L 9 KR 374/17

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 18 KR 159/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 374/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Unterkunfts- und Verpflegungskosten eines Aufenthalts in einem „Diabetes-Dorf“, in welchem vertragsärztliche Leistungen erbracht werden, sind weder Leistungen der stationären Krankenhausbehandlung noch stationäre Rehabilitation.
2. Für Patientenschulungen i.S. des § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V besteht Auswahlermessen der Krankenkassen. Dies steht einem Anspruch auf Kostenerstattung i.S. des § 13 Abs. 3 SGB V regelmäßig entgegen.
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Juli 2017 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten der Unterkunft und Verpflegung für ihren Aufenthalt im Diabetes-Dorf A im Jahr 2013.

Die 1960 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin leidet an Diabetes Mellitus Typ 1 mit starken Blutzuckerschwankungen, einer Diabetischen Retinopathie III., einer diabetisch sensorisch betonten Polyneuropathie, einem diabetischen Fußsyndrom und diabetischer Gastroparese sowie einem arteriellen Hypertonus. Die Klägerin nutzt seit 2004 eine Insulinpumpe. Die Klägerin ist Betriebsärztin.

Das Diabetes-Dorf A ist eine Einrichtung, in welcher bis zum 30. September 2015 der Internist Dr. T und die Pädiaterin Dr. G, die beide zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen waren, im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis praktizierten. Die Einrichtung bestand aus einem "Praxishaus" mit der Gemeinschaftspraxis sowie vier normalen Mehrfamilienhäusern, einem kombinierten "Rat- und Kinderhaus" mit Schulungssaal sowie einem Versandhandelshaus. Träger dieser Einrichtung war seit 1994 die Firma D, deren Geschäftsführer Dr. T war. In jedem der (Mehrfamilien-)Häuser konnten für 18 Tage sieben bis 19 Personen leben, die unter Diabetes mellitus Typ I leiden, bzw. deren Angehörige. Das Diabetes-Dorf konnte nach eigener Angabe bis zu 61 Patienten behandeln. Unter Alltagsbedingungen sollten die Patientinnen und Patienten dort mit Unterstützung und Betreuung die Pumpentherapie, d.h. Leben und Umgang mit der Insulinpumpe, lernen. Lernen, Essen zubereiten, gemeinsames Essen, Diskussionen zur Therapiefindung, Anpassungsübungen, Arztgespräche, erforderlichenfalls Behandlungen sowie Haushaltsarbeiten wechselten einander ab. Die ärztlichen Leistungen rechneten die beiden Ärzte gemäß der vertragsärztlichen Versorgung, d.h. nach dem EBM, ab. Für Unterkunft und Verpflegung erhob die Einrichtung eine sog. "Fallpauschale", die pro Tag des Aufenthalts aus Kosten für das Zimmer (33,75 Euro pro Tag), Nebenkosten (26,58 Euro für Personal/Strom, Wasser, etc.) sowie Lebensmittelkosten von 7,67 Euro bestand. Für einen Aufenthalt von 18 Tagen berechnet die Einrichtung eine Fallpauschale in Höhe von 1.224,03 Euro.

Dr. T beantragte für die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme einer Fallpauschale in Höhe von 1.224,03 Euro mit Antrag vom 15. Mai 2013, der am 28. Mai 2013 bei der Beklagten einging. Für die Klägerin sollte in Anbetracht der fortgeschrittenen diabetischen Folgeschäden eine Überprüfung ihrer Therapie erfolgen, auch zur weiteren Bewältigung ihrer beruflichen Herausforderungen als Betriebsärztin. Eine ambulante Betreuung reiche, so Dr. T in dem Antrag, nicht aus. Eine Einweisung in ein Krankenhaus lehne die Klägerin ab, weil sie die Therapieoptimierung unter Alltagsbedingungen bewerkstelligen wolle. Es sollten über 100 theoretische Unterrichtsstunden sowie viele praktische Übungen erfolgen sowie ein Kochen in eigenen Küchen, um den Alltag abzubilden. Gemäß einer Stellungnahme der die Klägerin behandelnden Oberärztin S. (Ermächtigungssprechstunde Diabetologie der Inneren Abteilung des Krankenhauses Spremberg) vom 29. April 2013 stellte sich die Normoglykämie unter laufender Insulinpumpentherapie als sehr schwierig dar. Es liege ein "Brittle-Diabetes" mit starken Blutzuckerschwankungen vor, eine Mitbetreuung im Diabetes-Dorf A werde von ihr nachdrücklich empfohlen.

