehen; die Klägerin hat selbst nicht geltend gemacht, eine entsprechende Auskunft eingeholt zu haben.
cc) Jedenfalls für den hier streitbefangenen Zeitraum ab Januar 1999 wäre ohnehin für die Annahme von Vertrauen kein Raum mehr. Das BSG weist in dem Urteil vom 18.11.1980 ausdrücklich darauf hin, das Vertrauen des Beitragspflichtigen erscheine dann nicht mehr schutzwürdig, wenn er Anlass habe, an der Aufrechterhaltung einer früheren Rechtsprechung zu zweifeln (a.a.O. Seite 39). Gleiches gilt für die Fortführung einer bestimmten Verwaltungspraxis. Insoweit ist zu beachten, dass auch im Bereich der Beklagten Betriebsprüfungen durch die BfA durchgeführt worden sind und von daher keine einheitliche Praxis bestand. Tatsächlich gab es bereits im Laufe des Jahres 1998 deutliche Hinweise auf die Anwendung des Entstehungsprinzips in Fällen der vorliegenden Art bei Betriebsprüfungen. Dies belegen die in der mündlichen Verhandlung erörterten Unterlagen: In einem Schreiben des Hotel- und Gaststättenverbandes Westfalen e.V. vom 05.11.1998 wird unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG erläutert, dass es auf die tatsächlichen Gehaltszahlungen nicht ankomme, wenn zusätzlich aufgrund eines TV Ansprüche auf Jahressonderzahlungen oder Urlaubsgeld entstanden seien. In diesen Fällen könne es zu einem Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze kommen mit der Folge, dass die "kompletten" Sozialversicherungsbeiträge abzuführen seien. Ähnlich wird in einem Schreiben des Arbeitgeberverbandes Ruhr/Lenne e.V. vom 02.11.1998 auf die "bedenkliche" Rechtsprechung der Sozialgerichte (darunter die Entscheidungen des BSG aus dem Jahr 1994 und 1996) hingewiesen und ausgeführt, dass nach dieser Rechtsprechung auch nicht geschuldetes Arbeitsentgelt der Beitragspflicht unterliege und Grundlage für Beitragsnachforderungen sein könne. Dies könne für den Arbeitgeber von geringfügig Beschäftigten die Konsequenz haben, dass die Geringfügigkeitsgrenze aufgrund tarifvertraglicher Sonderzahlungen über schritten werde, obwohl diese weder an den Arbeitnehmer gezahlt worden seien noch eine Zahlung vertraglich vereinbart worden sei. Der gleiche Hinweis erfolgt in einem Schreiben einer Steuerberatungsgesellschaft in Blomberg vom August 1998 (Anlage zur Auskunft der AOK Westfalen-Lippe), in der sogar ausdrücklich angegeben wird, die Rentenversicherungsträger prüften seit "Anfang des Jahres" gezielt geringfügige Beschäftigungsverhältnisse im Einzelhandel insbesondere danach, ob tarifvertraglich zustehende Zahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld nicht ausgezahlt worden seien. Ferner kann davon ausgegangen werden, dass dem Schreiben des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks vom 14.01.1999, mit dem er das Problem der Beitragserhebung aus nicht gezahltem Entgelt an das (damalige) Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herangetragen und auf das der damalige Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung unter dem 04.02.1999 (unter Bekräftigung des Entstehungsprinzips) geantwortet hat, eine größere Zahl von bekannt gewordenen Fällen der Beitragsnacherhebungen vorangegangen sein muss. Gleiches gilt für den in der Zeitschrift "impulse 9/98" veröffentlichten Beitrag, in dem auch ausdrücklich auf die sich für die Arbeitgeber ergebenden Konsequenzen hingewiesen wird. Schließlich hat sich die Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe Ende 1998 veranlasst gesehen, aufgrund bekannt gewordener Fälle in ihrem amtlichen Mitteilungsblatt auf die "unbestätigte" Auffassung der Sozialversicherungsträger zur Beitragspflicht trotz Nichtzahlung von Arbeitsentgelt hinzuweisen. Dementsprechend war auch an die Bundessteuerberaterkammer von verschiedenen Steuerberaterkammern die Problematik zur Vorbereitung der am 12.04.1999 mit der BfA durchgeführten Besprechung herangetragen worden (so deren Auskunft vom 16.08.2002). Die Gesamtschau dieser Unterlagen zeigt, dass sich jedenfalls seit Ende 1998/Anfang 1999 Zweifel an der Aufrechterhaltung einer Prüfpraxis, auf die die Arbeitgeber ihr Vertrauen gestützt haben wollen, aufdrängten.
Diese Zweifel mussten sich seit der Besprechung der Bundessteuerberaterkammer mit der BfA im April 1999 verdichten, wenn man nicht ohnehin annimmt, dass damit die Position der Rentenversicherungsträger geklärt war. Ausweislich der Besprechungsniederschrift hat die BfA eindeutig das Entstehungsprinzip und die sich daraus ergebenden versicherungs- und beitragsrechtlichen Folgen vertreten. Angesichts der Besprechungsniederschrift vom 12.04.1999 ist die sowohl von der Bundessteuerberaterkammer als auch von den Steuerberaterkammern des Landes NRW vertretene Auffassung, die Rentenversicherungsträger hätten es vor dem Arbeitgeber-Info Nr. 1 vom 06.01.2000 der BfA versäumt, über die Änderung der Verwaltungsübung zu informieren, nicht nachvollziehbar. Wenn die Bundessteuerberaterkammer die von der BfA vertretene Auffassung nicht den lokalen Steuerberaterkammern bekanntgegeben haben oder die Kammern diese Information nicht an ihre Mitglieder weitergegeben haben sollten, würde dies eher auf Kommunikationsstörungen innerhalb des Kammersystems hindeuten und die Frage aufwerfen, welchen Sinn Besprechungen auf Bundesebene haben sollen, wenn deren Ergebnisse nicht den lokalen Kammern bzw. deren Mitgliedern mitgeteilt werden.
Ohnehin läuft die Forderung, die Sozialversicherungsträger hätten die Arbeitgeber bzw. die Steuerberater darauf hinweisen müssen, dass sie künftig bei Betriebsprüfungen aktiv prüfen würden, ob Beiträge nach dem tarifvertraglich geschuldeten Entgelt entrichtet worden seien, darauf hinaus, dass die Arbeitgeber hätten "gewarnt" werden müssen, eine (arbeits-)rechtlich unhaltbare Praxis (Nichterfüllung tarifvertraglicher Ansprüche) fortzuführen. Dass insoweit durchaus auch in Kreisen der Arbeitgeber "Problembewusstsein" bestand, belegt die im Parallelverfahren L 5 KR 73/02 eingeholte Auskunft des Einzelhandelsverbandes Aachen-Düren e.V., der ein Auszug aus dessen Publikation "Handelsjournal 4/99" beigefügt war. Dort wird in einem Beitrag zur Einhaltung der Geringfügigkeitsgrenze auf einen "von Flensburg bis Oberammergau bekannten Trick" hingewiesen. Man zahle einfach nur einen Stundenlohn von 10,-- DM, der bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden zu einer durchschnittlichen Monatsvergütung von 606,42 DM führe. Dies sei "betriebswirtschaftlich vertretbar, rechtlich total daneben", wie anschließend erläutert wird, weil auch Teilzeitbeschäftigte Anspruch auf alle tarifvertraglichen Ansprüche hätten und bei der vereinbarten Arbeitszeit aufgrund des tarifvertraglichen Lohnes Versicherungspflicht bestehe.
Vor diesem Hintergrund war jedenfalls seit 1999 die Vertrauensgrundlage entfallen. Angesichts der deutlichen Hinweise auf die der Rechtslage entsprechende "neue" Prüfpraxis und die Erhebung von Beiträgen aus nicht erfüllten tarifvertraglichen Entgeltansprüchen wäre es Sache der Arbeitgeber gewesen, durch Rückfrage (unter Angabe des vollständigen Sachverhalts) bei den Einzugsstellen (arg. § 28h Abs. 1 SGB V) die beitragsrechtliche Frage zu klären und ggf. eine - dann im Rahmen des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Vertrauensschutz begründende - Entscheidung (§ 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV) herbeizuführen. Der Senat hat nach den eingeholten Auskünften der Einzugsstelle auch keine Zweifel, dass die Klägerin im Fall einer Rückfrage unter Schilde rung des vollständigen Sachverhalts (Zahlung eines unter der geltenden tarifvertraglichen Vergütung liegenden Entgeltes) auf die Beitragsabführung nach dem tarifvertraglich geschuldeten Entgelt hingewiesen worden wäre.
b) Selbst wenn man entgegen der Auffassung des Senats einen Vertrauenstatbestand bejahen würde, hielte der Senat das Vertrauen der Klägerin nicht für schutzwürdig. Wie oben dargelegt, kann sich die Frage des Vertrauens nur stellen, wenn dem Arbeitgeber bekannt war, dass kollektivvertraglich ein höheres als das individualvertraglich vereinbarte und tatsächlich gezahlte Entgelt geschuldet wurde.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die spätere Feststellung eines höheren Entgeltanspruchs als Bemessungsgrundlage für Beiträge für vergangene Zeiträume nicht eine nachträgliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entrichtung von Beiträgen begründet, sondern lediglich eine bereits in der Vergangenheit entstandene Beitragsforderung geltend gemacht wird (zutreffend Klose, a.a.O., Seite 12). Die Einzugsstellen mögen in der Vergangenheit bei Betriebsprüfungen sich mit der Prüfung der Lohnkonten auf der Grundlage der tatsächlich gezahlten Entgelte begnügt und es unterlassen haben, der Frage nachzugehen, ob nicht tatsächlich aufgrund tarifvertraglicher Ansprüche höhere Beitragsansprüche bestanden. Die betroffenen Arbeitgeber konnten somit allenfalls darauf vertrauen, die für die Betriebsprüfungen nunmehr zuständigen Rentenversicherungsträger würden es weiterhin unterlassen, entstandene Beitragsforderungen durchzusetzen. Es ist schon zweifelhaft, ob insoweit schutzwürdiges Vertrauen bestehen kann.
Vertrauensschutz muss jedenfalls dann verneint werden, wenn das Verhalten des Vertrauensschutz beanspruchenden Schuldners sich als Verstoß gegen die Rechtsordnung darstellt. So liegt es hier. Die Klägerin hat die im Bereich des Einzelhandels geltenden tarifvertraglichen Regelungen verletzt. Unter Verstoß gegen die zwingenden (§ 4 Abs. 1 TVG) Rechtsnormen der im streitigen Zeitraum geltenden TV hat sie der Beigeladenen zu 1) ein deutlich unter der tariflichen Vergütung liegendes Entgelt gezahlt. Bereits seit 1982 waren im Bereich des Einzelhandels in Nordrhein- Westfalen die Lohn- und Gehalts-TV allgemein verbindlich (s. AVE vom 26.07.1982, BAnz Nr. 157 vom 26.04.1982, Seite 4). Die AVE eines TV setzt nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TVG ein öffentliches Interesse an der allgemeinen Geltung der tarifvertraglichen Regelungen voraus. Sie ist ein staatlicher Normsetzungsakt eigener Art, mit der der Staat die Tarifnormen in seinen Willen aufnimmt (Löwisch/Riebele, a.a.O., § 5 Rdnr. 14). Mit der AVE wird die Effektivität der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung gesichert. Die AVE ist ein Instrument, das die von Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens durch die Koalitionen abstützen soll, in dem sie den Normen der TV zu größerer Durchsetzungskraft verhilft. Daneben dient sie dem Ziel, den Außenseitern angemessene Arbeitsbedingungen zu sichern. Insoweit beruht die AVE auf der subsidiären Regelungszuständigkeit des Staats, die immer dann eintritt, wenn die Koalitionen die ihnen übertragene Aufgabe, das Arbeitsleben durch TV sinnvoll zu ordnen, im Einzelfall nicht allein erfüllen können und die soziale Schutzbedürftigkeit einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppe oder ein sonstiges öffentliches Interesse ein Eingreifen des Staates erforderlich machen (so BVerfGE 44, 322, 342). Die AVE tritt also als "Gesetzesersatz" (so Wank in: Wiedemann, TVG, 6. Aufl., § 5 Rdnr. 6) an die Stelle einer "eigentlich" erforderlichen gesetzlichen Regelung. Mit der AVE sollte den Beschäftigten im Bereich des Einzelhandels ein bestimmtes Entgeltniveau garantiert und gleichzeitig für alle Unternehmen des Einzelhandels gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Die Klägerin hat sich über die durch die TV geschaffene Rechtslage durch Zahlung einer untertariflichen Vergütung hinweggesetzt. Ob sie sich arbeitsrechtlich gegenüber Lohnnachforderungen der Beigeladenen 1) auf die Verfallklausel des § 24 Abs. 1 MTV berufen könnte (vgl. dazu Wank, a.a.O., § 4 Rdnr. 787 ff) kann dahinstehen. Angesichts des öffentlichen Interesses an der vollständigen Erhebung von Einnahmen in der Sozialversicherung (§ 76 Abs. 1 SGB IV) ist ein Vertrauen darauf, dass der Rechtsverstoß sich (auch) bei tragsrechtlich "auszahlt", nicht schutzwürdig; vielmehr ist es geboten, die bereits in der Vergangenheit entstandenen Beitragsansprüche durchzusetzen, nachdem der höhere Entgeltanspruch als Bemessungsgrundlage für die Beiträge erkannt worden ist.
