S 17 KR 146/13

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 17 KR 146/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Fahrtkosten zur ambulanten Kranken-behandlung umstritten.

Am 6. November 2012 verordnete die Fachärztin für Allgemeinmedizin ... dem am ...1938 geborenen Kläger Krankenbeförderung zur ambulanten Behandlung im Universitätsklinikum ...(Hin- und Rückfahrt). Dort sollte im 6-wöchigen Rhythmus ein Stentwechsel durchgeführt werden. In seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 29. November 2012 ging der MDK-Gutachter Dr. med ... im Falle des Klägers von einer bösartigen Neubildung eines Rektumkarzinoms sowie von Unwohlsein und Ermüdung als Hauptdiagnosen aus. Mit Bescheid vom 6. Dezember 2012 lehnte die Beklagte die Übernahme von Fahrtkosten zur ambulanten Krankenbehandlung ab. Eine Stellungnahme des Universitätsklinikums ... vom 12. Dezember 2012 wertete die Beklagte als Widerspruch des Klägers. Darin ist ausgeführt: Bei dem Kläger seien im Rahmen eine großen onkologischen Eingriffs Harnleiterhautfisteln gelegt worden, die dauerhaft bis zum Lebensende mit sogenannten Harnleiterschienen abgeleitet werden müssten. Dies sei 4 bis 6 wöchentlich erforderlich. Der Kläger sei mit eine Urostoma im Bereich des linken Unterbauches versorgt, was zusätzlich die eigene Anreise von ... nach ... erschwere, insbesondere wenn die Wechsel mit einer sedoanalgetischen Therapie durchgeführt werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 und 2 der Krankentransport-Richtlinien sein nicht erfüllt. Es fehle an einer hohen Behandlungsfrequenz, die Merkzeichen aG, Bl und H seien nicht bekannt, ebenso nicht eine Einstufung in die Pflegestufe 2 oder 3. Eine vergleichbare Einschränkung der Mobilität liege nicht vor.

Dagegen richte sich die am 22. April 2013 erhobene Klage. Der Kläger hat vorgetragen: Es seien bereits die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Nr. 4 SGB V erfüllt. Nach der Behandlung sei der Kläger fahruntüchtig. Der Kläger können für die Hin- und Rückreise die Straßenbahn nicht benutzen. Auf der linken Körperseite trage er einen Beutel mit ca. ¼ Liter Flüssigkeit, auf der rechten Seite einen mit ca. ½ Liter. Er dürfe nirgends ansto-ßen; die Fahrt dauere ca. 2 Stunden. In diesem Zeitraum müsse er regelmäßig die Toi-lette aufsuchen. Würde der Kläger nicht jedesmal zur Behandlung in die Universitätskli-nik anreisen, wäre eine stationäre Behandlung unabdingbar.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2013 zu verurteilen, die Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung des Klägers in dem Universitätsklinikum Halle zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die Bescheide für rechtmäßig.

Das Gericht hat diverse Befundberichte eingeholt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachver-haltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entscheiden.

Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Übernahme der Fahrtkosten nach § 60 Abs. 1, 2 SGB V (i. d. F. d. G. v. 14. November 2003, BGBl. I S. 2190). Vielmehr unterliegt er dem Ausschluss von Fahrtkosten zu einer ambulanten Behandlung in § 60 Abs. 1 S. 3 SGB V.

Es geht beim Kläger schon dem Ansatz nach nicht um Fahrten im Zusammenhang mit einer stationären Behandlung im Sinne von § 60 Abs. 2 Nr. 1 SGB V, nicht um Ret-tungsfahrten im Sinne von § 60 Abs. 2 Nr. 3 SGB V und nicht um Fahrten, während denen eine besondere Betreuung oder Ausstattung des Transportmittels erforderlich ist im Sinne von § 60 Abs. 2 Nr. 3 SGB V.

Es handelt sich aber auch nicht um Fahrten im Sinne von § 60 Abs. 2 Nr. 4 SGB V, weil durch den ambulanten MJ-Endoureterkatheterwechsel in der Universitätsklinik ... nicht eine gebotene stationäre Krankenhausbehandlung ersetzt wird. Sowohl der voll- als auch der teilstationären Behandlung ist eigen, dass sie nicht auf eine Erledigung innerhalb eines Tages angelegt sind (BSG, Urt. v. 4. März 2004 – B 3 KR 4/03 R – Juris, Rn. 28). Gerade dies ist aber bei den Katheterwechseln in der Universitätsklinik Halle der Fall. Der Kläger hält sich nicht für eine vorab festgelegte Abfolge von Behandlungen in kurzen Zeitabständen dort auf, sondern für eine jeweils einzelne, auf de Tag angelegte Behandlung, die jeweils zu einem abgeschlossenen Ergebnis führt. Selbst wenn der nächste Termin für einen Katheterwechsel im Wesentlichen feststehen sollte, ist nicht eine besondere Verdichtung der Behandlungsmaßnahmen im Krankenhaus das damit verfolgte Ziel, sondern ist die Wahrung des stets eingehaltenen größeren Zeitabstandes erforderlich, bevor die alten Behandlungsergebnisse überholt sein können und einer erneuten Überprüfung bedürfen (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. Dezember 2015 – L 6 KR 31/13 –, Rn. 26, juris).