Die Beklagte lehnte die Übernahme der Kosten für Unterbringung und Verpflegung mit Bescheid vom 04. Juni 2013 ab. Bei den Fallpauschalen für Unterkunft und Verpflegung handele es sich um Leistungen, die nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen erfasst würden. Für ambulante wohnortnahe Patientenschulungsmaßnahmen könnten nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V Kosten übernommen werden. In begründeten Fällen würde sich die Beklagte auch an den Kosten von stationär durchgeführten krankheitsbezogenen Schulungen beteiligen. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2013 zurück. Zwischenzeitlich nahm die Klägerin in der Zeit vom 30. Juli 2013 bis zum 16. August 2013 an einer Schulung im Diabetes-Dorf A teil und ihr wurde die Fallpauschale in Höhe von 1.224,00 Euro für Unterkunft und Verpflegung in Rechnung gestellt (Rechnung vom 16. August 2013).

Die Klägerin hat am 30. August 2013 Klage zum Sozialgericht Cottbus erhoben. Zwar sei die Leistung nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) enthalten. Die Krankenkassen könnten sie jedoch im Rahmen einer Einzelfallentscheidung übernehmen. Das hätte die Beklagte in der Vergangenheit bereits getan. Zum Nachweis hat sie eine anonymisierte Bewilligung der Beklagten der Unterkunfts- und Verpflegungskosten für das Diabetes-Dorf an einen anderen Versicherten/eine Versicherte aus dem Jahr 2012 eingereicht. Wohnortnahe qualifizierte Patientenschulungen gebe es in ihrem Umfeld von C nicht. Gerade Pumpenschulungen gebe es in Deutschland nur wenige. Auch habe die Beklagte der Klägerin keine solchen angeboten.

Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Dr. Gr, Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie, hat über eine einmalige Behandlung berichtet, M, Fachärztin für Augenheilkunde, hat mitgeteilt, wegen einer fortgeschrittenen Retinopathie sei eine optimale Form der Blutzuckereinstellung erforderlich und eine Optimierung der Pumpeneinstellung, z.B. im Diabetes-Dorf (Befundbericht vom 09. September 2015). Nach Auffassung von S., Fachärztin für Innere Medizin in der Diabetologische Ermächtigungssprechstunde des Krankenhauses S sei im Rahmen eines stationären Aufenthalts im Krankenhaus die intensive theoretische Ausbildung mit einer Vielzahl von praktischen Übungen nicht umzusetzen (09. Juli 2015). Die Fachärztin für Neurologie Dr. A hat eine Insulinpumpeneinstellung im Diabetes-Dorf A für notwendig erachtet (17. September 2015). Die Klägerin hat eine Aufstellung ihrer Blutzuckerwerte vor und nach ihrem Aufenthalt im Diabetes-Dorf übersandt. Die Beklagte hat ein Gutachten des MDK vom 01. September 2016 übersandt.

Mit Gerichtsbescheid vom 28. Juli 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zwar seien für die Klägerin prinzipiell die Voraussetzungen für eine Insulinpumpeneinstellung gemäß §§ 27 Abs. 1 Nr. 5, 39 SGB V in einem zugelassenen Krankenhaus wie auch für die Patientenschulung gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V grundsätzlich erfüllt. Für die Kostenübernahme der Fallpauschale im Diabetes-Dorf A bestehe jedoch keine Rechtsgrundlage. Es handele sich dabei weder um ein zugelassenes Krankenhaus i.S. von § 108 SGB V noch um eine Rehabilitationsklink. Außerdem scheitere ein Anspruch an einer fehlenden ärztlichen Verordnung.

