S 44 R 1898/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
44
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 44 R 1898/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 195/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 20.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2012 wird aufgehoben. Es wird festgesteilt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen in der Zeit vom 25.05.2010 bis 05.11.2010 nicht der durch eine abhängige Beschäftigung begründeten Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung unterfiel. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers in seiner Tätigkeit als Interim-Manager bei der Beigeladenen in der Zeit vom 25.05.2010 bis 05.11.2010.

Der im Jahre 1957 geborene Kläger arbeitet seit dem Jahre 2007 als Interim-Manager, d.h. als sog. Manager auf Zeit, mit den Schwerpunkten Restrukturierung und Umsetzung. Er trat zunächst unter V J Q auf hat im Mai 2011 die V J Q GmbH gegründet. Er verfügt über einen eigenen Internetauftritt.

Die N1 N2 D mit Sitz in den USA ist ein Zulieferer für Kühler- und Klimatechnik. Die Beigeladene fungiert nach eigenen Angaben als Europazentrale im internationalen N1-Konzern.

Am 19.05.2010 schlossen der Kläger unter V J Q und die Beigeladene einen Dienstvertrag, aufgrund dessen der Kläger im Aufträge der Beigeladenen für deren Schwestergesellschaft, die N1 B GmbH in L1/ Österreich, die Kondensatoren für die Automobilindustrie herstellt, tätig wurde. Als Vertragsdauer wurde die Zeit vom 25.05.2010 bis 31.12.2011 vereinbart. Als Aufgaben des Klägers wurden die Leitung des Werkes, die Führung der Mitarbeiter, die Implementierung des N1 Produktionssystems, die Reduzierung von Ausschuss und Nacharbeit, die Steigerung der Produktivität, die Sicherstellung der industriellen Fertigung der Produkte Porsche 9x1 in 04/2011, Audi A-SUV in 06/2011 sowie DAG MFA in 09/2011 mit Unterstützung des zentralen Manufacturing Engineering vereinbart. Zu den Tätigkeiten gehörte danach im Bedarfsfall auch die Fertigung von Schreiben, Vermerken und Stellungnahmen sowie die Teilnahme an Besprechungen. Auch wurde der Kläger zu einer ausführlichen direkten Berichterstattung an den Regional Operations Director K L2 verpflichtet. Es wurde vereinbart, dass der Kläger in der Bestimmung seines Arbeitsortes und seiner Arbeitszeit frei sei, aber regelmäßig von Montag bis Donnerstag arbeite. In Abstimmung mit dem Unternehmen könne Urlaub genommen werden, wobei Urlaub nicht vergütet werde. Auch ein Anspruch auf eine Vergütung während einer Krankheit bestünde nicht. Es wurde ein pauschales Honorar in Höhe von 1.5000,00 EUR je Einsatztag zzgl. gesetzlicher MwSt. sowie eine zusätzliche Kostenpauschale von 10 % je Einsatztag zzgl. gesetzlicher MwSt. für Fahrtkosten zum Einsatzort, Übernachtungen und Mehraufwendungen für Verpflegung vereinbart. Darüber hinaus wurde dem Kläger für die Dauer seiner Tätigkeit in Pkw zur Verfügung gestellt. Der Vertrag enthielt den Hinweis, dass das Unternehmen beabsichtige, die mit dem Kläger interimistisch besetzte Werkleitungsposition mittelfristig, jedoch nicht vor dem 30.09.2011 mit einer Festeinstellung zu besetzen. Für den Fall, dass nach dem 30.09.2011 und vor dem 31.12.2011 ein Werkleiter zur Festeinstellung rekrutiert werde, erklärten sich die Vertragsparteien zu einer Vertragsbeendigung mit einer Kündigungsfrist von 14 Tagen bereit. Bei Änderung der Mehrheits- und Kontrollverhältnisse der Gesellschaft wurde dem Kläger ausdrücklich ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt. Des Weiteren enthielt der Vertrag den Hinweis, dass die Vertragsparteien sich darüber einig seien, dass auf den Vertrag kein Arbeitsrecht Anwendung finde. Es solle weder ein Arbeitsverhältnis noch ein Scheinarbeitsverhältnis begründet werden.