IV. 1. Die Beklagte durfte bei der Betriebsprüfung die Wirksamkeit der einzelvertraglichen Lohnabsprache zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) überprüfen. Soweit bezweifelt wird, dass die Rentenversicherungsträger bei Betriebsprüfungen die Gültigkeit arbeitsrechtlicher Regelungen uneingeschränkt überprüfen dürfen (so Schmiedl NZS 2001, 638, 639f), geht diese Ansicht von der - wie dargelegt - unzutreffenden Ansicht aus, das BSG habe das Zuflussprinzip nur insoweit aufgegeben, als es um die Vermeidung "krasser sozialer Nachteile" gehe. Im Übrigen räumt auch diese Ansicht den Rentenversicherungsträgern in einem gewissen Umfang ein Überprüfungsrecht ein. Die hierfür genannten Voraussetzungen liegen hier vor. Wenn entgegen den Bestimmungen eines zwingend geltenden (§ 4 Abs. 1 TVG) allgemeinverbindlich erklärten TV ein untertariflicher Lohn gezahlt wird, ist die vom TV abweichende Individualabrede "evident unwirksam". Da nach dem Tarifvertragsrecht weder für den Arbeitnehmer nachteilige Abmachungen (§ 4 Abs. 3 TVG) noch ein Verzicht auf entstandene Rechte möglich sind (§ 4 Abs. 4 TVG), drängt sich die Unwirksamkeit der individualvertraglichen Vereinbarung eines untertariflichen Lohnes auch sofort auf, so dass ein Überprüfungsrecht der Beklagten in Fällen dieser Art nicht in Frage gestellt werden kann.
Soweit geltend gemacht wird, die Arbeitnehmer seien nach dem Tarifvertragsgesetz nicht verpflichtet, tarifvertragliche Ansprüche geltend zu machen und Außenstehende seien von sich aus nicht legitimiert, die Ansprüche von tarifgebundenen Personen zu verfolgen, berührt dieser Gesichtspunkt die Beitragsnachforderung nicht. Die Beklagte macht keine privatrechtlichen, auf dem TV beruhenden Ansprüche geltend, sondern sie hat lediglich Beiträge nach dem tarifvertraglich geschuldeten Entgelt berechnet und verfolgt die sich daraus ergebenden öffentlich-rechtlichen Beitragsansprüche.
2. Der Anwendung der TV im vorliegenden Fall steht nicht entgegen, dass sowohl die Lohn- und Gehalts-TV vom 29.06.1998 als auch die Nachfolge- TV vom 07.08.1999 mit rückwirkender Wirkung für allgemeinverbindlich erklärt worden sind. Eine Rückwirkung der AVE ist zulässig, wenn der Außenseiter mit der Rückwirkung rechnen musste. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein früher für allgemeinverbindlich erklärter TV erneuert oder geändert wird (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. BAGE 84, 147; s.a. Wank, a.a.O. Rdnr. 105). Da die Lohn- und Gehalts- TV für den Einzelhandel in NRW bereits seit 1982 fortlaufend für allgemeinverbindlich erklärt worden waren, musste die Klägerin angesichts dieser bestehenden Übung davon ausgehen, dass die jeweils geschlossenen Lohn- und Gehalts-TV ab ihrem Inkrafttreten wiederum für allgemeinverbindlich erklärt und entsprechende tarifvertragliche Lohnansprüche begründen würden. Soweit erstmals die AVE der ab 01.04.2000 geltenden Lohn- und Gehalts-TV abgelehnt worden ist (Bekanntmachung vom 10.04.2001, BAnz Nr. 87 vom 10.05.2001, Seite 9 170), kann daraus nicht abgeleitet werden, dass auch schon im streitbefangenen Zeitraum die Klägerin mit der Ablehnung der AVE hätte rechnen dürfen.
3. Die Beklagte hat in der Fassung des Bescheides vom 28.03.2003 das beitragspflichtige Entgelt auch im wesentlichen in zutreffender Höhe ermittelt. Die Beigeladenen zu 3) und 4) waren als gewerbliche Arbeitnehmerinnen beschäftigt, so dass gemäß dessen § 1 der Lohn-TV vom 07.08.1999 anzuwenden ist. Dieser sah ab 01.07.1999 in § 2 Abs. 3 für die niedrigste Lohngruppe II a ein Monatsentgelt von 2.760,-- DM vor. Zur Ermittlung des Stundenlohnes ist nach § 2 Abs. 2 Lohn-TV das Monatsentgelt durch 163 zu teilen, so dass sich ein Stundenlohn von 16,93 DM ergibt. Grundsätzlich ist auch die rechnerische Berücksichtigung des Urlaubsgeldes durch entsprechende Erhöhung des Stundenlohnes ab 01.10.1999 (Beigeladene zu 4) bzw. 01.11.1999 (Beigeladene zu 3) nicht zu beanstanden. Nach dem TV über Sonderzahlungen vom 20.09.1996 betrug das Urlaubsgeld für erwachsene vollzeitig Beschäftigte 55 % des tariflichen Entgeltanspruchs für das letzte Berufsjahr der Gehaltsgruppe I des Gehalts-TV am Stichtag 01. Januar des jeweiligen Kalenderjahres (§ 1 Abs. 1). Nach Abs. 4 hatten Teilzeitbeschäftigte Anspruch auf ein anteiliges Urlaubsgeld gemäß Abs. 1 entsprechend dem Verhältnis ihrer tatsächlichen Arbeitszeit zur tariflichen Wochenarbeitszeit. Der Anspruch auf Urlaubsgeld entstand erstmalig nach mehr als dreimonatiger ununterbrochener Zugehörigkeit zu demselben Betrieb (Abs. 5). Nach Abs. 6 war das Urlaubsgeld anteilig entsprechend dem Urlaubsanspruch zu gewähren, wobei in dem Kalenderjahr, in dem das Arbeitsverhältnis begann oder endete, dem Arbeitnehmer nach Erfüllung der Wartezeit für jeden vollen Beschäftigungsmonat ein Zwölftel des Urlaubsgeldes zustand. Indem die Beklagte das volle Urlaubsgeld durch die Zahl der Stunden nach der tarifvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit (s. insoweit § 2 Abs. 2 MTV) geteilt und den Stundenlohn in den Monaten nach Erfüllung der Wartezeit nach § 1 Abs. 5 TV über Sonderzuwendungen entsprechend erhöht hat, hat sie rechnerisch zutreffend das tarifvertraglich zustehende Urlaubsgeld bei der Bestimmung des beitragspflichtigen Entgelts berücksichtigt.
Allerdings hat sie für die Ermittlung des Urlaubsgeldanspruchs im Jahr 1999 ein zu hohes Tarifentgelt zugrundegelegt, was auch der Senat bei seiner Entscheidung übersehen hat. Am maßgeblichen Stichtag 01.01.1999 betrug das Tarifgehalt der Gehaltsgruppe I 6. Berufsjahr noch 3.349,-- DM, die von der Beklagten zugrundegelegte Höhe von 3.449,-- DM galt erst ab 01.07.1999 (s. § 3 B Gehaltsgruppe I des Gehalts-TV vom 07.08.1999). Demgemäß betrug das volle Urlaubsgeld 1.841,95 DM, so dass der Stundenlohn rechnerisch nur um 0,94 DM zu erhöhen war statt - wie von der Beklagten vorgenommen - um 0,97 DM. Im Jahr 2000, in dem nach dem Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung des Tarifvertrags über Sonderzahlungen vom 28.11.1997 das Urlaubsgeld nur noch 50 % des jeweiligen tariflichen Entgeltanspruchs für das letzte Berufsjahr der Gehaltsgruppe I des Gehaltstarifvertrages am Stichtag 01. Januar des jeweiligen Kalenderjahres betrug, ist der Stundenlohn zur Berücksichtigung des anteiligen Urlaubsgeldes rechnerisch um 0,88 DM zu erhöhen ([3.449,-- DM x 50 %]: 1956 Stunden), so dass das beitragspflichtige Entgelt entsprechend dem Änderungsbescheid vom 28.01.2003 nach einem Stundenlohn von 17,81 DM festzusetzen ist.
4. Auf der Grundlage der von der Beklagten ermittelten Entgeltansprüche hat sie zu Recht die Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung festgesetzt worden (§§ 123 Abs. 2, 226 Abs. 1 SGB V, 161, 162 Nr. 1 SGB VI, 57 Abs. 1 SGB XI i.V.m. § 226 Abs. 1 SGB V, 341 Abs. 3, 342 SGB III). Soweit die Beigeladenen zu 3) und 4) im Jahr 2000 geringfügig beschäftigt waren, bemessen sich die insoweit allein von der Klägerin zu entrichtenden Pauschalbeiträge (§§ 249b SGB V, 172 Abs. 3 SGB VI) ebenfalls nach dem geschuldeten Arbeitsentgelt, so dass auch die diesbezügliche Nachforderung der Beklagten nicht zu beanstanden ist. Für die Beitragsansprüche ist unerheblich, ob die Entgeltansprüche aufgrund der Verfallklausel des § 24 Abs. 1 MTV untergegangen sind (BSGE 75, 61, 66).
Die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages ergibt sich aus § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Hinsichtlich der geforderten Beiträge zu den Umlagen U 1/U 2, für deren Bemessung die gleiche Grundlage wie für die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung maßgebend ist (§ 14 Abs. 2 Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG)), folgt die Zahlungspflicht der Klägerin aus § 14 Abs. 1 LFZG. V. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis 01.01.2002 geltenden Fassung. § 197 a SGG in der seit 02.01.2002 geltenden Fassung findet keine Anwendung, da das neue Kostenrecht nur in den Verfahren anzuwenden ist, die nach dem Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes anhängig geworden sind (vgl. BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 24; zuletzt BSG, Urteil vom 28.11.2002 - B 7/1 A 2/00 R). Da sich die Beigeladenen zu 3) und 4) nicht am Verfahren beteiligt haben, hat der Senat davon abgesehen, ihre Kosten der Klägerin aufzuerlegen
Der Senat hat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Streitig ist die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund tarifvertraglich geschuldeten, aber nicht gezahlten Arbeitsentgelts.
Die Klägerin betreibt unter der Firma R ... S ... einen Versandhandel mit Sportbögen und Sportbogenzubehör in D ... Die Beigeladene zu 3) war als gewerbliche Arbeitnehmerin (Befiederin) vom 01.08.1999 bis 31.12.1999 sowie im Januar und März 2000 bei der Klägerin beschäftigt. Die Beigeladene zu 4) war als Packerin vom 28.06.1999 bis 31.01.2000 sowie im März 2000 beschäftigt. Schriftliche Arbeitsverträge bestanden nicht, mündlich war ein Stundenlohn von 10,-- DM vereinbart. Die Beschäftigung wurde regelmäßig weniger als 15 Stunden pro Woche ausgeübt. Beide Beigeladene wurden aufgrund der Entgelthöhe als geringfügig Beschäftigte angesehen und es wurden die Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung abgeführt.
