L 8 BA 197/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 BA 444/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 BA 197/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 17.5.2019 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.588,27 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist im Rahmen eines Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) eine Beitragsforderung in Höhe von 16.588,27 Euro für den Zeitraum vom 1.9.2012 bis 31.12.2013 wegen einer Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) als Geschäftsführer bei der Klägerin und der daraus folgenden Versicherungspflicht.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH, Gesellschaftsvertrag v. 10.7.2012 [GV], HRB xxx, Amtsgericht [AG] N). Ihr Unternehmensgegenstand ist der Großhandel mit Produkten aller Art aus dem Bereich Videosicherheitstechnik (§ 2 GV). Das Stammkapital der Klägerin betrug zunächst 25.000 Euro und beträgt seit dem 11.9.2012 26.000 Euro (§ 3 GV).

Am Stammkapital waren der Beigeladene zu 1) zunächst in Höhe von 7.500,00 Euro (= 30 %) und Herr B I in Höhe von 17.500,00 Euro (= 70 %) beteiligt. Nach der am 11.9.2012 erfolgten Erhöhung des Stammkapitals von 25.000 Euro auf 26.000 Euro waren an diesem Herr B I mit 13.650 Geschäftsanteilen im Nennbetrag von je 1,00 Euro (= 52,5 %), die T Ltd. mit 6.500 Geschäftsanteilen im Nennbetrag von je 1,00 Euro (= 25 %) und der Beigeladene zu 1) mit 5.850 Geschäftsanteilen im Nennbetrag von je 1,00 Euro (= 22,5 %) beteiligt (s. im Handelsregister eingestellte Gesellschafterliste vom 20.8.2012).

Eine weitere Änderung der Beteiligungsverhältnisse erfolgte außerhalb des Streitzeitraums. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26.5.2014 übertrug die T Ltd. jeweils 780 Geschäftsanteile auf den Gesellschafter B I und den Beigeladenen zu 1), der danach am Stammkapital mit 25,5 % beteiligt war, der Gesellschafter I mit 55,5 % und die T Ltd. mit 19 %.

Am 10.7.2012 wurden der Beigeladene zu 1) und Herr I von der Gesellschafterversammlung zu einzelvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreiten Geschäftsführern bestellt. Von September bis Dezember 2012 erhielt der Beigeladene zu 1) eine Vergütung in Höhe von 774,19 Euro monatlich, ab Januar 2013 in Höhe von 7.674,19 Euro monatlich und eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 6.900,00 Euro.

Nach § 6 Nr. 5 S. 1 GV werden in der Gesellschafterversammlung der Klägerin Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit das Gesetz oder die Satzung nicht zwingend eine höhere Mehrheit vorschreibt). Auf je 1,00 Euro Stammeinlage entfällt eine Stimme (§ 6 Nr. 5 S. 2 GV). Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn stimmberechtigte Gesellschafter anwesend oder vertreten sind, die wenigstens 80 % des Stammkapitals besitzen (§ 6 Nr. 3 S. 1 GV). Ist diese Mehrheit nicht vorhanden, so ist eine neue Gesellschafterversammlung mit derselben Tagesordnung und unter Beachtung der Regelungen in Absatz 1 einzuberufen (§ 6 Nr. 3 S. 2 GV). Die neue Versammlung ist ungeachtet des anwesenden oder vertretenen Kapitals unbedingt beschlussfähig (§ 6 Nr. 3 S. 3 GV).

Die Klägerin und der Beigeladene zu 1) schlossen am 21.12.2012 einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag (GF-AV). Nach § 4 S. 1 dieses Vertrages war der Beigeladene zu 1) an eine bestimmte Arbeitszeit nicht gebunden. Die Arbeitszeit richtete sich nach den betrieblichen Erfordernissen und war frei und eigenverantwortlich zu gestalten (§ 4 S. 2). Der Gesellschaft mussten die gesamte Arbeitskraft und die gesamten Kenntnisse und Erfahrung zur Verfügung gestellt werden (§ 5 Abs. 1). Jedwede Nebentätigkeit, sei sie entgeltlich oder unentgeltlich, bedurfte der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung (§ 5 Abs. 2 S. 1). Die Vergütung betrug ab dem 1.1.2013 6.900,00 Euro brutto monatlich. Vereinbart wurden weiterhin eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatsgehaltes (§ 8 Abs. 1 u. 2), eine Vergütungsfortzahlung u.a. im Krankheitsfall für 6 Monate (§ 9 GF-AV), Spesen und Aufwendungsersatz (§ 10), ein Dienstwagen, auch zur Privatnutzung (§ 11), eine Versorgungszusage (§ 12), eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung (§ 13) und bezahlter Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen im Kalenderjahr.