Mit Wirkung zum 28.06.2010 wurde der Kläger neben Herrn K L2 zum weiteren Geschäftsführer der N1 B GmbH bestellt. Seine von ihm als Beratungsleistung bezeichnete Tätigkeit rechnete er mit der Beigeladenen per Rechnung ab.

Am 05.11.2010 wurde der Dienstvertrag aufgrund einer fristlosen Kündigung durch die Beigeladene beendet. Mittlerweile wurde die von dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum interimistisch besetzte Position mit einem fest angestellten Werkleiter besetzt. Bei diesem handelt es sich um den ehemaligen Werkleiter der italienischen Schwestergesellschaft der Beigeladenen, Herrn N3. Bereits bei Abschluss des Dienstvertrages mit dem Kläger hatte die Beigeladene dessen Einsatz als Werkleiter der N1 B GmbH beabsichtigt, Herr N3 sollte jedoch - einvernehmlich - zunächst die Schließung des italienischen Werkes erledigen, bevor er für diese Tätigkeit zur Verfügung stand.

Mit Schreiben vom 15.04.2011 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status. Er teilte mit, dass er sich auf die Besetzung von Führungspositionen spezialisiert habe, die für begrenzte Zeit besetzt werden müssten. Er biete schnelle und effiziente Lösungen, wenn z.B. Manager in einem Unternehmen ausfallen würden oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung stünden. Ein Einsatz würde üblicherweise 12 bis 18 Monate dauern. Sobald sein jeweiliger Auftraggeber die vakante Position mit einer festangestellten Führungskraft besetzt habe und diese eingearbeitet sei, sei sein Auftrag beendet. Bei der Beigeladenen habe er die interimistische Werkleitung übernommen gehabt. Schwerpunkte seiner Tätigkeit seien die Einführung eines Produktionssystems, die Reduzierung von Ausschuss und Nacharbeit, die Produktivitätssteigerung sowie Neuanläufe diverser Produkte gewesen. Es habe keine Kontrolle und keine Weisungen gegeben. Er sei in der Bestimmung von Arbeitszeit und -ort frei gewesen und es habe keine Anwesenheitskontrolle gegeben. Darüber hinaus akquiriere er seine Aufträge selbständig und arbeite auf eigene Rechnung. Er betreibe Kundenwerbung und sei Mitglied in der Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e.V. (DDIM). Schließlich verfüge er in seinem E Büro über eine Spezialsoftware, über die er sich in das Email-System des jeweiligen Auftraggebers einklinken könne.

Unter dem 28.07.2011 bzw. 29.07.2011 teilte die Beklagte dem Kläger und der Beigeladenen mit, dass beabsichtigt sei, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen.

Der Kläger wandte hiergegen ein, dass er seit dem Jahre 2007 als Interim-Manager für mehrere Unternehmen tätig geworden sei, für Schäden beim Kunden hafte, seine Kunden selbständig werbe, kein Urlaubsgeld und keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erhalte, keine Berichtspflicht bestünde und keine Teilnahme an Besprechungen erfolge. Es seien daher wesentliche Gründe für eine Selbständigkeit gegeben.

