L 9 BA 54/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 43 KR 154/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 BA 54/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein außerhalb des Gesellschaftsvertrags im Wege der Umdeutung einer formunwirksamen Gesellschaftsvertragsänderung gegründetes Veto-Recht einer leitenden Angestellten und Mitgesellschafterin einer GmbH kann ihre Rechtsmacht nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu ihren Gunsten verschieben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 15. März 2019 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem die Beklagte im Rahmen einer Betriebsprüfung Sozialversicherungsbeiträge für die gesetzliche Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für eine mitarbeitende Gesellschafterin für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2015 erhoben hat.

Die Klägerin, eine am 23.11.1999 gegründete und am 04.02.2000 in das Handelsregister eingetragene GmbH, besteht aus den beiden Gesellschaftern N und seiner Ehefrau, der Beigeladenen zu 1). Geschäftsgegenstand ist der Handel und die Installation sowie Reparatur und Beratung beim Einbau von Wasser-, Gas-, Heizungs-, Lüftungs- und Solaranlagen. Den Betrieb hatte der Vater der Beigeladenen zu 1) als Einzelfirma/Handwerksbetrieb 1979 gegründet, und auf einem Grundstück, welches seinerzeit der Mutter der Beigeladenen zu 1) gehörte, betrieben. Die Beigeladene zu 1) ist gelernte Werkzeugmacherin ohne Meisterabschluss. Sie war seit 1991 in dem damals väterlichen Betrieb angestellt und sollte diesen übernehmen. N hat einen Meisterabschluss als Heizungsinstallateur. Nach dem Gesellschaftsvertrag über die Gründung der GmbH halten beide Gesellschafter jeweils 50 % der Gesellschaftsanteile mit einer Einlage von 25.000 Euro. Nwar seit 1999 zum alleinigen Geschäftsführer bestellt, seit dem 23.10.2017 (Bekanntmachung vom 24.10.2017) ist neben ihm auch die Beigeladene zu 1) zur Geschäftsführerin bestellt.

Der Gesellschaftsvertrag sieht in § 9 Nr. 7 Satz 1 vor, dass Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen Stimmen gefasst werden, je 100,00 Euro eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme. Beschlüsse zur Änderung des Gesellschaftsvertrags bedürfen einer Mehrheit von drei Vierteln aller abgegeben Stimmen. Ein Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft muss einstimmig gefasst werden (§ 9 Nr. 7 Satz 2). Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn mindestens 50 % des Stammkapitals anwesend sind; sind weniger als dieses Quorum vertreten, ist unverzüglich eine neue Gesellschafterversammlung mit gleicher Tagesordnung einzuberufen, die ohne Rücksicht auf das vertretene Stammkapital beschlussfähig ist, soweit in der Einberufung darauf hingewiesen worden ist (§ 9 Nr. 5). Für die Bestellung des Geschäftsführers ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich (§ 6 Nr. 3 Satz 2).

Gemäß § 6 Nr. 4 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags bedürfen Geschäftsführer zu einzelnen Maßnahmen der vorherigen Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss. Zu den einzeln genannten Maßnahmen gehören u.a.

• die Begründung von Arbeits- und Dienstverhältnissen, • alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, • die Übernahme von Bürgschaften oder die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten sowie von sonstigen Verbindlichkeiten einschließlich Darlehen mit einem Gesamtbetrag bzw. einer Gesamtbelastung von über 20.000 Euro, • der Erwerb oder die Veräußerung von Betrieben und Betriebsteilen, sowie alle Geschäfte, welche die Gesellschafter durch Gesellschafterbeschluss für zustimmungsbedürftig erklären.

Gemäß einem Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 16.11.2005 soll mit Wirkung zum 01.01.2006 auch die Beendigung von Arbeits- und Dienstverhältnissen durch den Geschäftsführer der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen. Der Beschluss wurde weder notariell beglaubigt noch in das Handelsregister eingetragen.

Nach Übernahme des Handwerksbetriebs durch die GmbH schloss zunächst die Mutter der Beigeladenen zu 1) einen Mietvertrag mit der Klägerin. Im Jahr 2003 erwarb die Beigeladene zu 1) das Grundstück und trat anstelle der Mutter in den (kündbaren) Mietvertrag ein (Nachtrag zum Mietvertrag vom 23.12.2002). Der Mietzins monatlich 1.619,84 Euro.

