L 9 KR 32/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 2811/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 32/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Das Bestehen von Selektivverträgen, die ein ärztliche Behandlung für Versicherte vorsehen, die eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode i. S. des § 135 SGB V darstellt, ist kein Indiz für ein Systemversagen.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Dezember 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für zwei optische Kohärenztomografien (OCT).

Die Klägerin ist 1954 geboren und versichertes Mitglied der Beklagten. Sie leidet an einer diabetischen Retinopathie und Makulopathie mit einem diabetischen Makulaödem. Im Rahmen der Therapie erfolgt eine intravitreale operative Injektion von Medikamenten (z.B. Ranibizumab ("Lucentis®") bzw. anderen Anti-VEGF-Präparaten) in den Glaskörper des Auges. Mittels der OCT, einem bildgebenden Verfahren (digitale Darstellung sowie Schnittbild der Makula), wird eine Darstellung der Netzhautmorphologie mit hochauflösender Tiefeninformation ermöglicht. Dabei wird ein Lichtstrahl auf die Netzhaut projiziert. Durch Messung des reflektierten und erzeugten Lichts der verschiedenen Netzhautschichten erzeugt die Methode zwei- und dreidimensionale Aufnahmen, die eine objektive und quantitative Beurteilung der Netzhaut ermöglichen. So können Strukturen wie Narbenprozesse, Veränderungen der Netzhautdicke, aber auch Flüssigkeitsansammlungen beurteilt werden. Mit der Untersuchungsmethode soll die Verlaufskontrolle ergänzend zur Visusmessung begleitend zur Behandlung (mit Injektionen) zur Steuerung des patientenindividuellen Behandlungsintervalls erfolgen. Die Methode war keine zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Diagnostik. Auf den Antrag des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) vom 3. März 2015 hat der Gemeinsame Bundesauschuss (GBA) am 16. April 2015 das Beratungsverfahren eingeleitet. Mit Beschluss vom 20. Dezember 2018 hat der GBA die OCT zur Diagnostik und Therapiesteuerung der neovaskulären altersbedingten Makuladegeneration (nAMD) und des Makulaödems im Rahmen der diabetischen Retinopathie (DMÖ) in Anlage 1 der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung als Nummer 29 angefügt (BAnz AT 22. März 2019 B2).

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 5. Mai 2015 die Kostenübernahme für eine geplante augenärztliche Untersuchung per OCT, da diese über die Gesundheitskarte als neue Untersuchungsmethode nicht abrechenbar sei. Ein Anspruch auf Kostenübernahme bestehe nach ihrer Auffassung unter dem Gesichtspunkt eines Systemversagens. Bis zum 3. Mai 2016 wurden bei ihr alle zwei Monate Injektionen verabreicht und insgesamt 17 OCT-Untersuchungen beider Augen im Abstand von jeweils zwei bis drei Monaten durchgeführt.

Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme auf den Antrag vom 5. Mai 2015 unter Berufung darauf ab, dass es sich um eine individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) handele, die nicht Teil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung sei und daher nur privat abgerechnet werden könne. Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2015 zurück, da es sich bei der OCT-Untersuchung um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele, für die eine (positive) Empfehlung zur Notwendigkeit und dem therapeutischen Nutzen des GBA noch nicht vorliege. Anhaltspunkte dafür, dass ein Systemversagen gegeben sei, weil das Fehlen einer positiven Aussage des GBA zu der neuen Methode darauf beruhe, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt werde, bestünden nicht.

