S 25 KR 363/18

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
25
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 25 KR 363/18
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte zu 1. wird unter Aufhebung des Bescheides vom 21.11.2017 und des Widerspruchsbescheides vom 20.2.2018 verurteilt, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des ursprünglichen Klägers die Kosten für die Versorgung mit der Software "Meine eigene Stimme" (Sprachaufnahmen und Erstellung der Software) vollständig – in Höhe von insgesamt 4.226,50 EUR – zu erstatten. 2. Die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage wird abgewiesen. 3. Die Beklagte zu 1. erstattet der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für die Versorgung des im Laufe des Verfahrens verstorbenen Versicherten mit dem Hilfsmittel "Meine eigene Stimme", einer Software zur Wiedergabe von über eine Tastatur o.ä. eingegebenen oder vorgefertigten Texten mit der Stimme des Betroffenen bei Verlust der Sprechfähigkeit. Bei dem Versicherten wurde im Laufe des Jahres 2017 eine Motoneuronerkrankung (auch: amyotrophe Lateralsklerose, ALS) in der Variante eines Pseudobulbärsyndroms diagnostiziert. Im März/April 2017 bemerkte der Versicherte erstmals eine lallende, verwaschene Sprache. Zur Abklärung befand er sich mehrfach in stationärer (Asklepios Klinik G. vom 12.6.2017 bis 15.6.2017, Universitätsklinikum Klinik und Poliklinik für Neurologie, 8.11.2017 bis 15.11.2017, Asklepios Klinikum H. vom 11.1.2018 bis 12.1.2018) und ambulanter Behandlung (insbesondere in der Praxis Neurologie im Juli, Oktober und Dezember 2017). Die Ärzte des Asklepios Klinikums G. beobachteten während des stationären Aufenthalts vom 12.6.2017 bis zum 15.6.2017 eine "Milde Dysarthrie, Ätiologie unklar" (Entlassungsbericht vom 6.7.2017). Im Entlassungsbericht zum Aufenthalt vom 8.11.2017 bis 15.11.2017 hielten die Ärzte des U. fest, es bestünden deutliche Hinweise auf eine Motoneuronerkrankung im Sinne einer möglichen ALS. In der neurologischen Aufnahmeuntersuchung sei eine deutliche Dysarthrie zu beobachten gewesen. Sie empfahlen aufgrund der perspektivischen Progredienz der Dysarthrie die zeitnahe Einrichtung eines Eigensprachcomputers, um ein Einsprechen zu ermöglichen. Dr. K., Neurologie, stellte mit Bericht vom 27.12.2017 die eingangs genannte Diagnose. Jedenfalls liege eine progrediente pseudobulbäre Störung vor. Für die Einzelheiten wird auf die genannten Arztberichte verwiesen.

Am 16.11.2017 beantragte der Versicherte aufgrund einer Verordnung durch seinen Allgemeinmediziner (Rezept vom 16.11.2017 aufgrund der Diagnose "ALS Bulbärparalyse") das Hilfsmittel "Meine eigene Stimme 16.99.06.3012". Zur Verwaltungsakte der Beklagten zu 1. gelangte ein Kostenvoranschlag des Anbieters des Sprechprogramms vom 14.11.2017 über 4.226,50 EUR. Mit Bescheid vom 21.11.2017 lehnte die Beklagte zu 1. gegenüber dem Versicherten den Antrag auf Kostenübernahme für eine Kommunikationshilfe ab. Das Hilfsmittel werde derzeit lediglich als präventive Maßnahme beantragt. Eine medizinische Notwendigkeit sei zum aktuellen Zeitpunkt nicht gegeben. Mit Schreiben vom 1.12.2017 erhob der Versicherte Widerspruch. Es liege eine unmittelbare Behinderungsbedrohung vor. Auf das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13.4.2011, Az.: L 9 KR 182/09, wurde verwiesen. Während des Widerspruchsverfahrens gab der Neurologe Dr. K. eine erneute ärztliche Stellungnahme ab (18.1.2018). Der Kläger leide unter der Erkrankung ALS. Im Vordergrund stehe ein Bulbär-Syndrom. Daraus resultiere schon jetzt eine Sprech- und Schluckstörung, es sei zu erwarten, dass in absehbarer Zeit ein völliger Verlust des Sprechvermögens auftreten werde. Die Kommunikation werde dann nur noch mithilfe eines Sprachcomputers möglich sein. Da dessen synthetische Stimme zu einem Verlust von Individualität in der Kommunikation führe, bestehe aus neurologischer Sicht die Notwendigkeit zum Erhalt der Gleichbehandlung gegenüber Nichtbehinderten, dass der Versicherte auf seine eigene Stimme zugreifen könne. Dies diene dem Erhalt der psychischen Gesundheit im Rahmen einer progressiven neurodegenerativen Erkrankung.

