S 3 EG 12/14

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 3 EG 12/14
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid des Beklagten vom 07. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 29. August 2014 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Elterngeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum 19. Juni 2014 bis 18. August 2014 zu gewähren.

Der Beklagte hat die notwendigen, außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist das Bestehen eines Elterngeldanspruches der Klägerin für den 13. und 14. Lebensmonat des Kindes ... streitig.

Die am ... 1981 geborene Klägerin gebar am ... 2013 das Kind ... und beantragte am 16. Juli 2013 bei dem Beklagten die Gewährung von Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat des Kindes, woraufhin der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 30. Juni 2013 Elterngeld für den Zeitraum 19. Juni 2013 bis 18. Juni 2014 bewilligte. Am 19. März 2014 beantragte die Klägerin die Gewährung des Elterngeldes für den 13. und 14. Lebensmonat des Kindes ..., da am 03. März 2014 eine Trennung vom Kindesvater ... erfolgt sei, wobei sie angab, die gemeinsame elterliche Sorge gemäß § 1626a Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- mit dem Kindesvater zusammen zu haben. Mit Bescheid vom 07. April 2014 lehnte der Beklagte die Elterngeldgewährung an die Klägerin ab. Er erklärte, da der Klägerin nur die gemeinsame elterliche Sorge zustehe, bestehe ein Elterngeldanspruch nur für 12 Monate.

Am 06. Mai 2014 erhob die Klägerin Widerspruch. Sie gab an, das Kind ... wohne aufgrund gerichtlicher Entscheidung bei ihr.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2014 wies das Land Sachsen-Anhalt den Widerspruch als unbegründet zurück. Es legt dar, die Klägerin übe die Personensorge weiterhin gemeinsam mit dem Kindesvater aus und auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht sei nicht auf sie allein übertragen worden, sodass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Bundeselterngeld- und -elternzeitgesetz -BEEG- nicht vorlägen.

Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 01. Oktober 2014 vor dem Sozialgericht Halle erhobenen Klage weiter verfolgt. Sie erläutert, der Aufenthalt des Kindes bei ihr sei durch gerichtliche Entscheidung geregelt, sodass für eine Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht kein Rechtsschutzbedürfnis aus der Sicht der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichtsbarkeit mehr bestehe. Auch sei die Anknüpfung an eine Teilsorgeberechtigung nach der Änderung des § 1626a BGB obsolet. Eine Entscheidung nach § 1671 BGB nur wegen des Elterngeldes sei nicht angezeigt. Die Bestimmung des § 4 Abs. 3 Satz 4 BEEG sei insoweit verfassungskonform auszulegen. Erziehungsurlaub sei durch den Arbeitgeber bis zum Ablauf des 14. Kalendermonats gewährt worden.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid des Beklagten vom 07. April 2014 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 29. April 2014 aufzuheben,

2. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Elterngeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum 19. Juni 2014 bis 18. August 2014 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, der familiengerichtliche Vergleich beinhalte weder den Entzug des Sorgerech-tes, noch das Aufenthaltsbestimmungsrecht, sondern regelt nur das Umgangsrecht. Der Anspruch bestehe daher nicht.

In diesem Rechtsstreit hat bereits am 16. Juni 2015 eine mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht Halle stattgefunden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht durch die Klägerin vor dem Sozialgericht Halle erhoben worden, denn durch die Klageerhebung am 01. Oktober 2014 gegen den Widerspruchsbescheid vom 29. August 2014 wird die Klagefrist des § 87 Sozialge-richtsgesetz -SGG- gewahrt, denn der Bescheid vom 29. August 2014 kann nach § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch X nicht vor dem 01. September 2014 bei der Klägerin eingegangen sein, sodass die Klageerhebung die Frist von einem Monat wahrt.

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 07. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, denn die Klägerin hat einen Anspruch auf die Gewährung von Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat ihres Kindes. Dieser Anspruch der Klägerin auf die Gewährung von Elterngeld ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus § 4 Abs. 3 Satz 4 BEEG. Zwar steht nach dieser gesetzlichen Bestimmung Elterngeld für 14 Monate einem Elternteil nur zu, wenn die elterliche Sorge oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht ihm allein zusteht oder er eine einst-weilige Anordnung erwirkt hat, mit der ihm die elterliche Sorge oder zumindest das Auf-enthaltsbestimmungsrecht für das Kind vorläufig übertragen worden ist, eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt und der andere Elternteil weder mit ihm noch mit dem Kind in einer Wohnung lebt und diese Voraussetzungen nach § 4 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 BEEG sind bei der Klägerin dem Wortlaut nach nicht gegeben. Diese Be-stimmung ist aber zur Überzeugung der Kammer verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass das Elterngeld auch demjenigen zusteht, der faktisch das Aufent-haltsbestimmungsrecht ausübt und das Kind alleine betreut. Unstreitig liegen die Vo-raussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 und 3 BEEG bei der Klägerin vor. Die Kläge-rin ist aber, entgegen der Ansicht des Beklagten, auch in der Position das Aufenthalts-bestimmungsrecht faktisch allein auszuüben. Diese faktische Ausübung des Aufent-haltsbestimmungsrechts durch die Klägerin ist insoweit vorliegend zur Überzeugung der Kammer ausreichend, denn ein Antrag auf Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbe-stimmungsrechtes vor dem Familienrecht führt nach der dortigen Rechtsprechung be-reits mangels eines Regelungsbedürfnisses zur Unzulässigkeit einer solchen Klage (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. Februar 2013 - AZ: 2 UF 272/12 -), sodass eine Ent-scheidung nach § 1671 BGB über das Aufenthaltsrecht hier nicht gefällt wird. Einen Ausschluss dieser faktisch allein das Aufenthaltsbestimmungsrecht ausübenden Eltern vom verlängerten Bezug des Erziehungsgeldes würde aber dem Sinn und Zweck des Erziehungsgeldes zu wider laufen, denn das Elterngeld soll Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlagen unterstützen, wenn sich die Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern (Hambüchen-Irmen, BEEG.EStG.BKGG, § 1 BEEG; Rdnr. 8) und dies ist das, was die Klägerin vorliegend getan hat, zumal ihr durch das Amtsgericht Zeitz der ständige Aufenthalt des Kindes im Haushalt der Mutter zugesprochen wird. Nach alledem wäre eine Auslegung des § 4 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 BEEG dahingehend, dass der Klägerin für den 13. und 14. Lebensmonat des Kindes ... kein Elterngeld zu gewähren ist gegen die ursprüngliche Intension des Gesetzgebers, zumal diese Einschränkung Mitnahmeeffekte seitens der Eltern ausschließen soll und ein solcher ist hier durch das Urteil des Amtsgerichts Zeitz ausdrücklich nicht gegeben. Die Nichtgewährung von Elterngeld für den 13. bis 14. Lebensmonat des Kindes ... würde von daher grundrechtlich geschützte Belange der Klägerin tangieren und eine grundgesetzkonforme Auslegung verlangt insoweit die Auslegung des § 4 Abs. 3 Satz 4 BEEG dahingehend, dass alleinerziehenden Eltern, denen gerichtlicherseits faktisch das Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen ist, einen Anspruch auf Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat des Kindes haben. Der Beklagte war daher zur Gewährung des Elterngeldes in gesetzlicher Höhe für den 13. und 14. Lebensmonat des Kindes ... zu verurteilen.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 143 SGG die Berufung zum Landessozialge-richt Sachsen-Anhalt zulässig, denn die Berufungsausschlussgründe des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG sind hier nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der vorliegend Anwendung findenden gesetzli-chen Regelung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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