Die Beigeladene teilte mit, dass in der N2 B GmbH im Frühjahr 2010 im Zusammenhang mit einer insgesamt schwierigen Geschäftssituation eine Vakanz in der Werksleitung eingetreten sei und die dringende Notwendigkeit bestanden habe, kurzfristig bestimmte Produktionsprozesse zu verbessern. Da sie den Kläger bereits aus einer früheren Zusammenarbeit gekannt habe, sei der Dienstvertrag mit ihm geschlossen worden. Die Zusammenarbeit habe sich jedoch insbesondere mit den Arbeitnehmern und Führungskräften vor Ort recht schwierig gestaltet. Die Differenzen und Schwierigkeiten hätten insbesondere auf persönlicher Ebene bestanden, weshalb es dann zur fristlosen Kündigung gekommen sei. Gegen eine abhängige Beschäftigung des Klägers spreche insbesondere, dass dieser seine Tätigkeit bei der N1 B GmbH ausgeübt habe und daher nicht bei ihr eingegliedert gewesen sei. Seine Berichterstattung habe er gegenüber ihres Geschäftsführers stets via Telefon oder Email erfüllt. Darüber hinaus sei ihm die konkrete Gestaltung seiner Arbeitszeit überlassen worden und er sei frei in der Wahl des Arbeitsortes gewesen. Dass die häufige Anwesenheit in L1 zur Erbringung der Beratungsleistung erforderlich gewesen sei, stünde dem nicht entgegen. Auch habe der Kläger hinsichtlich der Art der Tätigkeit keinen Weisungen unterlegen. Schließlich trage der Kläger im Hinblick auf sein eigenes Unternehmen auch ein Unternehmerrisiko. Als Werkleiter hätten dem Kläger die Führung und Anleitung insbesondere der Produktionsmitarbeiter oblegen. Er sei der Ansprechpartner für das tägliche Geschäft gewesen, da sein Mitgeschäftsführer sich wegen seiner übergeordneten Funktion im europäischen Teil des N1-Konzerns nicht regelmäßig im Werk aufgehalten habe. Die Personalführungsaufgaben des Klägers seien vor allem auf den Produktionsbereich bezogen gewesen.

Mit Bescheid vom 20.12.2011 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Klägers als Berater bei der Beigeladenen im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt worden sei und Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung bestanden habe. In der Krankenversicherung bestünde keine Versicherungspflicht. Für eine abhängige Beschäftigung spreche, dass die zu erbringende Leistung vertraglich so detailliert geregelt worden sei, dass für den Auftragnehmer kein relevanter Handlungsspielraum verblieben sei. Der Kläger habe hinsichtlich der Ausführung der zu erbringenden Leistung Einschränkungen durch eine festgelegte regelmäßige Berichtspflicht und der Teilnahme an Besprechungen unterlegen. Es habe eine betrieblich notwendige Eingliederung bestanden. Die Gestaltungsmöglichkeit der Arbeitszeit sei faktisch durch die betriebliche Eingliederung als Werksleiter mit Führungsaufgaben - auch im Hinblick auf die Mitarbeiterführung - begrenzt. Darüber hinaus habe eine Verpflichtung bestanden, die Leistung persönlich zu erbringen, es habe eine Weisungsbefugnis gegenüber Mitarbeitern der Beigeladenen bestanden, es sei eine aktive Mitarbeit im Geschäftsfeld der Beigeladenen erfolgt, dem Kläger seien ein Pkw, ein Büro und eine eigene Software zur Verfügung gestellt worden, der Kläger sei ein Ersatz für eine fehlende Person im Betrieb gewesen, er habe kein eigenes Kapital bereitgestellt und es sei eine Eingliederung in eine bestehenden und geregelte Arbeitsorganisation erfolgt. Für eine selbständige Tätigkeit spreche hingegen, dass der Kläger nach den vertraglichen Regelungen in der Ausgestaltung der Tätigkeit hinsichtlich der täglichen Arbeitszeit nicht eingeschränkt sei, eine freie Urlaubsabsprache erfolge, keine Urlaubsvergütung bestünde, ein ausgehandeltes Pauschalhonorar für den Tageseinsatz gezahlt werde und der Kläger die Koordination hinsichtlich der Terminplanung und der inhaltlichen Gestaltung der Beratung eigenständig übernehme. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. So habe der Kläger einen direkten Vorgesetzten gehabt, dem gegenüber er berichtspflichtig gewesen sei und der ihm habe Weisungen erteilen können. Er sei nach außen als Mitarbeiter der Beigeladenen wahrgenommen worden. Es habe eine klare Eingliederung in die Arbeits- und Betriebsorganisation des Auftraggebers Vorgelegen. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.7.2012 als unbegründet zurückwies. Der Kläger hat am 06.09.2012 Klage erhoben.

Das von der Beigeladenen geführte Parallelverfahren wird beim Sozialgericht Stuttgart unter dem Aktenzeichen S 22 R 4467/12 geführt.