In dem hier streitbefangenen Zeitraum waren im Bereich des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen folgende Tarifverträge allgemeinverbindlich: Manteltarifvertrag (MTV) vom 20.09.1996, gültig ab 01.11.1996; Tarifvertrag (TV) über Sonderzahlungen (Urlaubsgeld und Sonderzuwendung) vom 20.09.1996, gültig ab 01.01.1997, Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) beider TV durch Bekanntmachung vom 10.03.1997, BAnz Nr. 55 vom 04.04.1997, Seite 4 478; TV zur Änderung und Ergänzung des TV über Sonderzahlungen vom 28.11.1997, Gehalts- sowie Lohn-TV jeweils vom 28.11.1997, gültig vom 01.04.1997 bis 31.03.1998, AVE vom 30.03.1998 mit Wirkung vom 28.11.1997 bzw. 01.04.1997 (BAnz Nr. 79 vom 28.04.1998, Seite 06 182); Gehalts-TV und Lohn-TV vom 29.06.1998, jeweils gültig ab 01.04.1998, AVE vom 29.09.1998 mit Wirkung vom 01.04.1998 (BAnz Nr. 197 vom 21.10.1998, Seite 15 215); Gehalts-TV und Lohn-TV vom 07.08.1999, gültig ab 01.04.1999, AVE vom 18.11.1999 mit Wirkung vom 01.04.1999 (BAnz Nr. 2041 vom 18.11.1999, Seite 20 320). Der Geltungsbereich der Tarifverträge erstreckte sich auf alle Unternehmen des Einzelhandels im Land Nordrhein-Westfalen; sie galten für alle Arbeitnehmer in diesen Unternehmen, deren Beschäftigungsort in Nordrhein-Westfalen lag.
Aufgrund einer im ersten Halbjahr 2000 durchgeführten Betriebsprüfung für den Zeitraum Dezember 1995 bis Mai 2000 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 04.08.2000 Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagebeiträge in Höhe von 5.981,01 DM, abzüglich der gezahlten Pauschalbeiträge von 1.594,79 DM. Soweit der Bescheid einen weiteren Arbeitnehmer betrifft, ist er bestandskräftig geworden; der auf die Beschäftigung der Beigeladenen zu 3) und 4) entfallende Beitragsanteil beträgt 3.580,12 DM (1.830,48 Euro).
Auf der Grundlage der Stundennachweise und unter Zugrundelegung der sich aus den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen ergebenden Stundenlöhnen von 16,93 DM bzw. (einschließlich anteiligem Urlaubsgeld) 17,90 DM bejahte die Beklagte hinsichtlich der Beigeladenen zu 3) Versicherungspflicht für den Zeitraum vom 01.08. bis 31.12.1999 und setzte insoweit Gesamtsozialversicherungsbeiträge fest. Für die Monate Januar und März 2000 forderte sie Pauschalbeiträge nach der Differenz zwischen dem gezahlten und tariflichen Stundenlohn. Hinsichtlich der Beigeladenen zu 4) nahm sie bei gleicher Lohnhöhe Versicherungspflicht vom 28.06.1999 bis 31.01.2000 an und setzte Gesamtsozialversicherungsbeiträge fest; für den Monat März 2000 berechnete sie Pauschalbeiträge nach dem tariflichen Stundenlohn. Zur Begründung führte sie aus, aufgrund der AVE der einschlägigen TV seien für die Betroffenen Ansprüche auf den Tariflohn entstanden. Im Geltungsbereich eines allgemeinverbindlichen TV sei daher mindestens ein darin festgelegtes Arbeitsentgelt zugrundezulegen. Aufgrund des tarifvertraglich geschuldeten Entgeltes unterlägen die Beigeladenen zu 3) und 4) der Versicherungspflicht, da durch die höhere tarifliche Vergütung die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit nicht mehr erfüllt würden.
Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, die Nachforderung verstoße gegen § 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), wonach Beiträge nur aus dem erzielten Entgelt zu entrichten seien. Auf das geschuldete Entgelt könne i.S.d. Entstehungsprinzips nur abgestellt werden, wenn der Arbeitnehmer seine Ansprüche geltend mache. Abstrakt vorhandene, aber nie geltend gemachte Ansprüche seien bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung nicht existent. Ferner seien die tarifvertraglichen Ansprüche aufgrund der Ausschlussklausel des TV verfallen; dieser Wegfall des tarifvertraglichen Anspruchs müsse auch für den "Nebenanspruch" der Sozialversicherungsbeiträge gelten, da nicht einzusehen sei, dass auf nicht existente Lohnansprüche Beiträge zu leisten seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie hielt an ihrer Auffassung fest, dass auch die in allgemeinverbindlich erklärten TV festgelegten Entgelte der Beitragsberechnung zugrundezulegen seien.
Im Klageverfahren hat die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, in den vom Bundessozialgericht (BSG) entschiedenen Fällen hätten die betroffenen Arbeitnehmer im Gegensatz zum vorliegenden Fall den Lohnanspruch geltend gemacht. Anstelle des praktizierten Arbeitsvertrages gehe die Beklagte von einem beiden Vertragsparteien völlig unbekannten und nie geltend gemachten Anspruch aus. Damit werde die Beitragspflicht an einen den Beteiligten unbekannten und vom Arbeitnehmer nie geltend gemachten Tariflohn geknüpft, den es in der betrieblichen Wirklichkeit nie gegeben habe. Ihrem Steuerberater sei die Prüfpraxis der Rentenversicherungsträger unter Zugrundelegung des Entstehungsprinzips nicht bekannt gewesen.
Mit Urteil vom 02.11.2001 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und den Bescheid vom 04.08.2000 im angefochtenen Umfang aufgehoben. Es hat zwar grundsätzlich die Erhebung von Beiträgen auf der Grundlage tarifvertraglich geschuldeter Entgelte gebilligt. Es hat jedoch gemeint: Den Arbeitgebern sei bis Anfang 2000 Vertrauensschutz einzuräumen, da die bis zum 31.12.1995 für Betriebsprüfungen zuständigen Einzugsstellen bei der Ermittlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages in der Regel lediglich die den Arbeitnehmern tatsächlich zugeflossenen Entgelte berücksichtigt hätten, obwohl ihnen bekannt gewesen sei, dass unter der Geltung des SGB IV Beiträge unter Einbeziehung sämtlicher den Arbeitnehmern zustehender Ansprüche zu ermitteln seien. Dass eine solche Prüfpraxis bestanden habe, werde durch die Entscheidung der Beklagten, aus Vertrauensschutzerwägungen bis Ende 1998 auf die Nacherhebung von Beiträgen zu verzichten und insoweit Widersprüchen abzuhelfen, belegt. Für die Arbeitgeber habe kein Anlass bestanden, die Rechtmäßigkeit dieser Verwaltungspraxis zu bezweifeln.
Im Berufungsverfahren rechtfertigt die Beklagte zum einen die Beitragsnacherhebung auf der Grundlage der geschuldeten Entgelte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG. Aufgrund der AVE der einschlägigen TV sei auch die Klägerin deren Bedigungen unterworfen gewesen und habe die tarifvertraglichen Bestimmungen zwingend zu beachten gehabt. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei kein Vertrauensschutz einzuräumen. Den berechtigten Belangen der betroffenen Arbeitgeber werde durch die kurze Verjährung von vier Jahren ausreichend Rechnung getragen. Eine Verwirkung der Beitragsansprüche komme nicht in Betracht, da kein Verwirkungsverhalten der Sozialversicherungsträger vorliege. Es sei zu keinem Zeitpunkt ein Verhalten der Sozialversicherungsträger erkennbar gewesen, mit dem die Arbeitgeber in ihrer Sichtweise hätten bestärkt werden können, dass Sozialversicherungsbeiträge nur von dem tatsächlich zugeflossenen Lohn zu entrichten seien. Es seien immer wieder Hinweise an Arbeitgeber ergangen, dass bei der Beurteilung von Versicherungspflicht mit hinreichender Sicherheit zu erwartende Lohn- und Sonderzahlungsansprüche zu berücksichtigen seien. Von daher habe die Klägerin die tarifvertraglichen Gegebenheiten berücksichtigen müssen. Unerheblich sei, dass die Krankenkassen bei ihren Betriebsprüfungen die Beitragsansprüche möglicherweise nicht durch gesetzt hätten, denn eine unterbliebene Beanstandung bewirke kein Vertrauensschutz. Entgegen der Annahme des Sozialgerichts habe die BfA schon seit 1998 auf Veranstaltungen der Rentenversicherungsträger mit Steuerberatern über die Rechtsauffassung der Rentenversicherungsträger zur Problematik informiert; insoweit verweist die Beklagte auf das Protokoll einer Besprechung der BfA mit der Bundessteuerberaterkammer vom 12.04.1999. Über die Prüfpraxis der Rentenversicherungsträger sei auch in Publikationen berichtet worden; es sei ferner darauf hingewiesen worden, dass im Sozialversicherungsrecht nicht das Zuflussprinzip gelte. Wenn die Klägerin nur darauf vertraut habe, dass vor Geltendmachung des Lohnanspruchs kein Beitragsanspruch bestehe, habe sie nicht darauf vertrauen können, dass überhaupt keine Beiträge zu zahlen seien. Da tarifvertragliche Ausschlussfristen nur die Tariftreuen schützen sollten, habe arbeitsrechtlich kein Grund für die Annahme bestanden, dass keine Lohnansprüche mehr zu erfüllen seien. Folglich habe die Klägerin auch nicht darauf vertrauen können, dass keine Sozialversicherungsbeiträge mehr zu zahlen seien.
Soweit in dem angefochtenen Bescheid der Berechnung des beitragspflichtigten Entgeltes im Jahre 2000 ein 17,81 DM übersteigender Stundenlohn zugrunde gelegt worden ist, hat die Beklagte den Bescheid am 28.01.2003 aufgehoben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 02.11.2001 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, weder aus Wortlaut noch Entstehungsgeschichte des § 22 SGB IV ergebe sich, dass dieser Vorschrift das Entstehungsprinzip zugrunde liege. Ferner müsse bei der Auslegung dieser Vorschrift die "soziale Realität" beachtet werden. TV im Einzelhandel seien bis Ende der 90-er Jahre völlig unbekannt gewesen, bei der AVE des Lohn- und Gehalts-TV ab 01.04.1999 habe es sich um ein "singuläres Ereignis" gehandelt. Die TV seien von den im Einzelhandel dominierenden Klein- und Mittelbetrieben nicht zur Kenntnis genommen worden. Es sei daher eine Ausnahme vom Entstehungsprinzip zu machen, wenn das Arbeitsentgelt unabsichtlich nicht in der tarifvertraglichen Höhe gezahlt worden sei. Außerdem sei es unzulässig gewesen, den TV rückwirkend für allgemeinverbindlich zu erklären, weil vor und nach dem hier maßgeblichen Zeitraum kein allgemeinverbindlich erklärter TV gegolten habe.
Die Beigeladene zu 2) hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen, aber keinen Antrag gestellt; die übrigen Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert. Die Beigeladenen zu 3) und 4) haben auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass sie auf eine Wiederholung des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens verzichten.