Mit Rechnung vom 19.2.2018 rechnete der Anbieter der Software gegenüber dem Versicherten für die Anfertigung des Sprechprogramms "Meine eigene Stimme" Gesamtkosten in Höhe von 4.226,50 EUR ab (Aufnahmekosten 695,50 EUR inkl. Mwst, Programmedition 3.531,- EUR inkl. Mwst.). Davon seien 2.461 EUR bereits bezahlt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.2.2018 wies die Beklagte zu 1. den Widerspruch des Versicherten zurück. Es liege derzeit noch keine Behinderung der sprachvermittelten Kommunikation vor, welche ausgeglichen werden müsse. Aus der fachärztlichen Stellungnahme vom 18.1.2018 gehe lediglich hervor, dass Sprech- und Schluckstörungen aufträten und dass in absehbarer Zeit mit einem Verlust des Sprechvermögens gerechnet werde. Die Kommunikation über die Sprache sei noch gut möglich. Eine Beeinträchtigung der Schriftsprache liege nicht vor. Die Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel komme nur in Betracht bei Personen, die sich nicht oder nur unzureichend lautsprachlich verständlich äußern könnten und nicht in der Lage seien, sich schriftlich mitzuteilen. Die Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel übersteige das Maß des Notwendigen.

Am 23.2.2018 hat der Versicherte Klage gegen die Beklagte zu 1. erhoben. Er trägt vor, die Sprachaufnahmen hätten umgehend durchgeführt werden müssen, um den Nutzen des Hilfsmittels auszuschöpfen. Die Editierung der Software habe im Anschluss auch umgehend erfolgen müssen, um eventuelle Nachaufnahmen noch vor Verlust der Sprechfähigkeit durchführen zu können. Das beantragte Hilfsmittel stelle einen unmittelbaren Behinderungsausgleich dar. Hilfsmittel zeichneten sich gerade dadurch aus, dass sie kein körpereigenes Stück seien. Tatsächlich liege ein unmittelbarer Behinderungsausgleich vor, wenn der Ausgleich von ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktionen selbst im Vordergrund stehe. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass bei einem Verlust der Sprechfähigkeit in der Regel auch die Möglichkeit zur Steuerung über Tastatur oder Augenbewegung wegfalle.

Mit Schriftsatz vom 14.3.2018 hat die Beklagte zu 1. vor dem Hintergrund der Kündigung der Mitgliedschaft durch den Versicherten angeboten, im Rahmen einer Einzelfallprüfung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht die Kosten für die Sprachaufnahmen zu übernehmen. Mit dem 31.3.2018 hat die Krankenversicherung des Versicherten bei der Beklagten zu 1. geendet, ab dem 1.4.2018 ist er bei der Beklagten zu 2. krankenversichert gewesen. Auf den in dieser Sache vom Versicherten bereits am 12.2.2018 gestellten Eilantrag hat das Sozialgericht Hamburg mit Beschluss vom 15.3.2018 die Beklagte zu 1. vorläufig verpflichtet, den Versicherten mit der Sprachsynthese-Software "Meine eigene Stimme" zu versorgen (S 25 KR 286/18 ER).

Mit Verordnung vom 3.4.2018 verordnete der behandelnde Allgemeinmediziner zulasten der Beklagten zu 2. eine umfassende Versorgung mit einem Kommunikationsgerät S. mit Augensteuerung und diversem Zubehör einschließlich der Software "Meine eigene Stimme". Gegenstand der Prüfung durch die Beklagte zu 2. war ein Kostenvoranschlag über 20.766,80 EUR (inkl. 650,- EUR für Stimmaufnahmen und 3.300,- EUR für die Programmerstellung "Meine eigene Stimme", jeweils zzgl. Mwst). Mit Bescheid vom 24.4.2018 bewilligte die Beklagte zu 2. die Versorgung mit dem Kommunikationsgerät S. nebst einiger Zubehörpositionen mit einem Abrechnungsbetrag von 15.955,44 EUR. Mit weiterem Bescheid vom 24.4.2018 lehnte die Beklagte zu 2. die Übernahme der Kosten für die Software "Meine eigene Stimme" ab.