Die Klägerin hat am 20. August 2015 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben und hat unter Übersendung von zwei Rechnungen die Erstattung von jeweils 57,12 Euro für die am 11. Juni 2015 und am 30. Juli 2015 durchgeführte OCT begehrt. Die Untersuchungsmethode habe sich seit ihrer Einführung im Jahr 2001 mindestens seit 2009 flächendeckend in allen Augenkliniken und ambulant operierenden Augenzentren etabliert. Schließlich habe das Sozialgericht Rostock am 29. September 2014 ein Systemversagen in einem vergleichbaren Fall anerkannt (S 15 KR 36/12). Es bestehe in der Fachwelt seit Jahren breiter Konsens, dass es sich bei der Methode um eine nützliche und etablierte Untersuchungsmethode handele. Die zur Antragstellung beim GBA befugten Organisationen seien erstmals im Juli 2009 von Selbsthilfegruppen Betroffener mit einer altersbedingten Makuladegeneration (AMD) aufgefordert worden, einen Antrag zu stellen.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des die Klägerin behandelnden Augenarztes Dr. H eingeholt, der MDK hat dazu in einem Gutachten vom 13. Juni 2016 Stellung genommen. Das Sozialgericht hat von dem GKV-SV, dem GBA und der Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) je eine Stellungnahme zu den Umständen der Antragstellung beim GBA für die streitige Untersuchungsmethode eingeholt.

Mit Urteil vom 13. Dezember 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 13 Abs. 3 SGB V bestehe nicht, weil es an einem Sachleistungsanspruch fehle, der von der Beklagten zu Unrecht abgelehnt worden sei. Es handele sich bei der OCT um eine ärztliche Untersuchungsmethode i.S. der gesetzlichen Krankenversicherung, da dem Verfahren ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liege, das es von anderen Untersuchungsverfahren unterscheide und seine systematische Anwendung in der Erkennung von Krankheiten rechtfertigen solle. Die Methode sei neu, da sie nicht als abrechnungsfähige Leistung im einheitlichen Bewertungsmaßstab für die vertragsärztliche Versorgung (EBM) enthalten sei. Eine Empfehlung des GBA i.S. des § 135 SGB V liege noch nicht vor, da derzeit das Beratungsverfahren durchgeführt werde.

Es liege auch kein Ausnahmefall vor, aufgrund dessen trotz fehlender Empfehlung des GBA ein Sachleistungsanspruch bestehen könne. Ein Anspruch gemäß § 2 Abs. 1a SGB V komme nicht in Betracht, da bei der Klägerin keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder eine zumindest gleichwertige Erkrankung bestehe. Außerdem stünden nach der Stellungnahme des MDK diverse alternative Untersuchungsmethoden zur OCT zur Verfügung, wie z.B. der Amsler-Test, die biometrische Untersuchung des Auges mittels Spaltlampe zur Beurteilung des hinteren Augenabschnitts, die binokulare Funduskopie, die eine Beurteilung des Makulaödems im Verlauf mit fotografischer Dokumentation ermögliche sowie die Gesichtsfelduntersuchung und die Fluoreszenzangiografie. Eine Erkrankung, die so selten auftrete, dass ihre systematische Erforschung praktisch ausscheide (sog. Seltenheitsfall), liege bei der Klägerin ebenfalls nicht vor.