Der Kläger trägt vor, dass er nacheinander für mehrere Auftraggeber arbeite und daher nicht von einem Auftraggeber wirtschaftlich abhängig sei. Für seine Kunden sei es von eminenter Bedeutung, dass er sich innerhalb von nur zwei bis vier Wochen in ein Unternehmen und dessen Aufgaben einarbeiten könne, so dass schnell geeignete Maßnahmen eingeleitet werden könnten, um ein Führungsvakuum zu vermeiden. Seine Kunden würden sich an ihn wenden, wenn ihnen in Krisenzeiten die Kompetenz fehle, um anstehende und häufig existenzbedrohende Probleme aus eigener Kraft zu lösen. Insofern fungiere er als "Feuerwehrmann". Es liege in der Natur der Sache, dass sein spezielles Know-how in Verbindung mit den sehr individuellen und i.d.R. unter extremen Zeitdruck stehenden Aufgabenstellungen ein Höchstmaß an Eigenständigkeit und selbständige Arbeitsweise erfordern würden. Aufgrund der fehlenden sachlichen Kompetenz sei es auch ausgeschlossen, dass seine Auftraggeber ihm gegenüber ein Weisungsrecht hätten. Die Situation habe sich damals in der N2 B GmbH als sehr bedrohlich dargestellt und die Beigeladene habe dringende Hilfe benötigt, um die existenzbedrohenden Probleme zu lösen. Bei seinen Einsätzen sei das übliche Vorgehen so, dass er mit seinem Auftraggebern Ziele und Zeiträume für die Zielerreichung vereinbare. Er habe dann periodisch über die erzielten Fortschritte zu berichten. Anhand der erzielten Fortschritte würde dann die Qualität seiner Arbeit bewertet. Vorliegend habe er Herrn L2 berichtet, bei der N1 B GmbH selbst habe es keine ranghöhere Person gegeben, die ihm habe Weisungen erteilen können. Auch trage er selbst ein unternehmerisches Risiko im Hinblick auf Mängel seiner Leistung und übernehme gleichzeitig ein Haftungsrisiko.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 20.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2012 aufzuheben und festzustellen, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen in der Zeit vom 25.05.2010 bis 05.11.2010 nicht der durch eine abhängige Beschäftigung begründeten Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung unterfiel.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Ergänzend trägt sie vor, dass die befristete Beauftragung des Klägers zwar indiziell für eine selbständige Tätigkeit spreche, doch rücke dies in Anbetracht der Weisungsgebundenheit hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit und Dauer der Tätigkeit in den Hintergrund.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Sie wiederholt ihre bisherigen Ausführungen. Ergänzend trägt sie vor, dass sie beabsichtigt habe, mit der Unterstützung des Klägers einige notwendige und vor allem dringende Maßnahmen zur Neuausrichtung der Gesellschaft durchführen zu können.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 03.02.2015 hat die Kammer den Kläger zu den Einzelheiten der Tätigkeit befragt. Hinsichtlich der von ihm gemachten Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift vom selben Tage Bezug genommen.

Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Kopien Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Kopien aus dem beim Sozialgericht Stuttgart unter dem Aktenzeichen S 21 R 4467/12 geführten Verfahren Bezug genommen, die dem Gericht Vorgelegen haben und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 20.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2012 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Bescheid ist nicht rechtmäßig. Der Kläger ist nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung der Kammer in der Zeit vom 25.05.2010 bis 05.11.2010 keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei der Beigeladenen nachgegangen. Im Rahmen der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls sprechen die überwiegenden Argumente für die Wahrnehmung einer selbständigen Tätigkeit.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Sozialen Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) - Gesetzliche Krankenversicherung -, § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (SGB XI) - Soziale Pflegeversicherung -, § 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) - Gesetzliche Rentenversicherung § 25 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III) - Arbeitsförderung). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung als Grundlage für die Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung ist dabei die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung. Danach ist als Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis anzusehen. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (S. 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht des Arbeitgebers auch eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG, Urteil vom 18.12.2001, Az.: B 12 KR 10/01 R). Im Übrigen kann auch bei sonstigen Diensten im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung bereits "eine gewisse örtliche und zeitliche Eingliederung" des Beschäftigen genügen (BSG, Beschluss vom 16.08.2010, Az.: B 12 KR 100/09 B - bezogen auf Reinigungskräfte).