Am 6.4.2016 begann die Beklagte eine Betriebsprüfung. In der Schlussbesprechung am 15.4.2016 erteilte der Prüfer den Hinweis, dass hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung des Beigeladenen zu 1) noch ein gesonderter Bescheid ergehen werde. Die Beklagte zog die den Beigeladenen zu 1) betreffenden Lohnkonten, die notariellen Urkunden über die Gründung der Klägerin mit dem GV und dem Geschäftsanteilsübertragungsvertrages vom 26.5.2014 sowie den GF-AV bei. Mit Schreiben vom 22.9.2016 hörte sie die Klägerin zur beabsichtigten Erteilung eines Bescheides an. Am 28.9.2016 gingen die von der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) ausgefüllten Vordrucke zur Statusbeurteilung bei Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH bei der Beklagten ein. In einem Erörterungstermin am 7.3.2017 wies diese auf noch fehlende Unterlagen hin. Nach weiterer mehrfacher Erinnerung brachte die Klägerin mit Schriftsatz vom 8.11.2017 Unterlagen zu einer vom Beigeladenen zu 1) übernommenen Bürgschaft sowie eine Kopie einer schriftlichen "Erklärung zur Verteilung der Aufgabenbereiche der W GmbH" des Gesellschafter-Geschäftsführers I vom 14.8.2012 bei. Diese hat folgenden Wortlaut:

"Erklärung zur Verteilung der Aufgabenbereiche der W GmbH:

1. Herr B I ist zuständig für alle Vertriebs- und administrativen Aufgaben. 2. Herr D L ist zuständig für die Technik und die Organisation von Seminaren, Veranstaltungen und Messen. Diese Aufgaben wird Herr L eigenverantwortlich und nach eigenem Ermessen führen. Herr I verzichtet auf jede Art seines Weisungsrechts.

Diese Erklärung ist gültig bis auf Widerruf."

Am 17.11.2017 erließ die Beklagte den streitigen Bescheid, mit dem sie für den Zeitraum vom 1.9.2012 bis zum 31.12.2013 Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 16.588,27 Euro nachforderte. Der Beigeladene zu 1) habe in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin im Zeitraum vom 1.9.2012 bis 31.12.2012 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie im Zeitraum vom 1.1.2013 bis 31.12.2013 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen.

Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.7.2018 zurück.

Mit ihrer zum Sozialgericht Aachen erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Der Beigeladene zu 1) habe den technischen Bereich der Klägerin wie ein Alleingesellschafter nach eigenem Gutdünken geführt. Zudem habe er zur Absicherung eines der Klägerin von der Kreissparkasse gewährten Darlehens eine selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von 25.000,00 Euro übernommen. Der Mitgesellschafter I habe per schriftlicher Erklärung vom 14.8.2012 erklärt, er verzichte zugunsten des Beigeladenen zu 1) widerruflich auf die Ausübung von Weisungsrechten.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 17.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.7.2018 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den angefochtenen Bescheid weiterhin für rechtmäßig gehalten.

Die Beigeladenen zu 1) bis 4) haben keinen Antrag gestellt.

Mit Urteil vom 17.5.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Gesellschafter-Geschäftsführer für die Klägerin sei im streitigen Zeitraum als abhängige und nicht als selbstständige Tätigkeit zu bewerten. Dieser habe aufgrund der von ihm gehaltenen Geschäftsanteile von zunächst 30% bzw. später 22,5% bei der erforderlichen einfachen Stimmenmehrheit keine Möglichkeit gehabt, auf die Geschicke der Klägerin maßgeblichen Einfluss zu nehmen oder Einzelanweisungen an sich als Gesellschafter zu verhindern. Hieran vermöge auch die am 10.7.2012 getroffene Abrede mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer I nichts zu ändern. Zum einen genüge diese nicht den Formerfordernissen für eine Änderung des Gesellschaftsvertrags, zum anderen sei sie jederzeit frei widerruflich gewesen. Schließlich spreche auch die Ausgestaltung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags des Beigeladenen zu 1) für eine abhängige Beschäftigung.