Auch ein Systemversagen sei nicht nachgewiesen. Ein solches begründe ausnahmsweise eine Leistungspflicht der Krankenkasse ungeachtet des Verbotsvorbehaltes in § 135 SGB V, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode darauf zurückzuführen sei, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt worden sei. Dies müsse auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit oder Verfahrensverzögerung zurückzuführen sein. Ein solcher Fall sei bisher von der Rechtsprechung angenommen worden, wenn der GBA aufgrund eines Bewertungsverfahrens für den stationären Behandlungsbereich nach § 137c SGB V Erkenntnisse habe, die er im Rahmen des Verfahrens nach § 135 SGB V nicht nutze und deshalb keine Empfehlung für den ambulanten Versorgungsbereich abgebe. Ein willkürliches Unterlassen einer Antragstellung durch einen Antragsberechtigten beim GBA liege im Fall der Klägerin nicht vor. Eine Antragspflicht bestehe nur dann, wenn nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse eine positive Abschätzung des diagnostischen oder therapeutischen Nutzens der neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode durch den GBA wahrscheinlich sei und eine positive Bewertung der Methode nicht aus anderen Gründen (fehlende Wirtschaftlichkeit) ausgeschlossen erscheine. Dies sei bei der OCT nicht der Fall. Bis zum Zeitpunkt des Urteils liege keine Studienlage vor, welche die antragsberechtigten Organisationen verpflichtet hätte, einen Antrag zu stellen. Auch das nunmehr im Verfahren der Methodenbewertung vom GBA eingeschaltete IQWiG habe gemäß seinem Abschlussbericht zur der Methode vom 7. Juli 2017 nur insgesamt vier Studien zur Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration (nAMD) und zwei Studien zur Diabetischen Retinopathie mit Makulaödem (DMÖ) heranziehen können. Es habe sich weder ein Nutzen noch ein Schaden im Vergleich zu anderen Verfahren der Therapiesteuerung ergeben. Darüber hinaus hätten die antragsberechtigten Organe des GKV-SV und der KBV die Studienlage überwacht und aufgrund sachlicher Erwägungen erst im März 2015 einen Antrag gestellt. Dass sich die Methode in der augenärztlichen Praxis durchgesetzt habe, wäre allein dann von Bedeutung, wenn die genannten Organisationen und die Organe des GBA die ihnen obliegende Aufgabe der kontinuierlichen Überwachung der Studienlage nicht wahrgenommen hätten. Allein die Verbreitung in der Praxis könne den wissenschaftlich einwandfrei geführten Beleg aber nicht ersetzen. Das gelte auch bei Berücksichtigung selektivvertraglicher Regelungen und einzelvertraglicher gebundener Augenärzte, die praktisch zu einer Abgabe der Leistungen an Versicherte geführt hätten. Die genannten Vertragsgestaltungen erlaubten geringere Anforderungen an die Bewertung von Nutzen und Risiken. Anhaltspunkte für eine andere Bewertung des Systemversagens ergäben sich aus ihnen zudem nur dann, wenn trotz ausreichender positiver Erkenntnisse über den Nutzen ein Antrag beim GBA unterlieben wäre.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 18. Januar 2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. Februar 2018 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Der GBA habe zwischenzeitlich in seinem Beschluss vom 20. Dezember 2018 bestätigt, dass das OCT-Verfahren seit 2002 in Deutschland Verbreitung gefunden habe und seit etwa 2006 flächendeckend praktiziert werde. Die Entscheidung des GBA aus dem Jahr 2018, die Leistung als Kassenleistung anzuerkennen, hätte bereits früher getroffen werden können, wenn der GBA tätig geworden wäre. Neue wissenschaftliche Studien lägen seiner Entscheidung gerade nicht zugrunde.

Das Systemversagen bestehe in diesem speziellen Fall darin, dass die Krankenkassen das gesetzlich vorgesehene System massiv zugunsten von Verträgen nach § 73a SGB V a.F. und § 140a SGB unterwandert hätten. Speziell das GBA-Verfahren sei damit bewusst und flächendeckend von den Krankenkassen umgangen worden. Denn für diese Verträge hätte gar kein Bedarf bestanden, da die Versorgung mit intravitrealer operativer Medikamenteneingabe (IVOM) als ärztliche Leistung seit Oktober 2014 im EBM abgebildet sei. Tatsächlich sei es in diesen Verträgen darum gegangen, die Versorgung mit dem nicht zugelassenen Arzneimittels Avastin® anstelle von Lucentis® zu erreichen. Ein Antrag beim GBA sei nicht gestellt worden, um bestehende Verträge zu schützen. Außerdem liege seit Einführung der Untersuchungsmethode im Jahr 2001 eine derartig breite Versorgung durch Ärzte vor, dass auch deshalb Veranlassung bestanden habe, die allgemein geltenden Voraussetzungen für ein Systemversagen entsprechend zu modifizieren. Schließlich sei ein Systemversagen von der BARMER in anderen vergleichbaren Fällen anerkannt worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Dezember 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Mai 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2015 zu verpflichten, der Klägerin die von ihr verauslagten Kosten für jeweils eine OCT-Untersuchung am 11. Juni 2015 und am 30. Juli 2015 in Höhe von insgesamt 114,24 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Die 2015 bestehenden regionalen Selektivverträge hätten nicht die Versorgung mit OCT-Leistungen bezweckt, vielmehr die Behandlung der näher benannten Augenerkrankungen mittels intravitrealer Eingabe von VEGF-Hemmern oder Glucocorticoiden; die OCT sei dabei nur unselbständiger Bestandteil des Behandlungskonzepts. Eine Teilnahme an den genannten Verträgen habe allen DAK-Versicherten offen gestanden, so diese sich in die jeweiligen Behandlungsprogramme eingeschrieben hätten und der behandelnde Augenarzt bestimmte Qualifikationen hätte nachweisen können. Das Antragsschreiben der Klägerin vom 5. Mai 2015 an die Beklagte habe auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Klägerin eine Behandlung im Rahmen der bereits 2015 bestehenden regionalen Verträge in NRW oder Hamburg gewollt habe.