Der Senat hat von der Bundessteuerberaterkammer Auskünfte eingeholt; insoweit wird auf deren Schreiben vom 01.07.2002 und 16.08.2002 Bezug genommen. Ferner sind die in Parallelverfahren eingeholten Auskünfte des AOK Bundesverbandes vom 07.05.2002, der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe vom 29.08.2002, der Steuerberaterkammer Köln vom 30.08.2002 und der Steuerberaterkammer Düsseldorf vom 02.09.2002 sowie die Auskünfte der AOK Rheinland vom 22.08.2002, der AOK Westfalen-Lippe vom 23.08.2002, der IKK Nordrhein vom 26.08.2002, der IKK Westfalen-Lippe vom 23.08.2002, der Barmer Ersatzkasse (BEK) vom 06.08.2002, der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) vom 15.08.2002 und der Techniker Krankenkasse (TKK) vom 08.10.2002 als Einzugsstellen beigezogen und den Beteiligten zur Kenntnis gegeben worden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Bescheid vom 04.08.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2000 aufgehoben, soweit Sozialversicherungsbeiträge für die Beigeladenen zu 3) und 4) gefordert werden.
A)
I. Gegenstand der Entscheidung des Senats ist der Bescheid nicht mehr in sei ner ursprünglichen Fassung, sondern in der Fassung vom 28.01.2003. Die Beklagte hat dabei ihren Bescheid nur insoweit aufgehoben, als im Jahr 2000 der Entgeltberechnung ein geringfügig höherer Stundenlohn zugrundegelegt worden ist (s. zur Berechnung im einzelnen unten B IV 3.) Dadurch ergibt sich aber kein anderer Streitgegenstand, vielmehr hat die Beklagte die Klägerin in einem geringen Umfang klaglos gestellt. Im Verhandlungstermin hat die Klägerin deutlich gemacht, dass sie sich insofern nicht mehr gegen den Bescheid in der ursprünglichen Fassung wehrt und damit die Hauptsache für diesen Teil konkludent für erledigt erklärt. Im Übrigen muss der Senat weiterhin über den ursprünglichen Bescheid befinden.
II. Der Sachentscheidung steht nicht entgegen, dass die Beigeladenen zu 3) und 4), deren Rechtsposition von der Entscheidung über die Versicherungs- und Beitragspflicht betroffen ist, entgegen § 12 Abs. 2 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht von der Einleitung des Verwaltungsverfahrens benachrichtigt worden waren, denn die Beigeladenen haben auf die Nachholung des Verwaltungs-/Widerspruchsverfahrens verzichtet (vgl. BSGE 55, 160, 163; 68, 171, 174; 81, 276, 288).
B)
I. Die Beigeladenen zu 3) und 4) waren in den von der Beklagten angenommenen Zeiträumen versicherungspflichtig beschäftigt. Eine für die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)), in der Rentenversicherung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)), in der Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)) vorausgesetzte Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt lag - was von der Klägerin nicht in Abrede gestellt wird und keiner näheren Begründung bedarf - vor. Entgegen der Beurteilung der Klägerin waren die Beigeladenen zu 3) und 4) jedoch nicht wegen Verrichtung einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 SGB IV (in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung) versicherungsfrei (§§ 7 Satz 1 SGB V, 5 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI, 25 Abs. 2 SGB III). Zwar war vertraglich ein Stundenlohn von 10,- DM vereinbart, so dass das nach den geleisteten Arbeitsstunden tatsächlich gezahlte Entgelt unter der Entgeltgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV lag. Jedoch wurde aufgrund des tarifvertraglich geschuldeten Entgeltes die Grenze einer geringfügigen Beschäftigung überschritten.
Im Zeitraum vom 01.04.1999 bis 31.03.2000 galt der für gewerbliche Arbeitnehmer maßgebliche Lohn-TV vom 07.08.1999. Bis zum 30.06.1999 sah dieser Lohn-TV in der niedrigsten Lohngruppe ein monatliches Gehalt von 2680,00 DM vor; ab 01.07.1999 betrug dieses Gehalt 2.760.- DM. Der (Mindest)Stundenlohn gewerblicher Arbeitnehmer, zu dessen Ermittlung gemäß § 2 Abs. 2 Lohn-TV das Monatsentgelt durch 163 zu teilen war, betrug somit - wie von der Beklagten zugrundegelegt - vom 01.07.1999 bis 31.03.2000 16,93 DM.
Die genannten TV waren für allgemeinverbindlich erklärt worden (AVE vom 29.08.1998 bzw. 18.11.1999). Aufgrund dieser AVE gemäß § 5 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) erfassten sie in ihrem Geltungsbereich auch die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 4 TVG). Die Ausdehnung der Tarifgebundenheit durch die AVE auf nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer hängt nicht von deren Kenntnis ab (vgl. Bundesarbeitsgericht (BAG) DB 1984, 55). Die Rechtsnormen des TV gelten unmittelbar und zwingend zwischen den Tarifgebundenen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG), abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit der TV eine Öffnungsklausel enthält oder eine Abweichung zu Gunsten des Arbeitnehmers erfolgt (§ 4 Abs. 3 TVG). Die zwingende Ordnung eines TV verbietet somit jede nachteilige Regelung zu Lasten des Arbeitnehmers, sie schafft - etwa zur Höhe des Entgelts - eine nicht entziehbare tarifliche Rechtsposition (vgl. Löwisch/ Rieble, TVG, § 4 Rdn. 58; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Aufl., § 204 Rdnr. 5).
Den Beigeladenen zu 3) und 4) stand somit ungeachtet der abweichenden - unwirksamen - individualvertraglichen Vereinbarung im fraglichen Zeitraum tariflich ein höheres als das tatsächlich gezahlte Entgelt zu. Selbst unter Zugrundelegung eines Stundenlohnes von 16,44 DM bzw. 16,93 DM (siehe zur Berechnung des Entgelts nach den Tarifverträgen im Einzelnen unten B IV. 3.) wurde die Entgeltgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV deutlich überschritten. Bei der für die Bestimmung der Versicherungs- und Beitragspflicht maßgebenden vorausschauenden Betrachtungsweise (vgl. etwa BSG SozR 2100 § 8 Nr. 4) musste somit im streitigen Zeitraum davon ausgegangen werden, dass ein aufgrund der anzuwendenden Tarifverträge zwingend geschuldeter Arbeitsentgeltanspruch in einer Höhe bestand, der die Versicherungsfreiheit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV ausschloss.
II. Die Beklagte hat zu Recht der Beurteilung der Versicherungspflicht und der Beitragserhebung nicht das tatsächlich erzielte ("zugeflossene"), sondern das nach den TV geschuldete Arbeitsentgelt zugrundegelegt. Die Entstehung von Beitragsansprüchen hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber das Entgelt tatsächlich gezahlt hat, vielmehr ist ausreichend, dass zum Fälligkeitszeitpunkt der Beiträge ein Entgeltanspruch bestand (sog. Entstehungsprinzip, eingehend BSG, Urteil vom 30.08.1994, BSGE 75, 61, 65 ff.). Das geschuldete Entgelt kann abweichend vom Individualvertrag auch die in einem anzuwendenden TV festgelegte Mindestvergütung sein. Der Auffassung der Klägerin, auch im Beitragsrecht müsse wie im Steuerrecht dass Zuflussprinzip gelten, so dass nur Beiträge von dem tatsächlich gezahlten Entgelt zu erheben seien, kann sich der Senat nicht anschließen.
Das Zuflussprinzip hatte zwar aufgrund des Gemeinsamen Erlasses des Reichsarbeitsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers betreffend weiterer Vereinfachung des Lohnabzugs vom 10.04.1944 ([Gemeinsamer Erlass] RABl. II, 228), der nach der Rechtssprechung des BSG für die Zeit nach dem 08.05.1945 weitergalt, bis 1977 Eingang in das Beitragsrecht gefunden. Hier auf beruht insbesondere das Urteil des BSG vom 21.11.1964 (BSGE 22, 106), das in einem Fall untertariflicher Bezahlung annahm, maßgebend für den Beitragsanspruch sei nur das tatsächlich gezahlte Entgelt. Nach Inkrafttreten des SGB IV am 01.07.1977, durch dessen Artikel II § 21 Abs. 1 Nr. 4 der Gemeinsame Erlass aufgehoben worden ist, war die Rechtssprechung des BSG zunächst hinsichtlich der weiteren Geltung des Zuflussprinzips nicht eindeutig (siehe einerseits etwa Urteil vom 18.11.1980, SozR 2100 § 14 Nr. 7; Urteil vom 28.10.1981, SozR 2100 § 14 Nr. 9; anderereits Urteil vom 25.09.1981, BSGE 52, 152; Urteil vom 26.10.1982, BSGE 54, 136 und Urteil vom 26.11.1985, BSGE 59, 183). Spätestens durch die 1994 ergangenen Entscheidungen vom 22.06.1994 (SozR 3 - 4100 § 160 Nr. 1) und 30.08.1994 (a.a.O) hat sich das BSG vom Zuflussprinzip gelöst und das Entstehungsprinzip vertreten; an dieser Auffassung hat es im Urteil vom 21.05.1996 (BSGE 78, 224) und zuletzt im Urteil vom 07.02.2002 (B 12 KR 13/01 R) festgehalten. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) folgt im Rahmen des § 266 a Strafgesetzbuch (StGB) dem Enstehungsprinzip und sieht ein Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen schon dann als gegeben an, wenn die unabhängig von der tatsächlichen Zahlung des Entgelts fällig gewordenen Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt worden sind (BGHZ 144, 311; zuletzt BGH NJW 2002, 2480).
Unzutreffend ist die Interpretation dieser Rechtssprechung, das Entstehungsprinzip gelte nur dann, wenn der Arbeitgeber vertragswidrig das Arbeitsentgelt nicht oder verspätet zahle (so Berndt, DStR 2000, 1520, 1522) bzw. wenn der Arbeitnehmer das geschuldete Entgelt noch fordere. Aus der genannten Rechtssprechung ergibt sich eindeutig, dass das zum Fälligkeitszeitpunkt individual- oder kollektivrechtlich geschuldete Entgelt den öffentlich-rechtlichen Beitragsanspruch auslöst, der nach seinem Entstehen in seinem rechtlichen Schicksal unabhängig von dem privatrechtlichen Entgeltanspruch ist. Ob und wann dieser erfüllt wird, untergeht oder verjährt, ist für den Beitragsanspruch ohne Belang. Das BSG führt im Urteil vom 30.08.1994 ausdrücklich aus, dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass das Entstehen von Beitragsansprüchen davon abhänge, ob sie selbst oder der zugrundeliegende Entgeltanspruch erkannt und geltend gemacht würden (a.a.O. Seite 65). Im Urteil vom 21.05.1996 spricht das BSG von der "Abkehr" vom Zuflussprinzip, was es vorallem damit begründet, dass die Versicherungs- und Beitragspflicht schon am Tag der Aufnahme der Beschäftigung gegen Entgelt und nicht erst mit dessen Zahlung beginne (a.a.O., Seite 226). Dann kann aber die Entstehung von Versicherungspflicht nicht davon abhängig sein, ob der Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt noch fordert. Auch im Rahmen des § 266 a StGB würde diese Ansicht zu unlösbaren Problemen führen. Der BGH bejaht ein Vorenthalten von Beiträgen des Arbeitnehmers auch dann, wenn tatsächlich zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge der Lohn nicht ausgezahlt worden ist. Er weist insoweit darauf hin, für eine einengende Auslegung, die eine Strafbarkeit nach § 266 a StGB von der tatsächlichen Lohnzahlung abhängig mache, sei kein Raum, da die Schuld des Arbeitgebers hinsichtlich der Arbeitnehmerbeiträge unabhängig vom gezahlten Lohn bestehe (BGH NJW 2002, 2480, 2481). Würde jedoch der Beitragsanspruch nur dann bestehen, wenn der Beschäftigte den Lohn noch fordert, hinge die Strafbarkeit des Arbeitgebers von dem entsprechenden Verhalten des Arbeitnehmers ab. Ebensowenig könnte im Rahmen des § 8 SGB IV die Prüfung der Versicherungspflicht im Wege einer vorausschauenden Betrachtung erfolgen. Insoweit sind geschuldete sowie mit hinreichender Sicherheit zu erwartende Zahlungen zu berücksichtigen (BSG SozR 2100 § 804). Maßgeblich ist insoweit im Falle der Geltung eines allgemeinverbindlich erklärten TV der tariflich geschuldete Lohn, da die tarifvertraglichen Regelungen eine abweichende in dividualvertragliche Abrede verdrängen (§ 4 Abs. 3 TVG). Die vorausschauende Beurteilung der Versicherungspflicht wäre nicht möglich, wenn es darauf ankäme, ob die Arbeitnehmer tatsächlich den tariflich geschuldeten Lohn fordern.