Gegen das ihr am 7.8.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 9.9.2019, einem Montag, Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen. Der Beigeladene zu 1) sei nicht an eine bestimmte Arbeitszeit gebunden gewesen, sondern habe diese vielmehr frei und eigenverantwortlich gestalten können (§ 4 GF-AV). Er sei einzeln zur Vertretung der Klägerin berechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen. Auch habe er in seinem Tätigkeitsbereich schalten und walten können, wie er wolle. Herr I habe ihm gegenüber sowohl auf die Ausübung von Weisungsrechten verzichtet als auch diese tatsächlich nicht ausgeübt. Aufgrund seiner Beteiligung am Stammkapital von stets mehr als 20 % habe der Beigeladene zu 1) eine ihm nicht genehme Entscheidung auf einer ersten Gesellschafterversammlung, die nur mit mindestens 80% der Stammkapitalanteile beschlussfähig gewesen sei, stets verhindern können. Im Übrigen sei die Beitragsforderung auch verjährt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 17.5.2019 zu ändern und den Bescheid vom 17.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.7.2018 aufzuheben.

Die Beklagte, die das angefochtene Urteil für zutreffend hält, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen, die zum Verhandlungstermin unter Hinweis darauf geladen worden sind, dass auch in ihrer Abwesenheit verhandelt und entschieden werden könne, stellen keine Anträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Köln vom 17.5.2019 ist nicht begründet. Der Bescheid vom 17.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.7.2018 beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da er nicht rechtswidrig ist.

Die Beklagte hat formell und materiell rechtmäßig eine Beitragsschuld der Klägerin einschließlich der Umlage UI wegen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum vom 1.9.2012 bis zum 31.12.2013 in Höhe von 16.588,27 Euro festgestellt.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV. Nach dieser Vorschrift erlassen die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber den Arbeitgebern Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

1) Der Bescheid vom 17.11.2017 ist formell rechtmäßig, insbesondere ist die Klägerin vor Erlass dieses sie belastenden Bescheides unter dem 22.9.2016 ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X]).

2) Der Bescheid ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Beigeladene zu 1) unterlag in seiner Tätigkeit bei der Klägerin im Zeitraum vom 1.9.2012 bis 31.12.2012 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung und im Zeitraum vom 1.1.2013 bis 31.12.2013 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Beklagte hat für diese Zeiträume zu Recht eine Beitragsnachforderung gegen die Klägerin in Höhe von 16.588,27 Euro festgesetzt.

a) Gem. § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d.h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d S. 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI], § 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]).

Der Beigeladene zu 1) war im Zeitraum vom 1.9.2012 bis zum 31.12.2013 bei der Klägerin gegen Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) beschäftigt.

Das Vorliegen einer Beschäftigung beurteilt sich nach § 7 Abs. 1 SGB IV, wenn - wie im vorliegenden Fall - in Bindungswirkung erwachsene (§ 77 SGG) Feststellungen zum sozialversicherungsrechtlichen Status fehlen. Hiernach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (st. Rspr., vgl. zuletzt BSG Urt. v. 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - juris Rn. 14 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG Beschl. v. 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - juris Rn. 6 ff).

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Auf dieser Grundlage ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (st. Rspr., vgl. zuletzt BSG Urt. vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - juris Rn. 15 m.w.N.).