Die Beklagte hat auf Veranlassung des Senats die Verträge der DAK-Gesundheit mit dem Bundesverband Deutscher Ophthalmochirurgen (BDOC) zur Behandlung der feuchten altersabhängigen Makuladegeneration (nAMD), von diabetischen Makulaödemen (DMÖ) sowie Makulaödemen nach retinalen Venenverschlüssen (RVV) mittels intravitrealer Eingabe von VEGF-Hemmern oder Glucocorticoiden für die Vertragsgebiete Nordrhein-Westfalen (vom 28. Februar 2013) sowie zwischen der DAK - Unternehmen Leben für das Vertragsgebiet Hamburg (ohne Datum) übersandt.

Der Senat hat die Beteiligten am 14. April 2020 davon in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt ist, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss als unbegründet zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

II.

A. Der Senat konnte die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet sowie eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält und die Beteiligten vorher angehört worden sind.

B. Die nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG vom Sozialgericht zugelassene Berufung bleibt ohne Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; die Beklagte hat zu Recht eine Kostenerstattung für die beiden im Juni und Juli 2015 durchgeführten diagnostischen OCT-Behandlungen abgelehnt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung ihrer aufgewendeten Kosten in Höhe von insgesamt 114,24 Euro für die zwei Untersuchungen. Es handelte sich 2015 noch um außervertragliche Leistungen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Sozialgericht hat sorgfältig und detailliert unter Berücksichtigung der durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelten Grundsätze und aufgrund seiner eigenen Ermittlungen bei den maßgeblichen Organisationen ausgeführt, dass die Voraussetzungen eines Ausnahmefalles in Gestalt eines Systemversagens im Fall der Klägerin nicht nachgewiesen sind. Dem hat die Begründung der Berufung nichts im Ergebnis Überzeugendes entgegen gesetzt.