Gegen den ihr am 07. August 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 28. August 2017 Berufung eingelegt. Eine erfolgversprechende Behandlung habe im Rahmen des Versorgungssystems für sie nicht zur Verfügung gestanden, allein eine Teilnahme an der Schulung im Diabetes-Dorf habe Erfolg auf eine bessere Einstellung ihrer Blutzuckerwerte versprochen. Auf eine ambulante Maßnahme habe sie sich nicht verweisen lassen müssen. Es habe ein Systemversagen bestanden. Sie habe in dem Diabetes-Dorf eine vollstationäre Krankenhausbehandlung erhalten; zwar verfüge das Diabetes-Dorf nicht über eine Zulassung als Krankenhaus. Bei rechtswidriger Versagung stationärer Behandlung seien aber auch die Aufwendungen in einem nicht zugelassenen Krankenhaus zu erstatten. So habe es auch das LSG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 27. Februar 2015 gesehen (L 4 KR 4079/13). Das Schulungsniveau des Diabetes-Dorfs sei ein anderes als das der Reha-Klinik H, welches auch Schulungsinhalte für "Anfänger" beinhalte, hingegen nicht für Menschen, die seit Jahrzehnten an Diabetes litten. Auch liege der Schulungsumfang zeitlich deutlich hinter dem des Diabetes-Dorfs.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Juli 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 04. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die Unterkunft und Verpflegung in Gestalt der Fallpauschale für ihren Aufenthalt im Diabetes-Dorf A in der Zeit vom 30. Juli 2013 bis zum 16. August 2013 in Höhe von 1.224,00 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der MDK habe in seinem Gutachten vom 01. September 2016 festgestellt, dass die von der Klägerin gewünschte Insulinpumpentherapie wohnortnah und ambulant im Krankenhaus Sund in der Reha-Klinik H im Rahmen einer stationären Rehabilitation hätte stattfinden können.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat über die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Besetzung durch die Berichterstatterin und den ehrenamtlichen Richter sowie die ehrenamtliche Richterin entschieden, weil das Sozialgericht über die Klage durch Gerichtsbescheid entschieden und der Senat durch Beschluss vom 25. Oktober 2019 die Berufung der Berichterstatterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern/Richterinnen übertragen hat.

1. Die gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht der Zulassung bedurfte, ist zulässig.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 04. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juli 2013, mit dem die Beklagte die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Verpflegung abgelehnt hat. Nachdem die Klägerin sich die entsprechenden Leistungen selbst beschafft hat, richtet sich ihr Leistungsbegehren auf einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 1.224,03 Euro. Die ursprünglichen Bescheide bleiben aber Gegenstand des Verfahrens (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R – in juris, Rn. 22).

2. Die Berufung ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 04. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juli 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der ihr durch den Aufenthalt im Diabetes-Dorf A. entstandenen Kosten für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von 1.224,03 Euro.

a) Anspruchsgrundlage für die Erstattung der durch den Aufenthalt im Diabetes-Dorf entstandenen Kosten für Unterkunft und Verpflegung ist § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Ein Anspruch aus § 13 Abs. 3a SGB V kommt dagegen nicht in Betracht, da die Beklagte die beantragte Leistung zeitnah innerhalb der Fristen abgelehnt hat. Wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und Versicherten dadurch Kosten für die selbstbeschaffte Leistung entstanden sind, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Vorschrift ersetzt einen Sachleistungsanspruch durch einen Kostenerstattungsanspruch, wenn die Krankenkasse eine Leistung wegen ihrer Dringlichkeit nicht mehr rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht abgelehnt hat. Die Regelung des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V eröffnet Versicherten einerseits die Möglichkeit, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Naturalleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits sichert sie jedoch die Befolgung des Naturalleistungsgrundsatzes dadurch ab, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke besteht. Eine Versorgungslücke besteht nicht, wenn Versicherte eine Leistung der GKV in Anspruch nehmen können, dies aber nicht wollen (zum Ganzen BSG, Urteil vom 03. Juli 2012 – B 1 KR 6/11 R – in juris, Rn. 22). Ein Anspruch auf Kostenerstattung besteht zudem nur, wenn zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang besteht. Daran fehlt es, wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte (BSG, Urteil vom 8. September 2015 - B 1 KR 14/14 R -, juris Rn. 9).

b) Die Voraussetzungen für den Kostenerstattungsanspruch liegen für die Klägerin nicht vor. Zwar hat sie nach Antragstellung und einem ablehnenden Bescheid der Beklagten Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung aufgewendet. Die übrigen Voraussetzungen der zweiten Alternative, nämlich die rechtswidrige Ablehnung einer Leistung, die die Kosten verursacht hat, liegen jedoch nicht vor. Es ist zwar möglich, dass die Beklagte die Leistung ermessensfehlerhaft abgelehnt hat, allerdings ist nicht nachgewiesen, dass die Klägerin einen Anspruch auf gerade die selbstbeschaffte Leistung hatte. Vielmehr stand zumindest die Art der Leistung im Ermessen der Beklagten. Eine Reduzierung auf Null i.S. einer Verengung des Ermessens auf genau den Aufenthalt der Klägerin im Diabetes-Dorf Abestand dagegen zur Überzeugung des Senats nicht.