Diese Maßstäbe gelten auch für Geschäftsführer einer GmbH (st. Rspr., vgl. zuletzt BSG Urt. v. 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - juris Rn. 14 f.). Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich bei Geschäftsführern einer GmbH aber in erster Linie danach, ob der Geschäftsführer nach der ihm zukommenden, sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmacht ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen kann, die sein Anstellungsverhältnis betreffen. Bei einem Fremdgeschäftsführer scheidet eine selbstständige Tätigkeit generell aus. Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist dagegen grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 % der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber ist eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln. Ein rein faktisches, nicht rechtlich gebundenes und daher jederzeit änderbares Verhalten der Beteiligten ist hingegen nicht maßgeblich. Dies wäre mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten, während im Fall eines Zerwürfnisses die rechtlich bestehende Weisungsgebundenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (vgl. zuletzt BSG a.a.O. m.w.N.).

Der Senat ist ausgehend von diesen Maßstäben zu der Überzeugung gelangt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer im streitigen Zeitraum in einem die Versicherungspflicht in der Sozialversicherung begründenden Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden hat.

Der Beigeladene zu 1) verfügte im Streitzeitraum über lediglich 30 % bzw. 22,5 % der Gesellschaftsanteile, während der Gesellschaftsvertrag für eine Beschlussfassung grundsätzlich die einfache Mehrheit vorsieht (§ 6 Nr. 5 S. 1 GV). Entsprechend verfügte er gesellschaftsrechtlich nicht über eine umfassende Sperrminorität und somit nicht über die Rechtsmacht, jede Weisung der Gesellschafterversammlung jederzeit verhindern zu können. Auch aus den Regelungen zur Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung in § 6 Nr. 3 GV ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nichts anderes. Aufgrund seiner Beteiligung am Stammkapital der Klägerin von mehr als 20 % hätte der Beigeladene zu 1) die Beschlussfähigkeit der ersten Gesellschafterversammlung gem. § 6 Nr. 3 S. 1 GV zwar zunächst verhindern können, jedoch nicht die der neuen Versammlung, die ungeachtet des anwesenden oder vertretenen Kapitals unbedingt beschlussfähig gewesen wäre (§ 6 Nr. 3 S. 3 GV). In dieser neuen Gesellschafterversammlung wäre sodann eine Beschlussfassung mit Weisungen an ihn möglich gewesen.

Ob die Gesellschafterversammlung ihre Rechtsmacht zu Weisungen an den Beigeladenen zu 1) wahrgenommen hat oder nicht, kann dahinstehen, da die Beantwortung dieser Frage statusrechtlich irrelevant ist. Maßgeblich für die Beurteilung ist allein die im zu beurteilenden Zeitraum bestehende Rechtsmacht (vgl. z.B. BSG Urt. v. 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - juris Rn. 23; Urt. v. 11.11.2015 - B 12 R 2/14 R - juris Rn. 39, 41; Urt. v. 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R - juris Rn. 31).

Die - ohnehin nur widerrufliche - Erklärung des Mehrheits-Gesellschafters B I vom 14.8.2012 ist schon deshalb unbeachtlich, weil es sich nicht um eine durch Gesellschaftsvertrag zustande gekommene Regelung handelt (vgl. BSG Urt. v. 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - juris Rn. 23).

Auch aus der Übernahme einer Bürgschaft durch den Beigeladenen zu 1) ergibt sich keine unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten bestehende Vergleichbarkeit mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer (vgl. BSG Urt. v. 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - juris Rn. 16).

Die hiernach gesellschaftsrechtlich bestehende Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1) gegenüber der Gesellschafterversammlung der Klägerin wird durch den zwischen ihm und der Klägerin geschlossenen GF-AV untermauert.