Es bleibt zu ergänzen: Der Fall der Klägerin bietet keine Veranlassung, weitere nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelte Kriterien für ein Systemversagen herauszubilden. Dies gilt in Ansehung der Tatsache, dass im Jahr 2015, damit zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der streitigen Leistungen durch die Klägerin, die Beklagte und mehrere andere Krankenkassen in Kollektiv- und Einzelverträgen nach § 140a SGB V (bis zum 22. Juli 2015 auch gemäß §§ 73a, 73c SGB V a.F.) für die Versicherten u.a. mit diabetischen Makulaödemen auch die Versorgung mit der OCT als Kassenleistung eröffneten. Das Bestehen solcher Verträge ist kein Indiz für ein Systemversagen. Das gilt auch, wenn eine Mehr- oder Vielzahl solcher Verträge bestehen. Dies rechtfertigt nicht die Einschätzung, allein aufgrund ihrer großen Verbreitung und der damit auch praktisch u.U. weitreichenden Versorgung großer Gruppen von Versicherten mit einer bestimmten außervertraglichen Leistung sei ein Antrag auf Aufnahme der Leistung an den GBA schon geboten. Maßgeblich sind wissenschaftlich einwandfrei geführte Studien zum diagnostischen und/oder therapeutischen Nutzen gemessen an § 135 SGB V. Nicht entschieden werden muss, ob die gezielte Nutzung der genannten Verträge in dem Bestreben, für eine bestimmte neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode keinen Antrag auf Durchführung eines Bewertungsverfahrens nach § 135 SGB V zu stellen, einen Fall des Systemversagens darstellen könnte. Es muss insoweit auch nicht geklärt werden, ob ein solches Verhalten eine neue Fallgruppe rechtfertigte oder ob es eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung darstellte, die deshalb zumindest auch als eine sachfremde Untätigkeit i.S. der Grundsätze des BSG zum Systemversagen zu qualifizieren wäre. Denn im Fall der Klägerin fehlt bereits ein überzeugender Nachweis dafür, dass eine solche Sachlage gegeben war und einen früheren Antrag beim GBA für die OCT vor März 2015 verhinderte. Die dafür bemühte klägerische Argumentation zu möglichen Beweggründen einzelner Antragsberechtigter im Hinblick auf die bestehenden Selektiv-/Einzel-Verträge bewegt sich teilweise im Bereich des Spekulativen. Das gilt auch mit Blick auf die herangezogenen Vermutungen einzelner Akteure, wie z.B. des Verbraucherzentrale Bundesverbands e.V., zu den Motiven anderer Antragsberechtigter. Solche bloßen Behauptungen und Vermutungen können ohne Beleg das Bestehen sachfremder Erwägungen nicht nachweisen. Dies gilt umso mehr, wenn gleichzeitig berücksichtigt wird, dass angesichts fehlender vergleichender Studien zur OCT und eines 2014 zwar nicht auszuschließenden, aber nicht belegten Nutzens (so das Gutachten Deutsches Cochrane Zentrum Freiburg), auch nachvollziehbare äußere Gründe bestanden, noch keinen Antrag auf Methodenbewertung zu stellen. So konzediert der Klägerbevollmächtigte selbst, dass die OCT-Methodik (bis 2018) wenig wissenschaftlich erforscht war und es nur wissenschaftliche Untersuchungen gab, bei welchen die OCT bereits einen maßgeblichen Bestandteil der Methodik bildete (z.B. in seinem Schriftsatz vom 18. April 2018, vom 27. Juli 2018).

Die auf der Grundlage unterschiedlicher Regionalverträge bis zur Anerkennung durch den GBA erfolgende Versorgung Versicherter stellt keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Indem das Gesetz den Krankenkassen und den an der Versorgung Beteiligten die o.g. Vertragsformen eröffnet, nimmt es in Kauf, dass eine unterschiedliche Versorgung der Versicherten, je nach Wohnort, behandelndem Vertragsarzt/Vertragsärztin und beteiligter Krankenkasse eintritt. Die Vielfalt war und ist im Interesse eines Wettbewerbs um die beste Versorgung der Versicherten zwischen den Kassen, aber auch den Leistungserbringern gewollt (BT-Drs. 14/1245, S. 1; BT-Drs. 16/3100, S. 87 und 114).

Ein Kostenerstattungsanspruch ergibt sich schließlich nicht aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, weil die Beklagte die Klägerin 2015 nicht auf die Möglichkeit hingewiesen hat, die begehrte Leistung z.B. in NRW oder Hamburg in Anspruch zu nehmen. Es mangelt an der für den Herstellungsanspruch erforderlichen Kausalität. Eine Verletzung einer sozialrechtlich der Klägerin gegenüber bestehenden Beratungspflicht (aus § 14 Erstes Buch/Sozialgesetzbuch - SGB I) hätte nur dann bestehen können, wenn die Beklagte aufgrund des Antrags Veranlassung hätte haben müssen, die Klägerin auf die Versorgung in anderen Bundesländern zu verweisen. Dagegen könnte sprechen, dass die Klägerin bereits bei Antragstellung sachkundig vertreten war. Jedenfalls wäre aber ein unterlassener Hinweis nicht kausal für die entstandenen Kosten. Die Klägerin hat mitgeteilt, dass sie die OCT-Untersuchung als unselbständigen Teil der invasiven Behandlung (IVOM) nicht außerhalb Berlins in Anspruch genommen hätte (Schriftsatz vom 28. Mai 2018).

Dass andere Krankenkassen einen Kostenerstattungsanspruch in vergleichbaren Fällen bereits anerkannt haben, bindet die Beklagte schließlich nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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