Mit Beschluss vom 25.4.2018 hat das Landessozialgericht Hamburg (LSG) den Beschluss des Sozialgerichts vom 15.3.2018 aufgehoben und den Eilantrag des Versicherten abgelehnt (L 1 KR 33/18 B ER). Es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis und keine Eilbedürftigkeit mehr, nachdem die Beklagte zu 1. im Hauptsacheverfahren angeboten habe, die bis zum 31.3.2018 entstandenen Kosten für die präventive Aufnahme der Stimme zu übernehmen. Ab dem 1.4.2018 sei die neue Krankenversicherung Ansprechpartnerin für aktuelle Leistungsansprüche. Ein Anordnungsgrund gegenüber der Beklagten zu 1. sei daher nicht gegeben. Die bis zum 31.3.2018 für die zu diesem Zeitpunkt nötige Aufnahme der Stimme entstandenen Kosten würden von der Beklagten zu 1. übernommen. Soweit der Versicherte darauf abstelle, dass auch die Kosten für die Entwicklung der Software übernommen werden müssten, um evtl. Nachaufnahmen zu ermöglichen, verkenne er, dass dieser Anspruch in den Zuständigkeitsbereich der neu gewählten Krankenkasse falle. Mit Schreiben vom 4.5.2018 erhob der Versicherte Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten zu 2. vom 24.4.2018.

Mit Beschluss vom 2.7.2018 hat das Gericht die Beklagte zu 2. zunächst gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.2.2019 wies die Beklagte zu 2. den Widerspruch des Versicherten vom 4.5.2018 zurück. Am 15.3.2019 hat der Versicherte Klage gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten zu 2. erhoben. Diese ist zunächst unter dem Aktenzeichen S 25 KR 868/19 geführt worden. Mit Beschluss vom 29.4.2019 hat das Gericht die beiden Verfahren S 25 KR 363/18 und S 25 KR 868/19 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Beiladung der Beklagten zu 2. aufgehoben, weil sie durch die Verbindung als Beklagte ohnehin am Verfahren beteiligt sei.

Der Kläger ist am 3.6.2019 verstorben. Mit Schriftsatz vom 26.6.2019 haben die Bevollmächtigten des Versicherten mitgeteilt, dass das Verfahren von der Klägerin, seiner Ehefrau und Erbin, weitergeführt werde. Die Beklagte zu 1. hat mit Schriftsatz vom 22.8.2019 mitgeteilt, dass das Vergleichsangebot bezüglich der Kosten für die Sprachaufnahmen nicht aufrechterhalten werde.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.11.2017 und des Widerspruchsbescheides vom 20.2.2018 zu verurteilen, die Kosten für die Versorgung mit der Software "Meine eigene Stimme" vollständig in Höhe von insgesamt 4.226,50 EUR zu erstatten.

Sie beantragt bei verständiger Würdigung der Aktenlage weiterhin, die Beklagte zu 2. zu verurteilen, den Bescheid vom 24.4.2018 und den Widerspruchsbescheid vom 28.2.2019 aufzuheben und die Kosten für die Software "Meine eigene Stimme" in Höhe von 4.226,50 EUR zu erstatten.

Die Beklagte zu 1. beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 2. beantragt nach Aktenlage, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1. führt aus, aufgrund der Versorgung des Klägers mit einem Kommunikationsgerät zur Sprachausgabe durch die Beklagte 2. sei die beantragte Sprachsoftware nicht erforderlich gewesen. Jedenfalls könne ihr gegenüber keine Verpflichtung hinsichtlich der Kosten für die Programmedition bestehen. Diese Maßnahme sei während der Versicherungszeit bei der Beklagten zu 1. nicht erforderlich gewesen. Es komme allenfalls in Betracht, dass ein entsprechender Anspruch sich gegen die Beklagte zu 2. richte. Die Beklagte zu 1. verweist darauf, dass ihre Position durch den Beschluss des LSG vom 25.4.2018 im Eilverfahren L 1 KR 33/18 B ER gestützt werde.

