L 5 AS 690/18

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 43 AS 525/14
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 690/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 365/19 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Beklagte ihm zu Unrecht die Information vorenthalten habe, wer ihn gegenüber der Agentur für Arbeit S. (im Folgenden: Agentur für Arbeit) der Schwarzarbeit bezichtigt hat.

Der Kläger bezog Arbeitslosengeld II. Von Mai bis Oktober 2011 nahm er aufgrund einer Zuweisung durch die Agentur für Arbeit eine Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung bei der Ländlichen Erwachsenenbildung K. e.V. wahr. Einsatzort war die G. Straße ... in Sa ...

Im Juli 2011 erhielt die Agentur für Arbeit eine schriftliche Anzeige, in der dem Kläger vorgeworfen wurde, er arbeite schwarz. Arbeitsort sei die G. Straße ... in Sa ... Als Absender war in dem maschinenschriftlichen Schreiben der Name D. angegeben. Die Agentur für Arbeit leitete die Anzeige an das Hauptzollamt M. weiter, das in der Folgezeit Ermittlungen aufnahm.

Daraufhin wandte der Kläger sich schriftlich an die Agentur für Arbeit und begehrte, ihm "die Identität der Hinweisgeber/Anzeigenerstatter sowie aller beteiligter Mitarbeiter der Agentur für Arbeit bekanntzugeben"; weiter beantragte er Akteneinsicht. Die Ermittlungen des Hauptzollamts hätten ergeben, dass es sich um eine falsche Anzeige gehandelt habe. Inzwischen sei bei der Staatsanwaltschaft S. ein Ermittlungsverfahren gegen seine Nachbarin E. D. als mutmaßliche Anzeigenerstatterin anhängig.

Die Agentur für Arbeit leitete dieses Schreiben an den nunmehr zuständigen Beklagten weiter. Dieser teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15. Januar 2013 mit, dass er Akteneinsicht nehmen könne; die in Rede stehende Anzeige werde dafür jedoch anonymisiert. Ausweislich eines Aktenvermerks des Beklagten fand die Akteneinsicht am 27. Februar 2013 statt.

Im Oktober 2013 wandte der Kläger sich erneut an den Beklagten und erinnerte an sein Begehren, nämlich "die Bekanntgabe der Identität des Hinweisgebers und der in dieser Angelegenheit beteiligten Mitarbeiter sowie entsprechende Akteneinsicht". Daraufhin verwies der Beklagte mit Schreiben vom 6. Dezember 2013 darauf, dass ihm bereits am 27. Februar 2013 Akteneinsicht gewährt worden sei. Dem Begehren auf Herausgabe des Namens des oder der Anzeigenden könne aufgrund einer Güterabwägung nicht entsprochen werden.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte u.a. aus, dass ihm der Name der Anzeigenerstatterin bereits bekannt sei; es handele sich "nachweislich um Frau E. D.". Er benötige jedoch eine schriftliche Bestätigung. Diesen Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2014 als unzulässig, weil es sich bei dem Schreiben vom 6. Dezember 2013 nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe. Es sei lediglich die bereits bei der Akteneinsicht am 27. Februar 2013 mündlich mitgeteilte Regelung wiederholt worden.

Mit seiner am 21. Februar 2014 beim Sozialgericht (SG) Magdeburg eingegangen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und geltend gemacht, ihm sei noch keine Akteneinsicht gewährt worden. Während des Verfahrens hat der Kläger mitgeteilt, dass er von unbekannter Seite eine nicht anonymisierte Kopie der Anzeige erhalten habe.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. September 2018 als unzulässig abgewiesen. Es hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass dem Kläger für sein Begehren auf Auskunft und Akteneinsicht das notwendige Rechtsschutzbedürfnis fehle. Sein Ziel, Auskunft über die Identität des Anzeigenerstatters zu erhalten, habe er schon außergerichtlich erreicht. Er habe selbst bereits im Widerspruchsverfahren vorgetragen, dass ihm der Name dieser Person bekannt sei und dass dieser auch "nachweislich" sei. Mehr könne er auch mit einer förmlichen Bestätigung durch den Beklagten nicht erreichen.

Der Kläger hat am 27. September 2018 Berufung eingelegt.

In der mündlichen Verhandlung vom 29. August 2019 hat die Vertreterin des Beklagten dem Kläger Einsicht in das nicht anonymisierte Original der Anzeige gewährt und erklärt, dass der Beklagte über keine weiteren Informationen zur Identität des Urhebers bzw. der Urheberin verfüge.