aa) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erstattung von Unterkunfts- und Verpflegungskosten im Diabetes-Dorf als Teil einer stationären Krankenhausbehandlung, denn eine solche lag nicht vor. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst auch die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V). Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär (§ 115a SGB V) sowie ambulant (§ 115b SGB V) erbracht (BSG, Urteil vom 22. April 2009 – B 3 KR 24/07 R – in juris, Rn. 13). Der Aufenthalt im Diabetes-Dorf A könnte zwar insoweit als stationärer Aufenthalt angesehen werden, weil die Klägerin dort planmäßig und ununterbrochen für mehrere Tage und Nächte aufgenommen war (zur Abgrenzung zur teilstationären Behandlung: BSG, Urteil vom 28. Februar 2007 – B 3 KR 17/06 R –, juris Rn. 21). Sie war aber nicht in ein Krankenhaus aufgenommen. Diesen Aspekt übersieht nach hiesiger Auffassung das LSG Baden-Württemberg in seiner stattgebenden Entscheidung vom 27. Februar 2015 – L 4 KR 4079/13 Rn. 28 ff.). Krankenhäuser sind nach § 107 Abs. 1 SGB V Einrichtungen, die der Krankenbehandlung oder der Geburtshilfe dienen (Nr. 1), fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen und über die ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Maßnahmen verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten (Nr. 2). Sie sind durch jederzeit verfügbares ärztliches und sonstiges Personal darauf ausgerichtet, die Behandlungsziele des § 27 Abs. 1 zu verfolgen (§ 107 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, BeckOK SozR/Knispel, SGB V § 39 Rn. 2). Dazu gehören eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und jederzeit präsente oder rufbereite Ärzte (KassKomm/Gamperl, SGB V § 39 Rn. 45 mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des BSG). Die Klägerin war im Diabetes-Dorf, um eines der in § 27 Abs. 1 Satz 1 genannten Ziele zu erreichen, nämlich um Krankheitsbeschwerden zu lindern und die Verschlimmerung der Erkrankung (konkret auch deren Folgen) zu verhüten. Das Diabetes-Dorf selbst verfügte aber nicht über die für ein Krankenhaus charakteristischen o.g. Kriterien des §§ 107 Abs. 1 i.V.m. § 39 SGB V. Das ergibt sich bereits aus dem Selbstverständnis der Einrichtung, aber auch aus seiner Struktur. Ausweislich des Behandlungsvertrags und des bereits im Verwaltungsverfahren übersandten Einrichtungskonzeptes handelt es sich um eine Einrichtung zur "ambulant-überwachten Behandlung sowie der intensiven Schulung" der Patienten. Für eine ambulante Leistungserbringung spricht auch, dass die ärztlichen Leistungen nach dem EBM abgerechnet wurden, damit als Teil der vertragsärztlichen Versorgung, nicht als Vergütung einer Komplexleistung im Krankenhaus. Es wurde auch keine Komplexleistung erbracht, die neben ärztlichen und sonstigen therapeutischen Anteilen auch aus pflegerischen Anteilen hätte bestehen müssen. Es wurde vielmehr eine ambulante ärztliche Leistung i.S. von Beratung und Schulung erbracht, dagegen war nicht jederzeit (Tag und Nacht) ärztliches und pflegerisches Personal verfügbar. Pflegerische Verrichtungen und z.B. eine Nachtwache werden im Konzept der Einrichtung und der Leistungsbeschreibung demzufolge auch nicht erwähnt. Das Diabetes-Dorf verfügte nicht über die apparative Mindestausstattung für z.B. diagnostische oder invasive und weitere therapeutische Maßnahmen, wie sie ein Krankenhaus typischerweise vorhält. Die Einrichtung war vielmehr spezialisiert auf die längere Überprüfung der Insulinpumpentherapie sowie auf die Anleitung und Schulung der Patienten, speziell auch solche mit Insulinpumpen, damit einem Teilaspekt der Krankenbehandlung von Diabetes Mellitus. bb) Der Aufenthalt war kein solcher im Rahmen einer (stationären) Rehabilitation i.S. des § 40 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB V. Zwar hat das Diabetes-Dorf rehabilitative Leistungen erbracht (dazu sogleich unter cc). Das LSG Baden-Württemberg hat aber insoweit zutreffend ausgeführt, dass bereits die Ausrichtung des Diabetes-Dorfs kraft seiner Art sowie den Behandlungsmethoden nicht darauf zielte, den Gesundheitszustand im Rahmen einer stationären Behandlung durch Anwendung von Komplexleistungen der (klassischen) Heilmittel einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie in einem zusammenwirkenden Ansatz zu verbessern. Vielmehr stand eine gezielte Schulung und Beratung im Mittelpunkt, um die Patienten dazu anzuleiten, im Alltag bestmöglich selbst zur Therapie beizutragen und so durch gezielte selbst verantwortete Maßnahmen und eine entsprechend bewusste Ausrichtung und Gestaltung ihres Alltags ihre Krankheit und deren Folgen bestmöglich unter Kontrolle zu halten. Im Optimalfall bestand die Möglichkeit, durch verantwortungsvolles Verhalten und Lebensführung die chronische Krankheit zu verbessern oder zumindest die Krankheitsfolgen zu mildern oder zumindest diese besser in das eigene Leben integrieren zu können. Solche Inhalte können auch Bestandteil einer Rehabilitation i.S. des § 40 SGB V sein. Werden sie allein oder schwerpunktmäßig erbracht, liegt eine klassische Patientenschulung, konkret in Gestalt eines Krankheitsmanagements vor. Patientenschulungen sind dann eigenständige und bereits nach der Überschrift "ergänzende" Leistungen zu einer ambulanten oder stationären Rehabilitation i.S. des § 40 SGB V. Andere Leistungen, vor allem die o.g. Heilmittel, die anhand eines ärztlichen Behandlungsplanes aufeinander abgestimmt abgegeben werden, wurden dagegen im Diabetes-Dorf gar nicht angeboten.