Die Beklagte zu 2. trägt vor, bei dem beantragten Hilfsmittel handele sich um einen mittelbaren Behinderungsausgleich, weil die Stimme selbst nicht wiederhergestellt werde, sondern Texte mit der eigenen Stimme umgesetzt würden. Unter Verweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), Urteil v. 10.12.2009, Az. B 3 KR 20/08 R meint sie, es würde nicht die Körperfunktion Stimmgebrauch ersetzt, sondern eine andere Möglichkeit der Kommunikation geschaffen, denn eine Kommunikation erfordere noch eine wesentliche zusätzliche Aktion, nämlich eine manuelle Texteingabe. Es sei ein Kommunikationsgerät mit synthetischer Sprachausgabe zur Verfügung gestellt worden, die beantragte Software gehe über einen Basisausgleich hinaus, übersteige das Maß des Notwendigen und trage nicht zu einem weitergehenden Ausgleich der Behinderung bei. Sie legt eine Kopie der Entscheidung des SG Leipzig, Urteil vom 8.5.2019, S 3 KR 50/17, vor, die ihre Position stütze.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das Gericht die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen, Befundberichte der behandelnden Mediziner eingeholt und Einsicht in die aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ersichtlichen Krankenakten genommen. Im Entlassungsbericht zur tagesklinischen Vorstellung zur Verlaufskontrolle am 13.6.2018 hat das U., Kopf- und Neurozentrum, festgestellt, die Artikulation des Versicherten sei "verwaschen, [mit] nasale[m] Stimmklang". Der im weiteren Verlauf behandelnde Internist und Palliativmediziner Ho hat im Befundbericht vom 9.5.2019 mitgeteilt, der Versicherte sei bereits beim Erstkontakt am 25.7.2018 mit einem Sprachcomputer ausgestattet gewesen, weil ihm das verständliche Sprechen fast nicht mehr möglich gewesen sei. Im Verlaufsbericht vom 12.12.2018 hat der Neurologe Dr. K. festgehalten: "Zunahme des Bulbärsyndroms, Kommunikation nur mittels Sprachcomputer". Für die Einzelheiten wird auf die genannten Befundberichte verwiesen.

Die mündliche Verhandlung hat am 4.6.2020 stattgefunden. Für den Inhalt der Verhandlung wird auf das Protokoll des Termins verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Klage hat in vollem Umfang Erfolg, die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage war abzuweisen. Der für die Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag ist nach dem Gesamtzusammenhang der Erörterung im Termin und aufgrund seiner Orientierung an den von der Beklagten zu 1. erlassenen Bescheiden dahingehend auszulegen, dass er sich gegen die Beklagte zu 1. richtet. Die Aufrechterhaltung des ursprünglich im verbundenen Verfahren S 25 KR 868/19 gestellten Antrags gegen die Beklagte zu 2. ergibt sich im Rahmen der Auslegung daraus, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass eine Rücknahme der Klage gegen die Beklagte zu 2. beabsichtigt war. Der Antrag gegen die Beklagte zu 2. ist auch dahingehend auszulegen, dass er sich auf die Erstattung der konkret angefallenen Kosten richtet. Dies ergibt sich aus dem umfassenden inhaltlichen Verweis auf das bereits laufende Verfahren S 25 KR 363/18 und dem in dieser Sache zwischenzeitlich erreichten Stand der Sachdarstellung.

I. Die gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Gegenstand der Klage sind der ablehnende Ausgangsbescheid der Beklagten zu 1. vom 21.11.2017 und der Widerspruchsbescheid vom 20.2.2018 sowie das Kostenerstattungsverlangen der Klägerin, das an die Stelle der abgelehnten Leistung getreten ist. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat aus übergegangenem Recht gemäß § 58 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) i.V.m. § 13 Abs. 3 Satz 1 Var. 2, § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) einen Anspruch auf vollständige Erstattung der dem Versicherten und ursprünglichen Kläger entstandenen Kosten in Höhe von 4.226,50 EUR.

1. Die Klägerin ist als Erbin und Gesamtrechtsnachfolgerin gemäß § 58 Satz 1 SGB I in Verbindung mit § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit dem Versterben des Versicherten und ursprünglichen Klägers Inhaberin des geltend gemachten Anspruchs auf Kostenerstattung geworden. Der Anspruch ist aufgrund des anhängigen Verfahrens nicht gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 SGB I ausgeschlossen.

2. Der übergegangene Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe von 4.226,50 EUR ergibt sich aus § 13 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 SGB V. Nach dieser Vorschrift sind die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung zu erstatten, wenn die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten Kosten entstanden sind. Die Kosten sind hierbei gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz SGB V in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

a. Die Beklagte zu 1. hat den Antrag des Versicherten und ursprünglichen Klägers auf Versorgung mit der Software "Meine eigene Stimme" vom 16.11.2017 zu Unrecht abgelehnt. Der Kläger hatte einen Anspruch aus § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V auf die begehrte Leistung. Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind. Die Software "Meine eigene Stimme" war erforderlich, um die progrediente Sprachbehinderung des ursprünglichen Klägers auszugleichen.