Die Anwendung des Entstehungsprinzips und die Erhebung von Beiträgen aus tarifvertraglich geschuldetem Entgelt widerspricht nicht den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11.01.1995 (BVerfGE 92, 53) und 24.05.2000 (BVerfGE 102, 127) zur beitragsrechtlichen Behandlung einmalig gezahlten Arbeitsentgeltes (so aber Arends, BB 2001, 94, 95). Die Behauptung, wenn schon das verfassungswidrige Gesetz keine Grundlage für die Heranziehung von Einmalzahlungen biete, seien "fiktive Hinzurechnungen" auf der Grundlage dieses Gesetzes erst recht unzulässig, ist falsch. Das BVerfG hat in beiden Entscheidungen die Weitergeltung der mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärten Normen angeordnet, so dass weiterhin Beiträge aus einmalig gezahltem Entgelt erhoben werden durften (vgl. BVerfGE 92, 53, 74; 102, 127, 145 f). Ebenso wenig trifft die Annahme zu, die genannten Beschlüsse des BVerfG beruhten auf dem Gedanken des Äquivalenzprinzips (Versicherungsprinzips), nach dem die Versicherten der Beitragsabführung entsprechende Leistungen erhalten müssten. Das BVerfG hat vielmehr in beiden Entscheidungen seine ständige Rechtsprechung bekräftigt, dass es von Verfassungs wegen nicht geboten sei, dass bei der Bemessung kurzfristiger Lohnersatzleistungen eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Höhe der Leistung erzielt werde (BVerfGE 92, 53, 71; 102, 127, 142). Die früheren Bestimmungen über die beitragsrechtliche Behandlung von Einmalzahlungen hat das BVerfG lediglich deshalb für verfassungswidrig gehalten, weil die Einmalzahlung bei der Leistungsbemessung nicht berücksichtigt wurde und damit Versicherte mit gleichhoher Beitragsleistung leistungsrechtlich unterschiedlich behandelt wurden und ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung nicht erkennbar war (vgl. BVerfGE 92, 53, 71 f; 102, 127, 143 ff). Gleichfalls nicht stichhaltig ist der Einwand, es bestehe kein Anlass, das tarifvertraglich geschuldete Entgelt zur Grundlage der Beitragsbemessung zu machen, da die Versicherten Leistungsansprüche nur nach dem erzielten Entgelt erwerben würden. Diese Aussage trifft schon für den Erwerb von Rentenanwartschaften, aus denen in Zukunft Rentenansprüche entstehen, nicht zu und hat zum anderen für die beitragsunabhängigen Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung ohnehin keine Relevanz. Sie gilt allenfalls für die kurzfristigen Lohnersatzleistungen zu, für deren Bemessung nur das im Bemessungszeitraum erzielte (d.h. tatsächlich zugeflossene) Entgelt maßgeblich ist (s. § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 129 SGB III).
Der Senat hat schon in seinen Entscheidungen vom 31.10.2000 (L 5 KR 27/00) und 22.08.2002 (L 5 B 41/02 KR ER) uneingeschränkt das Entstehungsprinzip vertreten. Er hält an seiner Auffassung fest und sieht sich darin durch die jetzt durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I, 4621) vorgenommene Einfügung eines Halbsatzes in § 22 Abs. 1 SGB IV bestätigt. § 22 Abs. 1 SGB IV in der ab 01.01.2003 geltenden Fassung (Artikel 17 Abs. 1 des Gesetzes vom 23.12.2002) lautet nun mehr: "Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen, bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt, sobald dieses ausgezahlt worden ist". Auf die tatsächliche Auszahlung wird somit lediglich für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt abgestellt, was im Gegenschluss bedeutet, dass für das laufende Entgelt etwas anderes gilt (so auch Bauer/Krets, NJW 2003, 537, 545). In der Gesetzesbegründung wird dementsprechend auch ausgeführt, einmalige Einnahmen sollten dann beitragspflichtig werden, wenn sie dem Beschäftigten ausgezahlt worden seien (BT-Drucksache 15/26, Seite 24). Die jetzt vorgenommene Einfügung hat der Gesetzgeber somit nicht nur als Klarstellung angesehen und damit die von der höchstrichterlichen Rechtssprechung vertretene Auffassung zur Geltung des Entstehungsprinzips im Beitragsrecht der Sozialversicherung bestätigt.
III. Die Beklagte ist an der Geltendmachung des Beitragsanspruchs nicht gehindert, weil der Klägerin Vertrauensschutz einzuräumen wäre.
1. Die Frage, ob entsprechend dem für Normen geltenden Rückwirkungsverbot (vgl. dazu Jarass, in Jarass/Pieroth, GG, 5. Aufl., Artikel 20 Rdnr. 67 ff ) auch eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtssprechung zu Vertrauensschutz für die betroffenen Arbeitgeber führen kann (bejahend BSG, Urteil vom 18.11.1980, BSGE 51, 31, 37 f.) stellt sich hier nicht. Im Streit stehen Beitragsforderungen für die Jahre 1999 und 2000. Schon vor diesem Zeitraum hatte sich die Rechtssprechnung des BSG geändert. Die für die Beitragserhebung entscheidende Rechtsfrage der Anwendung des Entstehungsprinzips war zwar - wie oben ausgeführt - in der höchstrichterlichen Rechtssprechung zunächst nicht eindeutig beantwortet worden (s. auch Wünnemann, DAngV 1981, 371; Franoschek, Die Beiträge 1994, 449), die Rechtslage war aber durch die Urteile vom 22.06.1994 (a.a.O.) und 30.08.1994 (a.a.O.), die in dem Urteil vom 21.05.1996 (a.a.O.) bestätigt wurden, geklärt. Die zur untertariflichen Bezahlung ergangene Entscheidung vom 25.11.1964 (a.a.O.), die auf dem Zuflussprinzip beruhte, war durch die geänderte Rechtslage seit Inkrafttreten des SGB IV überholt, das BSG hatte im Urteil vom 21.05.1996 auch ausdrücklich auf die Abkehr von dem Zuflussprinzip durch das SGB IV hingewiesen (a.a.O. S. 226). Es stand somit aufgrund dieser Entscheidungen lange vor dem Jahr 1999 fest, dass für den Beitragsanspruch allein maßgeblich der zum Fälligkeitszeitpunkt geschuldete Entgeltanspruch war. Gleichzeitig hatte das BSG im Urteil vom 30.08.1994 schon den Einzugsstellen die Befugnis zugesprochen, bei entsprechendem Anlass auch die Höhe des in der Vergangenheit nicht gezahlten, aber geschuldeten Arbeitsentgelts zu ermitteln und je nach dem Ergebnis über etwaige versicherungs- und beitragsrechtliche Auswirkungen zu entscheiden (a.a.O. Seite 68).
Die genannten Entscheidungen des BSG sind nicht nur in der amtlichen Sammlung, sondern auch in einschlägigen Fachzeitschriften publiziert (siehe die Veröffentlichungsnachweise in Juris) und auch in der Literatur diskutiert worden (siehe einerseits Peters-Lange, NZA 1995, 657, andererseits Klose, NZS 1996, 9, die - insoweit übereinstimmend - beide die endgültigen Aufgabe der Zuflusstheorie konstatieren). Vor diesem Hintergrund ist die Forderung, die Einzugsstellen oder die ab 01.01.1996 für die Betriebsprüfungen (mit) zuständigen Rentenversicherungsträger hätten die geänderte Rechtssprechung den Arbeitgebern bzw. ihren steuerlichen Beratern bekannt geben müssen, fernliegend. Es ist nicht vorstellbar, dass jedenfalls den Steuerberatern, die Arbeitgeber bei der Beitragsabführung betreuen, diese Rechtssprechung unbekannt gewesen sein soll. So hatte etwa die Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe schon Ende 1998 über die Rechtsprechung des BSG informiert und auf die "neue" Prüfpraxis hingewiesen. Falls tatsächlich entsprechend den Auskünften der Bundessteuerberaterkammer bzw. der Steuerberaterkammern Köln und Düsseldorf die Rechtssprechung des BSG erst Anfang 2000 in breiteren Kreisen der Steuerberater zur Kenntnis genommen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen erörtert worden sein sollten (was auch angesichts der Tatsache, dass die Bundessteuerberaterkammer bereits am 12.04.1999 mit der BfA die Problematik der Beitragserhebung aus geschuldetem Entgelt erörtert hatte, verwundert), läge allenfalls ein kollektives Versäumnis dieses Berufsstandes vor. Wenn Steuerberater für die Arbeitgeber auch die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge übernehmen, obliegt es ihnen, sich über die insoweit einschlägige Rechtsprechung zu informieren.
2. Vertrauensschutz ist auch nicht deshalb zu gewähren, weil in der Vergangenheit - angeblich - die Einzugsstellen und (zunächst) die Rentenversicherungsträger bei den Betriebsprüfungen faktisch das Zuflussprinzip praktiziert und die Beitragsabführungen nach den tatsächlich gezahlten Entgelten nicht beanstandet hätten (s. etwa Breidenbach, BB 2002, 1910, 1911).
a) Für die Einräumung von Vertrauensschutz fehlt es insoweit bereits an einem Vertrauenstatbestand.
aa) In dem Urteil vom 18.11.1980 (a.a.O.) hat das BSG es für ein Gebot von Treu und Glauben gehalten, dass die Beitragspflichtigen nicht für eine zurückliegende Zeit mit einer Beitragsnachforderung überrascht werden dürften, die im Widerspruch stehe zu dem vorangegangenen Verhalten der Verwaltung, auf dessen Rechtmäßigkeit sie vertraut hätten und hätten vertrauen dürfen (a.a.O., Seite 36). Das BSG geht dabei von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aus, nach der im Steuerrecht Vertrauensschutz dann bestehen kann, wenn die Verwaltung über einen längeren Zeitraum ein Verhalten gezeigt hat, durch das beim Steuerpflichtigen der Glauben erweckt worden ist, die Behandlung des Steuerfalles entspreche dem Recht (vgl. BFHE 77, 535; 81, 153; 84, 483; 99, 293). Eine Nachforderung verstößt nach dieser Rechtsprechung dann gegen Treu und Glauben, wenn sie in Widerspruch zu einem vorangegangenen nachhaltigen und einen Vertrauensschutz für den Steuerpflichtigen schaffenden Verhalten der Verwaltung steht. Vertrauensschutz hat der BFH dann bejaht, wenn die Verwaltung über einen längeren Zeitraum eine bestimmte Auffassung vertreten (BFHE 81, 353) oder in Kenntnis der tatsächlichen Umstände von der Geltendmachung einer Steuer- oder Abgabenforderung abgesehen hatte (BFHE 77, 535). Gleichzeitig hat der BFH in der letztgenannten Entscheidung aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Vertrauensschutz nicht allein dadurch begründet werden könne, dass der "Steueraufsichtsdienst" nicht sorgfältig geprüft habe. Auch nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung reicht eine bloße Untätigkeit der zuständigen Behörde als Verwirkungsverhalten grundsätzlich nicht aus (vgl. BSGE 47, 194, 197; BSG USK 80292; BSG SozR 2200 § 520 Nr. 3; BSG Breithaupt 1987, 948; LSG Celle KVRS A-3200/6). Das bloße "Nichtstun", also ein Unterlassen, kann schutzwürdiges Vertrauen des Schuldners nur begründen, wenn er das Nichtstun des Gläubigers nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachten darf (BSGE 45, 38, 48; 45, 195, 198; LSG Celle RV 1991, 95).