cc) Die während des Aufenthaltes im Diabetes-Dorf in Anspruch genommenen Leistungen waren eine Verknüpfung von ärztlicher Behandlung und schwerpunktmäßig Patientenschulungsmaßnahme für chronisch Kranke, die in § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V vorgesehen sind. Auch für diese kann Kostenerstattung § 13 Abs. 3 SGB V begehrt werden. § 13 Abs. 3 Satz 2 (a.F.) betrifft mit seinem Verweis auf die Kostenerstattung nach § 15 SGB IX (a.F.) ausschließlich selbst beschaffte "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem SGB IX" (BSG Urt. v. 17.06.2008 – B 1 KR 31/07 R).

Zu den Gegenständen und Inhalten von Patientenschulungen führen die "Gemeinsame Empfehlungen der Spitzenverbände der KK zur Förderung und Durchführung von Patientenschulungen auf der Grundlage von § 43 Nr. 2 SGB V" vom 02. Dezember 2013 in der Fassung vom 08. Februar 2017 aus, es geht um interdisziplinäre, informations-, verhaltens- und handlungsorientierte Maßnahmen für chronisch Kranke und ggf. ihre Angehörigen bzw. ständigen Betreuungspersonen, die grundsätzlich in Gruppen durchgeführt werden. Patientenschulungen sind indikationsbezogen und dienen der Optimierung des Krankheitsselbstmanagements von Patienten. "Schulung" steht dabei für ein strukturiertes und zielorientiertes Vorgehen. Mit strukturierten Lehr- und Lern-Materialien und Übungen soll krankheits- und behandlungsbezogene Kompetenz vermittelt werden. Deshalb setzen Patientenschulungsmaßnahmen neben indikationsbezogenem Fachwissen auch einschlägige Kenntnisse der Lern- und Verhaltenspsychologie – abgestimmt auf die jeweilige Zielgruppe - voraus. (Ziff 3.1 (abrufbar unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung 1/rehabilitation/patientenschulung/2017 02 16 Reha GEP Allgemeiner Teil Final 08 02 2017.pdf, recherchiert am 10.05.2020).

Zu den Zielen der Patientenschulungen führt Ziff. 5 der o.g. Empfehlungen aus: "Durch die Teilnahme an Patientenschulungen sollen chronisch Kranke und ggf. deren Angehörige bzw. ständige Betreuungspersonen in erster Linie zu einem besseren Krankheitsselbstmanagement sowie zur Vermeidung und Reduzierung von Beeinträchtigungen der Aktivitäten/Teilhabe befähigt und damit auch ihre Lebensqualität erhöht werden im Sinne der Hilfe zur individuellen Selbsthilfe. Dazu soll auch der Erwerb bzw. die Erweiterung von Kenntnissen über das Krankheitsbild, das Verstehen von Inhalten und Hintergründen gesicherter Erkenntnisse und Therapien gehören sowie die Optimierung der Behandlung."