Die Klägerin schloss am 09.12.1999 mit der Beigeladenen zu 1) einen "Arbeitsvertrag für Angestellte" für den Zeitraum ab dem 01.01.2000. Für den Vertrag sollte der Manteltarifvertrag für das Spengler-, Gas- und Wasserinstallateur-Zentralheizung- und Lüftungsbauer- sowie Kupferschmiedehandwerk gelten. Vereinbart wurde ein monatliches Arbeitsentgelt von 5.000 DM. Mehr-, Spät-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sollte entweder tariflich zusätzlich entlohnt oder als Freizeit abgegolten werden, ein Urlaubsanspruch von 26 Werk-/Arbeitstagen pro Kalenderjahr wurde vereinbart. Nach mehreren Ergänzungen des Arbeitsvertrags ab dem Jahr 2000 erhielt die Beigeladene zu 1. eine Tantieme in Höhe von 25 % des Jahresgewinns der Gesellschaft, jedoch höchstens 20.000 DM (ab dem 01.06.2001 in Höhe von noch 16 %) und konnte über einen PKW der gehobenen Mitteklasse verfügen, der auch privat genutzt werden durfte. Sie erhielt ein Weihnachtsgeld (20 % des durchschnittlichen steuerpflichtigen Jahresgehalts). Die Gesellschaft verpflichtete sich, zu ihren Gunsten eine Direktversicherung abzuschließen mit einem monatlichen Beitrag von 284 DM. Ab dem 02.01.2001 wurde eine Leistungsprämie vereinbart, ab dem 01.03.2001 erhielt sie einen monatlichen steuerfreien Zuschuss zu den Kosten der Unterbringung und Betreuung für ihr nicht schulpflichtiges Kind im Kindergarten. Ab dem 26.06.2001 wurde ihr Monatslohn auf 6.000 DM, ab 2002 auf 3.100 Euro und ab dem 01.07.2002 auf 3.300 Euro erhöht. Im Jahr 2012 erhielt die Beigeladene zu 1) eine Erholungsbeihilfe, in den Jahren 2012 – 2015 eine Zahlung einer Tantieme in Höhe von 10.226 EUR jährlich sowie 2012 – 2014 jeweils eine Urlaubsabgeltung gemäß dem Arbeitsvertrag.

Am 12.07.2016 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch und forderte mit Bescheid vom 09.01.2017 für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) ab dem 01.01.2012 Beiträge in Höhe von insgesamt 49.694,70 Euro nach. Es bestehe lediglich Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie sozialen Pflegeversicherung. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.04.2017 zurück. Eine förmliche Beteiligung der Beigeladenen zu 1) erfolgte weder im Verwaltungs- noch im Widerspruchsverfahren. Allerdings führte sie im Verwaltungsverfahren im Namen der Klägerin die Korrespondenz mit der Beklagten (so am 14.10.2016) und machte auf dem "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von mitarbeitenden Gesellschaftern einer GmbH" Angaben zu ihrer Tätigkeit.

Die zum Sozialgericht Potsdam erhobene Klage hat dieses mit Urteil vom 15.03.2019 abgewiesen. Ein Gesellschaftsanteil von nur 50 % führe grundsätzlich zu einer abhängigen Beschäftigung einer mitarbeitenden Gesellschafterin, da sie nicht über die Rechtsmacht verfüge, Weisungen an sich nach eigenem Belieben aufzuheben oder abzuschwächen. Die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht sei Sache der Geschäftsführung, soweit deren Befugnis nicht gesellschaftsvertraglich eingeschränkt seien (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG und § 37 GmbHG). Der Arbeitsvertrag für Angestellte vom 09.12.1999 enthalte zahlreiche Elemente, die beschäftigungstypisch seien. Dazu gehöre das feste monatliche Gehalt für die Beigeladene zu 1), Regelungen zur Vergütung von Mehrarbeit, von Urlaub und die Bezugnahme auf den Manteltarifvertrag zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Auch die Gewährung einer Tantieme begründe in Anbetracht des danebenstehenden festen Gehaltes kein Unternehmerrisiko. Der Gesellschaftsvertrag enthalte keinerlei Einschränkung des Weisungsrechts des Geschäftsführers. Der nicht notariell beurkundete Gesellschafterbeschluss vom 16.11.2005 sei nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebene Rechtsmacht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben. Gesellschaftsrechtlich ergebe sich dies aus dem gesetzlichen Formzwang für Beschlüsse über die Änderung des Gesellschaftsvertrags (§ 53 Abs. 2 GmbHG). Eine andere Handhabung sei aus Gründen der Rechtsklarheit jedenfalls für das Sozialversicherungsrecht nicht möglich. Eine Beschränkung der Rechtsmacht des Geschäftsführers ergebe sich auch nicht aus der familiären Verbundenheit und Rücksichtnahme. Im Falle eines Konflikts käme die Rechtsmacht des Geschäftsführers wieder zum Tragen. Auch die Vermieterstellung der Beigeladenen zu 1) verschaffe ihr nur ein wirtschaftliches Druckmittel, ändere aber nichts an ihrer fehlenden Rechtsmacht. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung nicht berufen. Das ergebe sich bereits daraus, dass die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, ein Statusfeststellungsverfahren einzuleiten.