Nach diesen Maßstäben gibt es keine Grundlage für den geforderten Vertrauensschutz. Von der Klägerin wie auch von anderen Arbeitgebern wird insoweit geltend gemacht, aufgrund der an den tatsächlichen Einnahmen orientierten Prüfpraxis der Einzugsstellen, die auch von den Rentenversicherungsträgern jedenfalls zum Teil fortgeführt worden sei, seien sie von der Geltung des Zuflussprinzips ausgegangen. Unabhängig davon, ob die genannte Prüfpraxis den Schluss auf die Anwendung des Zuflussprinzips rechtfertigte (dazu sogleich unten bb)), stellt sich grundsätzlich die Frage, worauf sich das Vertrauen der Arbeitgeber erstreckt haben soll. Hatten sie keine Kenntnis von der AVE der einschlägigen TV, wussten sie auch nicht, dass sie rechtlich einen höheren Lohn als den gezahlten schuldeten. Die Frage der Beitragsentrichtung aus tarifvertraglich entstandenen, aber nicht erfüllten Entgeltansprüchen konnte sich für sie damit nicht stellen. Folglich konnten sie auch aus dem Umstand, dass bei den Betriebsprüfungen die Beitragsabführung unbeanstandet blieb, schon mangels Kenntnis des höheren Entgeltanspruchs nicht den Schluss ziehen, die Einzugsstelle billige die Beitragsentrichtung nach dem gezahlten statt nach dem geschuldeten Arbeitsentgelt. Kannten sie dagegen Inhalt und Geltung der tarifvertraglichen Normen und wussten sie somit, dass sie einen geringeren als den tarifvertraglich geschuldeten Lohn zahlten, würde sich vor dem Hintergrund der oben genannten - eindeutigen - Rechtsprechung des BSG ihr Vertrauen nur auf die Aufrechterhaltung einer fehlerhaften Verwaltungspraxis und das weitere Unterbleiben der Durchsetzung entstandener Beitragsansprüche beziehen (siehe dazu unten III.2 b).
bb) Den eingeholten Auskünften der Einzugsstellen kann der Senat nicht entnehmen, dass die Arbeitgeber von der Anwendung des Zuflussprinzips ausgehen durften. In Übereinstimmung mit der Auskunft des AOK-Bundesverbandes, dass sich die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung seit Inkrafttreten des SGB IV am Entstehungsprinzip orientiert hätten, haben alle befragten Krankenkassen mitgeteilt, sie hätten das Entstehungsprinzip vertreten. Eine davon zu unterscheidende Frage ist, inwiefern sie bei Betriebsprüfungen dieses Prinzip auch durchgesetzt haben.
Die Auskünfte sind insoweit vage. Während die IKK Westfalen-Lippe behauptet, es seien auch Beiträge aus tarifvertraglich geschuldetem Entgelt gefordert worden (wobei offenbleibt, ob diese Kasse auch von sich aus der Geltung von TV nachgegangen ist), haben die DAK und die AOK-Westfalen offen eingeräumt, sie hätten bei Betriebsprüfungen nicht die Frage des Bestehens (höherer) tarifvertraglicher Entgeltansprüche aufgegriffen. Die Aussage der BEK, die hier angesprochene Praxis (d.h. die Frage nach der Beitragserhebung aus tarifvertraglich geschuldetem Entgelt) sei "verstärkt" mit dem Übergang der Betriebsprüfungen auf die Rentenversicherungsträger aufgetreten, lässt den Schluss zu, dass sie wohl selbst entsprechende Nachforderungen nicht verfolgt hat. Die TKK hat Beitragsansprüche auf der Grundlage von tarifvertraglich geschuldetem Entgelt (nur) nachgefordert, wenn sie entsprechende Ansprüche festgestellt habe. Die AOK Rheinland hat im wesentlichen die Rechtslage geschildert, die IKK Nordrhein konnte nur sagen, regelmäßig und systematisch habe sich die Kasse bei den Betriebsprüfungen nicht mit dieser Problematik befasst.
Nach diesen Auskünften der befragten Krankenkassen, die bis Ende 1995 für die Betriebsprüfungen allein zuständig waren und noch bis 1998 - in zunehmend geringerem Umfang - Betriebsprüfungen durchgeführt haben, muss allerdings davon ausgegangen werden, dass zwar die Krankenkassen das Entstehungsprinzip vertreten, sich aber bei den Betriebsprüfungen darauf beschränkt haben, die Beitragsabführung auf der Grundlage der gezahlten Löhne zu überprüfen und sie nur dann Beiträge aus geschuldetem, aber nicht gezahltem Entgelt nachgefordert haben, wenn die Versicherten dies im Einzelfall verlangt haben bzw. entsprechende arbeitsrechtliche Ansprüche der Kasse bekannt geworden sind. Diese Praxis geht aber über ein bloßes "Nichtstun" nicht hinaus, das grundsätzlich als Verwirkungsverhalten nicht ausreicht und nur dann schutzwürdiges Vertrauen begründen kann, wenn der Gläubiger es nach den Umständen als bewusst und planmäßig ansehen durfte (BSGE 45, 38, 48; 45, 195, 198; LSG Celle RV 1991, 95). Von einem bewussten und planmäßigen Unterlassen hätten die Arbeitgeber aber nur ausgehen können, wenn sie selbst die - nicht erfüllten - tarifvertraglichen Ansprüche kannten und die Einzugsstellen in Kenntnis des vollständigen Sachverhalts, also auch der Geltung und Anwendbarkeit tarifvertraglicher Normen und den sich daraus ergebenden Lohnansprüchen, bei der Beitragsprüfung ausschließlich auf die gezahlten Entgelte abgestellt hätten.
Hierfür gibt es keinen Anhalt. Den Auskünften der Einzugsstellen ist vielmehr zu entnehmen, dass sie aktiv der Frage der Geltung von TV nicht nachgegangen sind und sich keine Kenntnis von dem Bestehen unter Umständen höherer Entgeltansprüche verschafft haben. Dem Senat sind auch aus Parallelverfahren keine Hinweise darauf bekannt geworden, dass die Einzugsstellen in Kenntnis des vollständigen Sachverhalts eine Beitragserhebung nach dem Zuflussprinzip gebilligt hätten; auch die Klägerin hat dazu nichts vorgetragen. Die Behauptung, bei den Betriebsprüfungen nach § 28p Abs. 1 SGB IV werde zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage der Beiträge die genaue Höhe des Arbeitsentgeltes festgestellt und mit den ggf. zu beachtenden Tariflöhnen verglichen, so dass es ausgeschlossen sei, dass die Nichteinhaltung von TV bei den Betriebsprüfungen unentdeckt bleibe (so Breidenbach, a.a.O, Seite 1913), ist unzutreffend und verkennt die Funktion und Bedeutung von Betriebsprüfungen. Die Betriebsprüfer sind zu einer Überprüfung der tatsächlichen Verhältnisse nicht verpflichtet (vgl. BSG USK 8750 zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen einer GmbH für die Prüfung der Versicherungspflicht des Geschäftsführers). Betriebsprüfungen brauchen nicht umfassend und erschöpfend zu sein und können sich auf bestimmte Einzelfälle und Stichproben beschränken. Sie sollen einer seits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu; sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen und ihm "Entlastung" zu erteilen (BSGE 47, 194, 198; BSG USK 8750). Die sozialgerichtliche Rechtsprechung hat es daher stets abgelehnt, das Vertrauen des Beitragsschuldners in die Nichtbeanstandung unterbliebener Beitragsentrichtung bei Betriebsprüfungen zu schützen (BSG Breithaupt 1976, 303, 305; BSGE 47, 194, 198; BSG USK 8750; LSG Celle KVRS A-3200/6; Senat, Urteil vom 03.09.2002 - L 5 KR 26/01). Das BSG hat sogar ein die Einzugsstelle bindendes Verwirkungshandeln verneint, wenn der Betriebsprüfer anlässlich der Betriebsprüfung eine bestimmte Rechtsauffassung geäußert hatte, ohne einen entsprechenden Verwaltungsakt zu erlassen (vgl. BSGE 47, 194, 198). Aufgrund der Nichtbeanstandung der Beitragsabführung bei den Betriebsprüfungen konnten somit die betroffenen Arbeitgeber nicht davon ausgehen, die Einzugsstellen legten der Beitragserhebung das Zuflussprinzip zugrunde.
Ebenso wenig bot die Praxis der für die Betriebsprüfungen ab 01.01.1996 zuständigen Rentenversicherungsträger (deren Zuständigkeit zunächst übergangsweise neben die der Krankenkassen getreten ist, vgl. zur Entwicklung KassKomm - Seewald, § 28f SGB IV Rdnr. 1) eine Grundlage für die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes. Die BfA hat im Parallverfahren L 5 KR 73/02 durchgehend glaubhaft vorgetragen, dass im Bereich ihrer Prüfdienste die Entstehungstheorie im Sinne der Rechtsprechung des BSG Beachtung gefunden habe. Schon in ihren Arbeitsanweisungen aus dem Jahr 1992 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei untertariflicher Bezahlung sich die Beiträge unabhängig von der tatsächlichen Gehaltszahlung nach der Höhe der bei Fälligkeit geschuldeten, aber nicht gezahlten Entgelte richteten. Auch die LVA Westfalen hat - wie dem Senat aus dem Parallelverfahren L 5 KR 197/01 bekannt und in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist - mit Übergang der Zuständigkeit für die Betriebsprüfungen das Entstehungsprinzip vertreten und praktiziert. Ob dabei tatsächlich in allen Fällen den Fragen nach der Anwendbarkeit von TV und dem Bestehen tarifvertraglicher Ansprüche und den sich daraus ergebenden versicherungs- und beitragsrechtlichen Folgen nachgegangen worden ist, ist vor dem Hintergrund der oben dargelegten Bedeutung und Funktion von Betriebsprüfungen irrelevant.
Ebenso unbeachtlich ist, ob die LVA Westfalen im Frühjahr 1999 gegenüber der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe geäußert hat, aus "Vertrauensschutzgründen" würden Beitragsnachforderungen in Fällen der vorliegenden Art für Prüfzeiträume bis 31.12.1998 nicht geltend gemacht und ob sie insoweit tatsächlich Widersprüchen abgeholfen hat. Breidenbach (a.a.O.) irrt, wenn er unter Hinweis auf dieses Handeln der LVA Westfalen meint, damit beruhe das Vertrauen der Arbeitgeber auf der Aufrechterhaltung der Prüfpraxis auch auf einem aktiven Tun - nämlich dem Abhelfen von Widersprüchen - der Rentenversicherungsträger. Er übersieht, dass zum einen Äußerungen und Handlungen im Jahre 1999 keine Grundlage für das Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit eines vor diesem Zeitraum liegenden Handelns bieten können und dass sich vor allem die Äußerung der LVA Westfalen nicht auf das Handeln der Arbeitgeber bezieht, für das diese Vertrauensschutz geltend machen. Diese wollen auf die Geltung des Zuflussprinzips vertraut haben. Genau diese Frage hat die LVA Westfalen aber verneint, sie hat vielmehr - wie auch in der Auskunft der Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe eingeräumt wird - darauf hingewiesen, dass bei den Beitragsberechnungen beachtet werde, ob Arbeitsentgelte in einem allgemeinverbindlich erklärten TV festgelegt worden seien. Die Einräumung von Vertrauensschutz betrifft allein die Bewertung der Bedeutung des vorangegangenen Handelns der Einzugsstellen, die unabhängig von der Beurteilung der LVA Westfalen vorzunehmen ist. Gleiches gilt, sofern auch die Beklagte entsprechend der Angabe in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts Widersprüchen abgeholfen haben sollte.