Gemessen daran dürfte es sich bei den Leistungen des Diabetes-Dorfs nach ihrem Einrichtungskonzept, dem Inhalt und ihrer Zielsetzung um Maßnahmen der Patientenschulungen handeln. Auch gehört die Klägerin zum Personenkreis, die Patientenschulung in Anspruch nehmen können. Chronisch krank i.S. des § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V sind Patienten, die sich in ärztlicher Dauerbehandlung befinden (Ziff. 3.3 der Empfehlungen). Davon ist im Fall der Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung und als Trägerin einer Insulinpumpe auszugehen. Auch war eine Patientenschulung 2013 indiziert, da die Hypoglykämiewahrnehmungsstörung fortwährend bestand. Es hatte sich für die Klägerin trotz mehrfach durchgeführter Hypoglykämiewahrnehmungsschulungen keine Besserung eingestellt, gleichzeitig bestanden fortschreitende Folgeerkrankungen (so u.a. die Ärztin S. in dem Befundbericht vom 09. September 2015 wie auch die weiteren behandelnden Ärzte).

Eine ärztliche Verordnung ist nicht Voraussetzung für die Erbringung der Patientenschulung. Zum einen wurden die ärztlichen Leistungen von einem Vertragsarzt erbracht und abgerechnet. Zum andere unterliegen Maßnahmen der Patientenschulungen zudem nicht dem Verordnungsvorbehalt (dazu näher Rieß, NZS 2014, S. 12 ff, S. 15).

Offen ist aber bereits, ob neben den ärztlichen Leistungen und sonstigen Schulungsleistungen (durch Diätassistenten und -assistentinnen) auch Unterkunfts- und Verpflegungskosten Leistungsbestandteile oder zumindest Begleitleistungen der Patientenschulung sein können. Nicht zutreffend ist, dass Patientenschulungen kraft Gesetzes nur ambulant und wohnortnah erbracht werden können. Bereits der Wortlaut des § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V beschränkt sie weder auf wohnortnahe noch nur auf ambulante Schulungen. Bereits zur Vorgängerbestimmung, dem § 193 Reichsversicherungsordnung (RVO), hat das BSG zum Sinn und Zweck hervorgehoben, dass mit der Norm mittels einer extensiven Auslegung eine Förderung der Heilung, Besserung oder Linderung der Krankheit und eine Eingliederung in das normale Leben ermöglicht werden soll. Für die rehabilitativen Leistungen allgemein hat es ausgeführt, umfasst sein könne auch eine mit der Hauptleistung untrennbar verbundene Leistung. Speziell für die Patientenschulung hat das BSG auch eine stationäre Behandlung für nicht ausgeschlossen erachtet (BSG, Urteil vom 29. Juni 1978 – 5 RKn 35/76 zu §§ 193, 184a RVO). Daher dürften die Gemeinsamen Empfehlungen der Spitzenverbände der KK, wonach die Kosten für Verpflegung nicht im Rahmen von § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V übernommen werden könnten (Ziff. 5), zu eng sein und im Gesetz keine Grundlage haben. Für die Möglichkeit auch Unterkunfts- und Verpflegungskosten als Teil eines Gesamtschulungskonzepts nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ggf. teilweise übernehmen zu können, spricht Sinn und Zweck. Die Rechtsgrundlage soll eigenständige rehabilitative Maßnahmen eröffnen und den Krankenkassen flexible Gestaltungsmöglichkeiten, so auch die Bezuschussung von Leistungen ermöglichen, die die Kassen selbst nicht erbringen können (BT-Drs. 14/1245 S. 66 (zu Nummer 23 - § 43 SGB V).

(1) Für die Klägerin sind die übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf die gewählte Maßnahme nicht nachgewiesen. Patientenschulungen nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V müssen "wirksam" und "effizient" sein. Diese Merkmale sind nach dem Willen des Gesetzgebers Ausdruck des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 SGB V, es sollen gleichzeitig aber nur qualitativ hochwertige Maßnahmen erbracht werden dürfen (FraktEntw BT-Drs. 14/1245, 66). Die Schulungen müssen hinsichtlich ihrer Ausführung, Art. und Dauer den anerkannten Erfahrungsgrundsätzen der beteiligten Wissenschaftsdisziplinen (z.&8201;B. Psychologie, Physiotherapie, Pädagogik, Ernährungswissenschaft etc.) und dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (KassKomm/Zieglmeier, SGB V § 43 Rn. 33).