Die persönliche Abhängigkeit des Beigeladenen zu 1) als Beschäftigter der Klägerin kommt zunächst deutlich durch die gewählte Bezeichnung des Vertrages als "Anstellungsvertrag" zum Ausdruck. Damit korrespondierend enthält der GF-AV im Wesentlichen arbeitsvertragstypische Regelungen. Unerheblich ist, dass der Beigeladene zu 1) nach § 4 GF-AV nicht an eine bestimmte Arbeitszeit gebunden war. Eine nennenswerte Freiheit war damit ohnehin nicht verbunden, da er seine Arbeitszeit zum einen nach den betrieblichen Erfordernissen gestalten musste (§ 4 GF-AV) und zum anderen den Einsatz seiner gesamten Arbeitskraft schuldete (§ 5 Nr. 1 GF-AV) sowie arbeitnehmertypisch Anspruch auf Erholungsurlaub von lediglich 30 Arbeitstagen im Kalenderjahr hatte (§ 14 GF-AV). Die danach noch bestehenden zeitlichen Freiheiten sind typisch für einen leitenden Angestellten. In inhaltlicher Hinsicht war der Beigeladene zu 1) ausdrücklich an die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gebunden (§§ 1, 2 Nrn. 2 u. 3 GF-AV), jedwede Nebentätigkeit bedurfte der Zustimmung der Gesellschafterversammlung (§ 5 Nr. 2 GF-AV), er unterlag einem Wettbewerbsverbot (§ 6 GF-AV), er erhielt eine feste Vergütung (§ 8 GF-AV), eine Vergütungsfortzahlung u.a. bei Arbeitsunfähigkeit (§ 9 GF-AV), Spesen und Aufwendungsersatz (§ 10 GF-AV), sonstige Leistungen (§ 11 GF-AV), eine Versorgungszusage (§ 12 GF-AV) und auf sein Verlangen eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung ("D&O", § 13 GF-AV). Wegen der qualifizierten Schriftformklausel in § 17 Nr. 2 GF-AV war eine mündliche oder aufgrund abweichender Vertragspraxis konkludente Vertragsänderung des GF-AV ausgeschlossen.

Auf dieser vertraglichen Grundlage war der Beigeladene zu 1) in einem fremden Betrieb und nicht in seinem eigenen Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw. Unternehmensinhaberin war die Klägerin, die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist (vgl. § 13 Abs. 1 GmbHG) und deshalb unabhängig von den als Gesellschaftern dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss (vgl. BSG Urt. v. 29.7.2015 - B 12 R 1/15 R - juris Rn. 24 m.w.N.). Der Beigeladene zu 1) war zudem nicht alleiniger Geschäftsführer der Klägerin, sodass seine Einbindung in die vorgegebene Organisation der Klägerin auch in seiner Eigenschaft als Mitgeschäftsführer neben dem weiteren Gesellschafter-Geschäftsführer I und der internen Aufteilung der Aufgabenbereiche zwischen beiden Geschäftsführern zum Ausdruck kommt (vgl. BSG Urt. v. 29.8.2012 - B 12 R 14/10 R - juris Rn. 25). Die Auffassung der Klägerin, der Beigeladene zu 1) habe in dem ihm übertragenen Aufgabenbereich faktisch wie ein Alleininhaber nach eigenem Gutdünken schalten und walten können, ist daher schlechthin unzutreffend. Ein solcher "Alleininhaber" muss bereits denknotwendigerweise die Geschäftsführungsaufgaben nur vollständig alleine, nicht aber auf einen Teilbereich beschränkt, wahrnehmen.

Indizien, die für eine Selbständigkeit sprechen, liegen hingegen nicht in relevantem Maße vor. Weder verfügte der Beigeladene zu 1) über eine eigene Betriebsstätte, auf die er im Rahmen der hier streitigen Auftragsbeziehung zurückgegriffen hat noch trug er insbesondere ein Unternehmerrisiko. Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den von dem BSG entwickelten Grundsätzen (vgl. etwa BSG Urt. v. 25.1.2011 - B 12 KR 17/00 R - juris Rn. 24; Urt. v. 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - juris Rn. 27), denen sich der Senat in seiner ständigen Rechtsprechung bereits angeschlossen hat (vgl. z.B. Senatsurt.v. 22.4.2015 - L 8 R 680/12 - juris Rn. 122), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstmöglichkeiten gegenüberstehen (st. Rspr., vgl. zB BSG Urt. v. 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - juris Rn. 36).

Seine Arbeitskraft musste der Beigeladene zu 1) angesichts der anstellungsvertraglich vereinbarten Festvergütung nicht mit der Gefahr des Verlustes einsetzen. Die Ausübung der Tätigkeit als Geschäftsführer erforderte auch keinen substanziell relevanten, mit einem Verlustrisiko verbundenen Kapitaleinsatz. Die Übernahme einer Bürgschaft ist nicht mit einem Kapitaleinsatz verbunden, sondern führt lediglich zu einem Haftungsrisiko (vgl. auch Senatsurt. v. 29.1.2020 - L 8 BA 153/19 m.w.N.).