Gegen das ihren Bevollmächtigten am 23.04.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.05.2019 Berufung eingelegt. Die Beigeladene zu 1) sei deshalb angestellt worden, weil sie seinerzeit bei Übernahme des Betriebs davon ausgegangen sei, dass sie den Betrieb nicht leiten könnte, weil sie keinen Meistertitel habe. Es sei den Gesellschaftern nicht bekannt gewesen, dass die Handwerksordnung (HWO) zwischen einem Geschäftsführer der Gesellschaft und einem Betriebsleiter unterscheide. Daher sei der Ehemann als Geschäftsführer eingesetzt worden. Es sei aber mit dem Gesellschaftsvertrag dafür gesorgt worden, dass alle die Geschicke der Klägerin leitenden Entscheidungen nur gemeinsam von den beiden gleichberechtigten Gesellschaftern getroffen werden könnten. Daher seien auch in § 6 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrags mehrere Angelegenheiten aufgenommen worden, für deren Erledigung der Geschäftsführer die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfe.

Die LVA Brandenburg habe auf die Anfrage, ob die Beigeladene zu 1) der Rentenversicherungspflicht unterliege, die Informationsbroschüre "Soziale Sicherheit des Handwerks durch die Rentenversicherung", herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (Ausgabe 1999), übersandt. Die dortigen Angaben (S. 5 f.) hätten die beiden Gesellschafter so verstanden, dass sie beide nicht versicherungspflichtig seien. In ihrer Rechtsansicht hätten sie sich bestätigt gesehen durch die in der Vergangenheit stets beanstandungsfreien Betriebsprüfungen. Vom Ergebnis der Betriebsprüfung seien sie somit im Januar 2017 vollständig überrascht worden.

Der Geschäftsführer habe der Beigeladenen zu 1) tatsächlich nie Weisungen erteilt. Außerdem hätte der Geschäftsführer ihr wegen der Notwendigkeit, dazu die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einholen zu müssen, nicht kündigen können. Gemäß § 5 Abs. 2 lit. h) seines Dienstvertrags benötige er bei Kündigung oder Aufhebung des Arbeitsvertrags mit der Beigeladenen zu 1) die Zustimmung der Gesellschafterversammlung, weil ihre Jahresbezüge mehr als 50.000,00 DM betragen hätten. Er hätte weder eine Kündigung noch die ihr vorausgehende Abmahnung ihr gegenüber aussprechen können. Schließlich hätten die beiden Gesellschafter mit dem Gesellschafterbeschluss vom 16.11.2005 ein Zustimmungserfordernis der Gesellschafterversammlung für den Geschäftsführer auch für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen begründet. Für solche Gesellschafterbeschlüsse sehe weder § 53 Abs. 2 GmbHG noch der Gesellschaftsvertrag eine notarielle Beglaubigung vor. Wenn ein Rechtsgeschäft nichtig sei, etwa weil es gegen zwingende Formvorschriften verstoße (§ 140 BGB), sei zu prüfen, ob es den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts genüge und ob anzunehmen sei, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sei. Kraft dessen hätte die Beigeladene zu 1) aber eine Position innegehabt, in der faktisch kein Weisungs- und Kündigungsrecht für den Geschäftsführer bestanden habe. Hinsichtlich der sog. "Schönwetter-Selbständigkeit" müsse der Konfliktfall auch vollständig betrachtet werden. Danach liege in "50/50 Konstellationen" bei Kapitalgesellschaften eine paritätische Machtverteilung vor. Nach § 47 Abs. 4 GmbHG sei es einem Gesellschafter verwehrt, als Richter in eigener Sache abzustimmen. Die entsprechenden Beschlüsse könnten somit von der Beigeladenen zu 1) allein getroffen werden. Selbst wenn man dies anders sähe, genieße die Klägerin Vertrauensschutz. Die Beklagte habe selbst den entsprechenden Rechtsschein gesetzt, die Klägerin habe keine Veranlassung gehabt, ein Statusfeststellungsverfahren zu beantragen. Von der geänderten BSG-Rechtsprechung hätten die Gesellschafter der Klägerin nichts mitbekommen, die Beklagte habe sie nicht informiert, obwohl sie aus Ingerenz, nämlich den beanstandungsfreien vergangenen Betriebsprüfungen und gemäß §§ 13 f. Sozialgesetzbuch/Erstes Buch (SGB I) dazu verpflichtet gewesen sei. Die Amtspflichtverletzung hindere die Beklagte daran, die Beiträge nachzufordern ("dolo-agit"-Einwand). Außerdem sei der Bescheid der Beklagten verfahrensfehlerhaft ergangen, weil die Beigeladene zu 1) nicht förmlich am Verwaltungsverfahren beteiligt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 15.03.2019 und den Bescheid der Beklagten vom 09.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin enthalte keine Einschränkung der Weisungsrechte des Geschäftsführers. Rechtsvereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrags, wie der Gesellschafterbeschluss vom 16.11.2005, seien nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebende Rechtsmacht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben. Eine frühere beanstandungsfreie Betriebsprüfung und die 18 Jahre alte Informationsbroschüre des ehemaligen VDR könnten keinen Vertrauensschutz vermitteln.