Nunmehr begehrt der Kläger nur noch die Feststellung, dass die ursprüngliche Ablehnung der begehrten Auskunft und der vollständigen Akteneinsicht rechtswidrig gewesen sei. Dieses Fortsetzungsfeststellungsbegehren sei zulässig, weil für das ursprünglich als Hauptantrag verfolgte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsbegehren ein Rechtsschutzbedürfnis vorgelegen habe. Dazu hat der Kläger u.a. ausgeführt, dass ihm zwar eine Mitarbeiterin des Beklagten bei dem Gespräch am 27. Februar 2013 den Namen der Anzeigenerstatterin genannt habe; dies sei aber später nicht bestätigt worden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. September 2018 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 6. Dezember 2013 rechtswidrig war, soweit darin die vollständige Akteneinsicht und Auskunft über den Namen der Anzeigenden abgelehnt wurde.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Informanten oder der Informantin bekannt gewesen sei, dass der Kläger einer geförderten Arbeitsgelegenheit nachgegangen sei. Dass die Anzeige an das Hauptzollamt weitergeleitet worden sei, beruhe auf einem Bearbeitungsfehler bei der Agentur für Arbeit. Diesen Fehler habe die zuständige Mitarbeiterin im Gespräch am 27. Februar 2013 eingeräumt und sich beim Kläger dafür entschuldigt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben worden (§ 151 SGG). Sie ist jedoch unbegründet.

Die zuletzt allein aufrecht erhaltene Fortsetzungsfeststellungsklage ist unzulässig, weil es dem Kläger am notwendigen Fortsetzungsfeststellungsinteresse fehlt. Hat sich ein Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Die Verweigerung der Auskunft über den Namen des Informanten oder der Informantin und der vollständigen Akteneinsicht stellt einen Verwaltungsakt dar (vgl. Siefert, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 25 Rn. 43; Bieresborn, ebd., § 83 Rn. 9). Es kann dahinstehen, ob diese Regelung bereits mit dem Schreiben vom 15. Januar 2013, mündlich bei der Vorsprache des Klägers am 27. Februar 2013 oder mit dem Schreiben vom 6. Dezember 2013 getroffen worden ist. Jedenfalls hat sich der Verwaltungsakt mit Gewährung der vollständigen Akteneinsicht in der mündlichen Verhandlung erledigt.

Dem Kläger fehlt aber das notwendige Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein berechtigtes Interesse i.S.v. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art sein. Es kommt insbesondere in Betracht bei einer Wiederholungsgefahr, einer Präjudiziabilität für andere Rechtsverhältnisse (v.a. zur Durchsetzung von Folgeansprüchen), einem Rehabilitationsinteresse und bei Vorliegen eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 131 Rn. 10a m.w.N.). Ein solches Interesse kann der Kläger nicht mit Erfolg für sich in Anspruch nehmen.

Eine Wiederholungsgefahr ist auszuschließen. Eine solche setzt die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 195/11 R –, juris Rn. 16). Die Entscheidung über die Preisegabe der (mutmaßlichen) Identität eines Informanten setzt jedoch eine Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls voraus (zum Prüfungsmaßstab siehe Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 4. September 2003 – 5 C 48/02 –, juris Rn. 30 f.). Insoweit war der vorliegende Fall stark von vielen individuellen Besonderheiten geprägt. Deshalb erscheint ausgeschlossen, dass noch einmal eine im Wesentlichen gleiche Entscheidungssituation eintreten kann.

Auch ein präjudizielles Interesse ist weder konkret dargelegt noch sonst zu erkennen. Gleiches gilt für ein Rehabilitationsinteresse. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es hier allein um die Verweigerung der Auskunft und der vollständigen Akteneinsicht geht, nicht um den Verdacht, der Kläger habe schwarz gearbeitet und missbräuchlich Sozialleistungen bezogen. Im Übrigen ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass er dies nicht getan hat, und der Beklagte hat sich bereits für die Weiterleitung der Anzeige an das Hauptzollamt entschuldigt, so dass auch insoweit kein Rehabilitationsbedürfnis bestünde. Allein die persönliche Genugtuung einer stattgebenden Gerichtsentscheidung rechtfertigt nicht die Annahme eines berechtigten Rehabilitationsinteresses.

Es kann dahinstehen, ob ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs nur bei solchen Verwaltungsakten in Betracht kommt, die sonst wegen ihrer typischerweise kurzfristigen Erledigung u.U. keiner gerichtlichen Überprüfung unterlägen (vgl. Keller, a.a.O.; W.-R. Schenke/R. P. Schenke, in: Kopp/ Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 113 Rn. 145). Selbst wenn man nicht von einer solchen Einschränkung ausgeht, steht hier jedenfalls kein tiefgreifender Grundrechtseingriff in Rede. Es ging dem Kläger lediglich um die amtliche Bestätigung einer Information, über die er nach seinem eigenen Vorbringen ohnehin bereits "nachweislich" verfügte.

Sonstige Umstände, die ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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