Keine maßgeblich für eine Selbständigkeit sprechenden Indizien stellen die Einzelvertretungsberechtigung und Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB dar (vgl. zuletzt BSG Urt. v. 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - juris Rn. 16 f), zumal ein weiterer einzelvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer vorhanden gewesen ist.

In der gebotenen Gesamtabwägung aller für und gegen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung sprechenden Merkmale und ihres Gewichts überwiegen zur Überzeugung des Senats im Gesamtbild die für die Annahme einer Beschäftigung sprechenden Indizien deutlich.

b) Tatbestände, die zur Versicherungsfreiheit des am 28.4.1973 geborenen Beigeladenen zu 1) in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung führen könnten (§§ 5 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB VI, 28 Abs. 1 Nr. 1 SGB III), sind nicht ersichtlich. Die Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 SGB V - und akzessorisch in der sozialen Pflegeversicherung (PV) gem. § 20 Abs. 1 S. 1 SGB XI - ist von der Beklagten zu Recht nur für die Zeit vom 1.1. bis 31.12.2013 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) von 52.200,00 Euro für 2013 festgestellt worden. Für die Zeit vom 1.9. bis 31.12.2012 bestand bei einem Monatsgehalt von 774,19 Euro mangels Überschreitens der JAEG für 2012 von 50.850,00 Euro bzw. von 4.237,50 Euro je Monat keine Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung.

c) Hinsichtlich der Höhe der Beitragsforderung sind Unrichtigkeiten nicht erkennbar und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden. Die Beitragsbemessungsgrenzen von 69.600,00 Euro für 2013 sind berücksichtigt worden.

Ebenfalls zu Recht ist die Nachforderung der Umlage UI (Insolvenzgeld-Umlage, §§ 358 ff SGB III, Verordnung zur Festsetzung des Umlagesatzes für das Insolvenzgeld) erfolgt. Mit dieser Umlage werden die Mittel für das von der Bundesagentur für Arbeit im Insolvenzfall des Arbeitsgebers an die Arbeitnehmer für die letzten drei Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu zahlende Insolvenzgeld aufgebracht. Arbeitnehmer im Sinne des Insolvenzgeldrechts ist der Beschäftigte gem. § 25 SGB III i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB IV (vgl. E. Schneider in: jurisPK-SGB III 2. Aufl. 2019, § 165 Rn. 29). Zutreffend legt die Berechnung - für 2013 bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze - die richtigen Umlagesätze zugrunde (2012: 0,04 %, 2013: 0,15 %).

d) Die Beitragsforderung ist auch nicht verjährt. Die Prüfung der Verjährung ist hier vorzunehmen, da die Klägerin diese Einrede erhoben hat (vgl. BSG Urt. v. 19.9.2019 - B 12 KR 21/19 R - juris Rn. 32 ff).

Ansprüche auf Beiträge verjähren gem. § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Dies wäre entsprechend für die im Jahr 2012 fälligen Sozialversicherungsbeiträge (vgl. hierzu § 23 Abs. 1 S. 2 SGB IV) der 31.12.2016 und für diejenigen des Jahres 2013 der 31.12.2017.

Die Verjährung dieser Beiträge ist jedoch gehemmt.

Gem. § 52 Abs. 1 S. 1 SGB X hemmt ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, die Verjährung dieses Anspruchs. Der Bescheid vom 17.11.2017 ist innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist für die Beiträge betreffend das Jahr 2013 erlassen worden, so dass deren Verjährung bis zum Eintritt seiner Unanfechtbarkeit gehemmt ist (§ 52 Abs. 1 S. 2 SGB X).

Die Verjährung der Beitragsforderung für das Jahr 2012 ist ebenfalls noch nicht eingetreten. Gem. § 25 Abs. 2 S. 2 SGB IV wird die Verjährung für die Dauer einer Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt. Dies gilt (nur dann) nicht, wenn die Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die prüfende Stelle zu vertreten hat (§ 25 Abs. 2 S. 3 SGB IV). Die Hemmung beginnt mit dem Tag des Beginns der Prüfung beim Arbeitgeber oder bei der vom Arbeitgeber mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung beauftragten Stelle und endet mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheides, spätestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Abschluss der Prüfung (§ 25 Abs. 2 S. 4 SGB IV).