Der Senat hat am 06.01.2020 einen Termin zur Erörterung der Sache durchgeführt und die Beteiligten darin sowie erneut am 30.03.2020 davon in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt sei, die Berufung im Wege des Beschlusses ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

II.

A. Der Senat durfte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, weil er es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

B. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Gründe des sozialgerichtlichen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG).

Unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren bleibt noch zu ergänzen:

Der Vortrag im Berufungsverfahren, der Arbeitsvertrag sei tatsächlich "so nicht gelebt worden" und wegen einer rechtsirrigen Vorstellung zu den handwerksrechtlichen Voraussetzungen einer Betriebsführung geschlossen worden, überzeugt nicht. Er widerspricht u.a. dem Vorbringen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und den aktenkundigen Belegen. So hat die Beigeladene zu 1) im "Feststellungsbogen zur Beurteilung mitarbeitender Gesellschafter einer GmbH" u.a. hinsichtlich der Kündigungsfrist auf den Manteltarifvertrag verwiesen, auf den im Arbeitsvertrag Bezug genommen wird. Darüber hinaus hat sie darin selbst angegeben, nicht ausschließlich im Rahmen des Gesellschaftsvertrags zur Mitarbeit verpflichtet zu sein, sondern aufgrund des Arbeitsvertrags (Ziff. 3.1 und 3.2 ihrer Angaben). Außerdem lässt sich den eingereichten Nachweisen (u.a. den Lohnkonten) entnehmen, dass ihre Vergütung entsprechend den arbeitsvertraglichen Regelungen erfolgte.

Die Beigeladene zu 1) verfügte nicht über die Rechtsmacht, jederzeit unliebsame Weisungen an sich zu verhindern. Sie hatte jedenfalls vor ihrer Bestellung zur Mitgeschäftsführerin (2017) allein kraft ihrer Gesellschafterstellung nicht die Rechtsmacht, unliebsame Weisungen an sich jederzeit zu verhindern. Das wäre nur gewährleistet, wenn sie als leitende Angestellte zugleich eine gesellschaftsvertraglich abgesicherte Sperrminorität hatte, die es ihr erlaubte, Weisungen des Geschäftsführers an sich zu verhindern. Dabei ist eine auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln. Darüber hinaus reichen Veto-Rechte, die außerhalb des Gesellschaftsvertrags begründet werden, ebenfalls nicht (BSG, Urteil vom 14.03.2018 – B 12 KR 13/17 R –, BSGE 125, 183-189, Rn. 21, juris). Ein Veto-Recht hatte die Beigeladene zu 1) auch unter Berücksichtigung des Gesellschafterbeschlusses vom 16.11.2005 nicht. Das Weisungsrecht des Geschäftsführers war ihr gegenüber nicht eingeschränkt. § 6 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrags unterwarf nur bestimmte Handlungen des Geschäftsführers im Innenverhältnis der Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung, dazu gehörten Weisungen an Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter im laufenden Geschäftsbetrieb nicht. Der Gesellschafterbeschluss vom 16. November 2005 erweiterte zwar diese Pflicht für den Geschäftsführer noch auf die Fälle, dass er Dienst- und Arbeitsverhältnisse beenden wollte. Die Weisungsbefugnis des Geschäftsführers änderte der Beschluss aber gerade nicht. Außerdem konnte der Beschluss den Gesellschaftsvertrag nicht ändern, denn es mangelte ihm an der dafür vorgesehenen Form. Selbst wenn eine Umdeutung in einen einfachen Gesellschafterbeschluss oder einen nur schuldrechtlichen Vertrag zwischen den Gesellschaftern nach § 140 BGB möglich oder sogar geboten wäre, so könnte dieser die Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung verschieben. Denn ein darauf gegründetes Veto-Recht der Beigeladenen zu 1) war außerhalb und gerade nicht im Gesellschaftsvertrag vereinbart (BSG, Urteil vom 14.03.2018, B 12 KR 13/17 R, Rn. 22, juris). Das gilt auch in gleicher Weise für § 5 lit. h) des Geschäftsführervertrags, wonach der Geschäftsführer Dienst- und Anstellungsverträge wie derjenige der Beigeladenen zu 1) nur mit Genehmigung der Gesellschafterversammlung kündigen durfte.