Demgegenüber ist die selbstständige Tätigkeit in erster Linie durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Die Einordnung einer Tätigkeit als abhängige oder selbständige hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.

Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 24.01.2007, Az.: B 12 KR 31/06 R und Urteil vom 29.08.2012, Az.: B 12 KR 25/10 R). Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht. Der Geschäftsführer einer GmbH ist weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.06.2014, Az.: L 8 R 939/13). Denn auch wer Arbeitgeberfunktionen ausübt, kann seinerseits bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Maßgebend ist vor allem die Bindung des Geschäftsführers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter (vgl. BSG, Urteil vom 06.03.2003, Az.: B 11 AL 25/02 R m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.). Insoweit ist von besonderer Bedeutung, ob ein Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter ist und aufgrund seiner Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH hat und damit Beschlüsse und Einzelweisungen an sich jederzeit verhindern kann (BSG, Urteil vom 08.08.1990, Az.: 1 Rar 77/89; LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.). Ist dies der Fall, ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen, weil der Geschäftsführer mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, Urteil vom 06.02.1992, Az.: 7 Rar 134/90; LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.). Darüber hinaus ist von Bedeutung, ob der Einfluss des Geschäftsführers auf die Willensbildung der GmbH aufgrund besonderer Einzelfallumstände unabhängig von seiner Gesellschafterstellung so erheblich ist, dass ihm gegenüber nicht genehme Beschlüsse und jede Weisung ausgeschlossen sind und er die Geschäfte nach eigenem Gutdünken führen, d.h. frei schalten und walten kann. Dann ist eine persönliche Abhängigkeit auch bei Diensten höherer Art zu verneinen, weil die Gesellschafter tatsächlich keinerlei Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen und sich der Geschäftsführer nur in die von ihm selbst gegebene Ordnung des Betriebes einfügt (BSG, Urteil vom 14.12.1999, Az.: B 2 U 48/98 R; LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O. und m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen überwiegen nach sorgfältiger Betrachtung der einzelnen Merkmale und Indizien nach Auffassung der Kammer die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Umstände.