aa. Die Versorgung mit dem Hilfsmittel "Meine eigene Stimme" war im Zeitpunkt der Ablehnung durch die Beklagte zu 1. mit Bescheid vom 21.11.2017 medizinisch erforderlich. Das Gericht verkennt nicht, dass der Versicherte zu diesem Zeitpunkt noch vergleichsweise wenig Einschränkungen bei der Körperfunktion des Sprechens hatte und eine mündliche Verständigung ohne Weiteres noch möglich war. Aufgrund der Besonderheit des Hilfsmittels ist dessen medizinische Erforderlichkeit aber bereits gegeben, wenn eine gesicherte Prognose des zukünftigen Verlustes der Sprechfähigkeit vorliegt. Die Anwendung des Hilfsmittels hängt schlechthin davon ab, dass noch ein gut ausgeprägtes Sprechvermögen vorhanden ist, weil sonst die nötigen Sprachaufnahmen der eigenen Stimme nicht durchgeführt werden können. Das Gericht ist aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen auch davon überzeugt, dass bereits im November 2017 eine gesicherte medizinische Prognose des Verlustes der Sprechfähigkeit in absehbarer Zeit zu stellen war. Die Absehbarkeit des negativen Verlaufes bereits im November 2017 ergibt sich für das Gericht insbesondere aus dem eindeutig progredienten Verlauf, der aus den Arztberichten erkennbar ist. Während die Ärzte des Asklepios Klinikums G. im Entlassungsbericht vom 6.7.2017 zum stationären Aufenthalt vom 12.6.2017 bis zum 15.6.2017 (Bestandteil der Patientenakte des U.) lediglich eine "Milde Dysarthrie, Ätiologie unklar" feststellten, konnte im U., Klinik und Poliklinik für Neurologie, im Entlassungsbericht vom 27.11.2017 zum Aufenthalt vom 8.11.2017 bis 15.11.2017 (ebd.) bereits eine "deutliche Dysarthrie" festgestellt werden, so dass von dort aus wegen der perspektivischen Progredienz die Versorgung mit einem Eigensprachcomputer empfohlen wurde. Dr. K. legte im Bericht vom 27.12.2017 (Blatt 47 der Prozessakte S 25 KR 363/18) eine moderate Dysarthrophonie nieder. Der Verlauf war auch in der Folge zügig: Am 13.6.2018 hat das U., Kopf- und Neurozentrum, festgestellt, die Artikulation des Versicherten sei "verwaschen, [mit] nasale[m] Stimmklang" (Blatt 68 der Prozessakte). Ho berichtet (Befundbericht vom 9.5.2019, Blatt 65 der Prozessakte), der Versicherte sei bereits beim Erstkontakt am 25.7.2018 mit einem Sprachcomputer ausgestattet gewesen, weil ihm das verständliche Sprechen fast nicht mehr möglich gewesen sei. Im Verlaufsbericht vom 12.12.2018 (Blatt 56 der Prozessakte) hat der Neurologe Dr. K. festgehalten: "Zunahme des Bulbärsyndroms, Kommunikation nur mittels Sprachcomputer". Es ergeben sich nach Auffassung des Gerichts demgegenüber keine Hinweise, die gegen einen absehbar negativen Verlauf hätten sprechen können. bb. Bei der Software "Meine eigene Stimme" handelt es sich um ein Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich (zur Differenzierung s. insb. BSG, Urt. v. 17.12.2009 – B 3 KR 20/08 R, Rn. 14 ff.; Urt. v. 24.1.2013 – B 3 KR 5/12 R, Rn. 30 ff.). Das BSG führt aus, von einem unmittelbaren Behinderungsausgleich, also dem unmittelbaren Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion sei auszugehen, "wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung [ ] der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist" (BSG, B 3 KR 20/08 R, Rn. 15). Demgegenüber seien die Leistungspflichten der Gesetzlichen Krankenversicherung beschränkter, "wenn die Erhaltung bzw Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich ist und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). Dann sind die Krankenkassen ständiger Rechtsprechung des Senats zufolge nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig" (BSG, B 3 KR 20/08 R, Rn. 16).