Für die Schulungen im Diabetes-Dorf ist nach diesen Kriterien nicht nachgewiesen, dass sie wirksam und effizient i.S. § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V waren. Wirksamkeit und Effizienz sind für die Schulungen nicht an Hand von Studien nachgewiesen, auch eine Begleitevaluation war nicht eingeleitet, wie sie beispielsweise in den Gemeinsamen Empfehlungen der Spitzenverbände der KK (2018) unter Ziff. 7 als qualitative Anforderungen formuliert sind. Auch in der zuletzt 2018 aktualisierten "S 3-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes" wird das Diabetes-Dorf unter Ziff. 4.4 "Schulung/strukturierte Schulungs- und Behandlungsprogramme" nicht erwähnt. Ein schriftlich fixiertes Schulungskonzept (u.a. mit Darstellung des methodischen Vorgehens) ist jedenfalls nicht veröffentlicht.

(2) Selbst wenn zu Gunsten der Klägerin den Schulungsinhalten des Diabetes-Dorfs, da sie zumindest unter vertragsärztlicher Verantwortung und nach einem Konzept abgehalten wurden, eine grundsätzliche Eignung nicht abgesprochen werden kann, so steht die Gewährung der Leistungen des § 43 Abs. 1 SGB V im pflichtgemäßen Ermessen der Krankenkasse. Dieses bezieht sich zwar nicht auf das Ob, aber das Wie der Patientenschulung (LSG Brandenburg Urteil vom 31. März 2004 – L 4 KR 63/03, BeckRS 2004, 31404559, beck-online; Juris-PK/Waßer, § 43 SGB V Rn. 18; a.A. Schmidt in: Peters, Handbuch KV (SGB V), § 43 Rn. 63: dem Grunde nach Ermessensleistungen). Ein Anspruch der Klägerin kann nur dann bestanden haben, wenn zu ihren Gunsten eine Ermessensreduzierung allein auf die Patientenschulung im Diabetes-Dorf bestand. Davon ist der Senat aber nicht überzeugt. Es war naheliegend, dass bei der Klägerin ein weiterer Versuch der Therapieoptimierung unternommen werden musste (dazu oben), der sinnvollerweise auch mittels eines Aufenthaltes über Nacht erfolgen sollte. Ob dafür aber allein die Behandlung im Diabetes-Dorf in Betracht kam, ist nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Die Beklagte benannte als Alternative u.a. das Leistungsangebot der Rehabilitationsklinik H, welche u.a. auf die Schulung von Diabetes-Patienten spezialisiert ist. Deren Curriculum ist einerseits sehr breit aufgestellt, richtet sich mit der Vermittlung von Basiswissen auch an neu an Diabetes Erkrankte oder solche, die erstmals eine Insulinpumpe erhalten haben oder für die diese eine Therapiealternative ist. Insoweit enthält das Curriculum einige Lerninhalte, die die Klägerin möglicherweise nicht benötigte, zumal sie als Betriebsärztin über erhebliches medizinisches Vorwissen verfügt. Außerdem bot die Reha-Klinik nur Schulungen in der Lehrküche an, aber keine Anleitung eines gemeinsamen Kochens der Patientinnen/Patienten im Rahmen der täglichen Versorgung, also unter Alltagsbedingungen. Das Schulungsprogramm war möglicherweise für die Bedürfnisse nur teilweise adäquat. Andererseits gab es in der Rehabilitationsklinik das Angebot von Einzelberatungen ein bis zweimal täglich und scheinen die Gruppen mit bis zu maximal 10 Patienten kleiner als im Diabetes-Dorf mit Kursen von 10 bis 40 Patienten zu sein. Außerdem betonte die behandelnde Ärztin S. , dass es bei der Klägerin darum ging, eine Vielzahl von praktischen Übungen und eine Therapieeinstellung und -umstellung zu bewerkstelligen. Beides kann ihrem Profil nach auch die o.g. Rehabilitationsklinik in einem dreiwöchigen Aufenthalt leisten. Ausreichende Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null zugunsten des Aufenthalts im Diabetes-Dorf lagen somit für den Senat in der Gesamtschau nicht vor.

Die Klägerin kann sich schließlich nicht auf das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Grundgesetz) und eine daraus abgeleitete Ermessensbindung der Beklagten berufen. Allein aus der Bewilligung der Unterbringungs- und Verpflegungskosten für das Diabetes-Dorf durch die Beklagte an einen anderen Versicherten vom 21. November 2012 folgt noch keine gleichbleibende, das Ermessen bindende Verwaltungspraxis.

c) Die Klägerin hat schließlich keinen Kostenanspruch aus dem Aspekt eines Systemversagens. Zwar kann Systemversagen dergestalt bestehen, dass das vorhandene Leistungsangebot durch zugelassene Leistungserbringer den Krankenbehandlungsanspruch nicht zu erfüllen vermag. Die Versorgungslücke kann dann Versicherte berechtigen, sich die Leistung auch bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer selbst zu beschaffen und Kostenerstattung zu beantragen. Eine Versorgungslücke wird allerdings nicht schon dadurch begründet, dass ein bestimmter Behandler über besondere Kenntnisse verfügt (Bay LSG, Urteil vom 25. Juni 1998 – L 4 KR 77/96).