Der geltend gemachte Anspruch auf Fahrkostenerstattung lässt sich auch nicht im Sin-ne von § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V auf die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesaus-schusses nach § 92 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 SGB V stützen.

Der Kläger wird nicht im Sinne von § 8 Abs. 2 Krankentransport-Richtlinien in einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist. Es kann dahinstehen, ob der 4 – 6 wöchige Katheterwechsel an der Universitätsklinik ... ein Therapieschema in diesem Sinne darstellt.

Die Häufigkeit der Katheterwechsel stellt jedenfalls keine hohe Behandlungsfrequenz dar. Es handelt sich insgesamt im Höchstfall im Schnitt um 13 Behandlungen jährlich. Eine hohe Behandlungsfrequenz wird auch im Falle – wie hier – unbegrenzter Behand-lungsdauer jedenfalls nicht erreicht, wenn sie in einem Jahr 18 Fälle unterschreitet, die durchschnittlich als Arztkontakte Versicherter anfallen (vgl. Landessozialgericht Sach-sen-Anhalt, Urteile vom 17. Dezember 2015 – L 6 KR 31/13 –, Rn. 31, juris; vom 16. April 2015 – L 6 KR 49/14 – Juris, Rn. 43; vom 23. Januar 2013 – L 4 KR 17/10 – Juris, Rn. 49).

Worin eine hohe Behandlungsfrequenz im Sinne der Krankentransportrichtlinien zu se-hen ist, ist im Vergleich mit den Regelbeispielen in Anl. 2 der Krankentransport-Richtlinien zu ermitteln. Dabei lässt die notwendige Häufigkeit der dort aufgezählten Strahlentherapien mit mehrmals wöchentlich keinen Schluss auf diejenige bei unbe-grenzt andauernden Behandlungen zu, weil diese Therapie zeitlich überschaubar be-grenzt durchgeführt wird (vgl. BSG, Urt. vom 28. Juli 2008 – B 1 KR 27/07 R – Juris, Rn. 31). Eine Behandlungsfrequenz, die die durchschnittliche Zahl von Arztkontakten Versicherter nicht erreicht, kann umgekehrt das Merkmal besonderer Ausnahmefälle in § 8 Abs. 1 Krankentransport-Richtlinien nicht ausfüllen. Dieses Merkmal verbietet es auch, die Chemotherapie mit Behandlungsabfolgen von drei bis vier Wochen innerhalb einer Zeit von bis zu acht Monaten (vgl. hierzu BSG, a.a.O.) allein in den Mittelpunkt einer vergleichenden Betrachtung zu stellen. Vielmehr vermitteln die Regelbeispiele allein keine ausreichende Orientierung, weil sie teils eine hohe Behandlungsfrequenz bei unbegrenzter Dauer – Dialyse – und teils eine niedrigere Behandlungsfrequenz bei be-grenzter Dauer – Chemotherapie – zum Gegenstand haben, eine hohe Behandlungs-frequenz im Vorschriftensinne aber schon mit umso größerem Abstand einzelner Be-handlungen erreicht wird, je länger die vorhersehbare Gesamtdauer zu veranschlagen ist ( vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. Dezember 2015 – L 6 KR 31/13 –, Rn. 32, juris).

Die in § 8 Abs. 3 Krankentransport-Richtlinien genannten Anspruchsvoraussetzungen bestimmter Merkzeichen nach dem Schwerbehindertenrecht oder die Feststellung der Pflegestufe 2 oder 3 nach dem Recht der gesetzlichen Pflegeversicherung erfüllt der Kläger nicht. Auch eine den genannten Voraussetzungen vergleichbare Einschränkung der Mobilität hat der Kläger nicht. Weder aus den eingeholten Befundberichten noch aus dem Vortrag des Klägers selbst ergeben sich insoweit Einschränkungen seiner Fähig-keit, Wege zurückzulegen.

Soweit der Kläger vorgetragen hat, er sei nach der Behandlung fahruntüchtig, mag dies zutreffen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Soweit der Kläger dagegen einwendet, für die Hin- und Rückreise könne er die Stra-ßenbahn letztlich nicht benutzen wegen der am Körper getragenen Beutel mit Flüssig-keit, sowie im Hinblick auf die Dauer der Fahrt und der fehlenden Möglichkeit die Toilette aufzusuchen, ergibt sich daraus zwar Beschwernisse. Diese stellen jedoch keine nach § 8 Abs. 3 Satz 2 Krankentransport-Richtlinien erforderliche Beeinträchtigung der Mobilität, die einer den Merkzeichen aG (außergewöhnlich gehbehindert), Bl (blind iSd. § 72 Abs. 5 SGB XII) und H (hilflos) oder den Pflegestufen 2 und 3 zugrunde liegenden Beeinträchtigungen gleich kämen.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG und folgt hier dem Unterliegen des Klägers.
Rechtskraft
Aus
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