Häufige Beispiele und Erläuterungen für die Zuordnung von Hilfsmitteln zu diesen beiden Formen des Behinderungsausgleichs sind "die Brille als typische Sehhilfe, das Hörgerät als Hörhilfe, die Oberschenkelprothese als Körperersatzstück, orthopädische Schuhe als orthopädisches Hilfsmittel" (Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB, Stand: 04/18, § 33 SGB V, Rn. 62) für den unmittelbaren Behinderungsausgleich und die Ausstattung von Sehbehinderten mit Vorlesegeräten oder Braille-Lesegeräten für den mittelbaren Behinderungsausgleich (vgl. Gerlach, ebd.: "Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die Folgen der Behinderung durch Kompensation und Aktivierung anderer Sinnesorgane auszugleichen. Dieser ersetzende Ausgleich der Behinderung liegt etwa dann vor, wenn statt der Wahrnehmung durch Sehen die Wahrnehmung durch Hören oder Tasten erfolgt, wenn also ein Blinder durch akustische Signale oder mittels Brailleschrift Informationen aufnimmt."). Das Gericht ordnet die Software "Meine eigene Stimme" als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich ein (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 13.4.2011 – L 9 KR 182/09, a.A.: SG Leipzig, Urt. v. 8.5.2019 – S 3 KR 50/17). Bei dem Versicherten war der Verlust der Fähigkeit zu Sprechen zunächst prognostiziert worden und ist später eingetreten. Nur wenn man den Verlust der Sprechfähigkeit schwerpunktmäßig als einen Verlust der eigenen Stimme, also der Fähigkeit des Körpers, Laute zu produzieren, betrachtet, drängt dies die Bewertung in die Richtung des mittelbaren Behinderungsausgleichs. Die eigenständige Generierung von Lauten wird bei dieser Betrachtungsweise über den Umweg der Eingabe von Texten ersetzt, was die Bewertung intuitiv in Richtung der Mittelbarkeit drängt. Nach Auffassung des Gerichts liegt der Schwerpunkt der Betrachtung aber nicht beim Verlust der Stimme, sondern beim Verlust der individuellen akustischen Kommunikationsmöglichkeit. Kennzeichnend für den Ansatz der Software "Meine eigene Stimme" ist, dass einer der stärksten menschlichen Kommunikationskanäle, der akustische Sprachgebrauch, möglich bleibt, wo dies erforderlich ist (z.B. unter Abwesenden am Telefon) oder gerade Ausdruck der Pflege individueller, insb. auch höchstpersönlicher Beziehungen zu den Mitmenschen ist – und dabei für die anderen Kommunikationsteilnehmer die betroffene Person als Individuum erkennbar bleibt. Die Körperfunktion der individuellen, akustischen und sprachlichen Kommunikation wird durch die Software unmittelbar (teilweise) ersetzt. Der Betroffene wird dabei nicht – wie es als kennzeichnend für den mittelbaren Behinderungsausgleich angesehen wird (Beispiel s.o.: Bildschirmvorleseeinrichtung für Sehbehinderte) – für die Minderung der Folgen des Fehlens einer Körperfunktion auf einen anderen Aufnahme- oder "Sende-Kanal" verwiesen. Vielmehr bleibt die Kommunikation auf der gleichen Sinnesebene möglich. cc. Dem Anspruch auf das beantragte Hilfsmittel steht das Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 Abs. 1 SGB V nicht entgegen. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sind danach ausgeschlossen:

"Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist [ ]. Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der GKV ist eine kostenaufwendige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet" (BSG, Urt. v. 17.12.2009 – B 3 KR 20/08 R, Rn. 21). Soweit ein Wirtschaftlichkeitsvergleich im Verhältnis zu Sprachsynthesesoftware ohne individuelle Stimme angesichts des Ansatzes der Software "Meine eigene Stimme", der hier als kennzeichnend angesehen wird, überhaupt in Betracht zu ziehen ist, stünde dies dem Anspruch nicht entgegen. Der Gebrauchsvorteil der Verwendung der eigenen Stimme, die ein persönliches, weitgehend unverwechselbares Merkmal der Individualität darstellt, fällt gegenüber den – nicht ausufernden – Mehrkosten bestimmend ins Gewicht. dd. Auch wenn man der Auffassung des Gerichts bezüglich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs nicht folgt und einen mittelbaren Behinderungsausgleich annimmt, wäre die Software "Meine eigene Stimme" im Fall des ursprünglichen Klägers als sog. Basisausgleich anzusehen und als Hilfsmittel zu gewähren. In Bezug auf Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich führt das BSG in ständiger Rechtsprechung aus: "In diesem Fall hat die GKV nur für den Basisausgleich einzustehen; es geht dabei nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines nicht behinderten Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation [ ]. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme [ ]. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft [Nachweise]. Zu den Grundbedürfnissen eines jeden Menschen gehören die körperlichen Grundfunktionen (zB Gehen, Stehen, Sitzen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung) sowie die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen und die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums, wozu auch die Aufnahme von Informationen und die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung zählt" (BSG, Urt. v. 3.11.2011 – B 3 KR 4/11 R, Rn. 15). Die Unterscheidung von unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich hat dabei vor allem eine Abgrenzungsfunktion zu anderen Sozialleistungssystemen anhand der Unterscheidung von Auswirkungen der Behinderung "im gesamten täglichen Leben" gegenüber Auswirkungen in bestimmten Lebensbereichen (s. z.B. die Abgrenzung zum Ausgleich für spezielle berufliche Anforderungen oder für spezielle Sport- oder Freizeitinteressen bzw. von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in BSG, Urt. v. 25.2.2015 – B 3 KR 13/13 R, Rn. 20). Dementsprechend ist auch bei einer Einordnung der Software "Meine eigene Stimme" als Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich eine Versorgung durch die Gesetzliche Krankenversicherung möglich: Gegenstand des Ausgleichs ist das Grundbedürfnis der Kommunikation mit anderen. Dabei sind auch alle Lebensbereiche betroffen und nicht nur begrenzte, anderen Sozialleistungszweigen zugewiesene Bereiche. Die Beschränkung des Leistungsumfangs auf einen sog. Basisausgleich schließt die Versorgung mit der begehrten Software nicht aus. Wegen der durch den Einsatz der eigenen Stimme erreichten Individualität kommt der streitgegenständlichen Software eine andere, über den Ausgleichsbereich einer unpersönlichen Sprachsynthese hinausgehende Qualität zu. Es werden mehr Elemente des Grundbedürfnisses der menschlichen Kommunikation angesprochen als bei einer unpersönlichen Sprachsynthese. b. Die Klägerin hat Anspruch auf vollständige Erstattung der Kosten in Höhe von 4.226,50 EUR. Diese Kosten sind ausweislich der Rechnung des Anbieters der Software vom 19.2.2018 entstanden. Der Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V hängt nicht von einer tatsächlich geleisteten Zahlung ab. Es reicht aus, wenn der Versicherte einer wirksamen Honorarforderung des Leistungserbringers ausgesetzt ist (vgl. Helbig in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl., § 13 SGB V (Stand: 04.02.2020), Rn. 50 m.w.N).