Der Kläger hatte zur Überzeugung der Kammer im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen vollkommen freie Hand in der Führung der Geschicke der N1 B GmbH und hat wie ein Alleininhaber frei schalten und walten können. Er war zwar kein Gesellschafter der Beigeladenen, doch hat er maßgeblich die Geschicke der Gesellschaft beeinflusst und bestimmt. In seiner Tätigkeit als Interim-Manager und Geschäftsführer liegt gerade ein Ausnahmefall für die Annahme eines selbständig tätigen Fremdgeschäftsführers vor. Denn Sinn und Zweck der Beauftragung eines Interim-Managers war vorliegend nicht nur die Überbrückung personeller Ausfälle, nachdem der eigentliche Geschäftsführer ausgeschieden war, sondern gerade die Sanierung bestimmter Unternehmensteile und den kurzfristigen Erhalt von Spezialwissen zur Abwendung einer wirtschaftlich existenzbedrohenden Situation. Die N1 B GmbH befand sich zum Zeitpunkt der Beauftragung des Klägers in einer - von dem Kläger glaubhaft dargestellten - schwierigen Situation, da sie nicht die Kapazitäten hatte, um einen wirtschaftlich bedeutenden Auftrag zu erfüllen. Die Beauftragung des Klägers erfolgte daher, um mit seiner Erfahrung und seinen Ansätzen die Auftragserfüllung sicherzustellen und eine Neuausrichtung der Gesellschaft durchzuführen. Die Kammer ist daher davon überzeugt, dass - auch wenn rechtlich die Möglichkeit hierzu bestanden hätte - tatsächlich keine Weisungen der Gesellschafterversammlung an den Kläger erteilt worden sind und ihm zur Neuausrichtung der Gesellschaft und Verbesserung der aktuellen Situation freie Hand hinsichtlich seiner Tätigkeit und der von ihm beabsichtigten Maßnahmen erteilt worden ist. Denn aus dem Sinn und Zweck des Interim-Managements folgt gerade, dass durch die zeitlich befristete Tätigkeit neue Ansätze in die Unternehmensführung eingebracht werden sollen, um anstehende Aufgaben, die durch das bestehende Management nicht bzw. nicht zufriedenstellend gelöst werden können, zu lösen. Wenn dem Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit daher Weisungen erteilt worden wären, wäre diese dem Sinn und Zweck seines Einsatzes direkt zuwidergelaufen. Sofern die Beigeladene selber in der Lage gewesen wäre, die Kapazitäten für die Auftragserfüllung zu steigern und damit die Probleme, die den Einsatz des Klägers erforderlich gemacht haben, selber zu lösen, hätte es der Beauftragung des Klägers gar nicht bedurft. Der Kläger ist von der Beigeladenen gerade mit der Werkleitung und Geschäftsführertätigkeit in der Schwestergesellschaft beauftragt worden, da er aufgrund seines beruflichen Werdeganges und seiner Tätigkeit als Interim-Manager überein besonderes Fachwissen verfügt hat, um zeitnah als Führungskraft voll einsatzfähig zu sein und die wirtschaftlich existenzbedrohende Situation abwenden zu können. Der Kläger hat damit während seiner Tätigkeit für die Beigeladene am Arbeitsprozess nicht nur dienend, sondern bestimmend teilgenommen. Er hat nicht nur den Nutzungsgrad und die Produktivität der Maschinen gesteigert, indem er eine Kontrolle der Wirksamkeit durchgeführt hat, sondern eigenverantwortlich alle Maßnahmen ergriffen, die er für eine Neuausrichtung der Gesellschaft für erforderlich gehalten hat. Soweit sich aus dem Dienstvertrag eine Berichtspflicht ergeben hat, hat der Kläger glaubhaft dargestellt, dass dieser rein tatsächlich nicht nachgekommen ist. Die bloße Rücksprache hinsichtlich der monatlichen Ergebnisrechnung genügt diesbezüglich nicht, um von einem Weisungsrecht ausgehen zu können. Die Position des Klägers hat sich damit qualitativ wesentlich von derjenigen leitender Angestellter unterschieden, die unter dem Anreiz einer möglichen Steigerung der eigenen Bezüge sich für die Prosperität des Unternehmens einsetzen und im Übrigen auch unternehmerische (Teil-)Aufgaben wahrzunehmen haben. Im Übrigen spricht auch nicht der Einsatz eines neuen Leiters Finanzen ohne Beteiligung des Klägers für eine Weisungsgebundenheit des Klägers. Die Organisation bzw. die Führung des festen Führungskräftestabes gehörte nicht zu den Aufgaben des Klägers. Im Hinblick auf den Sinn und Zweck seines Einsatzes bei der Beigeladenen ist davon auszugehen, dass der Kläger bei allen seinen Tätigkeitsbereich tangierenden Entscheidungen die Letztentscheidungsbefugnis besessen hat. Der Kläger hat zur Überzeugung der Kammer vollständig autark die Geschicke der Gesellschaft geleitet.

Darüber hinaus hat auch der Dienstvertrag keine vertragliche Regelung über die Umsetzung der vereinbarten Ziele enthalten. Der Kläger war damit im Wesentlichen frei und ohne inhaltliche Vorgaben hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit. Auch war der Kläger frei in der Bestimmung von Arbeitsort und -zeit. Soweit im Dienstvertrag geregelt worden ist, dass der Kläger regelmäßig von Montag bis Donnerstag arbeitet, hat der Kläger klargestellt, dass dies allein auf seinen Wunsch hin erfolgt ist, um klarzustellen, dass er freitags nicht vor Ort sei. Auch die Vereinbarung einer festen Tagespauschale und der Ausschluss einer Urlaubsvergütung sowie einer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sprechen für eine selbständige Tätigkeit des Klägers.

Nach Berücksichtigung und Abwägung der unterschiedlichen Merkmale ist somit nach dem Gesamtbild von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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