Nur die Beklagte hat jedenfalls bis Ende 1998 offenbar auch nach außen hin eine andere Position vertreten. Die aus einem - nicht näher bezeichneten - Schreiben von der Steuerberaterkammer Düsseldorf zitierten Äußerungen gehen tatsächlich von der Anwendung des Zuflussprinzips aus. In den übersandten Arbeitsanweisungen von April und November 1998 wird dementsprechend sogar für den Fall einer untertariflichen Bezahlung die Entscheidung des BSG vom 25.11.1964 (a.a.O.) zitiert und behauptet, bei Vereinbarung einer untertariflichen Entlohnung richteten sich hiernach auch die Beiträge zur Sozialversicherung. Ob in Fällen, in denen Arbeitgeber eine entsprechende Auskunft der Beklagten (die freilich außerhalb von Betriebsprüfungen hierfür nicht zuständig war, da nach § 28h Abs. 1 Satz 2 SGB IV die Einzugsstelle die Zahlung der Beiträge überwacht und nach Absatz 2 Satz 1 ggf. über die Beitragshöhe entscheidet) erhalten haben, Vertrauensschutz zu gewähren wäre, kann dahinstehen; die Klägerin hat selbst nicht geltend gemacht, eine entsprechende Auskunft eingeholt zu haben.
cc) Jedenfalls für den hier streitbefangenen Zeitraum ab Januar 1999 wäre ohnehin für die Annahme von Vertrauen kein Raum mehr. Das BSG weist in dem Urteil vom 18.11.1980 ausdrücklich darauf hin, das Vertrauen des Beitragspflichtigen erscheine dann nicht mehr schutzwürdig, wenn er Anlass habe, an der Aufrechterhaltung einer früheren Rechtsprechung zu zweifeln (a.a.O. Seite 39). Gleiches gilt für die Fortführung einer bestimmten Verwaltungspraxis. Insoweit ist zu beachten, dass auch im Bereich der Beklagten Betriebsprüfungen durch die BfA durchgeführt worden sind und von daher keine einheitliche Praxis bestand. Tatsächlich gab es bereits im Laufe des Jahres 1998 deutliche Hinweise auf die Anwendung des Entstehungsprinzips in Fällen der vorliegenden Art bei Betriebsprüfungen. Dies belegen die in der mündlichen Verhandlung erörterten Unterlagen: In einem Schreiben des Hotel- und Gaststättenverbandes Westfalen e.V. vom 05.11.1998 wird unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG erläutert, dass es auf die tatsächlichen Gehaltszahlungen nicht ankomme, wenn zusätzlich aufgrund eines TV Ansprüche auf Jahressonderzahlungen oder Urlaubsgeld entstanden seien. In diesen Fällen könne es zu einem Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze kommen mit der Folge, dass die "kompletten" Sozialversicherungsbeiträge abzuführen seien. Ähnlich wird in einem Schreiben des Arbeitgeberverbandes Ruhr/Lenne e.V. vom 02.11.1998 auf die "bedenkliche" Rechtsprechung der Sozialgerichte (darunter die Entscheidungen des BSG aus dem Jahr 1994 und 1996) hingewiesen und ausgeführt, dass nach dieser Rechtsprechung auch nicht geschuldetes Arbeitsentgelt der Beitragspflicht unterliege und Grundlage für Beitragsnachforderungen sein könne. Dies könne für den Arbeitgeber von geringfügig Beschäftigten die Konsequenz haben, dass die Geringfügigkeitsgrenze aufgrund tarifvertraglicher Sonderzahlungen über schritten werde, obwohl diese weder an den Arbeitnehmer gezahlt worden seien noch eine Zahlung vertraglich vereinbart worden sei. Der gleiche Hinweis erfolgt in einem Schreiben einer Steuerberatungsgesellschaft in Blomberg vom August 1998 (Anlage zur Auskunft der AOK Westfalen-Lippe), in der sogar ausdrücklich angegeben wird, die Rentenversicherungsträger prüften seit "Anfang des Jahres" gezielt geringfügige Beschäftigungsverhältnisse im Einzelhandel insbesondere danach, ob tarifvertraglich zustehende Zahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld nicht ausgezahlt worden seien. Ferner kann davon ausgegangen werden, dass dem Schreiben des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks vom 14.01.1999, mit dem er das Problem der Beitragserhebung aus nicht gezahltem Entgelt an das (damalige) Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herangetragen und auf das der damalige Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung unter dem 04.02.1999 (unter Bekräftigung des Entstehungsprinzips) geantwortet hat, eine größere Zahl von bekannt gewordenen Fällen der Beitragsnacherhebungen vorangegangen sein muss. Gleiches gilt für den in der Zeitschrift "impulse 9/98" veröffentlichten Beitrag, in dem auch ausdrücklich auf die sich für die Arbeitgeber ergebenden Konsequenzen hingewiesen wird. Schließlich hat sich die Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe Ende 1998 veranlasst gesehen, aufgrund bekannt gewordener Fälle in ihrem amtlichen Mitteilungsblatt auf die "unbestätigte" Auffassung der Sozialversicherungsträger zur Beitragspflicht trotz Nichtzahlung von Arbeitsentgelt hinzuweisen. Dementsprechend war auch an die Bundessteuerberaterkammer von verschiedenen Steuerberaterkammern die Problematik zur Vorbereitung der am 12.04.1999 mit der BfA durchgeführten Besprechung herangetragen worden (so deren Auskunft vom 16.08.2002). Die Gesamtschau dieser Unterlagen zeigt, dass sich jedenfalls seit Ende 1998/Anfang 1999 Zweifel an der Aufrechterhaltung einer Prüfpraxis, auf die die Arbeitgeber ihr Vertrauen gestützt haben wollen, aufdrängten.
Diese Zweifel mussten sich seit der Besprechung der Bundessteuerberaterkammer mit der BfA im April 1999 verdichten, wenn man nicht ohnehin annimmt, dass damit die Position der Rentenversicherungsträger geklärt war. Ausweislich der Besprechungsniederschrift hat die BfA eindeutig das Entstehungsprinzip und die sich daraus ergebenden versicherungs- und beitragsrechtlichen Folgen vertreten. Angesichts der Besprechungsniederschrift vom 12.04.1999 ist die sowohl von der Bundessteuerberaterkammer als auch von den Steuerberaterkammern des Landes NRW vertretene Auffassung, die Rentenversicherungsträger hätten es vor dem Arbeitgeber-Info Nr. 1 vom 06.01.2000 der BfA versäumt, über die Änderung der Verwaltungsübung zu informieren, nicht nachvollziehbar. Wenn die Bundessteuerberaterkammer die von der BfA vertretene Auffassung nicht den lokalen Steuerberaterkammern bekanntgegeben haben oder die Kammern diese Information nicht an ihre Mitglieder weitergegeben haben sollten, würde dies eher auf Kommunikationsstörungen innerhalb des Kammersystems hindeuten und die Frage aufwerfen, welchen Sinn Besprechungen auf Bundesebene haben sollen, wenn deren Ergebnisse nicht den lokalen Kammern bzw. deren Mitgliedern mitgeteilt werden.
Ohnehin läuft die Forderung, die Sozialversicherungsträger hätten die Arbeitgeber bzw. die Steuerberater darauf hinweisen müssen, dass sie künftig bei Betriebsprüfungen aktiv prüfen würden, ob Beiträge nach dem tarifvertraglich geschuldeten Entgelt entrichtet worden seien, darauf hinaus, dass die Arbeitgeber hätten "gewarnt" werden müssen, eine (arbeits-)rechtlich unhaltbare Praxis (Nichterfüllung tarifvertraglicher Ansprüche) fortzuführen. Dass insoweit durchaus auch in Kreisen der Arbeitgeber "Problembewusstsein" bestand, belegt die im Parallelverfahren L 5 KR 73/02 eingeholte Auskunft des Einzelhandelsverbandes Aachen-Düren e.V., der ein Auszug aus dessen Publikation "Handelsjournal 4/99" beigefügt war. Dort wird in einem Beitrag zur Einhaltung der Geringfügigkeitsgrenze auf einen "von Flensburg bis Oberammergau bekannten Trick" hingewiesen. Man zahle einfach nur einen Stundenlohn von 10,-- DM, der bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden zu einer durchschnittlichen Monatsvergütung von 606,42 DM führe. Dies sei "betriebswirtschaftlich vertretbar, rechtlich total daneben", wie anschließend erläutert wird, weil auch Teilzeitbeschäftigte Anspruch auf alle tarifvertraglichen Ansprüche hätten und bei der vereinbarten Arbeitszeit aufgrund des tarifvertraglichen Lohnes Versicherungspflicht bestehe.
Vor diesem Hintergrund war jedenfalls seit 1999 die Vertrauensgrundlage entfallen. Angesichts der deutlichen Hinweise auf die der Rechtslage entsprechende "neue" Prüfpraxis und die Erhebung von Beiträgen aus nicht erfüllten tarifvertraglichen Entgeltansprüchen wäre es Sache der Arbeitgeber gewesen, durch Rückfrage (unter Angabe des vollständigen Sachverhalts) bei den Einzugsstellen (arg. § 28h Abs. 1 SGB V) die beitragsrechtliche Frage zu klären und ggf. eine - dann im Rahmen des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Vertrauensschutz begründende - Entscheidung (§ 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV) herbeizuführen. Der Senat hat nach den eingeholten Auskünften der Einzugsstelle auch keine Zweifel, dass die Klägerin im Fall einer Rückfrage unter Schilde rung des vollständigen Sachverhalts (Zahlung eines unter der geltenden tarifvertraglichen Vergütung liegenden Entgeltes) auf die Beitragsabführung nach dem tarifvertraglich geschuldeten Entgelt hingewiesen worden wäre.
b) Selbst wenn man entgegen der Auffassung des Senats einen Vertrauenstatbestand bejahen würde, hielte der Senat das Vertrauen der Klägerin nicht für schutzwürdig. Wie oben dargelegt, kann sich die Frage des Vertrauens nur stellen, wenn dem Arbeitgeber bekannt war, dass kollektivvertraglich ein höheres als das individualvertraglich vereinbarte und tatsächlich gezahlte Entgelt geschuldet wurde.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die spätere Feststellung eines höheren Entgeltanspruchs als Bemessungsgrundlage für Beiträge für vergangene Zeiträume nicht eine nachträgliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entrichtung von Beiträgen begründet, sondern lediglich eine bereits in der Vergangenheit entstandene Beitragsforderung geltend gemacht wird (zutreffend Klose, a.a.O., Seite 12). Die Einzugsstellen mögen in der Vergangenheit bei Betriebsprüfungen sich mit der Prüfung der Lohnkonten auf der Grundlage der tatsächlich gezahlten Entgelte begnügt und es unterlassen haben, der Frage nachzugehen, ob nicht tatsächlich aufgrund tarifvertraglicher Ansprüche höhere Beitragsansprüche bestanden. Die betroffenen Arbeitgeber konnten somit allenfalls darauf vertrauen, die für die Betriebsprüfungen nunmehr zuständigen Rentenversicherungsträger würden es weiterhin unterlassen, entstandene Beitragsforderungen durchzusetzen. Es ist schon zweifelhaft, ob insoweit schutzwürdiges Vertrauen bestehen kann.