aa. Die für die Leistung, hier also die Ausstattung mit der Sprachsoftware aufgebrachten Kosten sind in vollem Umfang zu erstatten. Die Leistung war in vollem Umfang im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz SGB V notwendig. Das Gericht folgt nicht der Auffassung der Beklagten zu 1., dass jedenfalls die Kosten für das Editieren des Sprechprogramms, also die Anpassung der Software auf die Stimme des Versicherten nach der Anfertigung der entsprechenden Aufnahmen, nicht getragen werden könnten, weil der Schritt der Programmedition während der Versicherungszeit bei der Beklagten zu 1., insbesondere zum Zeitpunkt der Ablehnung der Versorgung mit Bescheid vom 21.11.2017 und der Selbstbeschaffung der Leistung vor dem 19.2.2018, noch nicht erforderlich gewesen sei. Ausschlaggebend ist für das Gericht insoweit, dass es sich bei der Software "Meine eigene Stimme" um ein zusammenhängend unter der Nummer 16.99.06.3012 des Hilfsmittelverzeichnisses gelistetes Produkt handelt, das nach Auffassung des Gerichts auch nur als Ganzes zu gewähren oder abzulehnen ist. Das eigentliche Hilfsmittel ist dabei auch die Software, nicht die Sprachaufnahmen. Die beiden aus der Rechnung des Anbieters vom 19.2.2018 ersichtlichen Schritte der Sprachaufnahmen und der Programmedition sind nicht als verschiedene Positionen im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt. Die Durchführung der Sprachaufnahmen ist ein notwendiger und zwingend frühzeitig zu unternehmender Schritt, für das eigentliche Hilfsmittel – die Software, die auf CD ausgeliefert wird – aber lediglich eine unterstützende Maßnahme. Lediglich ergänzend ist anzuführen, dass aus Sicht des Gerichts auch der Vortrag der Klägerseite, die Programmedition habe direkt im Anschluss an die Sprachaufnahmen stattzufinden, damit ggf. erforderliche Nachaufnahmen noch vor weiterem erheblichen Verlust der Sprechfähigkeit durchgeführt werden könnten, unmittelbar plausibel ist.

bb. Die Gründe des Beschlusses des Landessozialgerichts (LSG) vom 25.4.2018 im vom Versicherten geführten Eilverfahren L 1 KR 33/18 B ER (S 25 KR 286/18 ER) sprechen nicht ausschlaggebend gegen die hier vorgenommene einheitliche Behandlung der Software "Meine eigene Stimme" ohne Aufteilung in Sprachaufnahmen einerseits und Programmedition andererseits. Im Vordergrund der Betrachtung im Eilverfahren stand die Frage der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit. Die Entscheidung des LSG ist zudem von zwei Faktoren wesentlich geprägt, die zwischenzeitlich entfallen sind oder aufgrund der späteren Aktenlage im Hauptsacheverfahren neu zu bewerten sind: Einerseits hat die Beklagte zu 1. ihr Angebot, die Kosten für die Anfertigung der Sprachaufnahmen zu erstatten, im weiteren Verlauf zurückgezogen. Andererseits greift der Verweis auf die ab 1.4.2018 bestehende Versicherung bei der Beklagten zu 2. nicht durch, weil zu diesem Zeitpunkt die Selbstbeschaffung schon abgeschlossen war. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG war den Akten noch nicht zu entnehmen, dass tatsächlich bereits vor der Entscheidung des SG (spätestens am 19.2.2018) eine Selbstbeschaffung des Hilfsmittels durch den Versicherten stattgefunden hatte. Dies ergibt sich aus der mit Schriftsatz vom 29.10.2018 von Klägerseite eingereichten Rechnung des Anbieters des Hilfsmittels vom 19.2.2018.

