L 1 VE 37/18

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 8 VE 6/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 VE 37/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Kann-Versorgung bei Colitis ulcerosa
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 16. August 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat 4/5 der außergerichtlichen Kosten des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren zu erstatten. Außergerichtliche Kosten des Klägers im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Gesundheitsstörung Colitis ulcerosa als Wehrdienstbeschädigung des Klägers anzuerkennen und zu entschädigen ist.

Der 1981 in Polen geborene Kläger lebt seit seinem 5. Lebensjahr in der Bundesrepublik. Er war in der Zeit vom 2. Januar 2003 bis 1. Januar 2011 Soldat auf Zeit. In der Zeit vom 4. Dezember 2005 bis 25. März 2006 war er während des ISAF-Einsatzes in D-Stadt in Afghanistan.

Auf seinen Antrag anerkannte die Beklagte mit Bescheid vom 12. November 2007 die Gesundheitsstörung "Empfindungsstörung im linken Wangenbereich nach Osteosynthesematerialentfernung" als Folge einer Wehrdienstbeschädigung.

Am 11. März 2008 beantragte der Kläger die Anerkennung einer Colitis ulcerosa, an welcher er seit 3 Wochen nach dem Einsatz erkrankt sei, als Wehrdienstbeschädigung. Die Erkrankung sei nunmehr chronisch. Zudem liege ein psychisches Krankheitsbild vor, das ebenfalls als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen sei.

Die Beklagte holte eine versorgungsmedizinische Stellungnahme von Dr. E. vom 7. Dezember 2008, ein internistisch-gastroenterologisches Gutachten von Prof. Dr. F. vom 20. Mai 2009, ein psychiatrisches Gutachten von Dr. G. vom 10. Juli 2009 sowie eine abschließende versorgungsmedizinische Stellungnahme von Dr. E. vom 23. August 2009 ein.

Mit Bescheid vom 18. September 2009 anerkannte die Beklagte als weitere Folge einer Wehrdienstbeschädigung eine einsatzbedingte posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und gewährte dem Kläger einen Ausgleich nach § 85 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) nach einem Grad der Schädigung (GdS) von 40 ab dem 25. März 2006. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Die Darmerkrankung sei ebenfalls anzuerkennen und zu entschädigen.

Die Beklagte holte ein Gutachten von Dr. G. ein. Dieser führte unter dem 5. August 2010 aus, dass ein Zusammenhang zwischen der PTBS und der Darmerkrankung nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich sei. Dem schloss sich die Sozialmedizinerin H. in ihrer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 29. September 2010 an.

Mit Bescheid vom 7. Oktober 2010 lehnte daraufhin die Beklagte die Anerkennung einer wiederkehrenden Darmentzündung als weitere Wehrdienstbeschädigung ab. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.

Mit psychiatrischem Gutachten vom 18. März 2011 führte Dr. G. aus, dass die PTBS nahezu abgeklungen sei und die Restsymptomatik mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 zu bewerten sei.

Die Beklagte hörte daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 15. August 2011 dazu an, dass eine Teilaufhebung des Bescheides vom 19. September 2009 beabsichtigt sei.

Am 31. August 2011 stellte der Kläger einen Verschlechterungsantrag und verwies darauf, dass zusätzlich eine entzündliche rheumatische Erkrankung vorliege.

Die Beklagte holte die versorgungsmedizinische Stellungnahme von Dr. J. vom 3. Februar 2011 ein und setzte mit Bescheid vom 8. März 2012 unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 18. September 2009 einen GdS von weniger als 25 zum 1. Mai 2010 fest. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.

Dr. K. stellt in ihrer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 11. November 2012 fest, dass eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung bei dem Kläger nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen sei. Soweit man eine Colitis ulcerosa unterstelle, wäre eine Kann-Versorgung zu prüfen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2013 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 18. September 1009, 7. Oktober 2010 und 8. März 2012 zurück.

Am 14. März 2013 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Kassel Klage erhoben.

Das Sozialgericht hat gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin L. eingeholt. Dieser hat unter dem 20. Januar 2014 hinsichtlich der Colitis ulcerosa eine Kann-Versorgung bejaht und hierfür einen GdS von 20 festgestellt.

