S 14 AS 3840/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 14 AS 3840/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 832/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 39/20 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Der Änderungsbescheid des Beklagten vom 24.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2012 wird insoweit aufgehoben, als das die Leistungsbewilligung der Klägerin vor dem 28.01.2011 aufgehoben wurde und ein Erstattungsbetrag von mehr als 364,83 EUR geltend gemacht wird. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die bereits erstatteten 298,49 EUR wieder auszuzahlen.

2. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung des Beklagten.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin, deren Ehemann und der gemeinsamen Tochter mit Bescheid vom 06.12.2010 für die Zeit von Januar bis Juni 2010 monatliche Leistungen i.H.v. 819,87 EUR. Hiervon entfielen auf die Klägerin monatlich 342,69 EUR. Die Klägerin und ihr Ehemann verkauften das Grundstück mit dem selbstbewohnten Eigenheim zu einem Kaufpreis von 35.000 EUR. Der Kaufpreis floss am 28.01.2011 zu. Die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin verblieb im Rahmen eines Nutzungsvertrages bis Ende April 2011 in dem Eigenheim und bezog zum Mai 2011 eine Mietwohnung. Mit Bescheid vom 24.03.2011 hob der Beklagte zunächst die Leistungsbewilligung ab März 2011 mit der Begründung auf, dass das Vermögen der Bedarfsgemeinschaft den Freibetrag von 17.700 EUR übersteige. Mit einem weiteren, nur an die Klägerin adressierten Bescheid vom 01.04.2011 wurde die Leistungsbewilligung ab 01.01.2011 aufgehoben und ein Erstattungsbetrag von 1.639,74 EUR geltend gemacht. Der hiergegen erhobene Widerspruch vom 04.04.2011 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2011 beschieden.

Am 11.03.2012 stellte die Klägerin einen Überprüfungsantrag. Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens erließ der Beklagte die Änderungsbescheide vom 24.04.2012, mit denen die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung für die einzelnen Bedarfsgemeinschaftsmitglieder individualisiert wurde. Der Erstattungsbetrag für die Klägerin wurde für Januar und Februar 2010 auf 663,32 EUR reduziert. Die an den Ehemann und die Tochter ergangenen Bescheide vom 24.04.2012 wurden später mit den Bescheiden vom 02.10.2012 wieder aufgehoben. Der Widerspruch der Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 24.04.2012 vom 03.05.2012 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2012 als unbegründet zurückgewiesen.

Dagegen hat die Klägerin am 22.10.2012 Klage erhoben. Sie trägt vor, dass der Erstattungsbetrag bereits vollständig gezahlt worden sei. Der Beklagte habe allerdings nicht berücksichtigt, dass der Kaufpreis erst am 28.01.2011 zur Verfügung gestanden habe. Diesbezüglich gelte kein Monatsprinzip, so dass der Erstattungsbetrag entsprechend zu reduzieren sei.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 01.04.2011 in der Fassung des Überprüfungsbescheides vom 24.04.2012 und in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2012 dahingehend abzuändern, dass der Bescheid des Beklagten ab dem 28.01.2011 aufgehoben wird, so dass sich der Rückforderungsbetrag von 663,32 EUR auf noch 364,83 EUR reduziert und dem Beklagten darüber hinaus zu verurteilen, an die Klägerin 298,49 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Hinblick auf die Regelung in § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II sei auf eine monatsweise Betrachtung abzustellen. Die Anrechnung des Vermögens ab dem 01.01.2010 sei dahingehend nicht zu beanstanden.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten dem zugestimmt haben.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Änderungsbescheid des Beklagten vom 24.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin teilweise in ihren Rechten.

Die Ermächtigungsgrundlage für die Entscheidung des Beklagten ergibt sich aus § 40 Sozialgesetzbuch (SGB) - Zweites Buch - (II) i.V.m. § 330 Sozialgesetzbuch (SGB) - Drittes Buch - (III) und § 48 Sozialgesetzbuch (SGB) - Zehntes Buch - (X). Hiernach ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Darüber hinaus ist nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, dass es zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde.

Im Leistungsanspruch der Klägerin ist zum 28.01.2010 eine wesentliche Änderung dahingehend eingetreten, dass ab diesem Zeitpunkt nach § 12 SGB II zu berücksichtigendes Vermögen vorhanden war, was den Leistungsanspruch der Klägerin ausgeschlossen hat. Nach § 12 Abs. 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Am 28.01.2011 floss der Klägerin und ihrem Ehemann der Kaufpreis für das Grundstück i.H.v. 35.000 EUR zu. Zu diesem Zeitpunkt ist der Vermögensschutz nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II für das selbstgenutzte Hausgrundstück weggefallen. Der Freibetrag für die Klägerin und ihren Ehemann nach § 12 Abs. 2 SGB II in einer Gesamthöhe von 17.700 EUR wurde durch das Vermögen überschritten. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann das Vermögen allerdings erst ab dem Zuflusszeitpunkt ab dem 28.01.2011 berücksichtigt werden. Eine Vermögensanrechnung ist nicht rückwirkend für den Ersten des Zuflussmonats zulässig. Denn insoweit fehlt es - anders als beim Zufluss von Einkommen - an einer abweichenden gesetzlichen Regelung über einen normativen Zuflusszeitpunkt (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.06.2013, - L 5 AS 309/09 -, juris). Für den Bezug von Einkommen ist ein normativer Zufluss in § 11 Abs. 2 und § 11 Abs. 3 SGB II geregelt. Für das Vermögen ist eine solche Regelung nicht getroffen worden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II. Hiernach wirkt der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Ersten des Monats zurück. § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II regelt nicht die Einführung des Monatsprinzips insgesamt, sondern schafft lediglich eine Rückwirkungsfiktion für den Antragsmonat. Eine weitergehende Auslegung wird schon durch den Wortlaut begrenzt. Zudem wären dann die Vorschriften in § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II und § 11 Abs. 3 Satz 1 SGB II überflüssig. Insoweit sprechen auch systematische Erwägungen gegen die vom Beklagten favorisierte sehr weite Auslegung. Dementsprechend reduziert sich der von der Klägerin nach § 50 SGB X zu erstattende Betrag auf 364,83 EUR. Den von der Klägerin bereits gezahlte Differenzbetrag von 298,49 EUR, hat der Beklagte an diese zu erstatten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Es war nach § 144 Abs. 1 SGG noch über die Zulassung der Berufung zu entscheiden, da der Streitwert unter 750 EUR lag und auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen waren. Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, da bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, auf welchen Zuflusszeitpunkt es bei der Vermögensberücksichtigung ankommt.
Rechtskraft
Aus
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