cc. Auch andere Gründe aus § 13 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz SGB V sprechen nicht gegen die vollständige Erstattung, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Versicherte sich eine gleiche oder ähnliche Software zur Synthetisierung der eigenen Stimme bei einem anderen Anbieter zu einem geringeren Preis hätte verschaffen können.

c. Der Versicherte hat den sog. Beschaffungsweg eingehalten. Versicherte können nach § 13 Abs. 3 SGB V nur dann Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen verlangen, wenn die Krankenkasse vor der Selbstbeschaffung über den Leistungsantrag entschieden hat (ständige Rspr. des BSG, zB Urt. v. 30.6.2009 – B 1 KR 5/09 R, Rn. 15; LSG Hamburg, Urt. v. 27.09.2012 – L 1 KR 155/11; Helbig, jurisPK-SGB V, a.a.O., § 13 Rn. 52). Es deutet nichts darauf hin, dass der Versicherte vor der Ablehnung mit Bescheid vom 21.11.2017 eine verbindliche Verpflichtung (zu deren Maßgeblichkeit s. Helbig, jurisPK-SGB V, a.a.O., § 13 Rn. 50 m.w.N.) zur Abnahme der Software mit dem Anbieter eingegangen ist. Nach Aktenlage wurde die Möglichkeit zur Versorgung mit einem Eigensprachcomputer erstmals im Rahmen des stationären Aufenthalts im U., Klinik und Poliklinik für Neurologie, vom 8.11.2017 bis 15.11.2017 aufgebracht (vgl. Entlassungsbericht vom 27.11.2017, Patientenakte des U.). Von der unmittelbar anschließenden Verordnung durch den Hausarzt am 16.11.2017 bis zur Ablehnung durch die Beklagte zu 1. vergingen lediglich 5 Tage einschließlich Wochenende.

II. Die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage ist zwar ebenfalls als Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG zulässig. Gegenstand der Klage sind der ablehnende Ausgangsbescheid der Beklagten zu 2. vom 24.4.2018 und der Widerspruchsbescheid vom 28.2.2019 sowie auch hier das Kostenerstattungsverlangen der Klägerin, das an die Stelle der abgelehnten Leistung getreten ist. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Ein Anspruch auf Sachleistung scheidet bereits gemäß § 59 Satz 1 SGB I wegen des zwischenzeitlichen Versterbens des Versicherten aus. Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2. keinen Kostenerstattungsanspruch aus § 58 SGB I i.V.m. § 13 Abs. 3 Satz 1 Var. 2, § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Bereits der für einen Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 SGB V erforderliche Primäranspruch, ein Anspruch des Versicherten gegen die Beklagte zu 2. auf Versorgung mit dem beantragten Hilfsmittel als Sachleistung, konnte nicht entstehen. Während seiner Versicherung bei der Beklagten zu 2. bestand keine Erforderlichkeit der Versorgung mit der Software "Meine eigene Stimme" im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Der Versicherte war erst ab dem 1.4.2018 bei der Beklagten versichert. Zu diesem Zeitpunkt – spätestens am 19.2.2018 – hatte er sich das Hilfsmittel bereits auf eigene Kosten verschafft (vgl. dazu oben I.2.b.bb., auch zur Einordnung der insoweit abweichenden Begründung des LSG im Eilverfahren).

III. Das Verfahren ist für die Klägerin gemäß § 183 Satz 1 und Satz 2 SGG gerichtskostenfrei. Die Entscheidung zu den außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin mit dem gegenüber den beiden Beklagten geltend gemachten Anspruch gegenüber der Beklagten zu 1. vollständig Erfolg hatte. Eine Verurteilung einer oder beider Beklagten über den einfachen Gesamtbetrag der Erstattungsforderung hinaus war jedoch nicht begehrt. Gegenüber der Beklagten zu 2. hatte die Klägerin keinen Erfolg. Die Aufwendungen der Beklagten sind nicht erstattungsfähig.
Rechtskraft
Aus
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