Dass 2013 eine für eine Hypoglykämiewahrnehmungsstörung adäquate Patientenschulung oder eine Wiederholungsschulung speziell für Insulinpumpenträger wie die Klägerin tatsächlich nicht im System der gesetzlichen Krankenversicherung vorhanden war, ist nicht nachgewiesen. Zum einen hat die Beklagte auf das Leistungsangebot u.a. der Rehabilitationsklinik Hohenelse verwiesen (dazu oben).

Zum anderen ist nicht nachgewiesen, dass eine Schulung wie diejenige im Diabetes-Dorf nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse 2013 zum Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenversicherung hätte gehören müssen und deshalb durch das Diabetes-Dorf eine Versorgungslücke geschlossen wurde. Die maßgeblichen Empfehlungen der S3-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes (Stand: 2011) sahen für die Hypoglykämiewahrnehmungsstörung vor, dass "Menschen mit Typ-1-Diabetes und einer Hypoglykämiewahrnehmungsstörung eine Schulung mit einem hinsichtlich seines Nutzens validierten spezifischen Schulungsprogramm angeboten werden sollte (Empfehlung 4-19 mit Empfehlungsgrad "B" = "Soll"). Gleichzeitig wurden in Empfehlung 4-21 Wiederholungsschulungen als in bestimmten Situationen sinnvoll angesehen (mit Empfehlungsgrad "0" i.S. eines "kann"). Für diese führte die Leitlinie zum Hintergrund und Evidenz aus: "Strukturierte Schulungsprogramme für Wiederholungsschulungen stehen gegenwärtig in Deutschland nicht zur Verfügung." In den S3-Leitlinien in der 2018 aktualisierten Fassung findet sich Empfehlung 4-19 unverändert als 4-20. Der Einsatz von strukturierten Blutglukosewahrnehmungstrainings wird nunmehr als eine effektive Maßnahme zur Wiederherstellung der Hypoglykämiewahrnehmungsfähigkeit, der Reduktion von Hypoglykämien und zu mehr Sicherheit im Umgang mit Hypoglykämien beschrieben. Wiederholungs-, Refresher- und Ergänzungsschulungen sowie problemorientierte Schulungen werden mit Empfehlungsgrad "B" (also i.S. von "Soll") empfohlen (Empfehlung 4-21).

Zur Begründung der Empfehlung (4-21) führt die S3-Leitlinie 2018 aus:

"Evaluierte Programme für strukturierte Wiederholungsschulungen stehen derzeit nicht zur Verfügung. Die Autoren dieser Leitlinie sind der Meinung, dass verfügbare und hinsichtlich ihres Nutzens validierte strukturierte Schulungsprogramme als Wiederholungsschulungen genutzt werden können. Anlässe für Wiederholungsschulungen können z. B. sein: gehäuftes Auftreten von Akutkomplikationen (Hypoglykämnie/Ketoazidose) oder Nichterreichen des individuellen HbA1c-Zielwertes."

Es ist nicht davon auszugehen, dass Schulungen zur Hypoglykämiewahrnehmungsstörung oder die Wiederholungsschulungen 2013 zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehören mussten und bereits deshalb eine Versorgungslücke bestand. Selbst wenn, konnten die Leistungen des Diabetes-Dorfs sie nicht schließen, weil sie hinsichtlich ihres Nutzens nicht validiert waren.

3. Aus einem möglichen Ermessensnichtgebrauch der Beklagten bei der Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung der Unterkunfts- und Verpflegungskosten kann die Klägerin keinen Anspruch auf Kostenerstattung herleiten. Ein Ermessensfehler wäre nur im Rahmen eines Anspruchs auf Neubescheidung von Relevanz, der hier nicht in Betracht kommt, da sich die Klägerin die Leistung bereits selbst beschafft hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision im Hinblick auf die Abweichung vom Urteil des LSG Baden-Württemberg vom (27. Februar 2015 – L 4 KR 4079/13) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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