L 1 BA 36/20 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 BA 16/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 BA 36/20 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, für welche diese jeweils selbst aufzukommen haben. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 41.219,48 EUR festgesetzt.

Gründe:

Nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 197 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] i. V. m. §§ 161 Abs. 2, 163 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]). Unter Heranziehung des § 156 VwGO ist es hier gerecht, dass die Antragstellerin kostenpflichtig ist. Nach dieser Vorschrift hat der Kläger die Kosten zu tragen, wenn der Beklagte keinen Anlass zur Klage gegeben hat und sofort anerkannt wird. Hier hat die Antragsgegnerin anerkannt, nachdem die Antragstellerin erstmals im Beschwerdeverfahren auf die besonderen Härten im Hinblick auf die Covid 19- Pandemie abgestellt hat. Die Erfolgschancen der Beschwerde waren im Übrigen auch ungeachtet dessen nur entfernt:

Zu Recht hat das Sozialgericht (SG) den Antrag als unbegründet angesehen. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen den Prüfbescheid vom 9. Dezember 2019 wäre nicht anzuordnen gewesen:

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen - wie hier - eine spätere Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hätte, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Anzuordnen ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels in den Fällen des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG jedenfalls dann, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen (vgl. etwa Beschluss des Senats vom 8. Januar 2016 - L 1 KR 557/15 B ER -, zitiert nach Juris). Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit der Vorschrift des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG. Im Übrigen gibt der Gesetzgeber in § 86b Abs. 1 SGG nicht ausdrücklich vor, nach welchen Maßstäben über die Aussetzung einer sofortigen Vollziehung zu entscheiden ist. Hat der Gesetzgeber aber - wie es § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG voraussetzt - an anderer Stelle bereits grundsätzlich die sofortige Vollziehbarkeit einer Verwaltungsentscheidung angeordnet, nimmt er damit in Kauf, dass eine angefochtene Entscheidung wirksam bleibt, obwohl über ihre Rechtmäßigkeit noch nicht abschließend entschieden worden ist. Von diesem Grundsatz ermöglicht § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG eine Ausnahme. Zumindest in den Fällen einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit ist die Vollziehbarkeit auszusetzen, weil dann kein öffentliches Interesse an einer Vollziehung erkennbar ist. Unterbleiben muss die Aussetzung dagegen, wenn der eingelegte Rechtsbehelf offensichtlich aussichtslos ist. In den Fällen, in denen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht klar erkennbar ist, kommt es auf eine Interessenabwägung an (BT-Drs 11/3480, S. 54). Je geringer die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs sind, desto mehr muss für den Betroffenen auf dem Spiel stehen, damit trotz bloßer Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer angefochtenen Maßnahme entgegen der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers die aufschiebende Wirkung angeordnet werden kann (vgl. zum ganzen Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 86b Rdnr. 12e ff m. w. Nachw.). Hier hat das SG im angefochtenen Beschluss bereits zutreffend dargelegt, dass der Widerspruch der Antragstellerin allenfalls geringe Erfolgschancen hat. Der Senat verweist zur Vermeidung bloßer Wiederholungen auf die zutreffende Begründung und macht sich diese zu Eigen (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG). Die vom hiesigen Senat geteilte Annahme des SG, dass ein mitarbeitender GmbH-Gesellschafter, mit einem Anteil von 50%, der aber nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, in einem Beschäftigungsverhältnis zur Gesellschaft steht, entspricht der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts (BSG; vgl. für diese Konstellation: Beschluss vom 10. Dezember 2019 -B 12 KR 34/19 B; grundsätzlich: Urteil vom 11. November 2015 (B 12 KR 13/14 R) Rdnr. 21 verwiesen. Zu Recht dürfte deshalb die Antragsgegnerin von einer Beschäftigung der Beigeladenen zu 3) und 4) als mitarbeitende Gesellschafter der Antragstellerin ausgegangen sein. Dass der Beigeladene zu 3) Altersvollrentner gewesen ist, ist bei der Ermittlung der nachzufordernden Beiträge berücksichtigt (vgl. S. 6 des Bescheides vom 9. Dezember 2019).

Das SG hat auch zu Recht festgestellt, dass der Sofortvollzug des streitgegenständlichen Prüfbescheids keine besondere Härte darstellt. Eine solche liegt grundsätzlich nicht vor, wenn gesetzlich begründete Beitragsansprüche auch durchgesetzt werden sollen. Eine besondere Härte kann sich bestenfalls daraus ergeben, dass die Durchsetzung einer Beitragsforderung zur Zerschlagung eines Unternehmens führt, das bei einer weiteren Stundung der Forderung in der Lage gewesen wäre, wirtschaftlich zu überleben und die Beitragsschulden zurückzuführen. Von einer solchen Situation kann hier nicht ausgegangen werden. Nach Aktenlage ist die Antragstellerin nämlich unabhängig von den hier indirekt streitgegenständlichen Beitragsnachforderungen überschuldet: Nach ihren eigenen Angaben verzeichnete sie bereits in den Jahren 2018 und 2019 Verluste. Die Gewinn- und Verlustrechnung weist für das Jahr 2018 einen Verlustvortrag von rund 715.000 EUR und einen Jahresfehlbetrag von rund 137.000 EUR aus. Nach der Bescheinigung der Steuerberatungsgesellschaft vom 8. April 2020 sind die Verluste 2019 nicht ausgeglichen worden. Ein KfW-Darlehen in der aktuellen Krisensituation erhält die Antragstellerin danach nicht, weil sie über einen Zeitraum von drei Jahren kein positives Geschäftsergebnis erzielt hat. Zuletzt ist sie auch nach der eingereichten eidesstattlichen Versicherung des Steuerberaters vom 18. März 2020 "wirtschaftlich überfordert", da die dort formulierte Bedingung eingetreten ist: Der Bescheid der Antragsgegnerin ist bereits sofort vollziehbar. Im Übrigen gibt § 76 SGB IV den Versicherungsträgern unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, Ansprüche zu stunden, niederzuschlagen oder zu erlassen. Die sofortige Vollziehbarkeit der Beitragsforderung bedeutet deswegen nicht, dass das Unternehmen der Antragstellerin ohne Rücksicht auf eine etwa bestehende Sanierungsmöglichkeit zerschlagen werden muss.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1, Abs. 3 Gerichtskostengesetz. In Fällen des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 1 SGG, bei welchen die Erfolgschancen im Hauptsacheverfahren zu prüfen sind, ist grundsätzlich die Hälfte des Hauptsachenstreitwerts anzusetzen (ständige Rechtsprechung des Senats).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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