Die Sozialmedizinerin H. hat in ihrer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 30. Juni 2015 ausgeführt, dass hinsichtlich der Colitis ulcerosa kein Vollbeweis vorliege. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. Juni 2016 ist der Facharzt L. bei seiner Auffassung geblieben, dass der Vollbeweis für eine Colitis ulcerosa vorliege.

Die Sozialmedizinerin Dr. M. ist in ihrer Stellungnahme vom 6. Oktober 2016 dieser Auffassung gefolgt und hat die Anerkennung im Rahmen der Kann-Versorgung für plausibel erklärt.

Die Beklagte ist dennoch bei ihrer ablehnenden Haltung geblieben.

Das Sozialgericht hat ein weiteres Gutachten gemäß § 106 SGG von Dr. N. eingeholt. Dieser hat unter dem 5. Juni 2017 festgestellt, dass eine PTBS vorliege mit einem GdS von zunächst 40 und einem GdS von 30 ab Oktober 2010.

Hierauf hat die Beklagte mit Schreiben vom 6. April 2018 ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass sie den Änderungsbescheid vom 8. März 2012 insoweit abändere, als dass sie die anerkannte Gesundheitsstörung in "psychoreaktive Störung" umbenenne und hierfür einen GdS von 30 ab 1. Mai 2012 annehme. Dieses Anerkenntnis hat der Kläger angenommen.

Mit Urteil vom 16. August 2018 hat das Sozialgericht entschieden: Der Bescheid vom 7. Oktober 2010 in der Fassung des Bescheides vom 14. Februar 2013 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, für den Kläger eine Colitis ulcerosa als Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne von § 81 SVG festzustellen. Der Bescheid vom 18. September 2009 in der Fassung des Bescheides vom 14. Februar 2013 wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die einsatzbedingte posttraumatische Belastungsstörung und die Colitis ulcerosa Beschädigtenversorgung nach einem GdS von 50 ab dem 25. März 2006 zu gewähren. Der Bescheid vom 8. März 2012 in der Fassung des Bescheides vom 14. Februar 2013 in der Fassung des Teilanerkenntnis vom 6. April 20138 wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, für den Kläger ab dem 1. Mai 2012 insgesamt Beschädigtenversorgung nach einem GdS von 40 zu gewähren.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 19. Oktober 2018 zugestellte Urteil am 16. November 2018 vor dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dass der nötige Vollbeweis einer Colitis ulcerosa nicht vorliege. Anstelle der AHP seien die VersMedV anzuwenden. Gemäß § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG sei die Zustimmung des BMAS nötig. Mit Rundschreiben vom 7. November 2016 habe das BMAS seine allgemeine Zustimmung aufgehoben. Seitdem sei im Rahmen der versorgungsmedizinischen Begutachtung auf der Grundlage des evidenzbasierten medizinischen Wissens und unter Anwendung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu prüfen, ob die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs vorliege. Die Voraussetzungen der Kann-Versorgung gemäß Abschnitt C 4 b) bb) VersMedV seien nicht erfüllt. Die wissenschaftliche Arbeitshypothese zum ursächlichen Zusammenhang psychischer Störungen bei Ausbildung einer chronischen Darmerkrankung sei weder vom Sozialgericht noch vom Gutachter benannt worden. Die medizinische Auffassung des Gutachters sei lediglich eine persönliche Meinung und keine medizinische Lehrmeinung. Zudem hätte gemäß § 131 Abs. 2 Satz 2 SGG lediglich ein Bescheidungsurteil ergehen können.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 16. August 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Der Vollbeweis einer Colitis ulcerosa sei erbracht. Die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung lägen vor.