§ 25 Abs. 2 S. 3 SGB IV (in Kraft seit 1. Januar 2001) ist § 171 Abs. 4 S. 2 Abgabenordnung (in Kraft seit 1. Januar 1977) weitestgehend wortlautgleich nachgebildet. Für diese steuerrechtliche Vorschrift ist anerkannt, dass die Ablaufhemmung nur wegfällt, wenn - wie es im Gesetz heißt - die Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Wird die begonnene Prüfung später als "unmittelbar nach ihrem Beginn" unterbrochen, berührt das die eingetretene Ablaufhemmung nicht; auch längere Unterbrechungen der Prüfung berühren die Ablaufhemmung nicht und stellen keinen Verwirkungstatbestand dar (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 1.2.2019 - L 9 KR 279/16 - juris Rn. 24 ff; Kruse in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand August 2018, § 171 AO Rn. 45 mit Hinweis auf Bundesfinanzhof Urt. v. 16.1.1979 - VIII R 149/77 - juris Rn. 20).

Vorliegend hat die Betriebsprüfung am 6.4.2016 begonnen und bis zum 8.11.2017 angedauert. Entsprechend dem Bearbeitungsverlauf ist im Verlauf der gesamten Prüfung und insbesondere unmittelbar nach deren Beginn keine von der Beklagten zu vertretene Unterbrechung von mehr als 6 Monaten eingetreten. So hat der Prüfer in der Schlussbesprechung am 15.4.2016 den Hinweis erteilt, dass hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung des Beigeladenen zu 1) noch ein gesonderter Bescheid ergehen werde. Mit gleichem Datum ist letzterer gebeten worden, den Fragebogen zur sozialversicherungsrechtlichen Feststellung auszufüllen und zurückzusenden. Ergänzend hat die Beklagte die den Beigeladenen zu 1) betreffenden Lohnkonten, die notariellen Urkunden über die Gründung der Klägerin mit dem GV und dem Geschäftsanteilsübertragungsvertrag vom 26.5.2014 sowie den GF-AV beigezogen. Die Klägerin ist am 22.9.2016 schriftlich angehört und auch auf die noch fehlenden Unterlagen des Beigeladenen zu 1) hingewiesen worden. Diese sind anschließend am 28.9.2016 eingegangen. Mit dem mittlerweile bestellten Bevollmächtigten der Klägerin ist ein Erörterungstermin am 7.3.2017 durchgeführt worden. Schließlich hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 8.11.2017 noch Unterlagen zu einer von dem Beigeladenen zu 1. übernommenen Bürgschaft sowie die "Erklärung zur Verteilung der Aufgabenbereiche der W GmbH" des Gesellschafter-Geschäftsführers I vom 14.8.2012 beigebracht.

Die danach eingetretene Hemmung vom 6.4.2016 bis 8.11.2017 bewirkt, dass der Zeitraum der Hemmung nicht in den Lauf der Verjährungsfrist miteinberechnet wird. Die Verjährungsfrist verlängert sich also um den Zeitraum der Hemmung, rechnerisch wird dieser Zeitraum sozusagen an den regulären Fristablauf "angehängt" (vgl. Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl., § 25 SGB IV (Stand: 09.01.2017), Rn. 46).

Da die Beklagte den streitbefangenen Bescheid am 17.11.2017, damit 9 Tage nach dem Abschluss der Prüfung und entsprechend ersichtlich innerhalb der verlängerten Verjährungsfrist erlassen hat, ist die Verjährungsfrist im Hinblick auf die Beitragsforderung für 2012 ebenfalls bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit gehemmt (§ 52 Abs. 1 SGB X).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind weder erstattungsfähig, noch sind diese mit Kosten zu belasten, da sie von einer Antragstellung abgesehen haben (vgl. § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Der Streitwert ist für das Berufungsverfahren gemäß § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 u. 3, 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz entsprechend der streitigen Beitragsforderung auf 16.588,17 Euro festzusetzen.
Rechtskraft
Aus
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