Das Argument, gegen eine Schönwetter-Selbständigkeit spreche jedenfalls § 47 Abs. 4 GmbHG, trägt nicht. Selbst wenn nach dieser Bestimmung allein die Beigeladene zu 1) über die Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers hätte beschließen können, weil dieser in eigenen Angelegenheiten kein Stimmrecht hätte, ändert das nichts an seiner Rechtsmacht ihr gegenüber bis zu seiner Abberufung. Allein auf die faktischen Verhältnisse kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an (dazu BSG, Urteil vom 14.03.2018, B 12 KR 13/17 R Rn. 20, juris). Schließlich könnte § 47 Abs. 4 GmbHG auch für die Beendigung des Anstellungsvertrags der Beigeladenen zu 1) Anwendung finden. Dann hätte insoweit auch kein Stimmrecht und die Machtverhältnisse wären ausgeglichen.

Es kommt für die Beigeladene zu 1) nicht darauf an, ob sie wie eine Alleininhaberin die Geschäfte führen konnte, zumal mehr dafürspricht, dass sie zusammen mit dem Geschäftsführer eine Führungsebene bildete. Die Kopf-und-Seele-Rechtsprechung, die das BSG vereinzelt im Bereich der Arbeitsförderung aufgestellt hat, hat das Gericht explizit in dem Urteil vom 14.03.2018 (B 12 KR 13/17 R, juris) aufgegeben.

Der Beitragsbescheid ist schließlich nicht deshalb aufzuheben, weil die Beigeladene zu 1) nicht förmlich am Verwaltungsverfahren beteiligt wurde. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) ist ein Dritter, für den, der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung hat, auf Antrag als Beteiligter zu dem Verfahren hinzuzuziehen; soweit er der Behörde bekannt ist, hat diese ihn von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen (2. Halbsatz). Nach Abs 2 Satz 1 steht die Beteiligung von Dritten, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, im Ermessen der Behörde. Die Beigeladene zu 1), deren Rechte durch die Feststellungen zur Versicherungspflicht im Betriebsprüfungsbescheid gestaltet werden könnten (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.1983 – 12 RK 73/82), war nicht zwingend am Verwaltungsverfahren zu beteiligen. Einen dafür erforderlichen Antrag auf Hinzuziehung hat sie nicht gestellt. Es spricht zwar einiges dafür, dass die Beklagte keine Ermessensentscheidung über ihre Hinzuziehung getroffen hat, obwohl ihr die Beigeladene zu 1) bekannt war. Ein Ermessensfehler wäre aber nicht kausal für die Entscheidung (LSG Bayern, Beschluss vom 31.07.2015 – L 7 R 506/15 B ER Rn. 29/30, juris). Die Beigeladene zu 1) hatte die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren Stellung zu nehmen. Sie hat auf dem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung ihrer Mitarbeit Angaben zu ihrer Tätigkeit gemacht und ist für Klägerin mit der Beklagten in Kontakt getreten. Eine Wiederholung des Verwaltungsverfahrens war schließlich auch deshalb nicht geboten, weil sie im Gerichtsverfahren beigeladen wurde, von der Möglichkeit, eigene Angriffs- und Verteidigungsmittel zu ergreifen, aber keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. dazu BSG, Urteil vom 09.08.2006, B 12 KR 3/06 R Rn. 14 ff., juris).

Der Beitragsforderung steht kein "dolo-agit-Einwand" gegenüber. Vorangegangene unbeanstandete Betriebsprüfungen gewähren insoweit keinen Vertrauensschutz für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) (BSG, Urteil vom 19.09.2019 – B 12 KR 25/18, juris). Aus den Hinweisen der Broschüre der LVA Brandenburg konnten die Gesellschafter nicht den Eindruck gewinnen, auch die Beigeladene zu 1) sei versicherungsfrei. Hinweispflichten gemäß §§ 13 ff. SGB I gelten aufgrund ihrer systematischen Stellung nur für die Gewährung von Sozialleistungen und nicht für Verfahren der Betriebsprüfungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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