Der Sachverständige L. hat unter dem 28. August 2019 eine ergänzende Stellungnahme abgegeben. Erneut hat er ausgeführt, dass der Vollbeweis hinsichtlich der Colitis ulcerosa vorliege. Zur Ursächlichkeit hat er angeführt, dass die Interaktion von Psyche und Körper bekannt sei. In der Wissenschaft sei nicht bestritten, dass es Zusammenhänge zwischen Immunsystem, Hormonsystem und Psyche gäbe. Es entspreche auch der Lehrmeinung, dass der Verlauf der Colitis ulcerosa durch psychische Faktoren beeinflusst werde. Es gebe viele Arbeiten, die psychische Auffälligkeiten von Patienten mit Colitis ulcerosa beschrieben. Es gäbe allerdings keine wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür, dass psychische Faktoren konkret an der Entstehung einer Colitis ulcerosa beteiligt seien. Die Recherche in der medizinischen Datenbank MEDLINE mit den Stichwörtern PTBS und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen habe keine Treffer ergeben. Zusammenfassend hat der Sachverständige L. festgestellt, dass es keine wissenschaftliche Lehrmeinung gäbe, dass psychische Faktoren ein wesentlicher Teilfaktor für die Entstehung einer Colitis ulcerosa sein könnten. Es könne auch nicht davon gesprochen werden, dass es "eine gute Möglichkeit" für diese Zusammenhangsthese gebe. Als wissenschaftlich gesichert angesehen werden könne die These, dass das Immunsystem des Körpers durch psychische Faktoren und Stressfaktoren beeinflusst werde.

Dr. N. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27. Januar 2020 ausgeführt, dass bei noch weitgehend ungeklärter Ätiologie der Colitis ulcerosa diese als multifaktorielles Geschehen verstanden werden müsse. Hierüber bestehe wissenschaftlich Einigkeit. Eine PTBS könne bei einer genetischen Prädisposition das Auftreten einer Colitis ulcerosa begünstigen. Der Komplexität des Geschehens werde man aber sicher mit einem monokausalen Erklärungsmodell nicht gerecht. Heftige affektive Reaktionen, die das Krankheitsbild einer PTBS mitprägten, führten aber über neurovegetative Reaktionen, die auch die Darmmotilität und Durchblutung beeinflussen könnten. Vor diesem Hintergrund erscheine es angemessen, dass die seelischen Vorgänge als wesentliche Teilursache verstanden werden könnten. Zudem habe der Facharzt L. ausgeführt, dass die Wahrscheinlichkeit der Erkrankung vorliegend höher sei, da die wehrdienstabhängigen Belastungsfaktoren das Krankheitsgeschehen in Gang gesetzt hätten. Dass das Immunsystem durch psychische Faktoren und Stressfaktoren beeinflusst werde, sei wissenschaftlich nicht umstritten. Daher – so Dr. N. – seien die Voraussetzungen dafür erfüllt, dass die ursächliche Bedeutung emotionaler Einflüsse trotz mangelnder Kenntnisse der Ätiologie und Pathogenes als wahrscheinlich anzunehmen sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung konnte durch die Berichterstatterin und ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben, §§ 155 Abs. 3 und 4, 124 Abs. 2 SGG.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Zwischen den Beteiligten ist aufgrund des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 6. April 2018 der Beklagten die Bewertung der psychischen Beeinträchtigung nicht mehr streitig. Dies gilt hinsichtlich der Benennung der psychischen Erkrankung ebenso wie für die Bestimmung des hierauf bezogenen GdS.

Streitig geblieben ist hingegen, ob eine Colitis ulcerosa als Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne von § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG (Kann-Versorgung) anzuerkennen und entsprechend zu entschädigen ist.

Die Beklagte hat mit den streitigen Bescheiden zutreffend eine Kann-Versorgung nicht anerkannt.

Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ist zwar aufgrund der eingeholten Gutachten vom Vollbeweis einer Colitis ulcerosa beim Kläger auszugehen. Von einer Darstellung der Entscheidungsgründe wird insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG abgesehen.

Die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung sind hingegen nicht gegeben. Gemäß § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG kann mit Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

Gemäß Teil C 4. A) bb) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zur Kann-Versorgung gilt: "Wegen mangelnder wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen darf die ursächliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen oder Schädigungsfolgen für die Entstehung und den Verlauf des Leidens nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden können. Ein ursächlicher Einfluss der im Einzelfall vorliegenden Umstände muss in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch begründet in Erwägung gezogen werden. Ist die ursächliche Bedeutung bestimmter Einflüsse trotz mangelnder Kenntnis der Ätiologie und Pathogenese wissenschaftlich nicht umstritten, so muss gutachterlich beurteilt werden, ob der ursächliche Zusammenhang wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist."