Vertrauensschutz muss jedenfalls dann verneint werden, wenn das Verhalten des Vertrauensschutz beanspruchenden Schuldners sich als Verstoß gegen die Rechtsordnung darstellt. So liegt es hier. Die Klägerin hat die im Bereich des Einzelhandels geltenden tarifvertraglichen Regelungen verletzt. Unter Verstoß gegen die zwingenden (§ 4 Abs. 1 TVG) Rechtsnormen der im streitigen Zeitraum geltenden TV hat sie der Beigeladenen zu 1) ein deutlich unter der tariflichen Vergütung liegendes Entgelt gezahlt. Bereits seit 1982 waren im Bereich des Einzelhandels in Nordrhein- Westfalen die Lohn- und Gehalts-TV allgemein verbindlich (s. AVE vom 26.07.1982, BAnz Nr. 157 vom 26.04.1982, Seite 4). Die AVE eines TV setzt nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TVG ein öffentliches Interesse an der allgemeinen Geltung der tarifvertraglichen Regelungen voraus. Sie ist ein staatlicher Normsetzungsakt eigener Art, mit der der Staat die Tarifnormen in seinen Willen aufnimmt (Löwisch/Riebele, a.a.O., § 5 Rdnr. 14). Mit der AVE wird die Effektivität der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung gesichert. Die AVE ist ein Instrument, das die von Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens durch die Koalitionen abstützen soll, in dem sie den Normen der TV zu größerer Durchsetzungskraft verhilft. Daneben dient sie dem Ziel, den Außenseitern angemessene Arbeitsbedingungen zu sichern. Insoweit beruht die AVE auf der subsidiären Regelungszuständigkeit des Staats, die immer dann eintritt, wenn die Koalitionen die ihnen übertragene Aufgabe, das Arbeitsleben durch TV sinnvoll zu ordnen, im Einzelfall nicht allein erfüllen können und die soziale Schutzbedürftigkeit einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppe oder ein sonstiges öffentliches Interesse ein Eingreifen des Staates erforderlich machen (so BVerfGE 44, 322, 342). Die AVE tritt also als "Gesetzesersatz" (so Wank in: Wiedemann, TVG, 6. Aufl., § 5 Rdnr. 6) an die Stelle einer "eigentlich" erforderlichen gesetzlichen Regelung. Mit der AVE sollte den Beschäftigten im Bereich des Einzelhandels ein bestimmtes Entgeltniveau garantiert und gleichzeitig für alle Unternehmen des Einzelhandels gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Die Klägerin hat sich über die durch die TV geschaffene Rechtslage durch Zahlung einer untertariflichen Vergütung hinweggesetzt. Ob sie sich arbeitsrechtlich gegenüber Lohnnachforderungen der Beigeladenen 1) auf die Verfallklausel des § 24 Abs. 1 MTV berufen könnte (vgl. dazu Wank, a.a.O., § 4 Rdnr. 787 ff) kann dahinstehen. Angesichts des öffentlichen Interesses an der vollständigen Erhebung von Einnahmen in der Sozialversicherung (§ 76 Abs. 1 SGB IV) ist ein Vertrauen darauf, dass der Rechtsverstoß sich (auch) bei tragsrechtlich "auszahlt", nicht schutzwürdig; vielmehr ist es geboten, die bereits in der Vergangenheit entstandenen Beitragsansprüche durchzusetzen, nachdem der höhere Entgeltanspruch als Bemessungsgrundlage für die Beiträge erkannt worden ist.
IV. 1. Die Beklagte durfte bei der Betriebsprüfung die Wirksamkeit der einzelvertraglichen Lohnabsprache zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) überprüfen. Soweit bezweifelt wird, dass die Rentenversicherungsträger bei Betriebsprüfungen die Gültigkeit arbeitsrechtlicher Regelungen uneingeschränkt überprüfen dürfen (so Schmiedl NZS 2001, 638, 639f), geht diese Ansicht von der - wie dargelegt - unzutreffenden Ansicht aus, das BSG habe das Zuflussprinzip nur insoweit aufgegeben, als es um die Vermeidung "krasser sozialer Nachteile" gehe. Im Übrigen räumt auch diese Ansicht den Rentenversicherungsträgern in einem gewissen Umfang ein Überprüfungsrecht ein. Die hierfür genannten Voraussetzungen liegen hier vor. Wenn entgegen den Bestimmungen eines zwingend geltenden (§ 4 Abs. 1 TVG) allgemeinverbindlich erklärten TV ein untertariflicher Lohn gezahlt wird, ist die vom TV abweichende Individualabrede "evident unwirksam". Da nach dem Tarifvertragsrecht weder für den Arbeitnehmer nachteilige Abmachungen (§ 4 Abs. 3 TVG) noch ein Verzicht auf entstandene Rechte möglich sind (§ 4 Abs. 4 TVG), drängt sich die Unwirksamkeit der individualvertraglichen Vereinbarung eines untertariflichen Lohnes auch sofort auf, so dass ein Überprüfungsrecht der Beklagten in Fällen dieser Art nicht in Frage gestellt werden kann.
Soweit geltend gemacht wird, die Arbeitnehmer seien nach dem Tarifvertragsgesetz nicht verpflichtet, tarifvertragliche Ansprüche geltend zu machen und Außenstehende seien von sich aus nicht legitimiert, die Ansprüche von tarifgebundenen Personen zu verfolgen, berührt dieser Gesichtspunkt die Beitragsnachforderung nicht. Die Beklagte macht keine privatrechtlichen, auf dem TV beruhenden Ansprüche geltend, sondern sie hat lediglich Beiträge nach dem tarifvertraglich geschuldeten Entgelt berechnet und verfolgt die sich daraus ergebenden öffentlich-rechtlichen Beitragsansprüche.
2. Der Anwendung der TV im vorliegenden Fall steht nicht entgegen, dass sowohl die Lohn- und Gehalts-TV vom 29.06.1998 als auch die Nachfolge- TV vom 07.08.1999 mit rückwirkender Wirkung für allgemeinverbindlich erklärt worden sind. Eine Rückwirkung der AVE ist zulässig, wenn der Außenseiter mit der Rückwirkung rechnen musste. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein früher für allgemeinverbindlich erklärter TV erneuert oder geändert wird (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. BAGE 84, 147; s.a. Wank, a.a.O. Rdnr. 105). Da die Lohn- und Gehalts- TV für den Einzelhandel in NRW bereits seit 1982 fortlaufend für allgemeinverbindlich erklärt worden waren, musste die Klägerin angesichts dieser bestehenden Übung davon ausgehen, dass die jeweils geschlossenen Lohn- und Gehalts-TV ab ihrem Inkrafttreten wiederum für allgemeinverbindlich erklärt und entsprechende tarifvertragliche Lohnansprüche begründen würden. Soweit erstmals die AVE der ab 01.04.2000 geltenden Lohn- und Gehalts-TV abgelehnt worden ist (Bekanntmachung vom 10.04.2001, BAnz Nr. 87 vom 10.05.2001, Seite 9 170), kann daraus nicht abgeleitet werden, dass auch schon im streitbefangenen Zeitraum die Klägerin mit der Ablehnung der AVE hätte rechnen dürfen.
3. Die Beklagte hat in der Fassung des Bescheides vom 28.03.2003 das beitragspflichtige Entgelt auch im wesentlichen in zutreffender Höhe ermittelt. Die Beigeladenen zu 3) und 4) waren als gewerbliche Arbeitnehmerinnen beschäftigt, so dass gemäß dessen § 1 der Lohn-TV vom 07.08.1999 anzuwenden ist. Dieser sah ab 01.07.1999 in § 2 Abs. 3 für die niedrigste Lohngruppe II a ein Monatsentgelt von 2.760,-- DM vor. Zur Ermittlung des Stundenlohnes ist nach § 2 Abs. 2 Lohn-TV das Monatsentgelt durch 163 zu teilen, so dass sich ein Stundenlohn von 16,93 DM ergibt. Grundsätzlich ist auch die rechnerische Berücksichtigung des Urlaubsgeldes durch entsprechende Erhöhung des Stundenlohnes ab 01.10.1999 (Beigeladene zu 4) bzw. 01.11.1999 (Beigeladene zu 3) nicht zu beanstanden. Nach dem TV über Sonderzahlungen vom 20.09.1996 betrug das Urlaubsgeld für erwachsene vollzeitig Beschäftigte 55 % des tariflichen Entgeltanspruchs für das letzte Berufsjahr der Gehaltsgruppe I des Gehalts-TV am Stichtag 01. Januar des jeweiligen Kalenderjahres (§ 1 Abs. 1). Nach Abs. 4 hatten Teilzeitbeschäftigte Anspruch auf ein anteiliges Urlaubsgeld gemäß Abs. 1 entsprechend dem Verhältnis ihrer tatsächlichen Arbeitszeit zur tariflichen Wochenarbeitszeit. Der Anspruch auf Urlaubsgeld entstand erstmalig nach mehr als dreimonatiger ununterbrochener Zugehörigkeit zu demselben Betrieb (Abs. 5). Nach Abs. 6 war das Urlaubsgeld anteilig entsprechend dem Urlaubsanspruch zu gewähren, wobei in dem Kalenderjahr, in dem das Arbeitsverhältnis begann oder endete, dem Arbeitnehmer nach Erfüllung der Wartezeit für jeden vollen Beschäftigungsmonat ein Zwölftel des Urlaubsgeldes zustand. Indem die Beklagte das volle Urlaubsgeld durch die Zahl der Stunden nach der tarifvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit (s. insoweit § 2 Abs. 2 MTV) geteilt und den Stundenlohn in den Monaten nach Erfüllung der Wartezeit nach § 1 Abs. 5 TV über Sonderzuwendungen entsprechend erhöht hat, hat sie rechnerisch zutreffend das tarifvertraglich zustehende Urlaubsgeld bei der Bestimmung des beitragspflichtigen Entgelts berücksichtigt.
Allerdings hat sie für die Ermittlung des Urlaubsgeldanspruchs im Jahr 1999 ein zu hohes Tarifentgelt zugrundegelegt, was auch der Senat bei seiner Entscheidung übersehen hat. Am maßgeblichen Stichtag 01.01.1999 betrug das Tarifgehalt der Gehaltsgruppe I 6. Berufsjahr noch 3.349,-- DM, die von der Beklagten zugrundegelegte Höhe von 3.449,-- DM galt erst ab 01.07.1999 (s. § 3 B Gehaltsgruppe I des Gehalts-TV vom 07.08.1999). Demgemäß betrug das volle Urlaubsgeld 1.841,95 DM, so dass der Stundenlohn rechnerisch nur um 0,94 DM zu erhöhen war statt - wie von der Beklagten vorgenommen - um 0,97 DM. Im Jahr 2000, in dem nach dem Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung des Tarifvertrags über Sonderzahlungen vom 28.11.1997 das Urlaubsgeld nur noch 50 % des jeweiligen tariflichen Entgeltanspruchs für das letzte Berufsjahr der Gehaltsgruppe I des Gehaltstarifvertrages am Stichtag 01. Januar des jeweiligen Kalenderjahres betrug, ist der Stundenlohn zur Berücksichtigung des anteiligen Urlaubsgeldes rechnerisch um 0,88 DM zu erhöhen ([3.449,-- DM x 50 %]: 1956 Stunden), so dass das beitragspflichtige Entgelt entsprechend dem Änderungsbescheid vom 28.01.2003 nach einem Stundenlohn von 17,81 DM festzusetzen ist.
4. Auf der Grundlage der von der Beklagten ermittelten Entgeltansprüche hat sie zu Recht die Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung festgesetzt worden (§§ 123 Abs. 2, 226 Abs. 1 SGB V, 161, 162 Nr. 1 SGB VI, 57 Abs. 1 SGB XI i.V.m. § 226 Abs. 1 SGB V, 341 Abs. 3, 342 SGB III). Soweit die Beigeladenen zu 3) und 4) im Jahr 2000 geringfügig beschäftigt waren, bemessen sich die insoweit allein von der Klägerin zu entrichtenden Pauschalbeiträge (§§ 249b SGB V, 172 Abs. 3 SGB VI) ebenfalls nach dem geschuldeten Arbeitsentgelt, so dass auch die diesbezügliche Nachforderung der Beklagten nicht zu beanstanden ist. Für die Beitragsansprüche ist unerheblich, ob die Entgeltansprüche aufgrund der Verfallklausel des § 24 Abs. 1 MTV untergegangen sind (BSGE 75, 61, 66).
Die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages ergibt sich aus § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Hinsichtlich der geforderten Beiträge zu den Umlagen U 1/U 2, für deren Bemessung die gleiche Grundlage wie für die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung maßgebend ist (§ 14 Abs. 2 Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG)), folgt die Zahlungspflicht der Klägerin aus § 14 Abs. 1 LFZG. V. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis 01.01.2002 geltenden Fassung. § 197 a SGG in der seit 02.01.2002 geltenden Fassung findet keine Anwendung, da das neue Kostenrecht nur in den Verfahren anzuwenden ist, die nach dem Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes anhängig geworden sind (vgl. BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 24; zuletzt BSG, Urteil vom 28.11.2002 - B 7/1 A 2/00 R). Da sich die Beigeladenen zu 3) und 4) nicht am Verfahren beteiligt haben, hat der Senat davon abgesehen, ihre Kosten der Klägerin aufzuerlegen
Der Senat hat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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