Dabei reicht allein die theoretische Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs nicht aus. Auch genügt es nicht, wenn ein Arzt oder auch mehrere Ärzte einen Ursachenzusammenhang nur behaupten. Vielmehr ist erforderlich, dass durch eine nachvollziehbare wissenschaftliche Lehrmeinung Erkenntnisse vorliegen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang sprechen. Es darf nicht nur eine theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs bestehen. Vielmehr muss eine "gute Möglichkeit" bestehen, die sich in der wissenschaftlichen Medizin nur noch nicht so weit zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet hat, dass von gesicherten Erkenntnissen gesprochen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995, 9 RV 17/94, juris Rn 14; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30. August 2017, L 7 VE 7/14, juris Rn 43).

Den Ausführungen des Sachverständigen L. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28. August 2019 zur Ursächlichkeit ist zu entnehmen, dass zwar die Interaktion von Psyche und Körper bekannt sei. Auch sei in der Wissenschaft nicht bestritten, dass es Zusammenhänge zwischen Immunsystem, Hormonsystem und Psyche gäbe. Ferner entspreche es der Lehrmeinung, dass der Verlauf der Colitis ulcerosa durch psychische Faktoren beeinflusst werde. Allerdings gäbe es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür, dass psychische Faktoren konkret an der Entstehung einer Colitis ulcerosa beteiligt seien. Die Recherche in der medizinischen Datenbank MEDLINE mit den Stichwörtern PTBS und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen habe keine Treffer ergeben. Zusammenfassend hat er festgestellt, dass es keine wissenschaftliche Lehrmeinung dafür gäbe, dass psychische Faktoren ein wesentlicher Teilfaktor für die Entstehung einer Colitis ulcerosa sein könnten. Es könne auch nicht davon gesprochen werden, dass es "eine gute Möglichkeit" für diese Zusammenhangsthese gebe.

Auch Dr. N. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27. Januar 2020 keine entsprechende wissenschaftliche Lehrmeinung benannt, nach welcher psychische Faktoren konkret an der Entstehung einer Colitis ulcerosa beteiligt sind. Vielmehr hat er ausgeführt, dass eine PTBS bei einer genetischen Prädisposition das Auftreten einer Colitis ulcerosa begünstigen könne. Der Komplexität des Geschehens werde man aber sicher mit einem monokausalen Erklärungsmodell nicht gerecht. Heftige affektive Reaktionen, die das Krankheitsbild einer PTBS mitprägten, führten aber über neurovegetative Reaktionen, die auch die Darmmotilität und Durchblutung beeinflussen könnten. Dass das Immunsystem durch psychische Faktoren und Stressfaktoren beeinflusst werde, sei wissenschaftlich nicht umstritten. Diese Ausführungen von Dr. N. belegen jedoch nicht, dass durch eine nachvollziehbare wissenschaftliche Lehrmeinung Erkenntnisse vorliegen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang sprechen.

Darüber hinaus fehlt es vorliegend an einer Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales gemäß § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG. Mit dem Rundschreiben VI 5 – 55470 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 12. Dezember 1996 lag früher eine allgemeine Zustimmung für die Fälle einer Anerkennung im Sinne der Entstehung vor. Es sei ungewiss, ob u.a. langdauernde, schwere, tief in das Persönlichkeitsgefüge eingreifende psychische Belastungen von ursächlicher Bedeutung für die Entstehung und den Verlauf einer Colitis ulcerosa seien. Hätten solche Umstände als Schädigungstatbestände vorgelegen, seien die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung als gegeben anzusehen, wenn die ersten Symptome der Darmkrankheit während der Einwirkung der genannten Faktoren oder längstens 6 Monate danach aufgetreten seien (Anhaltspunkt für die Gutachtertätigkeit – AHP).

Mit Schreiben vom 7. November 2016 hat das BMAS diese Anerkennung jedoch gemäß § 1 Abs. 3 Satz Bundesversorgungsgesetz (BVG) - entsprechend § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG - mit sofortiger Wirkung vollständig und ersatzlos aufgehoben. Damit konnte - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - die Beklagte mangels Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung im Einvernehmen mit dem BMAS nicht zur Anerkennung der Colitis ulcerosa gemäß § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG verurteilt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt das Teilanerkenntnis der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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